Jakob Lorber

Robert Blum

Sozialrevolutionär Robert Blums Erfahrungen und Führungen im Jenseits bis zu seiner Vollendung

Band 2

Text nach 2. Auflage 1929 Lorber-Verlag

Versnummerierung nach 3. Aufl. 1963, Lorber-Verlag

Anschauliche, ungekürzte Schilderung des jenseitigen Schicksals des 1848 in Wien als Sozialrevolutionär hingerichteten Robert Blum. Hochinformative und interessante Einblicke in die geistige Welt und die Weiterentwicklungsmöglichkeiten nach dem Tod.

Inhaltsverzeichnis

151. Eintritt im Hause Roberts in das Museum, eine Art Seelenfriedhof. (Am 19. Dez. 1849)

152. Wie sollen Gefangene der Materie erlöst werden? Heilsvorschlag des Franziskaners Cyprian. (Am 23. Dez. 1849)

153. Wichtige Lebenswinke. Beispiel vom Schmelzofen. Satan als Stammvater der Materie und aller Menschenseelen. Gottes Erlösungsplan. Alle sollen zur Reife kommen! (Am 26. Dez. 1849)

154. Widerliche Entdeckungen. Grabesgeheimnisse und jenseitige Kuren. Der große Sammelplatz besonderer göttlicher Gnade.

155. Das große Pyramidendenkmal. Worte Jesu an Robert. Über Geist, Seele und Leib und wahre Auferstehung des Fleisches. Erforschung der seelischen Unterwelt. (Am 4. Jan. 1850)

156. Erklärung des Pyramidendenkmals und Roberts Aufgabe dabei. Wanderung in die Unterwelt - "Mir nach!" Vom Fegefeuer, Himmel und Paradies.

157. Roberts Rückkehr und Bericht von seiner Unterwelt. Die heiligen Inschriften auf den Pyramidenstufen. Wirkung wichtiger Heilslehren auf Robert.

158. Roberts große Gottesliebe läßt ihn auf Augenblicke sein Weib vergessen. Helenas verständnisvolle, gute Rede. Ihre Scheu vor dem Allerheiligsten. Jesu stärkende Erwiderung. (Am 12. Jan. 1850)

159. Gleichnis vom Kunstmaler und seinen Schülern. Helena bleibt immer noch furchtsam. Jesu liebweise Belehrung macht sie wieder frei zur himmlischen Liebe.

160. Pater Cyprian nimmt Ärgernis an Helenas stürmischer Liebe. Jesus überführt ihn seines pfäffischen Neides. Gewaltige Donnerworte gegen Priesteranmaßung. Cyprian geht in sich.

161. Wunderbare Verwandlung der Seelenkräfte durch die Macht höchster Liebe. Robert empfängt das Kleid der Unsterblichkeit und seinen himmlischen Namen. Der Engel Sahariel als Führer.

162. Helenas Fragen an Jesus nach dem Wesen und den Bewohnern der Hölle. Jesus Antwort durch ein lebendes Beispiel. Cado, ein Höllenbürger.

163. Auftrag an Petrus und Paulus, als Beispiel höllischer Art den einstigen Beduinenhäuptling Cado vorzuführen. Vergebliche Liebesmühe des Petrus um Gewinnung des frechen Geistes. (Am 27. Jan. 1850)

164. Grundböses Wesen des Cado weist alle Liebe und Bekehrung von sich. Jesus über göttliche Züchtigung. Die Hölle muß sich selbst kurieren. (Am 1. Febr. 1850)

165. Cado im Höllenschwitzbad. Entsetzen und Erbarmen der Zuschauer. Gottes notwendig-konsequente Folgen von Ordnungsübertretungen.

166. Unerwartete Wendung. Cado wird frei und nimmt Rache. Der Häuptling lenkt ein. Echt satanischer Höllenplan.

167. Cados höllischer Trotz. Vermessener Umsturzplan des Häuptlings. Der eigentliche Höllenschlund tut sich auf.

168. Brodelnde Gewalten der Finsternis. Höllische Tücke und himmliche Wachsamkeit.

169. Höllischer Sturm gegen den Himmel. Jesu Warnung vor Ärgernis. Friedensgeister in der Höhe. Fruchtbare Wendung für die Scharen der Finsternis. (Am 18. Febr. 1850)

170. Untergang der Höllenmacht. Cado als einziger Überlebender gibt erschüttert besseren Regungen Raum. Der Geist ist willig - aber das Fleisch ist noch schwach.

171. Verändertes Szenenbild. Ballet von Höllengeistern. Cado läßt sich nicht beirren. Er verscheucht den Spuk und ruft die Gnade und Hilfe der Gottheit an. (Am 22. Febr.1850)

172. Cados Selbstbeschauung. Seine irdische Lebensgeschichte. Weitere Herzensprüfung für den Hadernden. Höllische Minerva (Satana) im Staatswagen. Cados geweihte Abwehrsteine. (Am 26. Febr. 1850)

173. Cados und Minervas Disput. Schreckensproben der Höllenfürstin. Cado rettet sich mit dem wahren Stein der Weisen. Gott Jesus ist Sieger! Sein Name - der Hölle ein Greuel! (Am 27. Febr. 1850)

174. Cados erleuchtete Weisheit gegen Minervas hochmütige Verblendung. Anerkenne den Gottmenschen Jesus - und dir wird alles lichter werden! (Am 11. März 1850)

175. Fortsetzung des Disputes zwischen Cado und Minerva. Minervas Bedingungen zur Ergebung. Cados Erwiderung. (Am 13. Marz 1850)

176. Cado erhält stärkeren Engelschutz. Sein wohlmeindendes Liebeswerben erwidert Minerva mit argen Gegenvorschlägen. Dem von oben Gefestigten zeigt die Hölle neue Schreckensbilder.

177. Minerva wittert in Cados festem Willen eine List der Gottheit. Cado erklärt ihr den wohlmeinenden Grund. Ein Kleid fällt vom Himmel und erregt Minervas weibliche Neugier. (Am 10. März 1850)

178. Minera (Satana) lenkt ein und nähert sich, von immer neuen Kostbarkeiten gelockt. Die letzten Schritte vor dem Ziel.

179. Endkampf und Wendung. Das alte, selbstherrliche stolze Urwesen Satanas kommt wieder zum Durchbruch. Cado aber gibt nicht nach. Gleichnis vom rettenden Lotsen. (Am 29. März 1850)

180.Cado macht sich's bequem und erquickt sich an Brot und Wein. Minerva (Satana) ärgert sich darüber. Cado gibt ihr deutliche Belehrungen über ihren tatsächlichen Unwert. (Am 31. März 1850)

181. Bathianyi und Miklosch über diese Szene. Minerva macht den letzten Schritt. Das herrliche Himmelsgewand als Lohn. Mögliche Folgen der vollen Erlösung Satanas.

182. Minerva findet neue Ausflüchte, denen Cado entgegentritt. Von Buße und Bekehrung. Gleichnis vom Okulieren. Hochbedeutsame Erlösungstatsachen. Robert und Sahariel treten hinzu (Am 10. April 1850)

183. Minervas Herrlichkeit im Himmelskleide. Robert und Sahariel geben sich den beiden zu erkennen. Wichtige Lehre über die Erziehung zur wahren Freiheit und Selbständigkeit. (Am 12. April 1850)

184. Sahariel über das 'Amen'. Minervas Liebesantrag an den Engelsboten und dessen weise Antwort. Gleichnis von den zwei Brunnen. Cado enthüllt die Sachlage.

185. Minerva (Satana) will sich rechtfertigen als negativer Pol. Von Cado mit Hohn widerlegt, entlarvt sie sich in ihrer ganzen Bosheit. Sahariel wendet sich mit Ernst zum Gehen. (Am 22. April 1850)

186. Minerva disputiert und rechtet weiter. Sahariels übergroße Langmut. Graf Bathianyi ärgert sich über die Unverbesserliche und wird selbst rechthaberisch. Minervas Abgang. (Am 25. April 1850)

187. Minervas (Satanas) seltsam theatralischer Abgang zu ihrem letzten Kampfe. Die hölliche Lügnerin verschwindet. Sahariel, Robert und Cado kehren heim. Jesus nimmt Cado auf.

188. Jesus mit Robert und Helena. Wiedersehen der beiden Gatten. Sie erkennen und lieben sich in ihrem beiderseits gesteigerten Werte. Ein wahres Ehepaar der Himmel. (Am 1. Mai 1850)

189. Cyprian bei Jesus. Der beste Dank. Jesu Führungsweise. Wege zu Roms Gericht. (Am 4. Mai 1850)

190. Bitte um Heil für die Erde durch die Altväter. Jesu Antwort. Von den Vorbereitungen zur Wiederkunft des Herrn. Robert und Helena mit Cado an der Pforte der Vollendung. (Am 10. Mai 1850)

191. Aufbruch zum großen Saal der Vollendung. Robert und Helena gehen vor Cado voran und finden eine verschlossene Himmelspforte. Minerva tritt wieder auf. (Am 13. Mai 1850)

192. Minerva (Satana) vor der Pforte. Derbe Begegnung mit Helena.

193. Bedeutsame indische Weisheit über Satan. Mahnung zur Geduld. Ein kleines Plätzchen ist leichter gefegt als die gesamte Schöpfung.

194. Minervas (Satanas) Lügenlehre: "Gott ist der Töpfer, ich bin das Feuer". Cados schlagende Richtigstellung und Bedrohung der Vermessenen. (Am 21. Mai 1850)

195. Minerva (Satana) und Helena. Eine heilsame Entladung. Cado über das Königtum als Zuchtrute. Wahre Achtung kommt nur durch Liebe. Minerva geht ab. (Am 24. Mai 1850)

196. Roberts und Helenas Ärger vor der Himmelspforte. Cados weiser Rat belehrt und beschämt sie. Durch die Pforte in die virtuelle Stadt Wien. (Am 26. Mai 1859)

197. Die Pforte öffnet sich und zeigt - als neue Überraschung - die Stadt Wien. Wichtige Belehrung über das Wesen jenseitiger Erscheinlichkeiten. Robert staunt über Cados Weisheit. Die Begriffe kindisch und kindlich.

198. Wiedersehen mit der früheren Gesellschaft. Deren merkwürdiges Verhalten gegenüber dem scheinbaren Cado. In Robert dämmert's. Er erkennt mit Helena den hohen göttlichen Freund.

199. Eintritt der kleinen Geselllschaft Jesu ins virtuelle Wien. Volkstümliche, echtwienerische Szenen an der Paßschranke. Der kritische Sergeant. (Am 2. Juni 1850)

200. Der Zollsergeant examiniert Jesus, wird von Ihm zurechtgewiesen und gibt der Gesellschaft freie Bahn. Ein Steuereinnehmer folgt Jesus. Den Sergeant sticht die Neugier.

201. Der Steuereinnehmer wird von Jesus aufgenommen und belehrt, der Sergeant zurückgewiesen. Missionsgang des Paulus ins Haus 'Zum guten Hirten'.

202. Paulus im Proletarierklub 'Zum guten Hirten'. Reden und Gegenreden. Der Apostel als Goldmacher. Inflationstheorie, Papiergeldschwindel und Lebenstaumel. Gleichnis vom Wettrennen.

203. Die gewonnenen sechs Geister. Werbung des Paulus um die übrigen. Über die Zeit der besonderen Gnade und die verblendende Fleischeslust. (Am 11. Juni 1850)

204. Gute Antwort Eines aus der Schar. Letzte Worte des Paulus an die Hartnäckigen. Der lustige Wiener und die derben Tiroler. Paulus ordnet den Wiener. Alle ziehen weiter. Die Ahnen des Hauses Habsburg in der Kapuzinergruft. (Am 14. Juni 1850)

205. Phantasievolle Vermutungen der Mitläufer. Neue sonderbare Begegnungen im virtuellen Wien. Die längst erworbenen Ahnen des Hauses Habsburg-Lothringen.

206. In der Kaisergruft bei den Kapuzinern. Viel Totes in den Särgen! Lebensweisheit des Humoristen, die Hauptfrage ist - Jesus! Verschiedene Ansichten über das Papsttum.

207. Anliegen der Geister der Regenten. Ihre Erzählung vom feurigen Reiter und dessen Weissagung über Weltende und Wiederkunft. Die Regenten erbitten irdische Hilfe, Paulus verheißt geistige. (Am 22. Juni 1850)

208. Weitere Belehrung der Dynasten. Gleichnis von den faulen Hirten. Dynastien sind nur der Völker wegen da. Mahnung zur Demut und Hinweis auf Jesus. (Am 25. Juni 1850)

209. Ein alter Dynast und Jesus. Erzählung vom Wunder-Merkur. Der Dynast bittet um ein echtes Wunderzeichen.

210. Jesus über Wunder und ihre Wirkung. Der Dynast erkennt Jesu Weisheit. Sein Christusbekenntnis und seine Vorbehalte. Die Dynasten beraten sich. (Am 29. Juni 1850)

211. Maria Theresia und einige andere Dynasten stimmen dem Stammvater Rudolf bei. Jesu gutes Zeugnis über Rudolf. (Am 3. Juli 1850)

212. Erweckungsrede des Paulus an die noch schlummersüchtigen Dynasten. Der Apostel zeigt ihnen ihre Regierungs-Untaten und verheißt Jesu Nachsicht und Gnade. Erfolg der Rede.

213. Ein hartnäckiger Kaiser. Rede des Paulus an ihn und Widerspruch des Starrsinnigen.

214. Lebenszeitrechnung im Jenseits. Ein weltgeschichtliches Verlangen. Gleichnis vom Taschenspieler. Der wahre Hofglanz. (7. Juli 1850)

215. Der stolze Kaiser Karl in Verlegenheit. Sein Lebensbericht. Paulus rüttelt den Hochmütigen. Regenten vor Gott. Zwiegespräch Karls mit Jesus. Endlich Gnadenbitte und Verlassen der Gruft! (Am 9. Juli 1850)

216. Geldgierige Bettelmönche am Gruftausgang. Hohe Kleriker im Stephansdom.

217. Vor dem Stephansdom. Bittrede der erlösten Dynasten zum Heile ihrer kirchlichen Amtsgenossen. Jesus über die schwierige Heilung geistlichen Hochmuts.

218. Kaiser Joseph über seine Erfahrungen mit dem kath. Klerus. Grund des frühen Todes dieses Kaisers, welcher nun als Engel des Gerichts gegen das Papsttum bestellt wird.

219. Jesus über das wahre Wesen des Erzbischofs Migatzi. Zwiegespräch zwischen letzterem und Joseph. Blick in tiefste Priesternacht. Römische Geistesschlaf-Politik. (Am 16. Juli 1850)

220. Kaiser Josephs Beispiel von der Stecknadel. Er verweist den Erzbischof Migatzi an Jesus. Migatzi erklärt das Jenseits für Trug und Joseph für geisteskrank. Joseph über die Ursache seines Todes. (Am 18. Juli 1850)

221. Migatzi gibt für die Todeskrankheit Josephs eine andere Erklärung. Er beharrt bei der Behauptung, noch im Leibesleben zu sein und verlangt Beweise über Jesus. Joseph über den Geist der Liebe als einzigen Gotteszeugen. (Am 20. Juli 1850)

222. Selbstgespräch und stille Beichte Migatzis. Er ersieht sein Nichts, möchte sich zum Herrn bekennen, fürchtet aber seine Amtsgenossen. Kaiser Joseph, in treuer Bruderliebe, hilft ihm zurecht.

223. Migatzis Amtsbrüder. Der eselhafte Präsident. Migatzis feuriges Bekenntnis zu Jesus. Jesu Urteil über das Papsttum. Antwort der Bischöfe.

224. Ohnmächtige Wut der römischen Kleriker. Ihre Unbarmherzigkeit, Habgier und Schwindelei. Donnerworte des 'Ketzerkaisers' vertreiben sie in ihre Winkel.

225. Magische Maßnahmen der Kirchenhäupter. Jesus über Glaubenserweckung. Niederlagen als Arznei gegen Hochmut. Josephs Ärger muß sich Luft machen.

226. Jesus über das katholische Meßopfer und über die angeblich ewige Verdammnis.

227. Trostvolle Aufklärungsrede Jesu über die 'unübersteigliche Kluft' und über die Vergebung von 'Todsünden'. (Am 5. Aug. 1850)

228. Der große 'Exorzismus' und die säumende Hilfe der 'Schmerzhaftesten'. Missionswerk des einfachen Kirchendieners. (Am 8. Aug. 1850)

229. Aufklärung und Wahrheitsrede des ketzerischen Kirchendieners.

230. Der Kirchendiener erteilt Roms Eminenz weitere herbe Wahrheiten.

231. Der Kirchendiener über christliche Gleichheit und kirchliche Ungleichheit. Der Katholik verdammt den 'Ketzer' zur tiefsten Hölle.

232. Jesus nimmt den guten Meßner auf und beginnt eine gewaltige Flammenkur an seinen Verdammern. Wirkungsvoller Schluß dieser Szene im Stephansdom.

233. Weiteres über das Geschick der Domkleriker. Über das Wesen der Weisheitsgeister und ihre schwere Bekehrung zur Liebe. Die Militärpatrouille im Jenseits. Militär in der geistigen Welt. (Am 21. August 1850)

234. Neue Aufgabe Roberts. Jesus über den Soldatenberuf. (Am 24. August 1850)

235. Robert hält nach anfänglichem Zaudern eine Ansprache an die Truppe und sucht ihr Klarheit zu geben über das geistige Reich.

236. Anwort des ungläubigen Offiziers. Helena mischt sich auf lerchenfelderisch ein. (Am 27. Aug. 1850)

237. Der Offizier als kräftiger Heilverkünder an die Menge. Er treibt ihre Zweifel aus und führt sie aus dem 'Tale Josaphat' zu Jesus. (Am 29. Aug. 1850)

238. Zug des Herzens des Offiziers zu dem ihm noch unbekannten Jesus, der sich dem Liebenden offenbart. (Am 30. Aug. 1850)

239. Allerlei Leute aus dem Volk stellen mit ihren Fragen und Anliegen die Geduld des Offiziers auf die Probe. (Am 1. Sept. 1850)

240. Weitere Frauen stellen mit ihren Lebensgeschichten und allerlei Anständen eine weitere Geduldsprobe für den Offizier dar. Begegnung Mathildes mit dem Offizier Peter. (Am 3. Sept. 1850)

241. Mathildes denkwürdige Lebensgeschichte interessiert den Offizier Peter. (Am 6. Sept. 1850)

242. Mathildes Lebensgeschichte traurigster Art. Ihre herbe Seelenführung. (Am 6. Sept. 1850)

243. Jesu Gnade und Barmherzigkeit erquickt die Elenden. Zwei durch die Welt Getrennte dürfen sich selig wiederfinden vor Gott. Von der Wonne des höchsten Himmels. (Am 11. Sept. 1850)

244. Der jüdische Feldwebel, ein feuriger Messiasfreund und großer Redner im Geiste Davids.

245. Liebe als Grundquell aller wahren Weisheit und Ausdruckskraft. Dichtkunst des Verstandes und des Gemüts. Bitte des Offiziers um mehr Liebe und Jesu Antwort. Die Liebe als Grundkraft der Lebensvollendung.

246. Der Feldwebel über die Quelle der höchsten Weisheit. Wink zur Sammlung des Himmelsschatzes - der Gottesliebe.

247. Liebe zu Gott und Weibern. Alle Liebe soll von der Gottesliebe ausgehen.

248. Jesus belehrt den Offizier Peter über die rechte, ausschließliche Liebe zu Gott. Gleichnis vom engen Pförtchen und der großen Bürde. Ein himmlisches Vaterunser-Gebet.

249. Jesus über das Vaterunser-Gebet. Weiblicher Platzstreit an der Vaterbrust. Helena über Gottes- und Bruderliebe. (Am 20. Sept. 1850)

250. Robert belehrt Peter über die rechte Liebesreife. Beispiele vom Phönix und der Weinkelter.

251. Peter Peters feuriger Liebesausbruch gegenüber Jesus. Abschied vom virtuellen Wien. Wer wird sich der unerweckt Zurückbleibenden annehmen?

252. Gleichnis vom streng-gerechten König, den die Liebe überwindet. (Am 24. Sept. 1850)

253. Was die Liebe tut, ist wohl getan. Lasse dich allein nur von ihr leiten! (Am 25. Sept. 1850)

254. Bitte um Segen vor dem Mahl. Über Swedenborg. Segnung des Hauses Habsburg. Einwirkung der Geister und Engel auf die Menschen. Grundgesetz der Willensfreiheit. (Am 26. Sept. 1850)

255. Liebesgeist und äußere Form. Schlußwort Jesu. Haltet euch an den Geist der Liebe! Aus Liebe kommt Weisheit, aus Weisheit Liebe - das ist die ewige Ordnung des Lebens in Gott. Den gereiften Lebenspilgern öffnet sich das Auge des Geistes für irdische Gefilde und Sphären. - Reise nach Steiermark

256. Jesus und seine Gesellschaft verläßt Wien und zieht den Alpen zu. Um Semmering. Jesus über Grenzsteine und über Land und Volk der Steiermark.

257. Gespräche auf dem Weitermarsch über alte und neue Zeit. Die Welt war nie gut, sondern immer nur einige wenige Menschen in ihr. (Am 1. Okt. 1850)

258. In Mürzzuschlag. Kaiser Josephs Frage und Jesu Antwort übers Zeitalter der Technik, in dem Glaube und Liebe und darum der wahre Segen fehlen. (Am 3.Okt. 1850)

259. Jesus mit den Sein in Frohnleiten. Liguorianisch vernagelte Geister. Am Reinerkogel bei Graz.

260. Geisterszene mit ehemaligen Aufsichtsbeamten. Jesus mit den Seinen am Reinerkogel. Heilsuchende Geister aus den Bergeshöhen. (Am 5. Okt. 1850)

261. Zustrom von Dämonen und Naturgeistern. Jesus über das Wesen der Berggeister. Jakob Lorber, der Knecht, dem Jesus durch seine Engel diktiert, mit seinen Getreuen im Gesichtskreise der heiligen Gesellschaft. (Am 6. Okt. 1850)

262. Wander-Geister aus dem Sternbild des Hasen. Licht und Liebe und ihre verschiedenen gearteten Wirkungen.

263. Drei Bischöfe von Graz auf Wolken. Ein Jesuit als Sendebote. Der von Herrschsucht geschwollene Sebastian und seine 2 besseren Kollegen Waldstein und Arko. Jesu Gericht über die Hochmutsrotte. (Am 9. Okt. 1850)

264. Die Gefangennahme des hochmütigen Sebastian durch die Friedensgeister. Die Schneedecke als Sondergericht für Meuterer gegen die Gottesordnung. (Am 12. Okt. 1850)

265. Jesus über Naturgeister und über die Sternenelemente in Menschenseelen. Wie aus Gott auch unlautere Wesen sich entwickeln können. Besuch der 17 alten Prälaten von Rein. Verschiedenerlei Arbeiter im Weinberge. ("m 14. Okt. 1850)

266. Bischöflicher Heiligenwahn. Gut ist Gott allein, alle andern Wesen sind Geschwister. Finstere Geister und arme kranke Seelen nahen sich und finden zweckvolle Behandlung. (Am 18. Okt. 1850)

267. Wer Arme aufnimmt, der nimmt Jesus auf! Heilung, Bekleidung, Speisung und Tröstung bedürftiger Seelen. Die liebende Jungfrau. (Am 19. Okt. 1850)

268. Die zwei Boten bei der neuen Maria. Gleichnis von den Kleingewächsen und der Eiche. Ein edler Herzenswiderstreit. Vom geistigen Zustand der Erde. Vollendung durch Gnade.

269. Maria staunt über die Macht und Weisheit des Himmelsboten. Jesus enthüllt Sich der Liebenden. Sie erkennt: Das blinde Herz ist verständiger als der geblildete Verstand. Große Segnung am Berge. Lob- und Dankgebet. Allerlei Geisterscharen werden belehrt.

270. Große Scharen finsterer Mönchsgeister. Auseinandersetzung mit deren drei Sendlingen über die Dreieinigkeit.

271. Die drei Sendlinge erwachen. Drei weitere Doktoren der Theologie kommen hinzu, werden als Lieblose scharf belehrt und bekommen schließlich eine Probearbeit.

272. Schwierige Mission der drei Theologen bei ihren Standesgenossen. Gleichnis vom Fernrohr. Missionsregeln. Der beste Weg.

273. Gute Missionsrede der fünf an die 30. Letztere scheuen sich, sündebeladen vor Jesus zu treten. Jesu Gnadensonne über den Reuigen. (Am 1. Nov. 1850)

274. Rote Kriegsgeister und blaugraue Maulhelden und Spaßmacher. (Am 5. Nov. 1850)

275. Robert und Peter Peter bearbeiten die blaugraue Maulhelden und Spaßmacher. Diese bekennen ihre Schwäche und entschuldigen sich. Menschen- und Gottesgericht. Ein Bote von oben. (Am 9. Nov. 1850)

276. Die Lichtblauen staunen ob der Macht des Boten, ohne ihn in seinem wahren Wesen zu erkennen. Gottesvorstellung und Gotteserkenntnis der Menschen und Geister. (Am 13. Nov. 1850)

277. Vom wahren Wesen Gottes. Die Liebe webt und wirkt in engen, aber klaren Kreisen. (Am 15. Nov. 1850)

278. Vom Ort der wahren Glückseligkeit - im Menschenherzen. Der Weg zum Himmel ist drei Spannen lang. Nicht Auffahrt, sondern Niederfahrt! (Am 17. Nov. 1850)

279. Jesu schlichte und doch machtvolle Redeweise. Näheres über den kurzen Himmelsweg. Kopfverstand und Herzenserkenntnis. Gleichnis vom Obstpflücken.

280. Die Entsprechungsbedeutung von Brot und Wein. Wissen und Tun. Ein Auftrag an die Lichtblauen. Aufstieg zur höchsten Himmelsphäre. (Am 19. Nov. 1850)

281. Aufbruch in das im gereiften Herzen Roberts sich öffnende Himmelsreich.

282. Roberts Staunen über die sich ihm darbietende neue Himmelsgegend. Seine künftige Aufgabe. Ein Gnadenbrücke und ein Gnadenhügel. (Am 22. Nov. 1850)

283. Die mit Jesu Hilfe ereichte höchste Himmelsphäre. Robert und Peter Peter begleiten mit drei Freunden Jesus zum himmlischen Jerusalem. Die Stadt der Städte und die Sonne der Sonnen.

284. Rudolfs begeisterter Vergleich zwischen himmlischen und irdischen Verhältnissen. Näheres über die himmlische Stadt und deren Bedeutung als Nährquelle der ganzen Unendlichkeit. 'Kein Auge hat es gesehen...' (Am 24. Nov. 1850)

285. Das Vaterhaus in der himmlischen Stadt. Die unsagbare Herrlichkeit und Schönheit seiner Räume und Bewohner. Dazu im Gegensatz, Jesu Schlichtheit und Innigkeit.

286. Eintritt ins Innere. Roberts Empfang als neuer Erzengel und Himmelsfürst. Seine Demut und Weisheit. Jesu Entscheid über Roberts Würdezeichen. (Am 27. Nov. 1850)

287. Die drei Kaiser erhalten ihre Reichs-Würdezeichen. Jesus über deren Bedeutung. Die große Bestimmung der Bürger des höchsten Himmels. (Am 28. Nov. 1850)

288. Von der Herrlichkeit der Kinder Gottes. Die Speisehalle des Herrn. Der große Urgarten der Schöpfung mit den himmlischen Urfrüchten. Von der Tätigkeit der Vollendeten und ihrem fortschreitenden Erkennen, bedingt durch die Liebe. (Am 29. Nov. 1850)

289. Roberts innere Beziehung zu den alten habsburgischen Kaisern. Über Erbthrone und Wahlthrone. Wichige staatspolitische Winke des Petrus. (Am 1. Dez. 1850)

290. Roberts politischer Eifer regt sich weiter. Petrus über völkische Selbsthilfe und Gotteshilfe. Jesus weiß, wann die rechte Zeit ist. (Am 3. Dez. 1850)

291. Das große Himmelsmahl und Himmelskonzert im Vaterhause. David als Musikleiter und Tonschöpfer. Der Himmelsort anderer Musikmeister.

292. Orgelkonzert mit Tonbildern. Geheimnisse des Ton- und Formenwesens. Grundgesetz aller Kräfte-Offenbarung: Kraft und Gegenkraft. (Am 7. Dez. 1850)

293. Roberts Mahnruf an die Kinder der Erde. Unterschied zwischen irdischem und himmlischem Leben. Gleichnis von den abgefallenen Baumfrüchten und vom Töpfer. Der ewige Tod.

294. Näheres über den ewigen Tod, seinen Grund und sein Wesen. Schicksal der Seelen in der dritten Hölle. Über Gerichtsandrohungen und Langmut Jesu. Herrlichster Ausblick in die gegenwärtige und zukünftige Schöpfung. (Am 11. Dez. 1850)

295. Blick durch die drei Türen der Nordwand. Endlose Weiten des Schöpfungsraumes. Blick in den Mittelgürtel der Sonne und in den Mond. Jesus erklärt das Walten Seiner Engelsdiener in den Schöpfungsgebieten. (Am 14. Dez. 1850)

296. Zur abendlichen Westwand! Blick durch die erste Türe. Eine Planetar-Mittelsonne, Mutter zahlreicher Planetarsonnen. Jesus erklärt die Einrichtung des geistigen Dioramas.

297. Blick durch die zweite Türe der Westwand. Eine Mittelsonne höheren Ranges. Staunenerregende Herrlichkeit der hier zu sehenden Städte und Bauwerke. Sind es Gebilde des Instinkts oder wahrer Weisheit?

298. Die dritte Türe der Westwand zeigt eine All-Mittelsonne. Jesus über die Ordnung der Sonnensysteme, die Lichtstärke der Sonnen und ihre Größe. Den Schauenden zeigen sich die Feuergeister der All-Mittelsonne in ihrer Tätigkeit. (Am 21. Dez. 1850)

299. Durch die erste Türe der Südwand strömt das allgewaltige Licht einer Haupt- und Urmittelsonne. Näheres über deren Riesenverhältnisse. Dort lebende Wesen als Sonnenballwerfer. (Am 26. Dez. 185O)

300. Weitere Arbeit der Feuerriesen auf der Haupt- und Urmittelsonne. Ausgeburt einer großen All-Mittelsonne. Näheres über deren Riesenverhältnisse. Dort lebende Wesen als Sonnenballwerfer. (Am 28. Dez. 1850)

301. Erschütternder Ausblick durch die zweite Mittagstüre: Das Gesamtbild der materiellen Schöpfung. Der große Schöpfungsmensch als verlorener Sohn. Dessen Wesen und Bestimmung. Gottes endloses Schöpfertum tut sich vor den Schauenden auf. (Am 30. Dez. 1850)

302. Verhältnis materieller und geistiger Größe. Gleichnis vom künstlichen Riesenkorn und natürlichen Weizenkörnlein.- Durch die dritte Mittagstüre erstrahlt das Licht einer neuen Schöpfung der ewigen Liebe. (Am 1. Jan. 1851)

303. Ausblick durch die dritte Mittags-Türe. Der große herrliche Lichtmensch der neuen Schöpfung. - Schluß (Am 2. Jan. 1851)

151. Kapitel: Eintritt im Hause Roberts in das Museum, eine Art Seelenfriedhof. (Am 19. Dez. 1849)

01 Rede Ich: "Ja, du Mein liebster Freund, wenn du schon das für einen vollkommenen Himmel ansiehst, was im Grunde noch so ganz eigentlich kein Himmel ist, sondern nur eine etwas bessere Geisterwelt, in welcher der eigentliche Himmel erst anfängt, in den Geist des Menschen einzufließen, auf daß er aus demselben heraus es neu gestaltet wird - was wirst du denn erst dann sagen, so du in den wirklichen Himmel aus dir selbst heraus eingehen wirst?

02 Ich sage dir für ganz bestimmt, daß dies alles nur ein Voranfang des Voranfanges zum Eingange ins wahre Himmelreich ist. Schau, diese Urväter, Propheten, Apostel und die Mutter Maria mit dem Joseph könntest du ja gar nicht ansehen und das Leben behalten, so sie sich dir zeigeten in ihrer eigentlichen Himmelsgestalt. Aber mache dir nur nichts daraus, denn deshalb bin Ich Selbst da, um euch alle nach und nach in den wahren Himmel einzuführen. Und Ich meine, daß Ich den besten Weg wohl am besten kennen werde!"

03 Spricht der Franziskaner: "Ja, Herr, dann ist der Robert Blum ja doch auch noch lange nicht in dem eigentlichen Himmel?" - Rede Ich: "Ja freilich noch nicht! Dies Haus ist zwar schon seinem Herzen entsprossen und ist, insoweit wir es jetzt kennen und sehen, schon so ziemlich vollendet. Aber da gibt es noch zahllose Fächer und Gemächer, die dem Robert noch ebenso unbekannt sind wie dir. Aber mit der Weile und rechten Geduld wird euch noch alles bekannt werden.

04 Nun aber begeben wir uns durch die uns gegenüberstehende große Pforte in das Museum. Alldort werden euch allen die Augen ein wenig weiter aufgetan werden."

05 Spricht der Franziskaner: "Herr, was werden wir in dem Museum denn doch wohl alles zu sehen bekommen?" - Rede Ich: "Wirst es bald ersehen! Siehe, ein Teil unserer Gäste ist schon drinnen. Du hörst doch deren unbegrenztes Erstaunen! Und wir werden sogleich uns auch darinnen befinden. Siehe nur genau durch die Pforte, die hoch und breit genug ist, und du wirst so manches zu erschauen anfangen. Sage Mir aber, was du allenfalls schon erschaust!"

06 Der Franziskaner sieht hier sehr emsig von ferne noch durch die große Pforte und sagt nach einer Weile: "Herr, das ist ganz verzweifelt sonderbar! Ich kann schauen, wie ich unr immer will, und erschaue nichts, als einen nach meinem Dafürhalten nahezu endlosen Friedhof mit einer Unzahl von Grabmälern. Wahrlich, ein sehr sonderbares Museum das! Und je näher wir der Pforte kommen, desto klarer stellt sich ein unendlicher Friedhof meinen Blicken dar. Ich sehe nun auch schon eine Menge unserer vorangeeilten Gesellschaftsglieder sich um die Denkmäler, die über den Gräbern aufgerichtet sind, herumtummeln. Aber von irgendeinem freudigen Erstaunen vernehmen meine Ohren nichts, wohl aber hie und da Ausrufe wie von großem Entsetzen. - Herr, in diesem Museum werden wir sicherlich ganz verzweifelt wenig Amüsantes (Ergötzliches) finden!"

07 Rede Ich: "Oh, sei du dessen unbesorgt! Ich sage dir: Da wirst du unaussprechlich viel und wunderbar Amüsantes finden! - Und nun schaue recht genau, da wir soeben durch die große Pforte in dies Museum eintreten, und sage Mir abermals, was du nun siehst!"

08 Spricht der Franziskaner: "Herr, was ich früher gesehen habe, das sehe ich nun auch wieder. Nur klarer und ausgeprägter tritt nun alles vor meine Augen. Aber so unsere Gäste sich schon überall herumtummeln und wie geschäftig sie sind! Mir kommen sie gerade so vor, als wie eine große Lämmerherde, die im Frühjahre zum erstenmale auf die frische Weide hinausgetrieben wird. Da gibt's des Springens und Blöckenns auch kein Ende.- Ich muß denn doch einmal so ein recht prachtvolles Grabdenkmal auch so recht fest in den Augenschein nehmen!"

09 Der Franziskaner tritt einem solchen Grabmale näher und bemerkt alsbald eine erhabene Schrift aus einer schwarzen ovalen großen Platte. Er bemüht sich, diese Schrift zu lesen, bringt aber dennoch keinen Sinn heraus, weil da einige ihm ganz Unbekannte Buchstaben vorkommen. Ganz demutsvoll wendet er sich daher an Mich und bittet Mich, daß Ich ihm dieses Grabmales Schrift lesen und erläutern möchte.

10 Ich aber sage zu ihm: Mein Freund, so wir in diesem Museum eines jeden Grabmales Denkschrift lesen und sie aus dem Gelesenen entziffern wollten, da hätten wir die ganze Ewigkeit vollauf allein nur damit zu tun. Und es wäre dies gerade solch eine Arbeit, wie wenn du berechnen wolltest, wieviel Samenkörner für eine künftige Fortpflanzung, die ins vollkommen unendliche geht, schon in einem Samenkorne sich befinden. Siehe, um solche unendliche Dinge zu begreifen, muß man nie beim Einzelnen anfangen, auch nicht bei dem Gegenstande, den man ergründen möchte, sondern allemale ganz einfach bei sich selbst. Verstehst du dein eigen Wesen, so wirst du auf alles andere verstehen und ergründen können. Aber solange du dir selbst nicht zur vollsten Klarheit geworden bist, da kann auch alles andere in dir zu keiner Klarheit werden. Wenn das Auge blind ist, woher soll der Mensch dann ein Licht bekommen und wissen, woraus er steht und was ihn umgibt. Ist aber das Auge hell, dann ist auch alles hell im Menschen und um den Menschen herum. Und geradeso ist es auch hier mit dem Geistmenschen.

11 Die Seele, als die eigentliche äußere substanzielle Form des Menschen, hat in sich eigentlich gar kein Licht, außer das, welches von außen in sie hineindringt von anderen Wesen, die schon lange ein eigenes inneres Licht haben, und ihr Erkennen ist darum auch nur ein stückweises. Denn welche Teile (des seelischen Weltbildes) in ihr gerade unter den Brennpunkt eines von außen dringenden Strahles zu stehen kommen, die werden dann von der Seele auch in ihrer Einzelheit erkannt und also beurteilt, wie sie sich der Seele (als erleuchtet) vorstellen. Fällt das Licht aber von irgendeinem Tei auf einen andern Teil, so tritt dadurch eine volle Vergessenheit des früher Gesehenen ein und etwas ganz anderes taucht dann wie ein Meteor in der Seele auf und wird von ihr so lange erkannt und beurteilt, als es sich im Lichte befindet. Weicht durch eine Wendung das von außen hereindringende Licht auch wieder vom zweiten erleuchtet gewesenen Teile, dann ist es auch mit dem Verständnisse der Seele über den zweiten erleuchteten Teil aus. Und so könnte die Seele eine Ewigkeit um die andere sich von außen her in einem fort erleuchten lassen und würde nach einer Ewigkeit doch immer noch auf demselben Erkenntnispunkte stehen, auf welchem sie zuvor gestanden ist.

12 Aber etwas anderes und für dich noch ganz Unbegreifliches ist es, so in der Seele der eigentliche, lebendige Geist vollkommen auftaucht und die ganze Seele von innen heraus auf das hellste erleuchtet. Das ist dann ein ewiges, hellstes Licht, das da nimmer erlischt und alle endlosen Teile in der Seele durch und durch erleuchtet, ernährt und wachsen und vollkommen sich entfalten macht. So also das in der Seele bewerkstelligt wird, dann braucht die Seele nicht mehr einzelne Teile zu lernen, sondern da ist dann alles auf einmal in der Seele zur vollen Klarheit gediehen. Und der also völlig wiedergeborene Geistmensch braucht dann nicht mehr zu fragen und zu sagen: »Herr, was ist dies und was ist jenes?" Denn der also Wiedergeborene dringt dann selbst in alle Tiefen Meiner göttlichen Weisheit.

13 Damit du aber die Wahrheit des dir nun Gesagten desto gründlicher einsehen mögest, so will Ich dir nun auch diese Schrift lesen. Und du wirst dadurch sogleich tausend Fragen in dir entstehen sehen. Und so habe denn acht! Denn so lautet das hier Geschriebene:

14 »Die Ruhe ruht gleich dem Tode tatlos. Aber dies Ruhen ist dennoch kein Ruhen, sondern eine Hemmung der Bewegung. Räumet hinweg die Hemmpunkte, und die Ruhe wird wieder zur Bewegung. Die Bewegung selbst aber ist dennoch keine Bewegung, sondern ein Suchen eines Ruhepunktes. Und ist der Ruhepunkt gefunden und die Bewegung zur Ruhe geworden, dann ist die Ruhe wieder keine Ruhe, sondern ein fortwährendes Streben nach der Bewegung, die auch sobald wieder erfolgt, als die Hemmpunkte hinwegeschafft werden, durch die aus der Bewegung eine Ruhe ward. Und so gibt es eine Ruhe ohne Ruhe und eine Bewegung ohne Bewegung. Die Ruhe ist eine Bewegung, und die Bewegung ist eine Ruhe. Ja, es gibt im Grunde weder eine Ruhe noch eine Bewegung. Denn beide heben sich fortwährend auf, so wie eine gleich bejahende und eine gleich verneinende Größe. - O Welt, die du unter diesem Steine ruhest, du ruhest nicht, sondern bewegest dich in deinem Bestreben, das da ist deine sündige Schwere. Jetzt reifest du dem Leben entgegen. Deine Hemmbande suchst du unablässig zu zerreißen. Und so sie zerrissen sein werden, dann wirst du hinaus ins Unendliche stürzen und wirst im Unendlichen wieder suchen, was du nun hast. - Ein Leben weilt, ein Leben flieht; aber das weilende will fliehen, und das fliehende sucht die Weile. - Gott, Du Urquell des wahren Lebens, gib der Ruhe die wahre Ruhe und der Bewegung die wahre Bewegung!«

15 Sage Mir nun, hast du diese Inschrift verstanden?" Spricht der Franziskaner: "Herr, das war für mich rein japanisch! Mehr kann ich mir darüber nicht sagen. Aber erläutere uns das doch ein wenig mehr!"

152. Kapitel: Wie sollen Gefangene der Materie erlöst werden? Heilsvorschlag des Franziskaners Cyprian. (Am 23. Dez. 1849)

01 Rede Ich: "Siehe, das erläutert dir das Gefühl deinem eigenen Lebens, dem Ruhe und Bewegung zu gleichen Teilen beigegeben ist! - Du kannst natürlicherweise gehen und stehen, sitzen oder gar liegen. So du lange irgend umhergegangen und dadurch etwas müde geworden bist, was für ein Bedürfnis empfindet dann dein Leben?" - (Antwort: "Nach Ruhe!") Gut, sage Ich dir, und du suchst dann auch Ruhe und nimmst dir dieselbe. So du aber wieder völlig ausgeruht hast und siehst muntere Bewegung um dich her - etwa eine Herde muntere Lämmer, ihre lebensfrohen Hirten, die Vöglein von Ast zu Ast durch die bewegte reine Luft schlüpfen, einen Bach ganz rasch durch die Fluren dahinrauschen sind dergleichen mehreres - sage Mir, welch ein Bedürfnis fängt dann dein durch die Ruhe neu gestärktes Leben wieder zu empfinden an?" - (Antwort: "Oh, nach Bewegung, nach viel Bewegung!")

02 Wieder gut! Da du nun dieses fassest, so wird es dir ja doch auch andererseits aus dieser Inschrift klar sein müssen, daß sowohl die Ruhe wie die Bewegung an und für sich nichts sind, als bloß nur abwechselnde Bedürfnisse jedes Seins und Lebens. Dinge, die notwendig gerichtet sind, müssen freilich sich entweder in einer ununterbrochenen Ruhe oder in einer unausgesetzten Bewegung befinden. Aber Wesen, die ein freieres Leben in sich bergen, haben Ruhe und Bewegung unter einem Dache zum freien Gebrauche anheimgestellt. Daher die Bitte: »Herr, gib der Ruhe eine wahre Ruhe und der Bewegung eine wahre Bewegung« nichts anderes besagt als: Herr, gib uns die Ruhe und die Bewegung frei und halte uns nicht mehr im Gerichte!« Oder noch deutlicher gesagt: »Führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns vom Übel des Gerichtes!« - Sage Mir, hast du das nun wohl verstanden? Oder ist dir etwa auch da noch kein Licht aufgegangen?"

03 Spricht der Franziskaner: "Ja, Herr und Vater, das ist mir nun ganz klar! - Aber wer sind denn die, welche da untern ruhen und aus dren lang erfühltem Bedürfnisse soch eine Inschrift sich hier beschaulich vor unsere Augen stellt? Wer sind sie, die hier nach Erlösung dürsten?"

04 Rede Ich: "Höre! Alle, die von der Materie gefangen sind, ruhen unter diesen Denkmälern, die ihnen das notwendige Gericht über alle Materie zum ewigen Gedächtnisse Meiner urgöttlichen Weisheit, Macht und Stärke gesetzt hat.

05 Deine Seele ging ebenfalls aus einem solchen Grabe hervor und wurde in ein anderes Grab gelegt, bereitet aus Blut und Fleisch. In diesem Grabe spann sie sich wie eine Seidenraupe wieder in eine leichtere und eines sich fortentwickelnden Naturlebens fähige Materie, die sie nach ihrer eigenen Form modelierte und ausbildete. Als ihr die Form gelang, da hatte sie dann eine größere Freude an der Form, als an sich selbst, und hin sich ganz an die tote Form des Fleisches.

06 Das Fleisch aber ist wie alle Materie in sich selbst tot. Wenn nun die Seele mit der Materie eins wird, wie soll sie dann ungerichtet bleiben, so ihre materielle Form wie alle Materie in ihr selbst notwendig dem unvermeidlichen Gerichte anheimfallen muß!? - In die Seele ist zwar wohl ein neuer Geist gelegt und, mit ihm eins zu werden, sollte die Seele eigentlich alles aufbieten. Aber so die Seele alles nur aufbietet, um mit ihrer Materie eins zu werden - wie soll dann der Geist in der Seele ein Herr seines Hauses werden?!

07 Ich sage dir: Da wird der Geist selbst in die Materie begraben! - Und hier siehst du solche begrabenen Geister in einer Unzahl! Jedes Grab birgt seinen eigenen. Und dessen Worte sind es, die du hier auf der schwarzen ovalen Tafel gelesen hast und ferner noch lesen kannst auf zahllosen anderen Tafeln. Aber der noch lebendige Geist ächzet und seufzet aus seinem harten Grabe um Erlösung. - Und da sage du Mir und bezeuge es, was wir hier machen sollen!"

08 Spricht der Franziskaner: "Herr, wenn so - da wird niemand, der nur einen Funken Liebe in seinem Herzen trägt, um eine rechte Antwort auch nur eine Sekunde verlegen sein können. Man helfe ihnen, so man helfen kann, will und mag! Und man helfe ihnen bald, so es möglich! Denn eine Hilfe nach Verlaufe von einer Ewigkeit dürfte wohl kaum eine Hilfe genannt werden können. - Sie sollen hervorgehen aus ihren Gräbern, samt der Materie! Die Materie lassen wir wie durch einen chemischen Dampfapparat sich verflüchtigen, und das rein Geistige soll dann frei werden!

09 Daß die Menschen nun auf der Welt zumeist schlecht und somit gröbst materiell werden, kann ihnen mein Herz durchaus zu keiner besonderen Sünde rechnen. Denn man betrachte nur ihre leiblich-irdische Stellung, ihre unverschuldete Armut, dann in moralischer Beziehung ihre totale Erziehungslosigkeit, die meist eine Folge der zu großen allgemeinen wirtschaftlichen Verarmung ist, die wieder rein aus den ehernen Herzen der reichen Geizhälse folget - und man richte dann einen armen, aller Not und Verzweiflung preisgegebenen Dieb, eine Hure, die monatelang Dienst suchte und keinen fand; und fand sie schon einen, so war er sicher schlechter als die Hölle selbst. Bei vielen Dienstgebern werden arme Dienstmädchen zufolge eines zu schlechten Lohnes zu Huren, damit sie sich durch solche Nebenverdienste ihre Lebenslage doch ein wenig verbessern. Denn von einer Moral und höheren geistigen Bildung kann da keine Rede sein, wo der bei weitem größere Teil der Menschen mit dem besten Gewissen von der Welt sagen kann: »Es gibt des Sandes viel an den Ufern des Meeres; aber von uns kann niemand rechtlichermaßen sagen: Siehe, diese Handvoll ist mein! Denn so ich ihn mir eigenmächtig nehme, da bin ich ein Sanddieb!« Die Erde gehört noch immer wie - einst dem Adam und der Eva - nur einzelnen. Alle anderen Millionen aber sind hart gehaltene Knechte, Sklaven, Lasttiere und dergleichen Elendes mehr (was man nur haben will) - und sind somit auch notgedrungen auf der Welt schon sozusagen rein des Teufels. Es gibt wohl hie und da noch Staaten auf der Welt, wo man zur Hintanhaltung zu großer Not wenigstens für den leiblichen Bedarf der armen Menschheit etwas tut. Aber für die Bildung des Geistes, Herr, da geschieht für die Armen nichts, außer daß sie genötigt werden, an Sonn- und Feiertagen in eine sogenannte Kirche zum lateinischen oder chinesischen Gottesdienst zu gehen und sich im Winter nicht selten Füße und Hände zu erfrieren und noch andere Krankheiten abzuholen!

10 Wenn nun die meisten Menschen auf diese Art, wie sie auf der Erde nun allgemein ist (denn eine Schwalbe hie und da macht noch keinen Sommer!), in jeder Hinsicht schlecht werden, wenn sie zu morden, rauben und plündern anfangen, wenn sie sich gegen alles Gesetz empören, ja sogar zu scheußlichen Gottesverächtern oder Gottesleugnern werden - wer kann es ihnen im Ernste verargen, so er diese und noch viele andere, die Menschheit von Gott ablenkende und sie stets schlechter und schlechter machende Umstände genau erwägt! Ich nicht, wahrlich, bei Deinem heiligsten Namen nicht! - Darum helfen, aber wahrhaft helfen, zuerst leibich und dann erst moralisch - dann wird es mit der Erde bald besser aussehen als nun!

11 Die Erde ist nun eine barste Hölle für die Menschheit. Man mache sie wenigstens zu einem Viertel-Paradiese, und die Menschen werden Gott wieder anerkennen! Denn in der Hölle tut sich's mit dem Studium der Theosophie und höheren Moral auf keinen Fall mehr; dessen bin ich vollkommen überzeugt. - Also helfen, wo zu helfen ist! Aber ganz helfen! Und dann heraus mit allen, die in den Gräbern schmachten! - Das ist und bleibe für ewig mein lebendigster Wahlspruch!"

153. Kapitel: Wichtige Lebenswinke. Beispiel vom Schmelzofen. Satan als Stammvater der Materie und aller Menschenseelen. Gottes Erlösungsplan. Alle sollen zur Reife kommen! (Am 26. Dez. 1849)

01 Rede Ich: "Mein lieber Freund! Dein Herz in sich Selbst ist gut, weil du ein gebührendes Mitleid mit deinen Brüdern hast - eine Eigenschaft, die gar vielen deiner irdischen Ordens- und Glaubensgenossen mangelt. Aber deine Erkenntnis ist sozusagen noch unter dem Hunde!

02 Meinst denn du, Ich kümnmere Mich etwa um die Menschheit auf der Erde nicht mehr? Oder glaubst du, daß dein Herz zum Besten der Menschheit mehr Liebe hat als das Meinige? Oder bin Ich etwa gar dumm und blöde geworden, daß Ich deshalb nicht mehr einsehen könne, was der jeweilig auf der Erde lebenden Menschheit frommen möchte? - Siehe, siehe, dein Herz, ja das ist gut. Aber gut wie ein Blinder, der einen Geier koset in der Meinung, es sei eine sanfte Taufe, und eine Natter für einen guten Aalfisch in seine Tasche schiebt! Weißt du wohl schon, woher der Erde meiste Menschen ursprünglich stammen und wie sie jeweils gehalten und geführt werden müssen, um durch allerlei Erlösungsmittel zu wahren freien Menschengeistern herangebildet zu werden? Siehe, das weißt du nicht und hast es auch noch nie gewußt und eingesehen und dennoch willst du Mich so ganz leise beschuldigen, als hätte Ich die Schuld, daß es nun auf der Erde mit der Menschheit so schlecht und elend stehe. - Aber siehe, das ist sehr eitel von deines Herzens Weisheit!

03 Hast du denn auf der Erde nie gesehen, wie die Metalle aller Art und wie das Glas bereitet wird? - So du je in einen Schmelzofen geschaut und da gesehen hast das Erz erglühen und dann brausend, zischend und tobend in ein Becken sich ergießen, was mußte dein Gefühl dabei denken, so es an die Möglichkeit dachte, daß solche Materie denn doch etwa irgendeine stumm-intelligente Empfindung haben könnte!? Welch ein Schmerz muß ihr innewohnen, so sie durch des Feuers Allgewalt in ihrer ersten Form gänzlich zerstört und in eine neue überzugehen genötigt wird! Und so du dann das abgekühlte, feste, blanke und nützliche Metall ansiehst, wird es dir dabei auch so wehmütig zu Mute? Siehe, dann hast du eine Freude und lobst den Verstand der Menschen, die durch die Kraft des Feuers so nützliche Metalle und so herrlich schimmerndes Glasgeschirr zuwege bringen!

04 Siehe, so ist es auch mit der Bildung des Menschen. So er krank ist hier oder da, lahm an den Füßen, kontrakt (verkümmert, gelähmt) an den Händen, blind, taub, stumm und manchmal voll Unflat und Aussatz - da wird ein weiser Arzt alles aufbieten, um den Kranken wieder gesund zu machen. Aber so die Krankheit starke und schmerzliche Heilmittel fordert, ohne die dem Kranken in keinem Falle zu helfen ist - sage oder urteile, ob es vom Arzte wohl weise und liebevoll wäre, aus einem unzeitigen Mitleidsgefühle dem Heilsbedürftigen jene Mittel vorzuenthalten, durch die dem Kranken einzig und allein zu helfen ist!?

05 So du ein paar Ohren zu hören hast, so höre! - Der Satan ist als ein ursprünglicher Geist geschaffen worden. Als er aber durch ein Gesetz seine volle Freiheit hätte erkennen und annehmen sollen, da ward er unwillig und fiel durch die Verachtung des Gesetzes und somit auch durch die Verachtung Gottes. Da er aber gleich dem Adam ein Urvater der ferneren Menschen für die Ewigkeit hätte werden sollen, so trug er auch gleich einem Samenkorne zahllose Äonen von künftigen Menschen in sich und riß sich sogestaltet (d.h. samt den ihm innewohnenden zukünftigen Geschlechtern) von Mir, seinem Schöpfer, los. Und die Folge davon war die materielle Schöpfung aller Welten, welche da ist ein notwendiges Gericht. - Er ganz allein für sich kann wohl noch lange bleiben, was er ist; aber die zahllosen Keime der Menschen werden ihm genommen auf dem freilich harten Wege durch die Materie. Diese Keime aber gehen aus seinem gesamten Wesen hervor, bald aus seinen Haaren, bald aus seinem Haupte, bald aus seinem Halse, seiner Zunge, seinen Zähnen, seiner Brust, aus seinen Eingeweiden, aus seiner Haut, seinen Händen und Füßen. Und siehe, je nachdem die jeweilige Menschheit aus des gefallenen Satans einem oder dem andern Teile hervorgeht, so muß sie auch entsprechend behandelt und geführt werden, um die Stufe der wahren Vollendung zu erreichen.

06 Wenn man das weiß, kann man dann mit Grund gegen mich auftreten und fragen: »Herr, warum hilfst Du den Elenden nicht und lässest sie verschmachten und zugrunde gehen?« - Siehe, Ich lasse niemanden verschmachten und zugrunde gehen, selbst den Satan und die barsten Teufel nicht. Aber so lassen kann Ich sie nicht, wie sie - wider alle Meine Ordnung (von der die Erhaltung aller Dinge abhängt) - es in ihrer eigensüchtigsten Blindheit wollen; sondern Ich muß auf jede mögliche ordnungsmäßige Weise sorgen, daß sie alle am Ende doch jenes Ziel erreichen, das ihnen von Meiner Ordnung von Ewigkeit her gestellt ist.

07 Meinst du aber etwa, daß da in diesen Gräbern lauter armes Proletariat, das gewisserart wegen seiner Armut zu sündigen genötigt ist, im Gerichte gefangen rastet!? - Oh, wenn du so etwas meinst, da bist du in großer Irre! Siehe, die da unten sind lauter Großstämmler, lauter Wesen, die in den verschiedensten Dingen wohl unterrichtet waren. Aber da sie alles, was sie kannten und hatten, nur zum Vorteile ihres Hochmutes, ihrer harten Unversöhnlichkeit, ihrer fleischlichen Wollust, ihres Neides und Geizes verwendet und somit ihre Seele zu sehr vermaterialisiert haben - so stecken sie nun auch in den Gräbern desselben Gerichtes, das sie sich selbst bereitet haben!

08 Dort hinter dem Grabmale wirst du eine Öffnung entdecken. Gehe hin und schaue hinein - und sage Mir, was du siehst! Dann erst wollen wir weiter diese Sache miteinander erörtern!"

154. Kapitel: Widerliche Entdeckungen. Grabesgeheimnisse und jenseitige Kuren. Der große Sammelplatz besonderer göttlicher Gnade.

01 Der Franziskaner geht darauf sogleich, die besagte Öffnung aufzusuchen, und als er sie findet, schaut er sehr aufmerksam hinein. Anfangs ist alles stockfinster. Aber nach einer kleinen Weile wird es dennoch soweit heller, daß er mit genauer Not wahrnehmen kann, was alles in der innern Höhlung sich vorfindet und welche Erscheinungen an dem vorgefundenen bemerkbar sind.

02 Nach einer Weile seines sehr aufmerksamen Betrachtens fängt er zu reden an und spricht: "O Herr, um Deines heiligsten Namens willen, da gibt es aber Geschichten! Ich entdecke das Zimmer eines Gelehrten; in einer Ecke einen ganz wahnsinnig großen Bücherschrank voll mit allerlei sehr bestaubten Schartecken und in der andern Ecke einen Schreib- und Studiertisch mit einer Menge übereinandergelegter Schriften. An der hinteren Wand aber befindet sich ein großes Lotterbett, auf dem ein ganz nacktes, fettes, aber sonst sehr unästhetisch aussehendes Weibsbild liegt, und zwar in keiner moralisch zu nennenden Situation. Und nun kommt soeben auch der Gelehrte sehr häßlichen Aussehens an das Lotterbett und sagt: »Weiba, laß uns des Lebens höchste Wonne genießen! Denn das Leben ist nur dann Leben, so es im Wonnegenusse schwelget!« - O du verzweifelter Kerl von einem Gelehrten! Nun entkleidet er sich auch und - o du Haupt-Vieh! Nein, das ist zu arg! Herr, ist denn kein Wasser irgendwo bei der Hand, daß ich damit dem grauslichen Schweinekerl seine wahre Eselsbrunst ein wenig abkühlen könnte! Ich glaubte hier unten etwa einen toten Leichnam zu entdecken. Nein, das wäre mir ein sauberer Leichnam! Herr, ist dieses Museum durchaus so bestellt? Das ist wahrlich ein sonderbares Schweine-Museum das! Ich bitte Dich, Herr, verschaffe mir doch so ein gutes Schaff voll Wasser, ich muß den grauslichen Schweinekerl angießen!"

03 Rede Ich: "Lasse du das nur gut sein! Denn dadurch würdest du ihn zum Zorn reizen und an ihm mehr verderben als gut machen! Solche Menschtiere sind sehr zornsüchtig, und es ist nicht gut, sie in ihrer Brunst zu stören. So er aber mit seinem Vorhaben fertig sein wird, dann wird ihm seine Natur schon von selbst zeigen, welch sehr schmerzliche Verdienste er sich dadurch gesammelt hat. Warte nur noch ein wenig, er wird mit diesem seinem Wonneakte bald zu Ende sein, und dann wirst du sogleich einen andern Akt zu sehen bekommen. - Gebe nun nur acht!" - Der Franziskaner gibt nun weiter sehr aufmerksam acht und sagt bald darauf: "Oh, oh, oh, ohhh! O du verzweifelte Mette! Des Gelehrten wie seiner fetten Coiba wollüstiges Wonnegefühl hat einen ganz verzweifelten Ausgang genommen. - Schmerz über Schmerz! - Furchtbares Weheklagen, fürchterliche Verwünschungen dieses Aktes werden nun ganz deutlich vernehmbar, und beide krümmen sich wie getretene Würmer, vor Schmerz am Boden herumkriechend. Ah, das ist ein äußerst widerwärtiger Anblick! Wahrlich, so beide nicht gar so schändliche Schweinspelze wären, ich würde Dich, o Herr, für sie um Erbarmen anflehen. Aber da tue ich's gerade nicht! Dies Lumpenpack soll es recht ex fundamento (von Grund aus) empfinden, was die Unzucht für ein höllisches Labsal ist!"

04 Spricht Miklosch: "Freund, lasse mir's auch zu, daß ich da ein wenig hineingucke!" Spricht der Franziskaner: "Komm nur her und schaue!" - Miklosch kommt und sieht durch die Öffnung hinein und spricht: "Ah, Tausend! Das ist wahrlich sehr arg! O Herr, o Herr,die beiden müssen einen ungeheuren Schmerz empfinden! Vielleicht wäre denn doch eine Linderung nicht am unrechten Platze?"

05 Sage Ich: "Lasset das nur gut sein! Wenn solche verknöcherte Buhler gebessert werden sollen, da müssen sie zu Zeiten ganz absonderlich ernst angepackt werden. Denn geringe Rupfser sind für solche materielle Seelen von gar keiner Wirkung. Ich sehe dieser Art Menschenwesen ohnehin lange durch die Finger; aber so alle sanfteren Mahnungen und Rupfer nichts nützen, dann werden sie aber auch mit all Meinem Vollernste angegriffen. Und nur durch die Fülle des Schmerzes fangen sie ein wenig an, in sich zu gehen, und werden dann für etwas Höheres aufnahmefähig. Daher lassen wir sie nur ganz ruhig die glühschmerzliche Frucht ihrer lustigen Tätigkeit genießen!"

06 Spricht Miklosch: "Aber Herr, es ist wahrlich nimmer zuzusehen! Sie schreien fürchterlich und fangen vor Verzweiflung förmlich sich zu zerfleischen an! Welch schaudererregende Verwünschungen sie über den begangenen Akt ausstoßen! Ah, das ist wahrlich entsetzlich! Bruder Cyprian, schaue nur wieder du diese Geschichte an, denn ich habe mich schon für ewig daran satt gesehen! - Herr, geht es denn unter allen diesen zahllosen Denkmälern und Leichensteinen also zu?"

07 Rede Ich: "Hie und da noch viel schlechter, aber hie und da auch etwas besser. Denn alle diese haben aus der Erde nicht zu klagen gehabt, als hätten sie kein Licht über das geistige Leben erhalten. Aber da sie das Licht nicht in ihr Herz, sondern nur in ihr loses Gehirn aufnahmen und dabei im Herzen die alten Böcke geblieben sind voll schmutzigen Sinnes und danebst auch voll Hochmut, Mißtrauen und auch voll geheimen Zornes, so müssen sie in diesem Museum erst wieder ganz neu umgestaltet werden. Nützen alle sanften Operationen nicht, so muß dann leider zu den schärferen vorgegangen werden, ansonst sie nimmer zu retten wären. Lassen wir aber nun diese und gehen wir zu einem anderen Grabe über!"

08 Spricht einmal der Graf Bathianyi: "Herr, Du bester Vater, da gleich daneben steht ein ganz vergoldetes Grabmal, und zwar, so ich recht lese, mit der sehr mystischen Inschrift:

09 »Gott, Freiheit, Glückseligkeit! Mensch, Kettenhund, Elend, Tod! Der Mensch, ein Schmarotzertier auf dem weiten Gewande der göttlichen Heiligkeit, möchte Gott lieben wie eine Laus den Leib eines Menschen. Aber das ist der Gottheit lästig, daher tötet Sie in einem fort das menschliche Ungeziefer. Welcher Mensch weiß es denn, welche Liebe die Läuse zu ihm haben? Je mehr Läuse der Mensch über seine Haut bekommt, von desto mehr Lausliebe wird er umfangen sein. Aber an solch einer lausigen Liebe hat der große, weise Mensch kein Wohlgefallen; daher wendet er alles an, um sich dieser lausigen Liebschaften zu entledigen. Und so macht es (auch) die große Gottheit! Sie ist stets bemüht, sich der lausigsten Menschenliebe zu entledigen. - Aber die Gottheit sollte keine Läuse erschaffen und ihnen kein Bewußtsein geben, so Ihr die Lausliebe ein Greuel ist! Denn ist die Laus auch endlos klein gegen die endlos große Gottheit, so hat sie aber doch ein sehr zartes Gefühl und empfindet den göttlichen Abscheu-Druck um ebensoviel schmerzlicher, als das schreckliche Übergewicht der göttlichen Machtschwere größer ist denn das elendeste Sein einer Laus (vulgo Mensch) (gemeinhin genannt Mensch). - Daher sei gnädig, Du große Gottheit, Deinen Läusen, und vernichte sie für ewig ganz und gar!«

10 Wahrlich eine sehr sonderbar schmutzige, merkwürdige Inschrift! Da möchte ich denn selbst eine Einsicht nehmen, von welcher Art etwa doch der Einwohner dieses Grabes ist."

11 Sage Ich: "Mein lieber Ludwig, dieses Vergnügen kann Ich dir sehr leicht gewähren! Gehe hin an die Rückseite dieses Grabmales, allwo du eine runde Öffnung finden wirst, dort sieh hinein, und du wirst sogleich im klaren sein!" Der Graf Ludwig Bathianyi tritt sogleich hinter das Grabmal und entdeckt auch die vorbesagte Öffnung. Er beugt sich nieder und richtet seine Blicke fest durch die Öffnung in das Innere des Grabes. Nach einer kurzen Weile spricht er ganz erstaunt über den Befund: "Oh, das ist ja im höchsten Grade grauslich srappant! Ein äußerst schmutziger Affe größter Art, ganz mit zerzausten Pfauenfedern behangen, spaziert in einem Saale auf und ab, legt öfter einen Finger auf die Nase und bald wieder auf die sehr niedere Stirne, dieselbe ein wenig philosophisch reibend. Und dort auf einem Ruhebette kauern etwa sieben oder acht etwas kleinere, höchstwahrscheinlich weibliche Affen und wispern sich gegenseitig etwas ins Ohr. Nun aber spricht der große Affe mit einer sehr kreischenden Stimme: »Ja, ja, Russen und Türken taugen nicht füreinander! Der Bem, der berühmte General, hat sie schon beim Schopf. Und hintendrein kommen die Engländer und Franzosen und werden dem Russen zeigen, wie weit's von Europa nach Sibirien ist! Hahaha, das hab ich immer g'wunschen, und jetzt g'schieht's! Und's liebe Österreich wird zu einem schleißigen Abwischfetzen und wird am Ende tanzen müssen, wie's die andern haben wollen. Hahaha, no, no, das geht jetzt halt grad so, wie ich mir's g'wunschen hab! O ihr armen Deutschen, ihr dummen Slaven, ihr welschen Esel und ihr ungarischen Ochsen! G'schieht euch ganz recht, daß ihr alle miteinander englisch, französisch und türkisch werdet! Denn ihr habt's ja so gehandelt und habt es so hab'n wollen! Jetzt wird's euch hernach leichter sein! O ihr Hauptviecher! Im Parlament habt's nicht einig werden können! Aber am Galgen der allgemeinen Armut und Verzweiflung und als amerikanische Plantagesklaven werd't ihr euch dann vereinen können! Habt's a fette, milchreiche Kuh g'habt und habt sie statt bei den Euterzitzen beim Schweif gemöleket, wo's ka Milch hat geb'n können! Da, nun g'schieht's euch recht, ihr welschen, deutschen, ung'rischen und slavischen Rindviecher! Hahaha! Mi geht's zwar nix mehr an, denn ich bin versorgt. Aber a Freud hab ich ganz unsinnig, daß es jetzt so kimmt, wie i's mir auf der Welt oft gedacht hab!«"

12 Spricht der Graf weiter: "Ach Herr, Du guter heiliger Vater, was dieser Affe zusammenschwärmt, das ist ja der Welt ungleich! Sage uns doch allergnädigst, ob daran denn doch so etwas Wahres sein könnte." - Sage Ich: "Alles ist möglich auf der Welt, je nachdem die Menschen irgendwo noch mit Mir wandeln oder auf ihre eigengestaltete Macht vertrauen. - Höre du aber diesen Affen nur weiter an!"

13 Der Graf legt Aug und Ohr wieder an die Öffnung, und der Affe spricht nach einigem Räuspern weiter: "Wo nur meine Malla so lange bleibt! - Aha, aha, da kommt sie schon, sicher mit einer Menge Neuigkeiten von der Welt!" - (Malla tritt in den Saal.) - "Grüß dich! No, was gibt's denn Neues auf der Lauswelt?"

14 Spricht die Malla, die auch sehr äffisch aussieht: "Nit zum sagen, meim Mallwit! Alles is konfus, kaner waß mehr, wer da is Koch oder Kellner! Die Minister in Österreich arbeit'n auf einem Türl, wo's leicht werden durchgehen können, wann's die Suppen ganz werden versolzen hobn. Aus die Kleinen mochn's Große und aus die Groß'n mochn's Kleine. Da fluchen die Großen, und die großgemochten Kleinen stehn wie d' Ochsen am Berg! Gelt, mein lieber Mallwit, das Ding geht lustig und ganz nach deinem Wunsch!" - Der Mallwit lacht dazu freudig.

15 Die Malla spricht weiter: "Die Reichen werden große Steuern zu zahlen kriegen und schimpfen drum schon jetzt wie d' Rohrspatzen. Die Geistlichen können über d' Regierung nit gnua fluchen und sie verdammen. D' Landleut wollen von zahlen nix wissen. Die Künstler und Professionisten geben sich langsam der Verzweiflung hin. Das Militär hofft immer aufs Silbergeld und Gold; aber es kimmt holt koans; und daher haben sie a ka großes Fiduz auf den Staat! - No, und den Spaß! Der Papst hot holt no immer d' Franzosen und hot sich dofür schun von Neapel, Spanien und Österreich Ärzte verschrieben; aber es es gleich umsonst, er wird holt von die Franzosen nit los, und do moanen die Gescheitern af der Welt: Das wird dem lieben Papst wohl's Garaus mochn! - Hahaha! Nit wohr, dös is doch spaßi gnua!? - Und du, das is a neuer Spaß, Rußland hätt jetzt mit England an Zwirnhandelstraktat abgeschlossen, und dös dorum, weil Rußland jetzt in allen Ort'n den schönsten Zwirn zu schei - hätt i bald g'sagt, anheben tät. - Na du, da gibt's dir Gschicht'n!"

16 Spricht der Affe Mallwit: "Ganz nach meinem Wunsch! Wie i's auf der Welt oft gesagt hab, so, aber grad so kommt's jetzt! - Aber der Spaß vom Papst ist im Ernst nicht schlecht, und es ist so, und es wird, muß und kann nicht anders werden! Wie leicht wär's im Jahr 1848 g'west, wie wir noch auf der Welt waren, so die dummen Menschen sich nur einigermaßen verstanden hätten oder verstehn hätt'n woll'n. Aber da wollt, ein jeder Esel ein Deputierter sein und überschrie den Philosophen in der Kammer! - Jetzt habn sie den saubern Dreck. Aber es g'schieht ihnen allen vollkommen recht! - Jetzt aber schau, daß ich was zu essen bekomm; denn ich bin schon ganz verdammt hungrig und unsre Töchter auch dort auf dem Sofa."

17 Spricht der Graf weiter: "Jetzt lauft die Äffin Malla zu einer Tür hinaus! - Bin doch auf das Traktament (Speisegricht) neugierig! - Aha, da kommt sie schon wieder mit einem ganzen Korb voll! Aber was das für eine Speise ist, das mag jemand anders bestimmen! Dem Gesichte nach zu urteilen sieht die Geschichte wahrlich gerade so aus, als wenn das lauter halbgesottene weibliche und mitunter auch männliche Leibesteile wären! Er fällt mit einem Heißhunger über den Korb her und klaubt sich nun gleich die größten heraus. Die kleinen und magern läßt er im Korbe. Die Malla und ihre Töchter aber machen sich über die Teile männlichen Aussehens! - Ah, das ist ja doch rein zum wahnsinnig werden! Und mit welcher förmlich neidischen Begierde das alles zusammengepackt und verschlungen wird! Nein, so was hätte sich auf Erden wohl nie ein Mensch träumen lassen können! - Jetzt ist er fertig und macht sehr wollüstige Mienen, als hätte er noch einen größeren Appetit! Aber dennoch sagt er nun: Gottlob, jetzt wär' ich wieder satt! Das waren vortreffliche Austern! Es müssen auch die marinierten Schnecken recht gut gewesen sein; aber mein Magen verträgt sie nicht. Jetzt könnt ihr schon wieder hinausgehen, so ihr euch im Freien ein wenig vergnügen wollt!«

18 Spricht die Malla: »Lieber Mallwit! Is jetzt mit ratsam! Denn es streichen allerlei wilde Tiere draußen herum, als wenn die ganze Höll los wär. Und wann sie was erwischen, no, Gott sei dem gnädig! Drum moan i, wir bleiben so hübsch fein zu Hause. Wenn d' Höll Jagd holten tut, dann es mit gut ins Freie zu gehn!« - Spricht der Mallwit: »O weh, o weh! Gute Welt, kannst dich freuen, wann's so ist! Du wirst bald wieder sehr blutig in deinem Gesicht, aussehen! - Aber ich merke, daß da von dem Dunstloche ein sehr unangenehmer Luftzug herabweht! Geh doch ein wenig nachsehen, was es etwa da für Geschichten hat.- Spricht die Malla: »Ah, was wird's denn sein!? Geht holt a bißl a höllischer Wind! Müss'mer holt's Dunstloch zustopfen, da wird der Luftzug sogleich sein End habn!« Die Malla bringt sogleich aus einem Winkel eine Menge schmutziger Fetzen und bemüht sich, das Loch zu verstopfen; aber es gelingt ihr diese Arbeit nicht."

19 Spricht der Graf weiter: "Herr, wie wäre es denn, so man sie durch dieses Loch anredete?"

20 Rede Ich: "Das ist noch lange nicht an der Zeit! Lassen wir sie aber nun! Die Angst ob der vermeintlichen Höllenjagd wird das beste an ihnen tun. Du mußt von seiner anscheinenden Tugend wegen der Anrufung und Belobung Gottes dir keinen zu großen Begriff machen, wie auch wegen seiner ebenso scheinbaren politischen Nüchternheit nicht; denn alles das, was er spricht, ist sein Wunsch und seine Liebe. Aus seiner Kost aber hast du hinlänglich entnehmen können, wessen Geistes Kind er samt seiner Familie ist. Aus seiner Gestalt hast du das noch sehr Unmenschliche seines Wesens wahrgenommen. Daher ist hier vorderhand nichts anderes zu tun, als ihn gehen zu lassen wie eine unzeitige Frucht und abzuwarten, bis er reif wird.

21 Dies aber ist darum ein ganz besonderes Museum, weil hier ganz verdorbene Geister durch einen ganz besonderen Akt Meiner Gnade wie die Pflanzen in einem Treibhause wieder zum Lichte und Leben zurückgeführt werden. Dies Museum oder der Kunstsammelplatz Meiner Gnade und besonderen Erbarmung hat seine Aufseher und Wärter, die wie echte Kunstwärtner mit aller zu diesem Zwecke nötigen Weisheit bestens versehen sind. Und du kannst versichert sein, daß alles, was ihrer Pflege anvertraut ist, zur sicheren Reife kommen muß.

22 Und so verlassen wir nun diese Stelle und begeben uns dorthin vorwärts, wo du bei einem großen, sehr kunstreichen Denkmale fast alle unsere Gäste versammelt siehst. Dort wirst du und ihr alle Meine neuangekommenen Freunde noch deutlicher gewahr werden, warum dieser Ort, der sich eigentlich noch immer unter dem Dache des Robertschen Hauses befindet, das Museum eben dieses Hauses heißt.

23 Ich sagte einst auf der Welt zu Meinen Brüdern: "Ich hätte euch noch vieles zu sagen; allein ihr könntet es jetzt nicht ertragen. Wenn aber der Geist der Wahrheit zu euch kommen wird, der wird euch in alle geheime und vor den Augen der Welt verborgene Weisheit Gottes leiten!« - Und siehe, also ist es nun auch hier! Ich kann euch nicht auf einmal alles sagen, zeigen und erläutern. Aber durch die Umstände wird der ewigen Wahrheit Geist in euch selbst erweckt; und dieser wird euch alles klar machen, was euch jetzt noch dunkel und unerklärlich sein muß. Daher gehen wir nun schnell weiter dorthin, wo sich alle versammeln, da wird euch allen ein mächtiges Licht angezündet werden! Denn wo ein Aas ist, da sammeln sich die gewaltigen Adler! Und nun vorwärts!"

155. Kapitel: Das große Pyramidendenkmal. Worte Jesu an Robert. Über Geist, Seele und Leib und wahre Auferstehung des Fleisches. Erforschung der seelischen Unterwelt. (Am 4. Jan. 1850)

01 In ein paar Augenblicken sind wir an Ort und Stelle. Die vielen anderen Gäste, die von den Aposteln geführt wurden, wie auch Urväter machen uns in größter Ehrerbietung Platz. Und wir treten dem großen Denkmale näher, das beinahe so aussieht wie allenfalls eine der größten Pyramiden Ägyptens, nur nicht in dem alten, rohen Baustile.

02 Auf der Spitze der Pyramide ist eine große Goldkugel angebracht. Und jede stufe der Pyramide ist mit einem breiten Goldreife umfangen, in welchem allerlei Inschriften eingegraben sind. In die Pyramide führt von der Nordseite her nur eine Türe, durch die man ordnungsgemäßerweise ins Innere gelangen kann. Einige Ellen hinter dem Eingange sind nach rechts und links zwei Seitengänge, und noch etwas tiefer hinter diesen beiden Seitengängen befindet sich eine Treppe in die Tiefe hinab und eine in die Höhe hinaufführend. Obschon aber die Pyramide äußerlich von lauter undurchsichtigen, schweren Steinen erbaut zu sein scheint, durch die kein Licht ins Innere dieses riesigen Denkmales zu dringen vermöchte, so sind aber im Innern dennoch alle die vielen Räume so hell erleuchtet, daß man alles ganz gut wahrnehmen kann, was sich darinnen vorfindet.

03 Der schon überaus neugierige Franziskaner Cyprian fragt Mich. Sagend: "Herr, Du bester Vater, was hat wohl dieses zu bedeuten? - So eine ungeheure Pyramide muß auch eine ungeheure Bedeutung haben!" Rede Ich: "Mein lieber Freund, habe nur eine kleine Geduld! Denn so einen Baum haut kein Holzknecht mit einem Hiebe auseinander! Es hat wohl auf der Erde einen heidnischen König von Mazedonien namens Alexander gegeben, der den berühmten gordischen Knoten mit einem mächtigen Schwerthiebe entwirrte; aber auf diese Art und Weise werden hier im Reiche der reinen Geister die Wirrknoten nicht gelöst, sondern mit der gerechten Weile und Geduld! Daher also nur ein wenig mehr Geduld, Mein lieber Freund Cyprian!"

04 Der Franziskaner gibt sich auf diese Worte ganz zufrieden und sagt bloß hinzu: "Herr, Du bester Vater. Du hast ewig vollkommen recht! Wir leben ja nun nicht mehr in der naturmäßigen Welt, wo die lose, flüchtige Zeit wie ein Sturmwind dahineilt. Hier ist die unvergängliche Ewigkeit, und in ihr dürften wir denn doch Weile in größter Fülle haben, um uns alle Einsicht zu verschaffen, die uns hier not tut. Was bliebe uns am Ende aber auch übrig, so wir mit einem Schlage in alle die himmlische Weisheit hineinfielen (nichts) als bald darauf eine ewige Langweile! Daher nur langsam voran und voraus; sonst wird aus der ewigen Freude noch eine ewige Langweile!" Spricht der Graf: "Aber Freund, mir scheint, du fängst schon wieder an, ein wenig satirisch zu werden! Ich sage es dir, nimm dich in acht! Denn der Ort, wo du stehst, heilig! Daher lasse endlich ab von solchen faden Witzeleien!"

05 Rede Ich: "Nur keinen Streit hier! Du, Bruder Ludwig, hast zwar recht; aber des Cyprian Bemerkung hat auch etwas für sich. Daher nun allen Streit beiseite! Denn wir haben hier viel wichtigere Dinge vor uns, als einen Streit über eine einzelne Schafswollocke. - Gehe du, Freund Cyprian, dafür lieber hin zu Robert und beheiße ihn samt seiner Gemahlin zu Mir! Denn er muß hier bei dieser Gelegenheit die Hauptrolle übernehmen."

06 Cyprian verneigt sich tiefst vor Mir und richtet schnell den Auftrag an Robert aus. Robert kommt auch samt seiner Helena schnell zu Mir und bittet Mich um die Kundgabe Meines Willens.

07 Ich sage zu ihm: "Liebster Freund, Bruder und Sohn Robert! Siehe, dies Museum, das du mit deiner Gemahlin nach allen Richtungen hin mit großer Aufmerksamkeit betrachtet hast, ist ebenfalls ein wesentlicher Teil deines Hauses, und Ich will ihn gerade dir ganz besonders ans Herz legen. Du hast bisher schon viel getan und große Dinge vollbracht, so daß Ich mit dir hoch zufrieden zu sein allen Grund habe. Dein Geist ist ganz in der schönsten Ordnung. Aber deine Seele hat noch hie und da zu wenig Konsistenz (Haltbarkeit, innere Festigkeit), was auch nicht anders sein kann, weil die Verwesung deinen Leib noch nicht völlig ausgelöst hat. Aber hier ist der Ort, wo du zur vollen Konsisitzenz deiner Seele gelangen kannst und auch gelangen wirst. Aber es ist dazu so manches sehr wohl zu beachten!

08 Siehe, der Leib eines jeden Menschen ist ein wahres Millionengemenge von allen möglichen Leidenschaften der Hölle, die in eine gerichtete Form zusammengefaßt sind. Du hast doch einmal etwas von der Auferstehung der Toten wie der Lebendigen gehört, wie auch von einer Auferstehung des Fleisches und auch nicht minder von einem sogenannten Jüngsten Tage, an dem von Mir alle, die in den Gräbern sind, nach ihren Werken auferweckt werden, entweder zum Leben oder zum ewigen Tode.

09 Siehe, hier ist der Ort, wo Ich dir diese Geheimnisse eröffnen muß, und das nach deiner eigenen Natur und Beschaffenheit! Und durch dich (sollen sie) dann erst allen (kund werden), die mit dir nahezu der gleichen Ursache wegen hierher in die Geisterwelt gekommen sind und in deinem Hause Aufnahme finden mußten, weil sie schon auf der Erde durch Gedanken, Gesinnungen, Worte, Wünsche und mitunter auch Werke mehr oder weniger in deinem Geiste lebten.

10 Du Warst von allen diesen der erste, den Ich hier aufnahm und für dessen ferneres Bestehen und Fortkommen Ich hier sorgte. Also mußt du hier, wo es sich um die endliche Vollendung handelt, auch der erste sein, der diese an sich zu bewerkstelligen anfängt und vollführt, auf daß sie dann auch an alle anderen übergehen kann.

11 Ich habe es schon erwähnt, daß deine Seele noch keine eigentliche Konsistenz oder Festigkeit hat. Wie aber soll diese erreicht werden? Ich Sage es dir und somit auch allen andern:

12 Wie Ich als der Herr Meinem Menschlichen nach euch allenthalben voranging und eine gute, unverwüstbare Bahn legte, so müsset ihr alle Mir auf dieser selben Bahn in allem nachwandeln, so ihr zum ewigen Leben wahrhaftig gelangen wollet!

13 Ich bin nicht nur der Seele und dem Geiste nach auferstanden, sondern hauptsächlich dem Leibe nach. Denn Meine Seele und Mein urewigster Gottgeist bedurften wohl keiner Auferstehung, da es doch zu der Unmöglicheiten größten gehört hätte, als Gott getötet zu werden? - Wie Ich Selbst aber also dem Leibe nach auferstanden bin als ein ewiger Sieger über allen Tod, also müsset ihr alle auch euren Leibern nach auferstehen. Denn Mich als vollendeten Gott, könnet ihr erst in euerm auferstandenen, geläuterten und verklärten Fleische anschauen. - Das Fleisch aber ist im Gericht, und dieses muß dem Fleische benommen werden, ansonst es nimmer zur Festung der Seele dienen kann.

14 Siehe diese Gräber an - sie alle bergen dein ganz vollkommen eigenes Fleisch, gesondert nach seinen Millionen von gerichteten Teilen, aus denen es zusammengefügt war! Die Wesen, die du unter den Grabmälern entdeckt hast, sind im Grunde nur Erscheinlichkeiten der verschiedenen Wünsche, Begierden und Leidenschaften, die du in deinem Fleische als gerichtete Teile deines ganzen Naturwesens beherbergtest (Dargestellt durch das Charakterbild verschiedener Sonderpersönlichkeiten). Diese müssen nun geläutert werden durch allerlei Mittel, um so dann deiner Seele zu einem wahrhaften, festen, lebendigen Kleide zu werden.

15 Wie aber Ich aus Meiner höchsteigenen Kraft und Macht Mein Fleisch erweckte, also müsset auch ihr alle euch durch die Kraft Meines Geistes in euch an dies wichtigste Werk machen und es zur wahren Vollendung bringen. Denn wer wahrhaft Mein Kind sein will, der muß Mir in allem gleichen und alles das tun, was Ich getan habe und noch tue und tun werde!

16 Aber nun machst du, Robert, große Augen und fragst Mich in deinem Herzen: »Herr, was ist das, wie werde ich das zu bewerkstelligen imstande sein?« - Geduld, du sollst es sogleich erfahren!"

156. Kapitel: Erklärung des Pyramidendenkmals und Roberts Aufgabe dabei. Wanderung in die Unterwelt - "Mir nach!" Vom Fegefeuer, Himmel und Paradies.

01 Rede Ich weiter: "Siehst du hier vor uns diese Pyramide? Sie ist deines Leibes Herz! Wie aber das Herz der Träger aller zahllosen Keime zum Guten und zum Bösen ist, so ist auch dieses Denkmal in der Form einer Pyramide der Inbegriff alles dessen, was da rastete und handelte als Fleischeskraft im Fleische deines Naturwesens. - Gehe du nun mit deiner Gemahlin in diese Pyramide und besehe alles wohl, was sich darinnen aufhält in der Höhe wie in der Tiefe und an all den Wänden.

02 So du alles besehen haben wirst, dann komme du alsbald wieder zurück und sage es vor allen, was du alles angetroffen hast. Und Ich werde dir die weitere Weisung geben, was dir zu tun noch übrigbleibt. - Aber verweilen darfst du bei nichts! Sollte dich aber irgendeine Lust, bei einer oder der andern Sache länger zu verweilen, anwandeln, so sehe auf deine Helena, und sie wird dich davon abziehen!

03 Nun weißt du, wie du dich zu benehmen hast. Und so trete denn nun deine Wanderung in die Unterwelt an, begleitet von Meiner Gnade und Liebe, mutig und voll des besten Trostes! - Denn auch Meine Seele mußte vor der Auferstehung Meines Fleisches in die Unterwelt hinabsteigen und dort alle frei machen, die da im Fleische Meines Fleisches noch der Erlösung harreten."

04 Nach diesen Worten verneigt sich Robert tief und tritt sogleich seine Wanderung an.

05 Der Franziskaner aber fragt Mich, ob er nicht etwa auch mitgehen dürfe? - Ich aber sage zu ihm: "Mein Lieber, so du ganz reif wirst, dann wird schon auch auf dich ein Gleiches zu tun kommen, wenn schon deiner Beschaffenheit wegen in einer andern Form. Denn nicht allen ist eine und dieselbe Form entsprechend; diese hängt vielmehr von der hervorragendsten Begründung (Hauptneigung) ab, die irgendeine Seele ihrem Fleische einprägte. - Bleibe du daher nur hier und warte da schön ab, was der Robert alles für Dinge hervorbringen wird! Dadurch wirst du dann auch schon mehr oder weniger innewerden, auf welche Art du (selbst) in die Unterwelt steigen wirst."

06 Spricht der Franziskaner: "Herr, ist denn diese Unterwelt etwa so eine Art Vorhölle, eigentlich sozusagen das gewisse Fegefeuer?" - Rede Ich: "Ja, ja, so was dergleichen! Aber dennoch ganz anders, als wie du es in deinem noch ziemlich römisch befangenen Herzen herumträgst."

07 Spricht der Franziskaner: "Also kommt denn eigentlich doch niemand sogleich, wie man sagt, vom Mund auf in den Himmel?" - Rede Ich: "Nicht leichtlich, Mein Lieber! Denn so Ich Selbst zur Unterwelt mußte, der Ich doch der Herr Selbst bin - so wird schon auch ein jedes Meiner Kinder es tun müssen! Denn ein jedes Obst muß vollkommen reif sein, bevor man es genießen kann. Blöde und unwissende Kinder meinen freilich, eine Kirsche sei schon reif, wenn sie nur ein wenig gerötet aussieht; aber der kundige Gärtner weiß es genau, wie rot die Kirsche aussehen muß, um völlig reif zu sein. - Also ist's nichts, durchaus nichts mit dem »vom Munde aus gleich in den Himmel kommen«! Wohl aber in das geistige Paradies, allwo ihr euch nun an Meiner Seite befindet! Denn es ist genug, so Ich zu einem Sünder sage: »Sei getrost, denn heute noch wirst du bei mir im Paradiese sein!« Aber nun Ruhe; denn Robert wird bald wieder da sein."

08 Der Franziskaner möchte noch gerne etwas sagen auf diese Meine Worte. Aber der General, der sich mit dem Dismas und dem verklärten Pater Thomas gerade dem Franziskaner am nächsten befindet, legt sogleich die ganze flache Hand auf den Mund des Franziskaners und sagt nichts als: "Subordination! (Unterordnung, Gehorsam)! Der Herr Gott Vater hat es geboten, nun stille zu sein, und so heißt es zu gehorchen! - Verstanden?! - Da heißt es gehorchen!?"

09 Rede Ich: "Lasse das gut sein, Freund Mathia! Hier gibt es von Mir aus kein positives Gesetz, will der Cyprian reden, so soll es ihm nicht verwehrt sein!" Spricht der Franziskaner: "Nein, nein, ich will nicht reden, obschon es mich ein wenig gejuckt hatte. Der General Mathia hat ganz recht gehabt, daß er mir mit seiner Handfläche 's Maul zustopfte. Denn soeben kommt aus der Pyramide der Robert zurück, und ich freue mich nun schon ganz kindlich auf seine Erzählung. Es wäre daher sehr dumm von mir gewesen, so ich zu plaudern angefangen hätte. Aber er steht nun schon vor uns und macht eben nicht das zufriedenste Gesicht - auch seine Gefährtin nicht! Es muß ihnen die Sache nicht ganz zusammengegangen sein! Aber jetzt nur stille!"

157. Kapitel: Roberts Rückkehr und Bericht von seiner Unterwelt. Die heiligen Inschriften auf den Pyramidenstufen. Wirkung wichtiger Heilslehren auf Robert.

01 In diesem Augenblicke tritt Robert mit seiner Gemahlin vor Mich und beginnt wie folgt zu reden: "O Herr, Du guter heiliger Vater aller Menschen und Engel! Da sieht es schlimm, ja sehr schlimm aus! Wäre dieser Pyramide Inneres ein Augiasstall, wenn auch noch ums Zehnfache ärger, dann wäre es ein Leichtes, ihn zu reinigen. Aber so übersteigt der Sündenmist des Innern und besonders das Untere dieser Pyramide den Augiasstall ums Millionenfache! Und da ist wahrlich an keine Reinigung mehr zu denken, und könnte man auch alle Flüsse und Bäche der Erde hineinleiten. - In den oberen Regionen dieser Pyramide präsentiert sich eine Unzahl von tausenderlei allerleichtfertigsten Bildern aus meinem gesamten Erdenleben. Die untern Gemächer aber sind erfüllt von allerlei unbeschreiblichem Unflate, der noch dazu vom übelsten Geruche oder Gestanke begleitet ist. - O weh, o weh! Wer wird mir Armem helfen, diesen Stall zu reinigen?!"

02 Rede Ich: "Mein lieber Freund Robert! Keine Arbeit ist so groß, als daß sie mit den tauglichen Mitteln nicht könnte verrichtet und in die beste Ordnung gebracht werden. Aber es gehört dazu eine rechte Einsicht und Geduld! Siehe an die ganze, unermeßliche Schöpfung von ihrem Beginne bis zu ihrem einstigen, notwendigen Ende und von ihren notwendigen kleinsten organischen und unorganischen Teilchen bis zu ihrenm für dich unermeßlich großen, geordneten Ganzen - und du wirst darin sicher die nach deiner gegenwärtigen Einsicht fast nimmer mögliche Ausführung, Ordnung, Erhaltung und Leitung zum rechten Endzwecke gewahren. Und doch steht dies große Schöpfungsgebäude best geordnet da, und kein Atom kann seiner Bestimmung entgehen? - Wie aber dies möglich ist, so ist es um so mehr möglich, deinen irdischen Augiasstall zu reinigen! Aber, wie gesagt, es gehört dazu die rechte Einsicht und Geduld und, was sich schon von selbst versteht, ein fester, durch nichts beirrbarer Wille!

03 Damit du aber vor allem zur rechten Einsicht gelangen magst, so gehe hin zu den äußeren Staffeln der Pyramide, die mit einem beschriebenen Goldreife umfaßt sind, und lies, was darauf geschrieben stehet! - Das wird dir sagen, was du da alles zu tun haben wirst!"

04 Robert geht hin und liest zuerst die Inschrift des untersten Reifes. Diese lautet: »Kommet alle zu Mir, die ihr mühselig und beladen seid, es soll euch Erquickung werden!« - Und weiter liest er: »Haltet euch an die alleinige Liebe! Wahrlich, so die Zahl eurer Sünden wäre wie die des Sandes am Meere und des Grases auf der Erde, so wird die Liebe sie ganz und gar tilgen. Und wäre eure Schande vor Gott gleich wie das Blut der Sündenböcke, so soll sie von der Liebe weiß gewaschen werden wie weiße Wolle und wie der feinste Byssus!«

05 Und weiter liest er an der zweiten Stufe: »Die Liebe ist das Leben, das Gesetz, die Ordnung, die Kraft, die Macht, die Sanftmut, die Demut, die Geduld und dadurch der Kern aller Weisheit! Der Weisheit sind nicht alle Dinge möglich, weil die Weisheit nur einen gewissen Weg geht und sich mit dem, was unrein ist, nicht befassen kann. Aber der Liebe sind alle Dinge möglich: Denn sie ergreift auch das, was verworfen ist, mit derselben Innigkeit, wie das, was in sich selbst schon das Reinste ist. Die Liebe kann alles brauchen. Die Weisheit aber nur, was die Liebe gereinigt hat.«

06 Und wieder weiter liest er an der dritten Stufe: »Frage dein Herz, ob es sehr lieben kann, ob es Gott über alles lieben kann ohne Interesse, außer dem süßesten der Liebe selbst? - Frage dein Herz, ob es um Gottes Willen den Bruder mehr als sich selbst - wie einen zweiten kleinen Gott, lieben kann? - Frage dein Herz, ob es wahrhaft und völlig rein lieben kann? Kann es Gott darum lieben, wil Gott - Gott ist? Und kann es den Bruder wie aus Gott heraus wegen Gott und aus purer Liebe zu Gott wie einen Gott lieben? - Kann dein Herz das, so ist deine Verwesung zu Ende, und du selbst stehst vollendet vor Gott, deinem Herrn, Vater und Bruder!«

07 Und weiter liest er auf der vierten Stufe: »Gott Selbst ist die urewige, reinste Liebe, und ihr Feuer ist das Leben und die Weisheit in Gott. Und (die Liebe ist) also aus Gott wie in Gott das Leben und das Licht aller Wesen. Die Funken aus dem Essenfeuer der reinsten Liebe Gottes sind die Kinder Gottes gleichen Ursprungs aus dem einen Herzen Gottes! - Auch du bist ein solcher Funke! Fache dich an zu einem lebendigen Brande und du wirst in deinem Herzen Gott schauen!«

08 Und weiter liest er aus der fünften Stufe: »Das Wort aus dem Gottes-Herzen ist der Liebe Allkraft. Daher ist das Wort und der ewige Sohn aus Gott eins. Ja Gott Selbst ist das volle Wort, das im Feuer der Liebe gezeuget wird. - Du aber bist auch ein Gotteswort, erzeugt im Gottes-Herzen! Darum werde wieder ein volles Wort Gottes! Werde ganz Liebe, volle Liebe in Gott - so wirst du zum Gottes-Sohne gelangen und eins sein mit Ihm! Aber du gelangst nicht zu Ihm außer durch den Vater, der da ist die Liebe und das Wort Selbst in Sich, von Ewigkeit zu Ewigkeit stets derselbe!«

09 Und weiter liest er auf der sechsten Stufe: »Christus ist allein der Mittler zwischen Gott und der Menschennatur. Durch den Tod Seines Fleisches und durch Sein vergossenes Blut hat Er allem Fleische, das da ist die alte Sünde des Satans, den Weg gebahnt zur Auferstehung und Rückkehr zu Gott! - Christus aber ist die Grundliebe in Gott, das Hauptwort alles Wortes, das da ist Fleisch geworden und dadurch geworden zum Fleische alles Fleisches und zum Blute alles Blutes. Dieses Fleisch nahm freiwillig alle Sünde der Welt auf sich und reinigte sie vor Gott durch Sein heilig Blut. Mache dich teilhaftig dieses größten Erlösungswerkes Gottes durch das Fleisch und durch das Blut Christi, so wirst du rein sein vor Gott! Denn kein Wesen und kein Ding kann rein werden durch sich, sondern allein durch die Verdienste Christi, die da sind die höchste Gnade und Erbarmung Gottes. Du allein vermagst nichts, alles aber vermag Christus!«

10 Und weiter liest er aus der siebenten Stufe: »Dein irdisch Wohnhaus ist voll Unflates; wer wird es reinigen? Wer hat die Kraft und die Macht allein? - Siehe, Christus, der ewige Hohepriester vor Gott. Seinem ewigen Vater! Denn Christus und der Vater sind eins von Ewigkeit. In Christo allein wohnt alle Fülle der Gottheit körperlich. Und diese Fülle ist der Vater als die reinste Gottliebe. Diese ergreife mit deiner Liebe, und Sie wird dein Fleisch reinigen und erwecken, wie Sie erwecket hat das Fleisch Christi, das Sie Selbst in Sich barg.«

11 Und wieder weiter liest er auf der achten Stufe: »Du erschrickst über die große Menge deiner argen Geister, die auf der Welt dein Fleisch und Blut beherrscht hatten, und fragst mit Paulus: Wer wird mich erlösen von meinem Fleische und frei machen von den Banden des Todes? - Siehe hin, Christus, der getötet ward, ist auferstanden und lebet, ein Herr von Ewigkeit! - Wäre er im Tode verblieben, so es möglich gewesen wäre, da wäre dir ebenfalls der ewige Tod sicher. Aber da Christus auferstanden ist, wie du Ihn nun selbst siehst, so ist es unmöglich, daß da jemand im Grabe belassen werden könnte. - Denn wie durch eine Schlange der Tod kam über alles Fleisch, kam auch das Leben durch den einen Gottmenschen über alles Fleisch der Menschen der Erde - aber (zugleich) auch ein neues Gericht, obschon das alte Gericht, das den Tod in sich barg, durch dieses Einen Auferstehung für ewig vernichtet ward. Aber dies neue Gericht ist dennoch auch ein Tod; aber kein Tod zum Tode, sondern ein Tod zum Leben! - Mache dich an die Liebe durch deine Liebe, damit dies neue Gericht deines Fleisches durch die Werke des Einen zu einem wahren Leben wird. - Du stehest an der Quelle, trinke des lebendigen Wassers in der Fülle!"«

12 Und auf der neunten Stufe liest er weiter: »Die pure Weiberliebe ist Eigenliebe! Denn wer von der Weiberliebe sich so weit verziehen läßt, daß ihm daneben die Nächstenliebe und aus dieser die Gottesliebe zur Last wird, der liebt sich selbst im Wesen des Weibes! Lasse dich daher von der reizenden Gestalt eines Weibes nicht gefangennehmen übers gerechte Maß, ansonst du untergehst in der Schwäche des Weibes, während doch das Weib in deiner Kraft erstehen soll zu einem Wesen mit und in dir! - Wie du aber ein oder das andere Glied deines Weses liebst, also liebe auch das Weib, auf daß es eins werde mit dir! Aber Gott liebe du über alles, auf daß du in seiner mächtigen Liebe neu geboren werdest zu einem wahren, freiesten Bürger der reinsten Himmel Gottes für ewig und dein Weib wie ein Wesen mit dir!"«

13 Und noch weiter liest er auf der zehnten Stufe: »Suche, suche, suche, daß du dich nicht übernimmst, so du groß wirst! - Siehe an des Herrn Demut, Sanftmut und Güte! Sieh, Er ist der Herr von Ewigkeit. Alles, was die Unendlichkeit fasset, vom Größten bis zum Kleinsten, vom geistigsten bis zum materiellsten Atom, ist alles sein höchsteigenstes Werk, und Seine Kraft ist so groß, daß alle zahllosen Werke der Unermeßlichkeit sich vor dem leisesten Hauche Seines Mundes in ein ewiges Nichts zurücksinken müßten. Und dennoch steht Er gar so einfach und ganz ohne allen Anspruch bei Seinen Kindlein, als wäre Er nahezu der Allergeringste unter ihnen, und liebt sie und unterhält Sich mit ihnen, als hätte Er bloß sie allein in der ganzen Unendlichkeit, die doch von zahllosen Myriaden der allerwundersamst herrlichen und liebweisesten, reinsten Wesen strotzet! - Also suche, suche, suche der Geringste zu sein und zu werden und zu bleiben für ewig!«

14 Auf dieser letzten Stufe wird Robert so mächtig gerührt vor Liebe zu Mir, daß er laut zu weinen anfängt. Er sieht bald diese letzte und oberste Inschrift, bald wieder Mich und manchmal auch sein neues Weib an und sagt nach einer Weile des Staunens: "O du heilige Inschrift! Du bist so einfach, ohne allen Wortprunk hier auf reinstes Gold geschrieben und dabei doch so ewig wahr wie Derjenige Selbst, Dessen allmächtiger Finger dich hier in dies Gold gegraben hat! Gott! Jetzt, jetzt erst fängt mich eine ungeheure Liebe zu Dir ganz allein zu durchdringen an. Und in diesem Durchdringen der mächtigsten Liebe zu Dir allein gewahre ich erst so ganz innig, daß ich Dich noch nie völlig wahr geliebet habe! Aber nun ist es anders geworden! Du allein, ja Du ganz allein bist nun der Herr meines Herzens, meines Lebens! - Ewige, unbesiegbarste Liebe. Dir allein nichts als Liebe, Liebe und Liebe. Du mein süßester Gott und Vater Jesus!

15 Als Du mir die schönste Helena zu meinem Weibe gabest, da fühlte mein Herz zu Dir mehr nur eine innigste Dankbarkeit als irgendeine rechte Liebe. Und mit dem pünktlichsten Gehorsame gegen alle Deine Gebote meinte ich schon sicher die oberste Vollendung zu besitzen. Aber wie weit war ich da vom wahren Ziele! Ja, ich wußte nicht einmal so recht, wie man Dich neben der Helena mehr als diese lieben könne und hielt solch eine Liebe heimlich bei mir auch für ein wenig albern. Aber nun ist es anders geworden! Ich liebe nur Dich allein über alles und sehe in dieser Liebe ein ganz neues Leben erwachen! - O Herr, o Herr und Vater Jesus. Du meine einzige Liebe!"

158. Kapitel: Roberts große Gottesliebe läßt ihn auf Augenblicke sein Weib vergessen. Helenas verständnisvolle, gute Rede. Ihre Scheu vor dem Allerheiligsten. Jesu stärkende Erwiderung. (Am 12. Jan. 1850)

01 Mit diesen Worten springt Robert förmlich von der Höhe der Pyramide und eilt so hastig zu mir hin, daß er sogar seines schönsten Weibes vergißt. Bei Mir angelangt, will er Mir sogleich zu Füßen fallen und sein Herz vor Mir ganz ausschütten. - Aber Ich halte ihn davon ab und mache ihn darauf aufmerksam, daß er diesmal der Helena, seines Weibes, vergessen habe.

02 Daraus spricht Robert ganz seligst ergriffen: "O Herr, Vater Jesus, wer kann in Deiner, nun mir wohl und rein erkannten Nähe für etwas anderes Sinn und Gedanken haben, als nur allein für Dich!? Ich liebe die wahrlich überaus schöne und ebenso fromme Helena wie ein gutes Glied meines Wesens oder meines geistigen Leibes - aber mein alles über alles bist nun für ewig Du ganz allein, mein Gott, mein Herr und Vater! - Was wäre mir ohne Dich eine ganze Welt voll Helenas?! Nichts! Ich würde verzweifeln in ihrer Mitte! Habe ich aber Dich, so kann ich auch ohne eine Helena vollkommen glücklich sein. Aber ich will sie dennoch holen darum, weil sie eine Gabe aus Deiner Hand ist und darum mir auch endlos wert, teuer und angenehm."

03 Rede Ich: "Ja, ja, gehe hin und hole sie! Denn sie sieht ganz traurig nach uns her und meint, dich beleidigt zu haben, dieweil du sie so ganz verlassen hast!".

04 Robert geht nun eilends zur Helena und sagt zu ihr: "Komm, komm, mein geliebtes Weibchen! Ich habe nur aus übergroßer Liebe zum Herrn deiner auf ein paar Augenblicke vergessen. Aber nun ist schon wieder alles in der schönsten Ordnung! Komme daher jetzt nur mit mir hin zum Herrn und sei ja nicht mehr traurig!"

05 Spricht Helena: "Mein liebend Herz dem Herrn und dir (zum Danke) dafür, daß du mich wieder anschaust! Denn mir kam wahrlich ein Kummer ins Herz, daß ich in meiner Seele mich irgend versündigt zu haben meinte, dieweil du mich verließest und dich nicht umsahest nach mir. Aber nun ist alles wieder gut und mehr als gut - denn dich zog die allein gerechte und wahre Liebe von mir hin zu Gott, dem heiligen Vater! - Nun ziehe aber du auch mich hin vor Ihn, der noch immer der alleinige Besitzer meines Herzens ist und auch ewig verbleiben wird. Lasse unsere Herzen eins werden vor Ihm, der sie zuerst erfüllet hat mit Seiner Liebe, auf daß so nun dein irdisch Fleisch lauter wird durch die Auferstehung im Feuer der Gottesliebe in deinem Herzen - auch das meinige mit geläutert werde und wir dann wie ein Herz, ein Sinn, eine Liebe, ein Leben und Wesen vor Ihm uns des seligsten Lebens erfreuen können!"

06 Robert zerfließt nahezu vor Liebe und bringt nun die Helena zu Mir. Als sie bei Mir ist, will auch sie auf ihr Angesicht niederfallen. Ich aber verhindere sie ebenfalls daran und sage zu ihr: "Ja, Meine allerliebste Helena, getraust du dich denn nicht mehr, Mich so zu lieben, wie du Mich ehedem geliebt hast? Schau, schau! Ich bin ja stets der Gleiche!" Spricht Helena ganz weinerlich: "Fürs Auge ja! Aber fürs Herz, da bist Du schon viel anders geworden viel größer und heiliger! Das Herz bebt nun vor Deiner Größe und Heiligkeit! Denn Du bist wahrhaftig der einige Gott!"

07 Rede Ich: "Ja, Meine allerliebste Helena, das hast du denn doch schon früher gewußt und eingesehen und hast doch keine gar so gewaltige Heiligenscheu vor Mir gehabt! Ja du hast Mich sogar - wie Mir und dir nichts - nach deiner ganzen Herzenslust geküßt! Wie sollst du denn wohl nun eine solche Heiligenscheu vor Mir überkommen haben?! Denke zurück und bleibe dir gleich, so wie Ich Mir unwandelbar gleich bleibe - so wirst du in keine solch unnötige Furcht vor Meiner göttlichen Majestät verfallen!"

08 Spricht Helena: "O Herr, Du überguter, heiliger Vater! Das tut sich wohl in gar keinem Falle mehr! Denn es ist ein großer Unterschied zwischen dem Dich-Kennen und abermals Dich-Kennen. Beim ersten Erkennen hat Dein Göttliches doch stets noch mehr so einen menschlichen Anstrich, und Du bist für das Herz eines armen Sünders zu ertragen. Aber wenn einem die stets größer und wunderbarer werdenden Vorkommnisse und Erscheinungen in einem fort bei allen Sinnen einzudonnern anfangen und nur zu klar den endlosen Unterschied zeigen zwischen Dir, o Herr, und einem Geschöpfe, das sich nach den Gesetzen Deiner Ordnung selbst frei auszubilden hat - dann ist's mit diesem menschlichen Anstriche aus. Und wie unverhüllt steht dann Deine Gottheit in aller Heiligkeit vor unseren erstaunten Augen! - Daß uns da alle, wenn wir die Sache so recht beim Lichte betrachten, mehr oder weniger eine gewisse Heiligenscheu vor Deiner Gottheit anwandeln muß, das ist ja doch ganz klar.

09 Ich habe sozusagen schon in den zwei Sälen, die mir in diesem Hause meines Robert zuerst zu Gesichte kamen, des Wunderbaren zur Übergenüge gehabt, um mich darüber allein schon eine ganze Ewigkeit genüglich zu verwundern und Dich wegen Deiner Güte, Liebe und Weisheit zu preisen. Aber da führte uns Deine Liebe, Güte und Weisheit in dieses Museum, durch welches das fleischliche Wesen Roberts entsprechend bildlich dargestellt werden soll, und da hat es der Wunder kein Ende. Und besonders jene merkwürdigsten Inschriften an den Stufen der großen Pyramide, der erhabene Sinn - ja, da könnte man doch ganz rein bis aus den letzten Tropfen zerfließen vor lauter Ehrfurcht und Anbetung, von der das arme, erstaunte Herz für Dich, o Herr, ergriffen wird! Daher kann von meiner ersten Stellung, die sich gar so furchtlos gestaltete, wohl keine Rede mehr sein!

10 Siehe, als ich noch auf der Welt, und zwar in der schlechten Wienerwelt, ein, wie man in Wien sagt, ,schlabutziges Menschl' machte und ums Geld und um ein gemütliches Wörtl für alles zu haben war, da ist auch oft ein recht sehr großer Herr zu mir gekommen, und ich hatte keine Furcht vor ihm, weil ich seine glänzende Umgebung und seine Macht nicht sah, aber so ich dann und wann zu einem solchen recht großen Herrn etwa gar in seine Amtsstube kam, da, da konnte ich nicht mehr so furchtlos vor ihm sein, wie so er in seiner Einfachheit bei mir war, wo es auch sehr einfach aussah. - Man sollte hier zwar so einen schmutzigst sündhaften Vergleich nicht aufstellen, da dieser Ort zu heilig ist; aber weil er schon gar so richtig herpaßt, so konnte ich nicht umhin, ihn hier aufzustellen. Herr, Vater! Du wirst mir deshalb ja doch etwa nicht gram werden?"

11 Rede Ich: "Nicht im allerentferntesten Sinne! Denn über deine Sünden haben wir schon lange die Rechnung abgeschlossen. Aber darum gelten doch bei Mir deine Entschuldigungen eben nicht gar viel! - Was du nun fühlst und noch ferner fühlen wirst, so du noch größerer Wunder gewärtig wirst, das weiß Ich wohl am allerbesten. Aber das weiß Ich auch, daß es geschrieben stehet: »Seid vollkommen, wie auch euer Vater vollkommen ist im Himmel!« - Wie möglich aber kann das ein Kind, so es vor dem Vater einen noch größeren Ehrfurchtsrespekt hat als ein Hase vor dem Donnergebrüll eines Löwen?"

159. Kapitel: Gleichnis vom Kunstmaler und seinen Schülern. Helena bleibt immer noch furchtsam. Jesu liebweise Belehrung macht sie wieder frei zur himmlischen Liebe.

01 Rede Ich weiter: "Siehe, du hast Mir ehedem aus deiner ,schlabutzigen' irdischen Lebenszeit ein gar nicht schlechtes Gleichnis vorgeführt, das da die Furcht entschuldigen soll, die du nun vor Mir hast. Ich werde dir aber dagegen auch ein anderes Gleichnis erzählen. Und wir werden sehen, wie sich die Sache, die Ich von dir verlange, darinnen ausnehmen wird. - Höre!

02 Es gab einmal auf der Erde einen großen Meister in der Malerei, dessen Bildern wahrlich nichts abging als das Leben, auf daß die dargestellte Sache auch zum vollsten Wahrheit würde. Dieses Meisters Werke zogen aus allen Gegenden der Erde eine große Menge Bewunderer herbei und unter diesen Bewunderern auch so manches Talent, das sich bei dem großen Meister gerne ausbilden wollte. Das freute den Meister, und er bot auch alles aus, um aus den jungen Talenten etwas zu machen.

03 Unter den vielen Kunstjüngern dieses Meisters waren einige mit nahezu den besten Talenten begabt; diese hatten aber vor der unübertrefflichen Kunstgröße ihres Meisters einen so ungeheuren Respekt und eine derartig große Achtung, daß sie es mit größter und demütigster Selbstverleugnung kaum wagten, einen Pinsel zur Hand zu nehmen; denn sie glaubten, daß da all ihre noch so große Mühe rein vergeblich sei, um (auch nur) ein Atom von der Größe ihres Meisters zu erreichen. Die anderen, minder talentierten aber dachten und sagten: »Wohl wissen wir, daß unser Meister bis jetzt unerreichbar als einziger in seiner Art dasteht und wir ihm auch nie das Wasser reichen werden; aber mit dem Respekte vor seiner Kunst wollen wir's doch nicht gar so weit treiben, daß wir darob uns nichts zu malen getrauen. Wir wollen im Gegenteile ihm sehr zugetan sein und von ihm lernen, soviel wir nur immer imstande sind. Das wird ihn gewiß noch mehr freuen, als so wir in seinem Kunstatelier bloß als stumme Bewunderer ganz zerknirscht von einem Werke zum andern kriechen würden. Denn es muß dies ja auch ein Lob des großen Meisters sein, wenn Tausende, von seinen großen Kunstwerken hingerissen, sich nach Möglichkeit ihrer Kräfte beeifern, dem großen Meister in einem oder anderem näher zu kommen. - Und siehe du, Meine liebe Helena, die ersten, von zu großer Ehrfurcht Hingerissenen lernen von dem großen Meister wenig oder nichts, während sich die anderen durch ihren Fleiß und Eifer unter der Leitung des großen Meisters zu ganz tüchtigen Künstlern heranbilden.

04 Sage Mir nun so ganz nach deiner Meinung, welcher von diesen beiden Jüngergattungen wird der Meister den vorzug geben - den zu Ehrfurchtsvollen, oder den weniger Ehrfurchtsvollen aber desto eifrigeren Nachahmern seiner Kunst, für die ihr Herz glüht?

05 Oder wer wäre denn dir lieber für dich selbst - einer, der von deiner Schönheit so niedergedrückt ist, daß er sich um keinen Preis den Mut zu nehmen getraut, dir seine Liebe zu bekennen, sondern bloß einen sich in einer gewissen Entfernung haltenden stummen Bewunderer macht - oder einer, den deine Schönheit wohl zur Liebe sehr anfacht, der aber darob dennoch seiner Sinne mächtig bleibt und den Mut hat, dir zu gestehen, daß er dich unbeschreiblich liebt!? - Sage Mir da deine Ansicht!"

06 Spricht Helena: "Herr, die zweiten, die zweiten! Ich ergebe mich schon ganz, denn ich sehe meinen Irrtum nun ein!"

07 Rede Ich: "Nun gut! So du deinen Irrtum einsiehst, was wirst du dann Mir gegenüber tun? Wirst du wohl wieder so zutraulich sein, sie ehedem, bald nach deiner Erlösung vom Joche deines geistigen Todes?"

08 Spricht Helena etwas stotternd: "Hm, soll freilich, a-b-er hm, wenn Du nur nicht gar so entsetzlich heilig wärest! - Wenn ich bedenke, daß Du Gott, der ewig Allmächtige, Heilige und Allweiseste bist und ich eigentlich nichts als bloß nur so ein allerkleinstes Gedankenfünkchen aus Dir bin - da kommt mir so eine ungeheure Ehrfurcht vor Dir von Deinen heiligsten Augen entgegen, daß ich in die tiefste Tiefe vor Dir versinken könnte!

09 Du siehst zwar wohl so sanftmütig aus wie ein allerfrömmstes Lämmchen und so herzensgut wie eine Großmutter, so ihre liebsten Enkelchen ihr die Hände abküssen. Aber große Stürme, Blitz, Hagel und Donner und eine Menge solcher Dinge mehr kommen denn doch wohl auch so manchmal aus Deinen allerholdseligsten Augen über die ganze Welt für alle Menschen zum erschreckendsten Vorscheine. Und wohl siehst Du dem Äußern nach auch gar nicht kräftiger aus als etwa unsereins, aber die hübsch passabel großen und sehr vielen Weltkugeln, besonders die lichten Sonnen, mit denen Du noch viel leichter sozusagen spielest als ein geschaffener Mensch mit Erbsen - sagen mir so ganz heimlich: Der Allmächtige sieht wohl aus wie ein Mensch; aber Er ist dennoch ganz was anderes als ein Mensch, und Spaß versteht Er schon gar keinen. Er ist wohl unendlich gut denen, die Er liebt; aber mit jenen, die sich Seine Ordnung nicht wollen gefallen lassen, die kuriert Er ganz anders!

10 Und solcher Gedanken mehr dringen sich ganz ungebeten meinem Herzen auf, und ich kann dann freilich nicht dafür, daß sich meines Wesens stets eine größere Ehrfurcht vor Dir bemächtigt! - - Ja, ich möchte sogar behaupten, daß Du Selbst als Gott es nicht einmal so recht geschöpflich (d.h. in der Art und Weise wie ein Geschöpf) begreifen und wahrnehmen kannst, was ein schwaches Geschöpf fühlen muß, so es sich vor Dir befindet. Dir ist es sicher ein wahrer Spaß, vor Trillionen Deiner Geschöpfe zu stehen und sie ganz frei nach Deiner göttlichen Lust zu lieben. Aber wir Geschöpfe können das nur mit einem geheimen Ehrfurchtsschauder.

11 Wenn ich mir's getrauete, wie ich's möchte, da könnte ich Dich freilich, wie man so zu sagen pflegt, rein zu Tode lieben und mich in Dich so ganz ordentlich hineinverbeißen. Aber ja, da ist ein ungeheures Aber dazwischen!"

12 Rede Ich: "Aber schau, schau, was du nun für ein grundgescheites Wesen bist! Ich werde bei dir schon noch Unterricht nehmen müssen! - Aber schau, schau, du furchtsames Lapperl, wenn Ich nicht fühlen könnte, was du als ein Geschöpf zu fühlen vermagst, so du vor Mir, deinem Schöpfer, stehest - von wem andern könnte dir dann überhaupt ein Gefühl eingepflanzt sein? Schau! Ich - habe dich ja ganz und nicht halb erschaffen! Aber Helenerl, jetzt hast du wohl einmal wieder einige Überbleibsel aus deiner Wiener Weisheit hervorgeholt!?

13 Schau du, Mein allerliebstes Helenerl, auf der Welt hast zu öfter gesagt: »Nur keinen schwachen Mann! Wenn der Mann nicht aus einen Streich einen Ochsen niedermacht, so möcht, ich ihn gar nicht zu einem Manne!« - Aber nun hier, im Geisterreiche, möchtest du etwa gar einen fliegenschwachen Herrgott haben!? - Schau, schau, zu was wäre denn so ein schwacher Herrgott gut? - Der Herrgott muß allmächtig sein und über alles weise, sonst müßte Er ja am Ende samt dir zugrunde gehen! - Nun, was meinst du denn jetzt, bin Ich noch so fürchterlich oder vielleicht etwa doch nicht?"

14 Hier fängt die Helena wieder an zu schmunzeln und sagt nach einer etwas beschämten Weile: "Na, aber Du liebster himmlischer Vater! Du kannst einem aber schon so zureden, daß man am Ende richtig alle übertriebene Furcht vor dir verlieren muß! Aber jetzt sollst Du von mir auch geliebt werden ohne Maß und Ziel!"

160. Kapitel: Pater Cyprian nimmt Ärgernis an Helenas stürmischer Liebe. Jesus überführt ihn seines pfäffischen Neides. Gewaltige Donnerworte gegen Priesteranmaßung. Cyprian geht in sich.

01 Als Helena eine gute Weile so an Meiner Brust in ihrer Liebe höchstem Enthusiasmus schwelget, kommt der Pater Cyprian etwas näher hinzu und sagt: "Nun, nun,ich glaube, die will Dich schon ganz allein besitzen! Was wird denn hernach auf uns noch überkommen? Diese Robertus-Gemahlin scheint Dich, O Herr, nicht nur über alles zu lieben, sondern sie ist in Dich ganz eisen- und nagelfest verliebt, und das scheint mir denn doch ein bißchen zu viel zu sein! Siehe, die allerseligste Jungfrau und noch eine Menge hier anwesende seligste Jungfrauen und andere Frauen lieben Dich sicher auch über alles, aber solche Spanbonaden machen sie denn doch nicht. Du bist zwar der Herr, und ich werde Dir ewig nichts vorschreiben; aber etwas sonderbar kommt mir diese Geschichte doch vor! Denn die verbeißt sich ja förmlich in Dich! Nein, so ein verliebtes Ding habe ich aber doch in meinem ganzen Natur- und Geistesleben nicht gesehen! - Sie gibt noch nicht nach!"

02 Rede Ich: "Gelt das nimmt dich wunder! Und es wandelt dich auch zugleich so ein kleiner Ärger an! Aber Ich sage dir: Es ist nicht gut dem, der an Mir ein Ärgernis nimmt! - Und wieder sage Ich dir: Wer Mich nicht liebt wie diese Helena, wahrlich, der wird an Meinem Reiche einen ganz geringen Anteil haben!

03 Liebtest du Mich auch wie diese, so würde dich ihre Liebe nicht ärgern und dir nicht übertrieben vorkommen. Aber da du an der wahren Liebe viel ärmer bist als diese da, so ist dir ihr großer Reichtum ein Dörnchen in deinen Augen, und dich geniert darum ihre große Liebe! - Aber was dabei Mich Selbst betrifft, so sage Ich dir, daß Mich ihre große Liebe nicht im geringsten geniert. Aber deine Bemerkungen haben Mich wahrlich ein wenig zu genieren angefangen!

04 Daß da die Mutter Maria und noch eine Menge anderer Weiber ihre innere, inbrünstige Liebe zu Mir nun hier im Paradiese nicht auf eine also offenbar auffallende Weise äußern, hat seinen Grund darinnen, weil sie als schon lange rein himmlische Wesen dieselbe Liebe innerlich in sich bergen, die diese Helena nun äußerlich erscheinlich kundtut. - Nun weißt du genug! Und trete (du jetzt) ein wenig in den Hintergrund - da sonst diese hier ihrem Herzen nicht den Mir erwünschtesten freien Lauf lassen könnte!"

05 Spricht der Franziskaner noch ein wenig verweilend: "Herr, so aber mein Herz zu Dir in aller Liebe auch so heftig sich entzünden möchte, als wie nun das dieser Helena? - Werde ich da auch noch im Hintergrunde zu verbleiben haben?"

06 Rede Ich: "Die wahre Liebe ist hier der allein gültige Maßstab, nach dem es bemessen wird, wie nahe sich jemand bei mir befinden kann! - Hast du eine rechte, von allem Eigennutze freie Liebe, da bist du Mir auch am nächsten. Je mehr Fünklein aber aus deinem Herzen emporsprühen, die da zucken nach Eigennutz, desto weiter kommst du von Mir zu stehen!

07 Siehe, die römischen Bischöfe halten nun Sitzungen auf der Erde über ihre kirchlichen Dinge, als da sind Geld, Ansehen, Konzessionen über noch weitere und fernere Verfinsterungen der Menschen. Dazu treibt sie der Eigennutz, und sie sind daher ungeheuer ferne von Mir, und ihre Sitzungen werden fruchtlos und ihr Rat unnütz sein und bleiben. Und das darum, weil sie sich ein Vorrecht bei Mir anmaßen. - Aber Ich sage dir: Diese sind die allerletzten!

08 Wer da vorgibt, daß er Mich liebe, ist aber dabei um Meine Liebe, über die Ich allein Herr bin, andern neidig - der ist Mein Freund nicht und Meiner Liebe nimmer wert! - Und wer da sagt: »Nur durch diese oder jene bußfertige Weise kannst du dich der Liebe Gottes und durch sie des ewigen Lebens im Himmel versichern« - der ist ein Lügner und gehört zu seinesgleichen in die Hölle! Denn Ich bin ein Herr und liebe, wen Ich will, und bin gnädig, wem Ich will, und mache selig, wen Ich will, und binde Mich nie an eine gewisse, von herrsch-, ehr- und selbstsüchtigen gemästeten Propheten erfundene und die schwache Menschheit in schwersten Ketten der Knechtschaft haltende Art und Weise. Wehe allen solchen, die sich erfrecht haben, Meine Liebe an die Menschheit auszuspenden, als ob sie dazu allein das Recht hätten! Ihr Recht soll ihnen bald ganz gewaltig verkürzt werden! Und sie werden es ehestens mit allen Laternen suchen und doch keines mehr finden!

09 Und siehe, du Mein Freund Cyprian, gleich wie die römischen Bischöfe nun auf der Erde ihre löblichen Sitzungen und Beratungen halten, durch die sie nichts als nur ihre alte Herrlichkeit, Macht- und Glanzstellung aufrechterhalten wollen, während ihnen nun das wahre Heil Meiner Völker noch bei weitem weniger gelegen ist als dir um den Schnee, der tausend Jahre vor Adam den gemäßigten Zonen der Erde ein weißes und kaltes Kleid lieh - ebenso ist in dir auch noch etwas echt römisch-katholisches, das dieser Meiner lieben Tochter Meine Liebe neidet und dein Herz deshalb mit einem geheimen Ärger erfüllt. Und darum sagte Ich auch zu dir, daß du darob in den Hintergrund zurücktreten sollst, weil dein Neid und dein Ärger diese Meine liebe Tochter in ihrer Liebe zu Mir beirret. - Aber gebieten will Ich es dir darum dennoch nicht, weil du vor Mir auch schon einige Proben von einer etwas geläuterten Liebe abgelegt hast. Kannst du bleiben, so bleibe! Gestattet dir aber dein geheimer Neid und Ärger das Bleiben nicht, dann gehe!"

10 Der Franziskaner macht bei diesen Worten ein ganz trübes Gesicht und sagt so mehr bei sich: "Nein, so strenge hatte ich mir Ihn nimmer vorgestellt! Du mein Gott und mein Herr, was wird denn aus mir, so Er mir die Türe weiset!? Ja, ja, Er hat ewig recht, an uns römisch-katholischen Pfaffen ist kein gutes Haar vorhanden! Aber was wird aus uns, was mit uns, so Er uns gehen heißt!? - In den Hintergrund soll ich zurücktreten - wo ist dieser? Was hat vor Gott dies ominöse (nichts Gutes verheißende) Wort zu bedeuten? Aber ich kann ja auch bleiben, sagte Er auch! - Bin ich aber auch geeignet, zu bleiben? Bin ich frei vom Neide und Ärger? Nein, leider nein, ich bin noch stark ein Pfaffe! - Aber es soll, es muß anders werden! - Ja, ja, der Herr sagte mir auch früher einmal, daß die Menschen ihrer Seele und ihrem Leibe nach aus dem gefallenen und gerichteten Satan sind, und das entsprechend aus einem oder dem andern Teile des Fürsten der Lüge. Ich werde sicher aus dessen Hörnern sein, weil sich in meinem Herzen stets von neuem nichts als lauter abstoßendes Zeug bekundet. Und noch andere Dinge werden aus Satans bösestem Herzen selbst sein, weil sie aus nichts als Neid, Geiz, Herrschsucht, Hochmut und noch einer Menge dergleichen Teufeleien zu bestehen scheinen! O Herr, treibe auch bei mir den Satan aus!"

11 Sage Ich: "Nun kannst du schon wieder hier bei Ludwig und seinem Freunde verbleiben! - Bespreche dich aber unterdessen mit deinem Amtsgenossen Thomas und seinem Freunde Dismas - die werden dir das Teufelsrestchen schon austreiben!"

12 Der Cyprian tut nun das viel heiteren Angesichtes. - Ich aber berufe den Robert zu Mir.

161. Kapitel: Wunderbare Verwandlung der Seelenkräfte durch die Macht höchster Liebe. Robert empfängt das Kleid der Unsterblichkeit und seinen himmlischen Namen. Der Engel Sahariel als Führer.

01 Als Robert, von übergroßer Liebe bemeistert, schnell zu Mir kommt und eine beinahe davidisch (nach Art des David - 2.sam.6,14) ausgelassene Freude darüber hat, daß seine Helena vor Mir so viel Gnade gefunden - da verschwinden auf einmal alle die Grabmäler, und an ihrer Statt steigen mächtige Lichter empor, gleich aufgehenden Sonnen. Und diese erheben seich in einer allerlieblichsten Ordnung, aufwärts und aufwärts schwebend, bis sie wie am hohen Himmelsgewölbe als starkleuchtende Sterne allererster Größe in den herrlichsten Gruppen Ruhe nehmen.

02 Nach einer Weile voll Staunens seitens aller Anwesenden kommt aus der Höhe herabschwebenden Fluges ein sehr leuchtender Geist und bleibt auf derselben Stelle stehen, wo ehedem die bekannte Pyramide stand, ein himmelblaues, mit vielen leuchtenden Sternen besetztes Faltenkleid in seiner Rechten haltend.

03 Alle die neuen Ankömmlinge (d.h. Personen, welche im Laufe der im 1. Band geschilderten Ereignisse in der Sphäre Robert Blums gekommen sind) überrascht diese Geschichte so, daß sie sich vor lauter Ehrfurcht kaum zu atmen getrauen. Selbst Robert, der sich erst vor wenigen Augenblicken vor lauter Heiterheit kaum zu helfen wußte, steht nun ganz betroffen vor Mir und getraut sich kaum, die Zunge zu rühren, geschweige erst, um etwas über diese Erscheinung zu fragen. Nur die Helena, zwar auch voll Staunens, faßt den Mut und fragt Mich, was denn dies um Meinetwillen doch zu bedeuten habe?

04 und Ich sage darauf: "Siehe, Meine Tochter, dies alles kommt aus dem Fleische deines Robert! Und siehe, der Engel dort hat daraus ein Gewand zusammengefaßt und hat es auf Mein Geheiß nun dem Robert wie aus den Himmeln überbracht. Zur Erreichung dieses Hauptzweckes hast aber du nun auch sehr viel beigetragen. Denn die große Liebesmacht deines Herzens half sehr, das Fleisch auflösen und reinigen. Daher gehe du denn nun auch zu dem Engel hin und führe ihn hierher, auf daß er vor Meinen Augen dem Robert das Himmelsgewand überreiche und anziehe! Denn das ist schon ein wahres Kleid zum ewigen Leben!"

05 Helena, ganz entzückt über diese Erscheinung und noch mehr über Meinen erläuternden Antrag, eilt schnell zum leuchtenden Engel hin und bittet ihn, sich mit ihr zu Mir hinbegeben zu wollen. Und der Engel zieht auch sogleich mit ihr zu Mir hin. - Als er bei Mir anlangt, macht er eine ehrerbietigst tiefe Verbeugung und überreicht das Kleid freundlichsten Angesichtes dem beinahe vor Liebe und Ehrfurcht zerfließenden Robert, der sich aber auch in dem (selben) Augenblicke schon angekleidet erschaut, als ihm der Engel das Kleid überreicht.

06 Als Robert nun also mit dem Kleide der Unsterblichkeit angetan vor Mir steht, frage Ich ihn, sagend: "Nun, Freund und Bruder Robert-Uraniel, wie gefällt dir dieses Gewand? Und wie kommt dir überhaupt diese Verwandlung vor?" - Spricht Robert-Uraniel: "Herr, Du alleiniger, der höchsten und reinsten Liebe vollster heiliger Vater! Ich habe es dann und wann schon auf der Erde, freilich nur ganz dumpf, empfunden, daß es im Verlaufe des reineren Lebens manchmal Augenblicke gibt, die des Menschen Zunge verstummen machen; ja selbst die Gedanken stehen stille und können sich bei so manchen wunderbaren Begebnissen nicht um ein Haar breit weiter bewegen; und wollte man darüber auch etwas sagen, so findet man keine Worte. So es aber schon aus der gerichteten Erde solche Augenblicke gibt, deren Außerordentlichkeit einem armen Sünder den Mund schließen muß - um wieviel mehr muß das hier im Geisterreiche der Fall sein, wo sozusagen ein außerordentliches Wunder das andere verdrängt! - Daher wirst du, o Herr, mir es wohl vergeben, daß ich hier vor zu großer Freude und Liebe zu Dir beinahe ganz sprachunfähig bin. Diese zu heilig erhabenste Sache ist zu plötzlich gekommen, als daß ich darüber mich sogleich fassen könnte. Aber so Du, o heiligster Vater, mir eine kleine Weile zur nötigen Fassung gönnen wolltest, so werde ich dann über alles das doch etwa ein nüchterneres Wörtchen zuwege bringen."

07 Rede Ich: "Nun gut, so gehe du mit diesem Engel! Er wird dir nun dieses ganze Museum als wirklich wahrhaftiges Museum zeigen! Am Ende aber komme wieder hierher und sage allen, was alles du in diesem großen Museum gesehen und gehört haben wirst, auf daß du aber desto eher mit der Mühe fertig wirst, so sollst du an der Seite dieses Meines Engels mit einer wahrhaft geistigen Bewegung wandeln. Diese Bewegung aber ist jene Schnelle, von der du auf der Welt schon oft gesprochen hast. Du nanntest sie den Gedankenflug!" - (Mich an den Engel wendend:) "Sahariel, siehe an deinen Bruder Uraniel! Führe ihn durch diese Wunder seiner Seele und zeige ihm auch seine erste Erde, von der auch du ausgegangen bist! Es sei und es geschehe!"

08 Und Sahariel spricht zu Robert-Uraniel: "Komme Bruder und schaue, lerne und bewundere des Vaters endlose Weisheit!" - Und sogleich erheben sich beide und verschwinden vor den Augen aller, die hier (in der geistigen Welt) mit Robert-Uraniel angekommen waren.

162. Kapitel: Helenas Fragen an Jesus nach dem Wesen und den Bewohnern der Hölle. Jesus Antwort durch ein lebendes Beispiel. Cado, ein Höllenbürger.

01 Es sieht sich aber auch die Helena nach Robert-Uraniel um, und da sie ihn nirgends erschaut, so fragt sie Mich gar überaus sanft, wohin nun der Robert möge entschwunden sein samt dem Engel, der ihm das Sternengewand aus dem Himmel gebracht hat.

02 Ich aber frage noch sanfter die Helena, ob es ihr bange sei um den Robert-Uraniel? - Und Helena erwidert: "O Du heiligster, süßester Vater! Wie könnte mir das sein an Deiner von der heiligsten, höchsten und reinsten Liebe erfüllten Brust? Wohin könnte Robert auch gelangen, daß er Deinen Augen unsichtbar würde!? Wer aber im Lichte Deiner Augen wandelt, der verirrt sich sicher ewig nimmer und kommt wieder, begleitet von einer heiligen Freudenträne aus Deinem Vaterauge und begrüßt von seiner an Deinem Herzen ruhenden Liebe! - Oh, er wird nun sehr viele und sehr große Wunder Deiner Allmacht, Weisheit und Güte schauen. Und so er wiederkehrt, was wird er uns, die wir in Deinem endlosen Geisterreiche noch ganz und gar nicht bewandert sind, für Herrlichkeiten zu erzählen wissen! O das wird recht herrlich sein!"

03 Rede Ich: "Ja, ja, so wird es auch sein! Aber was meinst du denn, könnte Ich dir unterdessen etwa nicht auch so einige sehr merkwürdige Wunderdinge erzählen, die vielleicht noch seltsamer wären als jene, die du nun traulich vom Robert-Uraniel erwartest!? Was meinst du da?"

04 Spricht Helena: "O liebster, heiligster Vater, das könntest zu freilich unendlichmale besser als alle zahllosen Engel aller Deiner Himmel! Aber Dich darum zu bitten, würde ich wohl ewig mir nicht getrauen; denn du bist da zu endlos groß, mächtig und heilig! Und so Du mir etwas erzählen würdest aus Deiner höchsteigenen Gottesgeschichte, so würden wohl etwa Trillionen von Erdjahren erforderlich sein, bis ich nur ein Wort aus Deinem Munde so recht in der Tiefe fassen könnte - obschon ich sehr neugierig wäre, von Dir, dem Schöpfer aller Dinge, über so manches etwas zu vernehmen.

05 Für mein Herz von besonders hohem Interesse wäre es, von Dir zu erfahren, worin etwa doch das bestanden haben mochte, was Du, o Herr, mit Deinen lieben Aposteln nach Deiner heiligsten Auferstehung magst gesprochen haben und worüber der Evangelist Johannes sagte: Du habest noch vieles mit ihnen geredet, was er nicht aufgezeichnet habe; denn hätte er es auch aufgeschrieben in viele Bücher, so würde sie die Welt doch nimmer fassen und begreifen mögen! - Ich habe auf der Erde einst von einer lutherischen Freundin das Neue Testament zum Lesen bekommen und muß es hier zu meiner Schande gestehen, daß mir nichts so sehr meine Neugierde unbefriedigt gelassen hat, als eben diese nun erwähnte Schlußbemerkung des Apostels Johannes. Ja, so Du, o heiligster Vater, mir darüber irgendeine Erleuchtung möchtest zukommen lassen! - O da mußt Du ja ganz entsetzlich wunderbare Sachen Deinen lieben Aposteln kundgetan haben!"

06 Rede Ich: "Ja freilich wohl, Du Meine liebste Helena! Aber dieselben Sachen und Geschichten waren so großartig und tief, daß du sie auch in der Geisterwelt unmöglich fassen und begreifen könntest! Aber es wird schon noch in Kürze eine Weile kommen, wo du das alles sehen und verstehen wirst. Denn in Meiner großen Himmelsbibliothek sind derlei Dinge allergetreuest und bestens aufbewahrt. Wenn du einmal zu dieser Meiner großen Bibliothek gelangen wirst, da wirst du ein vollkommenstes Evangelium zu lesen bekommen! - Daher verlange du nun von Mir nur irgendeine andere Geschichte!"

07 Spricht Helena: "O Du süßester Vater, so erzähle mir etwas von dem Falle des Luzifer! Denn das ist auch so etwas, das mir auf der Welt stets dunkel geblieben ist." - Rede Ich: "Meine Allerliebste, auch das wäre etwas zu früh noch für dein Herz! Denn diese Geschichte würde dich zu sehr angreifen. Darum wähle dir lieber etwas anderes!"

08 Spricht Helena: "O heiligster, liebster Vater! So sage mir denn, da zu mich schon aus Deiner höchsten Liebe aufgefordert hast, Dich um etwas anderes zu fragen - was hat es denn da mit der Hölle, von der auf der Erde von den Geistlichen bei weitem mehr als von den Himmeln gepredigt wird, für eine Bewandtnis, und wer kommt so ganz einentlich in die Hölle? Gibt es eine Hölle, oder gibt es keine? Denn sieh, Du liebster und heiligster Vater und Herr und Gott Jesus! Ich war auf der Welt doch gewiß schlecht genug, ein schlabutzigs Wienerfrüchtl, wie man nur eines suchen kann. Zehntausend Liguorianer, so sie mich gekannt hätten, samt dem Papste und samt allen anderen Geistlichen hätten mich ohne alle Gnade und Barmherzigkeit festweg in die Hölle verdammt. Ich muß es wahrlich jetzt noch zu meiner großen Schande eingestehen, daß ich sie deshalb gar nicht einmal eines Unrechtes in meinem Herzen hätte beschuldigen können. Und trotz aller meiner Schlechtigkeit bin ich nun dennoch seligst hier bei Dir, mein Gott und mein Herr! Und so dürften noch so manche hier in Deiner heiligsten Gesellschaft sich des ewigen, seligsten Lebens freuen, von denen auf der Erde so mancher Erzpapist sagen würde: »Nein, das ist denn doch zu arg! Diese Kerls sind denn doch schon sogar für die Hölle zu schlecht!« - Und siehe, sie sind hier in Deinem Heiligtume, freuen sich ihres Daseins und loben in ihrem Herzen nun, zarten Lämmern gleich, Deine unendliche Güte, Weisheit, Macht und Stärke! Wie schlecht müssen sonach jene sein, die da in die Hölle kommen, so es überhaupt eine gibt!"

09 Rede Ich: "Meine allerliebste Helena! Siehe, diese deine Frage ist nicht ganz ohne Interesse, und die Beantwortung wird nicht ohne Nutzen sein. Aber anstatt dir darüber ein Langes und Breites zu erzählen, werde Ich dir so ein höllisches Individuum vorführen lassen, das nun gerade auf dem Sprunge ist, in die Hölle zu kommen, und auch sicher in die unterste, ärgste Hölle kommen wird. An diesem argen Wesen wirst du am allereinleuchtendsten ersehen, wer so ganz eigentlich in die Hölle kommt. Denn es gibt eine Hölle, die in drei Grade geschieden ist, und da ist der unterste der allerschlimmste. - Und du wirst Mich dann loben, so du ersehen wirst, wer, wie und warum einer in die Hölle kommt. Fürchte dich aber nicht! Der Arge wird sogleich da sein!"

163. Kapitel: Auftrag an Petrus und Paulus, als Beispiel höllischer Art den einstigen Beduinenhäuptling Cado vorzuführen. Vergebliche Liebesmühe des Petrus um Gewinnung des frechen Geistes. (Am 27. Jan. 1850)

01 Ich berufe darauf Petrus und Paulus zu Mir und sage zu ihnen: "Ihr beiden gehet hin und bringet Mir den Cado, der vor zehn Erdtagen hierher in diese Welt kam! Es ist fürs erste sein Wunsch, und fürs zweite (geschehe es), damit diesen neuen Brüdern auch der leiseste Schimmer der Meinung benommen werde, als stecke da hinter Mir trotz aller Meiner Liebe etwas despotisch tyrannisches. Also gehet hin und bringet ihn!"

02 Die beiden verschwinden nun plötzlich und sind in diesem Augenblicke auch schon bei dem berüchtigten Cado. - Als sie sich so, wie aus den Wolken gefallen, plötzlich bei ihm befinden, prallt er förmlich zurück und schreit: "Alle Teufel! Was sind denn das für zwei Bestien mit Menschenlarven? Wahrscheinlich so ein paar lumpige arme Schlucker schon wieder! O du verfluchtes Bestienvolk, das wird mich noch an den Bettelstab bringen!"

03 Spricht Paulus: "Freund, wir kommen nicht, um von dir irgendein Almosen zu erbetteln oder irgendein Geld zur Leihe zu nehmen. Denn dergleichen bedürfen wir nicht, da uns ohnehin alle Schätze der Himmel und der Erde zu Gebote stehen. Aber anderes haben wir mit dir vor, was dir viel heilsamer wäre denn alle Schätze der Erde. Und das besteht darin, dich, so noch möglich, vor dem ewigen Tode in der Hölle zu retten. Denn du warst auf der Erde ein vollendeter Teufel in Menschengestalt und sonach ein schon ganz höllisches Wesen. Und du stehest nun in der Geisterwelt auf dem Sprunge zur untersten Hölle, ja bist eigentlich deinem Innern nach schon lange in ihr. So du es aber nun noch willst, so haben wir die Macht und das Vermögen, dich davon zu retten. Aber du mußt uns folgen und alles das willigst tun, was zu tun wir dir anraten werden."

04 Spricht Cado: "Was!? Was was faselt ihr zwei Hauptspitzbuben da?! Bin ich denn je gestorben? Bin ich etwa nicht mehr auf der Erde im Besitze aller meiner Güter, meines Goldes und Silbers? - O ihr feinen schwarzen Jesuitencanaillen! Auf welch eine feine Art ihr mir einige Goldstücke herauslocken möchtet für einen Himmel, den es mirgends gibt, und mich erretten von einer Hölle, die nichts als eine Erfindung hungriger und arbeitsscheuer Pfaffen ist! Sehet, daß ihr weiterkommt, sonst rufe ich alle meine Hausteufel zusammen und lasse euch mit meinen bösesten Hunden hinaushetzen! Da schaue man einmal solche Lumpen an! Von der Hölle retten und den Himmel verschaffen könnten sie einem - ums Geld! Schaut, daß ihr weiterkommt, sonst werde ich euch sogleich Himmel und Hölle austreiben!"

05 Spricht Paulus: "Freund, solche Rede aus deinem Munde ficht uns nicht an! Und, wie du es leicht merken kannst, wir haben (auch) keine Furcht vor dir! Aber das sei dir gesagt, so du uns nicht gutwillig folgst, dann wirst du unsere Gewalt zum Verkosten bekommen! Denn für das ist schon gesorgt, daß dir auf dein Rufen keine Teufel zu Hilfe kommen und deine bösen Hände uns nicht beißen werden. Wir wissen es übrigens sehr wohl, wie du auf der Erde zu deinem großen Reichtum gekommen bist. Da waren wohl eine schwere Menge hungriger Teufel in deinen Diensten, und ein Heer großer reißender Hunde umlagerte dein Schloß, fiel Reisende an und hielt sie fest, bis deine Hausteufel kamen und sie um ein bedeutendes Lösegeld von den Bestien befreiten. Wohl bist du öfter verklagt worden; aber die Kläger richteten nichts aus, weil die Richter in deinem Solde standen! O wir könnten dir von deinen Räubereien vieles erzählen, so hier der Ort dazu wäre. Aber am rechten Orte wirst du deine unmenschlichsten Greueltaten alle vor dir erschauen, und es wird sich da zeigen, ob du vor ihnen einen Abscheu und eine wahre Reue bekommen wirst, wirst du das, so bist du noch zu retten. Wirst du aber das nicht, so ist die unterste Hölle dein Anteil! - Und nun komme mit uns gutwillig, sonst werden wir Gewalt brauchen!"

06 Schreit Cado: "Ihr Hunde! Ihr wollt mir Gewalt antun!? Alle Teufel herbei!! - Wir wollen sehen, wie weit ihr mit eurer Gewalt ausreichen werdet!" Er harret eine Weile unter gräßlichem Zähneknirschen auf seine Hausteufel. Aber es kommt niemand und kein Gebell irgendeines Hundes läßt sich von irgendwoher vernehmen. Auch sein Schloß, das er bisher noch immer, wie auf der Welt, als sein vermeintliches Eigentum vor sich sah, samt den Gärten und Äckern, Wiesen und Waldungen, fängt an, sich ganz neblig zu gestalten und zu verrinnen gleich einer Eisblume auf einer Glasscheibe, so sie von einer erwärmten Luft bestrichen wird.

07 Als Cado solches nur zu ersichtlich zu merken beginnt, da schreit er auf: "Verrat, Verrat! Ihr elenden Hunde, ihr habt mir etwas angetan! Fort mit euch! Weichet von mir, ihr Hunde!! - Bei allen Teufeln, ich will euch nicht folgen! Ihr seid ein paar Zauberer, ihr habt meine Sinne verhext, meinen Augen habt ihr Gift eingestreut! Hinweg, hinweg von mir, ihr Höllenhunde!"

08 Bei diesen letzten Ausrufen aber befindet sich Cado schon vor Mir und der Helena wie auch vor all den anderen Gästen, ohne aber außer Petrus und Paulus irgendwen von uns zu sehen. Die Helena erschrickt vor ihm, da er vor Zorn förmlich glüht und dampft. Aber Ich stärke sie, daß sie ihn ruhiger betrachten und behorchen kann. - Ich aber gebe nun dem Petrus einen Wink, mit dem Cado einen Bekehrungsversuch zu machen und ihn auf Augenblicke paradiesische Gegenden schauen zu lassen.

09 Petrus beginnt sogleich äußerst Weise und gar sanfte Worte an den Cado zu richten und sagt: "Freund Cado, sei vernünftig! Sieh, die Erfahrung aller Zeiten muß dich ja belehrt haben, daß auf der Erde alle Güter eitel und nur zu sicher und zu bald vergänglich sind, und daß am Ende der Reichste wie der Ärmste das ganz gleiche Los des Sterbens völlig ungeschmälert miteinander teilen. Alles Fleisch muß sterben und wie alle Materie vergehen! Nur der inwendige Geist bleibt unverwüstbar! Sieh, du bist dem Leibe nach gestorben und lebst jetzt nur in deiner mit Geist erfüllten Seele unverwüstbar fort. Hänge daher nicht mehr an dem, was für dich wie für jeden, der das Zeitliche verlassen mußte, für ewig vergangen ist, Bekenne aber deine großen Weltschulden vor uns, und wir wollen für dich Zahler sein und dich dann aufnehmen in unsere bessere, wahre und für ewig beständige Welt, in der es dir ewig nimmer an irgend etwas gebrechen soll. Da siehe hin gen Morgen! Alle jene herrlichen Ländereien und Paläste sind unser, und du sollst sie haben! Aber deine Schulden mußt du uns bekennen, auf daß wir sie auf uns nehmen können!"

10 Cado sieht flüchtig gen Morgen hin und beschaut die herrlichen Ländereien. Nach einer Weile sagt er ganz höhnisch: "Wisset, Mäuse und Ratten fängt man am leichtesten vermittelst eines Köders, und so manche Narren zahlen ein doppeltes Eintrittsgeld ins Theater, so ihnen ein Zauberkünstler Nebelbilder zeigt. Aber so ein dummer Hecht bin ich nicht, daß ich sogleich in die Angel beiße, so an deren Spitze statt einer Goldmücke ein Pfifferling steckt. Glaubst du, dummer Tagdieb, ich werde deinem Blendwerke irgendeinen Beifall zollen? O da bist du in großer Irre! Ich weiß es, was und wer du bist, und kenne auch mich sicher sehr genau. So ich nun außer dem Leibe bin, da bin ich um so freier und werde tun, was mich freut. Aber ein dummer Jude wird mir nie ein Wegweiser sein! Verstehst du dieses, dummster Esel!? So du schon solch eine Macht besitzest, mittelst welcher etwa gar alle Berge der Erde vor dir sich verneigen müssen, was hast du dann nach meinen Schulden auf der Erde zu fragen? Bist du so allmächtig und allweise, so wirst du ja doch auch schon lange von irgendwoher erfahren haben, worin sie bestehen! Sehe sie an und berichtige sie dann auch, wenn du schon so eine Lust zum Schuldenzahlen für andere hast! - Was gehen dich aber überhaupt meine Verbrechen an? Habe ich dich denn um deine je gefragt? - Schauet daß ihr bald weiterkommet, sonst werdet ihr an mir den rechten Teufel finden! Habe ich euch etwa angerufen gleich irgendeiner alten Betfrau? Nein, das tut ein Cado, der Schrecken der Wüste Armeniens, nimmer! Denn Cado ist mehr, als was ihr dummen Schöpfe euch von euerm Gott Abrahams, Jakobs und Isaaks eingebildet habt. Cado ist ein Herr, und die Erde bebt vor seinem Namen! Aber euer Jehova ist ein Bettler und ein Hauptpfuscher in allen Dingen! Glaubst du, ein Cado kennt etwa den Jehova nicht und seine ans Kreuz gehängte Jesuspfuscherei!? O ein Cado kennt alles, sogar seine ganze Lehre kennt er besser als du, der du sein Fels hättest sein sollen für alle Zeiten. Aber der Fels ist anstatt aus fester Steinmasse aus Schafbutter angefertigt worden und daher auch zerronnen. Und somit ist von diesem Felsen bis auf diese Zeiten auch nichts anderes übrig geblieben als dessen nichtssagender Name und eine Menge hölzerner Statuen, Bilder und falscher Reliquien! Du bist der Peter und dein Begleiter ist der etwas gescheitere Paul, Saul oder Faul (der letzte Name dürfte der ganz richtige sein!). Saget mir lieber, was es denn da mit euerm Meister in dieser Geisterwelt für eine Bewandtnis hat!? Richtet er noch fleißig die Toten und die Lebendigen? Ist er auch so dumm, wie ihr (beiden) da seid?"

11 Spricht Petrus: "Der hat uns eben an dich abgesandt, auf daß wir dich vor dem ewigen Untergange erretten sollen!" Spricht Cado: "Warum ist er denn nicht lieber selbst gekommen? Er hat sich vielleicht bei den jetzt sehr häufig vorkommenden Gerichten verkühlt und hat darauf einen Schnupfen bekommen und wird jetzt nicht ausgehen können? Daher hat er euch als seine wahrscheinlich ersten Gesellschafter, die sich schon durch ihren warmen Hauch bei seiner Geburt um ihn verdient gemacht haben, an mich abgesandt, auf daß ihr auch mich erwärmen sollet durch euren starken Atem!? Aber der Cado ist kein Schaf, als wie es der zu Bethlehem in einem Schafstalle geborene Messias der Juden war, darum ihm denn auch seine Landsleute am Kreuze ihre Ehre bezeugt haben. O ihr dummen Schöpfe! Meinet ihr denn, daß ein Cado auch so dumm ist und sich bei der Nase herumziehen läßt wie irgendein hungriger Jude? O weit geirrt, meine lieben Schafe Gottes! Der Cado ist ein Löwe und ewig nimmer ein Gottesschaf! Versteht ihr das? so ihr zu euerm Meister kommet, so richtet ihm einen schönen Gruß aus von mir und saget ihm, daß es mir sehr leid tut, daß er auf der Erde kein Cado, sondern ein ganz gewöhnliches - Schaf war!"

12 Spricht Petrus: "Freund, auf diesem Wege wirst du nicht weiter kommen! Dieser dein Weg führt zur Hölle und zur ewigen Qual aus dir selbst! Denn du bist verdorben bis in die innerste Faser deines Lebens! Damit du aber weißt, wer nun Jesus der Gekreuzigte ist, war und ewig sein wird, so sage ich es dir als einer Seiner getreuesten Zeugen: Er ist Gott, der Einige und Alleinige, der Ewige, ein Herr und Meister, heilig in der ewigen Unendlichkeit! Er allein kann dich erhalten, aber auch fallen lassen für ewig! - Sieh noch einmal gen Morgen hin den Himmel offen! - Siehe aber auch gen Mitternacht der Hölle Rachen weit aufgetan! - Wohin willst du ziehen? - Kein Gott wird dich richten und kein Engel und wir beide auch nicht! Aber dein Wille sei dein Richter!"

13 Spricht Cado: "Also dort der sogenannte Himmel, und da gegen Mitternacht die romantische Hölle!? So, so, das ist sehr schön! Was kostet denn dieses von euch hergezauberte Spektakel? - Ihr seid ja ein paar Magier non plus ultra (höchster Art)! - Saget mir, ist die Hölle nach alter jüdischer Art oder neu-römisch-katholisch, griechisch, türkisch oder ostindisch? - Der Himmel ist (wohl) persisch!?"

14 Spricht Petrus: "Cado, Cado! Du bist ein frecher Geist und treibst einen schnöden Unfug mit der unendlichen Güte und Erbarmung Gottes! Sieh, wir sind dir überaus wohlwollend gut und bereit, dir jeden wahrhaft nach der Ordnung Gottes erprießlichen Dienst zu leisten, haben dich noch mit keinem nur einigermaßen harten Worte beleidigt, außer daß wir dir zeigten, wie es der urgerechtigkeit Gottes gegenüber mit dir steht. Und du bist wie ein wütender Tiger gegen uns blutdürstigst entbrannt! - Warum denn das, Freund? Sei doch gegen uns in deiner nur zu außerordentlichen Ohnmacht so, wie wir im Besitze aller Macht aus Gott gegen dich sind, und wir werden uns leichter verständigen, als dies bisher der Fall war! - Glaube es mir, der ich dich durch und durch kenne, daß es mit dir wahrlich äußerst schlecht stehet! Nicht etwa von uns aus, sondern von der bösesten Liebe deines Herzens aus! - Du kannst dir ewig nimmer helfen. Denn zu verdorben ist dein Herz, aber so du vor uns alle deine Missetaten bekennst und dadurch dein Herz vor uns auftust, so setzest du uns dadurch in den Stand, daß wir dein Herz ausfegen können. Verschließest du es aber stets mehr vor uns, so wird dein arger Unflat im Herzen erstarren, und es wird dann nimmer möglich sein, dich zu erretten vor dem ewigen Tode! Cado, bedenke doch diese heilsamsten und sicher freundlichsten Worte!"

15 Spricht Cado: "Ich bitte euch, ersparet euch jede fernere Mühe und ärgert mich nicht vergeblich! Habt ihr es denn nie gehört, das jene, die schon von Kindheit an gewohnt sind, zu herrschen, nimmer gehorchen können und wollen? Ihr könnet von mir nur im Wege meiner Gnade und Großmut etwas erreichen; aber auf dem Wege eures gut sein sollenden Rates werdet ihr ewig nichts von mir erreichen. Denn ein rechter König darf sich niemals raten lassen, so er für alle Zeiten sein gebieterisches Ansehen behaupten will. Er muß allezeit herrschen!"

164. Kapitel: Grundböses Wesen des Cado weist alle Liebe und Bekehrung von sich. Jesus über göttliche Züchtigung. Die Hölle muß sich selbst kurieren. (Am 1. Febr. 1850)

01 Spricht daraus abermals Petrus: "Aber du warst doch dein ganzes irdisches Leben hindurch kein König! Wie kannst du da vor uns sagen, daß du schon von der Wiege an zum Herrschen geboren gewesen wärest? Du bist nichts als ein Beduinenhäuptling gewesen, und das nur in den letzten Jahren deines Lebens. Früher warst du ein Schafhirte und danebst ein getreuer Helfershelfer deiner löblichen Vorgänger und bist erst durch die schmähliche Heirat mit der ältesten Beduinenhäuptlingstochter zum Häupllinge erhoben worden. Du hast somit auf der Erde gar lange blindlings gehorchen müssen und hast erst in den letzten Jahren deines Lebens, wie ich schon eher bemerkt habe, eine höchst schnöde Art von Herrschaft über dein allerlumpigstes Räubergesindel und über deine echten Bluthunde ausgeübt. Und so meine ich denn, daß dir das Herrschen eben nicht in dem Grade angeboren sein möchte, wie du es uns ehedem gesagt hast!"

02 Spricht Cado: "Das ist gleich! Was ich nicht will, das will ich durchaus nicht! Und ihr möget selbst Götter sein, so werdet ihr mich doch so lange nicht auf eine andere Idee bringen, bis ihr mir ein anderes Herz und einen andern Willen einhauchen werdet. - Glaubet ihr denn, daß ich die Hölle fürchte? Oh, da irret ihr euch sehr an mir! Einem allmächtigen Gotte gehorchen kann ein jeder feige Esel; aber einem anmächtigen Gotte den hartnäckigsten Trotz bieten und alle seine Weisheit zuschanden machen, das kann nur ein starker Geist, der keine Furcht kennt, auch vor einem ewigen Schmerze in der ärgsten Hölle nicht! Werfet mich in kochendes Erz, und ich werde euch im höchsten Brandschmerze dieselbe Antwort erteilen, die ihr nun hier vernommen habt. Denn groß ist der Geist, der seinen Schöpfer verachten kann, auch unter den größten Schmerzen! - Welchen Dank soll ich dem Schöpfer denn auch schuldig sein? Ich bin nur dann gegen jemanden Dankes verpflichtet, so er mir das tat, um was ich ihn ersucht habe. Den Schöpfer aber habe ich sicher nie ersucht, daß er mich hätte erschaffen sollen. Er hat es eigenmächtig getan! Es ist dann Schande genug für seine angepriesene höchste Weisheit und Macht, daß er an mir eine barste Pfuscherei von einer Schöpfung zuwege gebracht hat. Oder vielleicht muß ich wegen der Erhaltung des Ganzen gerade so sein, wie ich bin. Und ihr werdet daher weder auf die eine noch auf eine andere Art mit mir etwas ausrichten. Sehet daher, daß ihr weiterkommet!"

03 Hier wird Cado ganz schwarz, und seine Gestalt wird entsetzlich, so daß die Helena sich recht sehr zu fürchten anfängt. Seine Augen werden glühend wie die eines wütenden Hundes, und er macht Miene, die beiden (Apostel) anzufallen. - Aber Petrus sagt zu ihm: "Im Namen Jesu des Gekreuzigten gebiete ich dir, daß du dich vor uns ruhig verhaltest, sonst sollst du die schärfe des Gotteszornes zum verkosten bekommen, sobald du es wagst, nur einen Finger gegen uns emporzuheben!"

04 Cado bebt nun vor Wut und wird in seinem Innersten ganz glühend, äußerlich aber aller Kleidung bar. So steht er häßlichsten Anblickes vor uns, ohne jedoch unser ansichtig werden zu können.

05 Ich frage nun die Helena und sage: "Nun, Meine geliebteste Tochter, was sagst du zu dieser Seele? Findest du, daß von Meiner Seite auch nur im geringsten etwas unterlassen oder unternommen worden sei, das nicht für ihre Beseligung beabsichtigt wäre? Du sagst mir in deinem edelsten Herzen ein gewichtiges Nein! Und also ist es auch. Es ist bei diesem Geiste alles aufgeboten worden, was nur immer als ein Meiner Liebe entsprechendes sanftes Mittel gedacht werden kann. Aber, wie du dich nun selbst überzeugt hast - ohne den geringsten Erfolg! Dieser Geist wurde sozusagen auf den Händen getragen. Starke Engel wurden zu seiner Bewahrung beordert. Aber sein Wille, der frei bleiben muß, war stets mächtiger als Meine Liebefesseln, die Ich ihm durch die mächtigsten Engel anlegen ließ. Er zerriß sie alle und spottete ihrer allzeit gräßlich. Es fehlte ihm nicht an der Erkenntnis; er kennt jeden Buchstaben der Schrift und hatte sogar das Vermögen, mit der gesamten Geisterwelt zu verkehren. Er kennt Mich und Meine Göttlichkeit und kann doch Meiner spotten. Für ihn ist jeder Herrscherstuhl ein Fluch, so er ihn nicht sein nennen kann. Ein Greuel ist für ihn jedes Gesetz, das er nicht gegeben. Er kennt nur seinen Willen, und der Wille eines andern ist für ihn ein Verbrechen, das er nie zur Genüge rächen könnte! Sage Mir, was kann da Meine Liebe noch ausrichten bei solch einem Wesen?"

06 Spricht die Helena: "Ach du großer, lieber, heiliger Vater! Solch ein Wesen verdient denn doch eine fernere Gnade nimmer von Dir; wohl aber so lange eine gerechte Züchtigung, bis es nicht mehr sich selbst als etwas zu sein dünket, sondern in aller Demut zu Kreuze kriechen wird."

07 Rede Ich: "Wäre alles recht, so die Züchtigung als von Mir ausgehend nicht auch schon ein Gericht wäre! - So Ich irgend die Menschen ihrer großen Bosheit wegen züchtige, so muß die Züchtigung ja so gestellt sein, daß sie soviel als nur immer möglich als eine natürliche Folge der Böswilligkeit erscheint, gleichwie, so sich jemand selbst einen Schlag versetzt, der daraus folgende Schmerz als eine notwendige und ganz natürliche Folge (seines Tuns) sich darstellen muß - obschon eigentlich von Mir die Natur ursprünglich schon so eingerichtet ist, daß der Schlag auf das Fleisch einen Schmerz nach sich ziehen muß, weil er eine Sünde gegen die bestimmte Ruhe des Fleisches ist, und so muß jede von Mir ausgehende Züchtigung beschaffen sein, wenn durch sie die Freiheit des Geistes und der Seele nicht untergraben werden soll.

08 Also aber darf auch bei diesem argbösen Geiste keine andere Züchtigung angewendet werden, als die er sich selbst aus seinem höchsteigenen bösen Willen, aus der Ausgeburt seiner Liebe, geben wird. So er dann aus solch eigener Schöpfung des Schmerzes satt bekommen und sich gewisserart selbst ersticken wird in seiner Wut, dann erst wird es wieder möglich sein, sich ihm auf einem gelinderen Wege zu nahen. Er kommt somit nach und nach in die unterste und allerärgste Hölle - aber nicht etwa von Mir dahin verdammt, sondern durch sein eigenes Wollen. Denn er erschafft sich diese Hölle selbst aus seiner Liebe! Was aber jemandes Liebe ist, das ist auch sein Leben, und dieses darf ihm ewig nimmer genommen werden!"

09 Spricht Helena: "Aber Herr, der Du allein die wahrste und vollkommenste Liebe und Erbarmung bist! So er dann in solcher allerbösesten Liebe für ewig verharret und Dir zum Trotze lieber ewig das Ärgste und Gräßlichste erleidet, als seinen starren Willen zu beugen unter Deinen allersanftesten - was dann mit solch einem Geiste? - Wäre denn bei solchen gar argen Geiste nicht ein glimpfliches Gericht in eine vielleicht recht sehr nützliche Anwendung zu bringen? Der Geist würde sich mit der Zeit vielleicht daran gewöhnen und am Ende aus solch einer Gewohnheit eine Tugend machen, wie es zu Zeiten auch schon auf der Welt der Fall war.

10 Zum Beispiel eine Dirne findet Versorgung in einem eingezogenen Hause, mit der streng gemessenen Weisung, sich von der Zeit ihrer Ausnahme an so zu betragen, als wäre sie einem strengen Kloster einverleibt geworden! Und sieh, o Herr, das ist für eine rechte Nachtwandlerin sicher ein kleines Gericht. Sie überlegt sich die Sache wohl eine Weile. Aber da der Vorteil eines guten, geregelten Lebens doch sehr anspricht, so läßt sie sich gerne das Gericht gefallen, gewöhnt sich endlich an die Ordnung, wird darauf eine ganz züchtige Person und bleibt und stirbt dann auch als solche! - Und so meine ich denn, daß so etwas vielleicht bei diesem Cado auch der Fall sein könnte."

11 Rede Ich: "Ja, Meine geliebteste Helena, siehe, das ist bei diesem Geiste schon vielfältigst auf allerlei Art und Weise angewendet worden - aber leider allzeit ohne den allergeringsten Erfolg, wie Ich es dir schon früher bemerkt habe. Und so bleibt uns nun nichts mehr übrig, als ihn ganz sich selbst zu überlassen. Will er durchaus die Hölle - gut, so genieße er sie denn auch in aller Fülle! Denn dem, der etwas Böses selbst will, geschieht auch für die nimmer endende Ewigkeit kein Unrecht! Wer in der Hölle verharren will, der verharre! Ich werde keinen bei den Haaren herausziehen wider seinen Willen. So ihm die Geschichte denn doch etwa einmal zu derb wird, da wird er dann sich schon von selbst auch einen Weg daraus bahnen. Macht ihm aber die Hölle eine Freude, ist ihm die ewige Nacht lieber als das ewige, alles beseligende Licht, so freue er sich dessen, was ihm Freude macht! - Bist du damit einverstanden?"

12 Spricht Helena: "Herr, du bester Vater! Jetzt vollkommen! - Habe auch gar kein Mitleid mehr mit solch einem allerdümmsten Esel! - Aber was wird mit diesem wahrhaft dümmsten Teufel denn jetzt geschehen?" Rede Ich: "Das wirst du nun gleich sehen. Ich werde nun den beiden Aposteln einen Wink geben, ihn völlig freizulassen und ihn aber nur in seiner Sphäre - tun zu lassen, was er will. Und da wirst du dann schon sehen, was es da mit diesem Geiste für einen weiteren Vorgang nehmen wird."

13 Ich gebe nun den beiden den vorbezeichneten Wink. Und Petrus sagt zu Cado: "Da wir beide uns nun zur vollsten Genüge überzeugt haben, daß du dich durch uns, die wir von Gott dem Herrn an dich abgesandt worden sind, nicht für die Himmel Gottes vorbereiten lassen willst, so gehe von hinnen und tue, was dir Freude macht! Denn das will auch dein Gott und unser Gott Jesus Jehova Zebaoth! - Von nun an wird Gott keine Boten mehr an dich absenden. Wir beide waren die letzten!" Nach diesen Worten werden die beiden für ihn unsichtbar, während er selbst allen Anwesenden gar wohl sichtbar wie auch mit jeglichem Gedanken und Worte vernehmbar bleibt.

165. Kapitel: Cado im Höllenschwitzbad. Entsetzen und Erbarmen der Zuschauer. Gottes notwendig-konsequente Folgen von Ordnungsübertretungen.

01 Als Cado sich nun allein befindet, sagt er bei sich: "Dank der Hölle, daß ich diese beiden faden Luder endlich einmal losgeworden bin! - Ha, da seh ich ja Bekannte, mehrere meiner Gesellen, ja sogar meinen einstigen Häuptling! Na, das wird ein Jubel sein, so wir zusamenkommen werden und uns gar leicht wieder erkennen! Sehen doch noch alle wie auf der dummen Welt aus!"

02 Die Schar nähert sich ihm stets mehr und mehr, und sein vormaliger Häuptling, ihn erkennend, stürzt mit grauser Hast auf ihn los, packt ihn an der Kehle und schreit fürchterlich pfeifend: "Ha! Schurke! Elender Hund! Bist du einmal hier, damit ich dir's zahle für das, daß du durch ein schändlichstes Mittel dir meine Königstochter zum Weibe zu verschaffen dich erfrecht hast! Warte, du elender Schurke der Schurken, diese Schmach sollst du mir nun in einem Schwitzbade büßen, daß dir darob das Hören und Sehen für ewig vergehen soll! Ich hatte viel auszustehen, unbeschreibliche Schmerzen sind mir hier zugefügt worden durch Flammen und Glut, aber keiner ärger als der, daß ich hier am Orte der Qualen und Schrecken erfahren mußte, daß ein elendester, gemeinster Hund meine erhabenste Königstochter sich zum Weibe gemacht hat! Aber dafür sollst du Hund mir nun auch auf eine Art gezüchtigt werden, wovon der ganzen Hölle noch nie etwas geträumt hat!"

03 Aus diese Worte macht Ludwig Bathianyi folgende Bemerkung zu Dismas, Pater Thomas und dem General: "Nun, das ist ein sehr löblicher Empfang! Ganz gehorsamer Diener! Der König-Häuptling scheint auch ein ganz verzweifelt starker Kerl zu sein; denn der Cado kann trotz all seines gräßlichen Ringens auf den mächtigen Krallen seines Häuptlings sich nimmer loswinden. Nun kommen auch wahrscheinlich dessen alte Helfershelfer herbei, und - o verflucht! - nein, da vergeht wahrhaft dem beherztesten Geiste buchstäblich das Hören und Sehen! Mit ganz glühenden Stricken umwickeln sie ihn nun wie die Spinne mit ihrem zähen Fadenschleime eine Fliege, die sich zufällig in ihr Netz verirrt hat. - Cado raucht nun von allen Seiten und schreit erbärmlich um Hilfe! - O Herr, das ist gräßlich! - Da, da, sehet hin, wie sie ihn vor sich nun stoßen und hinwälzen wie einen Glühknaul! - Und dort im hinstersten Hintergrunde sehe ich einen Thron wie von ganz weißglühendem Metalle. Gegen diesen Thron wälzen sie stets heftiger den sehr zu bedauernden Cado-Knaul? - Was wird denn da geschehen? sollte etwa da das verheißene Schwitzbad sein?! O verflucht! Herr, gar sehr bitte ich dich, vergebe mir meine Sünden! Aber das ist zu arg! _Sie stellen ihn richtig auf den Thron hinaus, von dem nun auf allen Seiten lichterlohe Flammen schlagen. Und er wird extra noch mit glühenden Ketten an den Thron gefesselt. - Oh, dies schaudererregendste Schmerzgeheul von Seite des geknebelten Cado! - Herr, willst Du mir so viel Macht einräumen, daß ich hingehe und den Cado frei mache? Und da, da sieh! Nun kommen andere mit glühenden Spießen und fangen an, von allen Seiten ihn zu durchstoßen! Von jeder Wunde fließt eine gräßlich dampfende Glühmasse! - Herr, ich bitte Dich um alles, was Du willst, gebe mir Macht und laß mich hineilen, diesen wahrhaftig ärmsten Teufel zu befreien!"

04 Rede Ich: "Lasse du das gut sein und sei froh, daß zwischen uns und ihnen eine unübersteigliche Kluft gestellt ist - sonst würden auch die Auserwählten zur Qual kommen. Warte aber nur ein wenig ab! Es wird diese Sache bald ein ganz anderes Gesicht bekommen. Denn der zu große, allerunausstehlichste Schmerz wird den Cado bald zum Meister seiner Fesseln machen. Dann wirst du den zweiten Akt eines höllischen Dramas zu Gesicht bekommen."

05 Spricht Bathianyi: " O Herr! Ich bin schon mit diesem über alle Maßen zufrieden und, wie ich's aus allen Gesichtern lese, auch alle anderen hier Seienden. Auch die allerliebste Helena scheint mehr als genug zuhaben!" Spricht die Helena ganz erschüttert: "Mehr als übergenug! Denn das ist gräßlich, übergräßlich!"

06 Rede Ich: "Meine lieben Kindlein! Ich sage es euch, ihr müsset das sehen, auf daß ihr vollkommen rein werden möget. Denn ein jeder Engel muß auch die Hölle kennen, wie sie beschaffen ist und was da für Früchte aus ihrer bösen Liebe erwachsen. - Denket ja nicht, als ließe Ich so etwas sie aus einer Art Zorn und Rache geschehen. O das ist ferne Meinem Vaterherzen! Aber ihr wisset, daß ein jeglicher Same seine bestimmten Früchte trägt und jede Tat auch eine bestimmte Folge haben muß, wie jedwede Ursache ihre bestimmte Wirkung - und das alles wegen der ewigen Ordnung aus Mir Selbst, ohne die nie auch ein Atom hätte erschaffen werden können und ohne die noch viel weniger an irgendeine Erhaltung des Geschaffenen zu denken wäre. Nun aber hat dieser Geist so sehr wider die für ihn notwendig frei gestellte Ordnung gehandelt, daß er durch solches Handeln sich selbst die notwendig höchst traurige Folge hat bereiten müssen, die wir wegen der Erhaltung der allgemeinen, ewigen Ordnung nicht früher abändern dürfen und können, als bis dieses vor unseren Augen nun höchst unglückliche Wesen durch die schmerzhaften Folgen seiner früheren Handlungen aus sich selbst zu anderen Handlungen getrieben wird, die dann auch andere, bessere oder aber wohl auch noch schlimmere Folgen nach sich ziehen werden!

07 So jemand einen guten Samen in die Erde legt, so wird daraus auch eine gute Frucht erwachsen. Legt aber jemand statt des Weizenkornes den Samen einer Tolkirsche ins Erdreich, so wird Er wegen der ewigen Ordnung doch auch nur wieder eine Tollkirsche und keinen Weizen ernten.

08 Es dürfte Mir aber leichtlich jemand einwenden und sagen: »Wäre alles recht, o Herr; aber Du hättest Deine Ordnung denn doch nicht in so ungeheuer grelle Extreme (Höchstgrade) treiben sollen!« - Gut, sage Ich und füge aber dazu die Frage: Ist das Lichtextrem einer Sonne darum als ein Fehler Meiner Ordnung zu beklagen, weil wegen seiner außerordentlichen Stärke jedes Auge erblindet, das da so toll wäre, stundenlang unverwandt in die Sonne zu schauen? Oder ist das alles verzehrende Feuer etwa doch mit einem zu heftigen Hitzegrad begabt? Ist nicht die Last eines Berges zu gewaltig, die Schnelligkeit des Blitzes zu groß, die Kälte des Eises zu scharf und die Masse des Meerwassers zu ungeheuer? Wie sähe es aber mit einer Welt aus, auf der die Ordnung in den Elementen nicht also bestellt wäre? So des Feuers höchster Hitzegrad nur lau wäre, könnte es wohl die harten Metalle zerschmelzen? Oder wie weich müßten die Metalle wohl sein, auf daß sie schon bei einer geringen Wärme in Fluß kämen? Wären aber die Metalle also weich, wozu könnten sie dann nütze sein? Wäre aber die ganze Erde etwa so weich wie eine Butter, welches Geschöpf von nur einigem Gewichte würde auf so einer butterweichen Welt oder Erde bestehen können? Und so die Sonne nicht ein so intensivstes Licht besäße, würde je dann wohl auch imstande sein, aus Entfernungen von sehr vielen Millionen Meilen (nach irdischem Maße) die für den Planeten erforderliche Wärme und das über alle Maßen nötige Licht zu bieten?

09 Es möchte vielleicht jemand den Gedanken haben und bei sich selber sagen: »Es sollen ja alle Extreme sein und bestehen, aber wozu ist denn beim Menschen die außerordentlich große Schmerzfähigkeit gut? Warum hat er eine tausendfach größere Empfindlichkeit für Schmerzen und Leiden als für Wohltun und für Empfindungen beseligender Reize?« - Die Antwort auf diese Frage ist eine überaus handgreiflich leichte. Stellet euch die Menschheit als rein schmerzunfähig vor; gebet ihr dann ein vollkommen freies Erkenntnisvermögen und einen völlig freien Willen. Sanktionieret dann aber auch die Gesetze wie ihr wollet, und es wird niemand ein Gesetz beachten! Denn wer keine Empfänglichkeit für Schmerzen hat, der hat auch keinerlei Lust, und würden wollüstige Menschen, so sie nur mit einer puren Lustempfindlichkeit begabt wären, sich nicht in aller Kürze gänzlich verstümmeln, so sie bei einem allfälligen Abtrennen eines oder des andern Gliedes, statt des schützenden Schmerzes nur Lust und Wohltun empfänden?

10 Dieser vor uns aus übergroßem Schmerze heulende Cado wäre sicher für ewig verloren, wenn er schmerzunfähig wäre. So aber wird er in seinem Hochmutswahne wohl vielleicht noch eine sehr geraume Zeit den schroffsten Trotz bieten; aber wenn ihn der Schmerz zu gewaltig erfaßt, so wird er am Ende anfangen, mit sich auch sehr handeln zu lassen und wird sich auf bessere Wege begeben!

11 Ihr sehet nun aus diesen Meinen Worten sehr leicht, daß da jede Fähigkeit und Beschaffenheit eines Menschen wie auch jedes andern Wesens aus Meiner ewigen Ordnung bestens beraten und berechnet ist, und es darf an ihr kein Häckchen fehlen, so der Mensch vollkommen das werden soll, was er werden kann. Wenn aber alles das also sein muß, dann müsset ihr hier neben Mir auch keine so schiefen Gedanken in euch aufsteigen lassen, sondern sollet stets denken: »Was jemand selbst will, trotz der großen damit verbundenen und ihm wohlbekannten Nachteile, dem geschieht auch ewig kein Unrecht, und ginge es ihm noch tausend Male schlechter als es ihm geht!« - Nun aber gebet weiter acht auf die vor euren Augen vor sich gehende Handlung! - Und du, Meine allerliebste Helena, sehe ebenfalls hin und erzähle uns, was du siehst!"

12 Spricht Helena: "O Herr, da ist es ja nimmer (möglich) hinzusehen! Denn das ist zu ungeheuer gräßlich! O wohl dir, Robert-Uraniel, daß du das nicht mit uns schauest! Du würdest erstarren vor Grauen!" Rede Ich: "Meine allerliebste Helena, sorge dich nicht um den Robert! Er sieht diese Szene ebensogut, wo nicht noch besser als du! Denn im Geisterreiche gibt es keine Ferne, von der aus man irgendein Geschehnis weniger klar sehen würde, als so man ganz in der Nähe sich zu befinden meint. In dieser Welt gibt es ganz andere Nähen und Fernen, und diese befinden sich lediglich im Herzen eines jeden Geistes. Je inniger sich irgend Geister lieben, desto näher sind sie sich. Je schwächer aber da ist die gegenseitige Liebe, desto ferner sind sie sich auch. - Verstehst du das? - Ja, du verstehst es! Darum sehe jetzt nur mutig die Szene an!"

13 Helena schaut nun mit mehr Mut und Ergebung nach der Szene hin, da sie nun einsieht, daß die Sache, wie sie sich auch immer gestalten möge, unmöglich anders sein kann, als wie sie wegen des Gesamtbestandes der ewigen Ordnung sein muß.

166. Kapitel: Unerwartete Wendung. Cado wird frei und nimmt Rache. Der Häuptling lenkt ein. Echt satanischer Höllenplan.

01 Es macht aber auch der Franziskaner Cyprian mit dem Grafen Bathianyi und dessen Freunde Miklosch eine etwas größere Annäherung zu Mir und richtet seine Augen scharf nach dem Schreckensorte hin. Nach einer Weile unverrückten Betrachtens wird seine Zunge locker, und er fängt unaufgefordert also zu reden an: "O du entsetzliche Schwerenot! Der Cado, von sicher zu namenlosestem Schmerze gedrungen, zerreißt nun alle seine Fesseln, als wären sie ein lockerstes Spinnengewebe, fällt über seine Peiniger wie ein wütender Tiger her und, wen er ergreift, den zerreißt er auch in kleine Stücke! Und die Stücke krümmen sich und hüpfen am ganz glühend aussehenden Boden umher als wie abgehauene Stücke einer Schlange! Den glühenden Thron zermalmt er zu Staub! Die Spieße werden vernichtet, und nun stürzt er sich aus seinen irdischen Häuptling, der sich zwar zur Wehr stellt und auf den wütenden Cado mit gräßlich klingender Stimme entgegenruft:

02 »Rühre mich nicht an, Hund! Sonst sollst du meine Rache an dir erst in aller ihrer unergründlichen Tiefe und namenlosen Schärfe kennenlernen! Glaube ja nicht, daß ich hier verlassen und ohnmächtig vor dir stehe! Wie du mich nur mit einem Finger anrührst, wirst du von Millionen mächtigster Geister umringt und in eine derartige Qual geworfen werden, gegen die alles, was du bis jetzt verkostet hast, nur ein kühlender Balsam war! Willst du aber, da ich in dir nun einige Kraft entdeckt habe, mit mir gegen einen andern Fürsten einen Bund machen, so soll der auf der Erde an mir begangene Frevel völlig nachgelassen werden, und es soll hinfür von mir gegen dich von keiner weiteren Rache mehr die Rede sein. Du sollst von nun an mein intimer Freund sein und an meiner Seite mein königliches Ansehen als mein Schwiegersohn im Vollmaße teilen!«

03 Der Cado wird nun etwas stutzend und schreit nach einer kurzen Pause noch sehr grimmig: "Elendster Teufel! So du mir nun - da du ein kleines Pröbchen von meiner unbesiegbarsten Macht und Kraft gesehen hast und gar wohl fühlest, daß ich mit dir es nun ebenso machen kann, wie es dir diese zerstreut herumhüpfenden Teile deiner ohnmächtigsten Helfershelfer nur zu klar zeigen - solch friedlich schimmernde Anträge machst, warum hast du denn das nicht eher getan, als ich dir, von der Welt herkommend und an deinem Wiedersehen eine rechte Freude habend, doch so harmlos freundlich als nur immer möglich entgegenkam? Wahrlich, hättest du mir da meine Freundlicheit erwidert, so hättest du an mir einen Freund gefunden, mit dessen Hilfe du die ganze Schöpfung aus den Angeln hättest heben können. So aber hast du dir an mir einen Feind gezogen, wie die ganze Hölle keinen zweiten soll aufzuweisen haben. Du glaubtest, mich vernichten zu können und unschädlich zu machen; bist aber nun gräßlich enttäuscht worden und machst als weidlichst Besiegter mir nun friedlich schimmernde Anträge. Aber Cado kennt seinen Mann und wird daher deinen Worten auch ein ganz verdammt kleines Gehör schenken und dir tausendfach vergelten, was du ihm geliehen hast!"

04 Hier streckt Cado seine Hände nach dem Häuptlinge aus. Aber der Häuptling macht einen Sprung zurück und schreit: "Blinder Esel! Mußte ich dir denn das nicht antun, ansonst du nimmer zu dieser deiner Kraft gekommen wärest! Denn hier, wie auch schon auf der Welt werden Menschen und Geister nur durch große Leiden geläutert und zu mächtigen Helden umgestaltet! Und so habe ich dir durch meine grausamst scheinende Behandlung ja nur einen wahrhaft größten Freundschaftsdienst geleistet und nicht meinen vorgeschützten Rachedurst gekühlt - was ich dir aber auch nur wegen der nähen Verwandtschaft tat, auf daß du schnell zu jener Kraft gelangen sollst, ohne die sich in diesem Reiche kein Wesen behaupten kann und mag. So du aber das nicht anerkennen willst, da versuche immerhin dein loses Vorhaben am mir zu vollziehen und du wirst dich überzeugen, daß du noch lange nicht der Mächtigste in dieser Welt bist!«

05 Hier stutzt Cado noch mehr und sagt nun nach einigem Umherschauen: »Dummes Luder von einem Beduinenhäuptlinge, wenn sich die Sache so verhält, warum hast du mir denn das nicht gleich anfangs gesagt? Hintendrein, wenn sich eine Sache einmal von selbst durch die Umstände gestaltet hat, kann ein jeder daran beteiligte Esel sagen: ,Siehe, das war mein wohlberechnetes Werk!' - Ich will dir's aber in Rücksicht dessen, daß du denn doch mein Schwiegervater bist, in allen Teufelsnamen für jetzt gelten lassen und halbwegs annehmen, daß es also sei. Aber wehe dir, so ich nur irgend je dahinterkomme, daß du nur um dich vor mir zu schützen, mich nun also beredet hast! Dann sollst du mir's millionenfach büßen! Verstehst du diese meine allmächtige Sentenz?! Aber nun sage mir, wie der Ort heißt, wo wir uns nun befinden, und ob es hier keine Burgen und keine reichbeladenen Karawanen gibt, die man so um etwas leichter machen könnte? Denn unser irdisches Handwerk werden wir hier ja etwa doch nicht ausüben müssen!?«

06 Cyprian fortfahrend: "Schönes Vorhaben! Zwei Kerls, wie sie nur in der untersten Hölle ausgeheckt werden können! - Der Häuptling bedenkt sich nun ein wenig und sagt dann mit einer geheimnisvollen Würde: »Freund, auf der Erde waren wir nur pure Mückenfänger, weil wir Fledermäuse waren! Hier aber sind wir zu mächtigen Löwen herangereift! Daher hat's da denn auch mit dem verächtlichen Mückenfangen ein Ende, da uns ganz andere Pläne durchzuführen vorgesteckt sind. Du weißt es, daß bis jetzt noch immer die alte Gottheit die drückend tyrannischste, aller Freiheit bare Obergewalt ausgeübt hat und hat diese durch ihre Menschwerdung neuerlich noch mehr befestigt. Wir ersten Geister dieses großen Reiches der unbegrenztesten Freiheit aber haben mit unserer scharfsinnigsten Weisheit die sehr verborgenen, allerbedeutendsten Schwächen dieser alten Gottheit aufgefunden und werden sie nun in aller Kürze von ihrem alten Throne stürzen und mit ihr machen, wie du ehedem mit diesen deinen Peinigern getan hast. Dann werden wir die ganze alte, urzopfige Schöpfung zerstören und an ihre Stelle eine neue und allerfreieste setzen! - Wie gefällt dir dieser Plan?«

07 Cado zuckt hier mit den Achseln und sagt nur: »Der Plan wäre wohl unser würdig; aber ich zweifle sehr, daß er uns je gelingen wird! Denn die alte, grausame Gottheit ist stets von größter Schlauheit und sieht da am besten, wo wir an ihr eine Blindheit zu gewahren wähnen. Daher meine ich, daß es mit der Ausführung dieses großartigen Planes schon durchaus nicht gehen wird.«

08 Spricht nun wieder der Häuptling: »Du bist hier ein Anfänger und redest, wie du mit deiner noch sehr beschränkten Einsicht die Sache auffassest! Du hast noch zu irdisch-dunkle Ansichten von der Gottheit und unterstellst ihr noch jene Allwissenheit und unbegrenzte Macht, die du als ein Hirtenknabe an der Brust deiner schwachen Mutter eingesogen hast. Du siehst die Gottheit noch immer als ein ungeteiltes und ungeschwächtes, allwaltendes Wesen, das nur zu wollen braucht, um eine Myriade neuer wohlbestellter Welten aus sich in ein mächtiges Dasein zu rufen. Das kann sie zwar und tut es auch immer fleißig, weil das ihr höchstes Vergnügen ist, aber wir kennen das und (wissen), wohin solch eine Lust die Gottheit mit der Zeitenfolge bringen muß - wie auch ein jeder nur einigermaßen gewandte Politiker es einem von höchstem Luxus und unbegrenzter Prachtliebe sich hinreißenlassenden Könige an den Fingern vorzählen wird, wie lange es mit ihm noch währt und wie solch eine unbegrenzte Prachtliebe eines Fürsten seine Hauptschwäche ist, die ihn vom Throne am allerehesten herabfallen machen wird. - Sieh Freund, geradeso verhält es sich auch mit der alten, schwachgewordenen Gottheit! Sie ist bettelhaft kindisch geworden! Ihre Sache ist, nur immer erschaffen und erschaffen, gehe es wie es auch immer gehen mag. Hast du denn auf der Erde nicht schon oft bemerkt, wie dann und wann der Gottheit der Zwirn ausgeht? Sie überhäuft die Bäume mit zahllosen Blüten und hat am Ende zu wenig Stoff, alle die Blüten zu einer Frucht zu ernähren. So setzt sie Menschen auf Menschen in die Welt, geht ihr endlich der Erhaltungsfaden aus, so muß sie ihre Lieblinge wieder wie die Fliegen dahinsterben lassen. Und in allem und jedem wirst du sicher ähnliche göttliche Verlegenheiten bemerkt haben, aber freilich leider nicht ahnen können, worin davon der Grund liegt. Wir aber wissen das nur zu gut und sehen es klarst, wie die Gottheit schwächer und schwächer wird und samt ihrer großen Haushaltung am Ende auf den Hund kommen muß. Und so ist es uns auch möglich, Pläne zu entwerfen, die ihren Untergang notwendig befördern müssen.«

167. Kapitel: Cados höllischer Trotz. Vermessener Umsturzplan des Häuptlings. Der eigentliche Höllenschlund tut sich auf.

01 Cyprian berichtet weiter: "Cado schüttelt abermals den Kopf und sagt: »Freund, das ist noch alles eine Rechnung ohne den Wirt, und die Pläne sind eitel! Ich bin zwar der Gottheit entschiedener Feind, aber nicht ihrer Schwäche, sondern ihrer nur zu ungeheuren Macht wegen. Ich versichere dich, es ist mein vollkommen freier Wille, entweder hier im Orte der Qualen zu verbleiben oder umzukehren und Besitz zu nehmen an allen möglichen Freuden eines himmlischen Lebens. Aber ich ziehe es dennoch vor, hier zu verbleiben, weil ich der Gottheit endlose und ewige Macht nur zu gut kenne. Wäre die Gottheit nur um einen Grad schwächer und besiegbarer als sie ist, da hielte ich's sogleich mit ihr und würde sie verteidigen gegen jeden Angriff. Aber eben da sie so unendlich mächtig und unbesiegbar ist, so bin ich ihr entschiedenster Feind. Ich weiß, daß meine Feindschaft gegen die allmächtige Gottheit eine barste Torheit ist und sie mich jeden Augenblick vernichten kann; aber solange ich einen freien Willen habe, will ich ihr den entschiedensten Trotz bieten, bloß um ihr zu zeigen, daß sie mit aller ihrer Allmacht und Weisheit mit mir dennoch nichts richten kann, solange sie mich in der gegenwärtigen Willensfreiheit beläßt. Es ist für einen Helden wahrlich der größte Hochgenuß, als ein Atom gegen die endlose Größe Gottes sich derart zu stemmen, daß sie nichts dagegen auszurichten vermag! Ich werde daher auch nie ihre (fälschlich) eingebildeten chimärischen (sagenhaft, erdichteten) Schwächen, sondern vor allem nur ihre unendliche Kraft aufzusuchen und zu erforschen bemüht sein. Und je mehr Kraft und Stärke ich in ihr entdecken werde, desto unbeugsamer werde ich mich ihr gegenüber gebärden. Siehe, das ist mein Sinn, der sich für einen Helden ziemt! Aber dein die Gottheit entthronen wollender Plan gehört offenbar zu den größten Lächerlichkeiten und ist ewig unausführbar. Meinst denn du, daß die wirkliche Gottheit eine persische oder chinesische Pagode (Götzenbild) ist, die jedermann vom Throne oder Altare herabreißen und ins Feuer oder in den Kot werfen kann!? Da irrst du dich ganz verdammt gewaltig! Die Gottheit ist das unendlichste Wesen in jeder Hinsicht! Daher gebe du deinen lächerlichen Plan auf und tue, was ich tue, so wirst du dadurch in dir selbst einen Hochgenuß haben darin und dadurch, daß du dir durch dein Bewußtsein selbst das Zeugnis geben kannst, der höchsten Gottesmacht mit deiner barsten Nullkraft dennoch einen härtesten Trotz bieten zu können!«

02 Spricht der Häuptling: »O du dummer Esel! Meinst denn du, daß du aus dir selbst heraus bist, wie du bist? Sieh, du bist ja also gerichtet und kannst nimmer anders wollen, als wie du nu¤ vor mir dich dumm genug ausgesprochen hast! Und du meinst dadurch der Gottheit zu trotzen, so du bist, wie sie will, und nicht, wie du willst! Komme mit mir, so du frei werden willst! - Solange irgend Gesetze und sanktionierte Fesseln ein Wesen binden, ist es nicht frei, sondern ein Sklave einer höhern Macht! Und solange die Gottheit unserem Wirken fortwährend unübersteigliche Grenzen setzt, sind wir die elendsten Sklaven, und von einer Freiheit kann bei uns so lange keine Rede sein, als wir aus unserer eigenen Macht das harte Joch der Gottheit nicht völlig von uns zu weisen imstande sein werden. Können wir aber der Gottheit trotzen, und muß die Gottheit diese Schmach erdulden und kann's nicht ändern, so ist das ja doch sicher ein Zeichen, daß sie schwach ist. Ist sie aber in einem schwach, so wird sie auch in vielem andern schwach und vielleicht noch schwächer sein! Daher ist es an uns, alle ihre schwachen Seiten sorglichst auszukundschaften und sie dann bei diesen mit aller unserer Übermacht anzugreifen und gänzlich zu verderben.«~"

03 Der Franziskaner Cyprian für sich: "O du ganz verzweifelter Lump! Was der für löbliche Ideen hat! Schau, schau! Also: "hinc lacrimae (darum jene Tränen)! - Ich habe immer noch gemeint, daß die höllischen Geister in ihrer fürchterlichsten Qual eine ewig vergebliche, brennendste Reue über ihre begangenen großen Sünden fühlen müssen, ohne dadurch je eine allerleiseste Hoffnung auf Erlösung haben zu dürfen. Aber so (wie ich sehe) ist die Sache ganz anders! Sie wollen das alles selbst, bloß um Dir, o Herr, einen allerhartnäckigsten Trotz bieten zu können! - Ah da sieh einmal jemand solch eine niederträchtigste Lumperei an! Die Kerle haben nur eine Freude über ihre grenzenlose Verstocktheit! Ah das ist wahrlich nicht übel! Aber Herr, solchen Lumpen, wie die beiden dort sind, möchte ich an Deiner Stelle denn doch ein bißchen ihre Freude versalzen, so daß sie es über alle Maßen empfinden sollen, wozu ihre Freude gut ist! - O ihr Hauptlumpen ihr! Nein, wartet, wartet! Dieser seltene Freudenbecher soll euch mit einer Galle gefüllt werden, an der ihr für ewig hinreichend sollet zu lecken haben!"

04 Sage Ich: "Mein lieber Cyprian! Diese Erscheinung mußt du ganz leidenschaftslos beobachten können, sonst füllst du dem eigen Herz mit demselben Stoffe, mit welchem der beiden höllischen Geister Herz erfüllt ist. Denn Drohung, Rache und Krieg sind Eigentümlichkeiten der Hölle, wie sie sich dir soeben zur Schau stellen! Siehe nur hin, wie soeben eine Horde gleich glühenden Drachen aus einer mächtig qualmenden Höhle zum Vorscheine kommt und unsere beiden armenischen Räuberhäuptlinge umstellt, begrüßt und sie belobt ob ihrer gut höllischen Gesinnung und wie die beiden sich nun auch in eine ganz gut ausgebildete Drachengestalt umzuwandeln beginnen, was so viel sagen will, daß sie nun vollends ins echt Höllische übergehen, da sich dasselbe, nach ihrem gegenseitigen Gespräche zu urteilen, in ihnen nun völlig ausgebildet hat.

05 Ich sage dir, es bleibt diesen Geistern nichts geschenkt! Jedes Lästerwort wird zu einem glühenden Stein auf ihrem Haupte. Und sie werden bei solch einer Last schon nach und nach inne, ob sie stärker seien als die Gottheit, und ob sie fähig seien, ihre argen Pläne gegen Mich je in Ausführung zu bringen! Denke du dir (die Sache) nur stets also: Gott ist durchgehends die reinste Liebe, und aus solcher Liebe die höchste Weisheit, Ordnung und Macht. Alles das, und mag es dir noch so arg und schrecklich vorkommen, ist Meine Liebe, Weisheit und Ordnung, und es muß alles so geschehen, damit alles bestehe und nichts verlorengehe!

06 Die eigentliche Höllenqual wird (für diese Geister) erst jetzt ihren Anfang nehmen; denn das frühere war nur so eine Art Einleitung! - Du siehst nun auch die ehedem von Cado zerrissenen Quälgeister sich wieder ergänzen und zusammengreifen nur nicht in einer menschenähnlichen, sondern in einer Schlangengestalt! - Passe jetzt nur recht auf und du wirst sogleich der eigentlichen Hetze ansichtig werden! Aber du, Helena, darfst nun nicht mehr hinsehen, weil das für dich zu arg wäre! - Ihr andern aber sehet nur alle hin! Und du Cyprian kannst auch flüchtig nebenher erzählen, was du siehst und sehen wirst!"

168. Kapitel: Brodelnde Gewalten der Finsternis. Höllische Tücke und himmliche Wachsamkeit.

01 Der Franziskaner Cyprian geht nun einige Schritte fürbaß, um so die Szene desto ungehinderter betrachten zu können. Aber Ich sage zu ihm: "Cyprian, nähern darfst du dich dem Orte des Greuels nicht, weil das einen üblen Eindruck auf dich machen könnte! Daher mache du die Schritte nur wieder fein zurück, die du soeben vorwärts gemacht hast! Du wirst die Sache auch von deinem frühern Standpunkte ganz gut übersehen können."

02 Cyprian tritt auf diese Anrede sogleich zurück und sagt:"O Herr, ich danke Dir für diese Deine väterliche Ermahnung und Zurechtweisung! Ohne diese wäre ich am Ende noch ganz hingezogen worden, was wahrhaftig etwas höchst Unglückliches für mich hätte werden können; denn weit wie von dem Schusse ist immer am sichersten! Aha, aha, es fängt aber nun auch dort die höllische Geschichte an, ein ganz verzweifeltes Aussehen zu bekommen! Daher aufgepaßt! - O Kreuz, Blitz und Donner und alle nur möglichen Elemente! Diese Nordgegend bekommt nun ein sehr schauderhaftes Aussehen! Eine finsterste gähnende Grotte öffnet sich weit durch die schroffsten Wände eines wahren Milliongebirges, aus dessen Schluchten, Gräben und gigantischen Spaltungen sich ein stets dichterer und finsterer Qualm zu entwickeln beginnt. Auch vernehme ich ein ungemein unheimliches Toben, gleich dem eines entfernten großen Seesturmes! O Million, Blitz und Donner! Das fängt an, sehr bedenklich zu werden! Aber nun erschaue ich auch zu oberst des Gebirges gerade über der schaudervollen Grotte zwei Engel sehr düstern und ernsten Aussehens! - Wer etwa doch diese zwei Engel sind?"

03 Sage Ich: "Sehe sie nur besser an, und du wirst sie leicht erkennen!" - Cyprian beschaut sie nun schärfer und erkennt bald den Sahariel und den Robert-Uraniel. Er will sie Mir nennen; aber Ich untersage ihm solches, wegen der Helena, deren Herz zu zartfühlend ist, als daß es ohne Vorbereitung das Geschäft ihres Gemahls auf einer für ihre Begriffe so gefährlich scheinenden Stelle mit der rechten Ruhe betrachten könnte. Cyprian versteht solchen Wink und schweigt. - Aber die Helena, wennschon an Meiner Brust mit ihrem Gesichte ruhend, fragt dennoch den Cyprian, ob er die zwei Engel noch nicht erkannt habe. - Cyprian aber entschuldigt sich recht klug und sagt: "Jawohl! Aber ich habe nun vor lauter schauen keine Weile, dir ihre Namen zu nennen. Gedulde dich nur! Sie werden ohnehin bald selbst hierherkommen." Die Helena gibt sich damit zufrieden und verbirgt ihr Gesicht ganz außerordentlich an Meiner Brust vor den angekündigten Greuelszenen der Hölle, damit sie davon ja nichts zu Gesicht bekommen möchte; denn ein stets mächtiger werdendes Tosen und Toben zeigt nur zu bestimmt an, daß die Hölle wieder etwas außerordentlich Arges auszuführen beabsichtige. Daher wird auch das Gemüt der Helena sehr eingeschüchtert, so daß sie sogar an Meiner Brust ein kleines Fieberchen verspüren läßt.

04 Der Cyprian aber, dem dieses stets mächtigere Toben, Tosen und donnerähnliche Dröhnen ebenfalls nicht munden will, sagt zu Mir: "Aber Herr, Du ewig heiligster, bester Vater! Was soll denn endlich aus dieser stets gröber werdenden Brummerei werden? Es fängt sogar dieser Boden, auf dem wir nun stehen, zu beben und sich zu heben an! Und dort, wo die schaudereregende Grotte (aus nun stoßweise Flammen mit massenhaftem Qualm herausschlagen) sich weiter und weiter auszudehnen scheint, wälzen sich jetzt auch übers Gebirge herab die fürchterlichsten Gewitterwolken gleich losgerissenen großen Felsstücken. Die Sache bekommt ein ganz niederträchtiges Aussehen, obschon die höllische Gruppe sich noch ganz friedlich und wie nichts Arges ahnend vor dem Eingange der schrecklichen Grotte befindet und nicht einmal eine Miene macht, als ob sie etwas zu unternehmen im Sinne habe. - Ich bitte Dich, Herr, sage uns doch, was denn da aus dieser sonderbaren Vorbereitung am Ende herauswachsen wird!? - Ich schaue mir nun schon fast die Augen aus und entdecke sonst nichts Neues, als bloß nur stets mehr Flammen, die aus der Grotte schlagen, und ebenso auch stets mehr des dicksten Rauches aus der Grotte sowohl wie aus anderen Klüften und Ritzen des Gebirges und auch ein stetes Anwachsen der Gewitterwolken von oben herab! - Die beiden Engel zu oberst der höchsten Spitze des Gebirges, und zwar gerade über der Grotte sind auch ganz ruhig und scheinen diese grauenhaftesten Vorbereitungen gar nicht zu merken. Und der stets unerträglicher werdende Sturmlärm scheint nicht bis zu ihren Ohren zu dringen."

05 Rede Ich: Mein lieber Freund! Die Hölle ist nie gefährlicher und unheilbringender, als so sie sich äußerlich ganz ruhig verhält, aber dafür innerlich mit einer desto größeren Wut zu toben beginnt - wie dies soeben der Fall ist. Dagegen aber ist auch der Himmel nie wachsamer gegen die Hölle gestellt, als so er sich bei solch inneren Umtrieben der Hölle ganz ruhig und gleichmütig zu verhalten scheint. So lange die Hölle bloß innerlich gährt und tobt, schreitet der Himmel nicht ein. Aber so sie, mit der Weile ermutigt, ihre Wut nach außen hin in Wirksamkeit treten läßt, dann wird schon auch der Himmel seine kräftigen Gegenmittel in die nachdrücklichste Wirksamkeit treten lassen. Daher gebe nur auf alles genau acht, wie die Hölle nun ihren alten Versuch, Mich zu fangen und zu stürzen, ganz tückisch unter dem Deckmantel äußerer Ruhe und Gelassenheit erneuern wird. Sie wird es viel pfiffiger anstellen wollen, als wie sie es vor ein paar Jahren angestellt hat. Aber sie wird dabei desto wirksamer eingehen. So du nun einen Blick auf die Erde werfen magst, zu welchem Behufe du bloß über deine Achsel links zu schauen brauchst - so wirst du es genau gewahren, wie die Hölle nun auch gleichermaßen an den Höfen tätig einzuwirken sich bemüht, um die ganze Erde in einen allerverheerendsten Krieg zu entflammen. Sie wird solch ihr Vorhaben auch hie und da zum Ausbruche bringen; aber dann passe auf, auf welch eine noch nie dagewesene Weise ihr da das Handwerk gelegt wird! Betrachte daher aber jetzt nur diesen Höllenausbruch und seine Folge, so wirst du entsprechend auch leicht schließen können, wie sich auf der Erde alles das, was hier nun vorgeht, mit der entsprechenden Weile nachbilden wird. Siehe, der Rumor wird schon wieder stärker, die Flammen in der Grotte werden intensiver und der Qualm selbst glühend! Die Rotte vor der Grotte wird zahlreicher und fängt an, sich zu bewegen, und zwar gegen uns her! Nun wird es bald losgehen!"

169. Kapitel: Höllischer Sturm gegen den Himmel. Jesu Warnung vor Ärgernis. Friedensgeister in der Höhe. Fruchtbare Wendung für die Scharen der Finsternis. (Am 18. Febr. 1850)

01 Cyprian wendet nun kein Auge ab von der Szene. - Ich aber gebe Meinen Dienern einen Wink, und diese verstehen, was sie zu tun haben.

02 Nach einer kurzen Weile sagt Cyprian ganz ängstlich: "Herr, wir werden uns am Ende dennoch zu einem Rückzuge bequemen müssen; denn die Hölle scheint nun alle ihre viele tausend Jahre alten Gefangenen freizulassen, auf daß sie wahrscheinlich mit vereinten Kräften Dich samt dem ganzen Himmel in Beschlag zu nehmen vermöchten. Sie wandern nun ganz keck auf uns los! Und diese Gestalten - wahrlich mitunter lächerlich gräßlich! Wie sich einige aufblähen und bald darauf wieder zusammensinken bis zur Größe eines kleinsten Affen! Ah, das ist doch alles, was man sagen kann! Auch allerlei Waffen fange ich an zu entdecken! Spieße, Lanzen, Schwerter und Schießgewehre aller Art und Gattung! Das geht ja auf einen ordentlichen Krieg los! Aber gegen wen denn? Gegen uns ja etwa doch nicht? Sehen sie uns denn auch, weil sie sich gerade gegen uns her richten?"

03 Sage Ich: "Freilich gilt der Krieg von seiten der Hölle allzeit und somit auch jetzt - uns! Aber sehen können sie uns nimmer; wohl aber vermuten sie uns hier, weil sie an der Stelle gegen uns her, die eigentlich der geistige Mittag ist, eine Art Helle wahrnehmen. Aber sie mühen sich vergeblich ab, uns näher zu kommen. Sie meinen wohl, daß sie vorwärts gehen; aber ihr scheinbares Vorwärtsgehen ist ein Rückgehen und ein stets mehr sichentfernen von uns. Daher lassen wir sie auch traben und sich bewegen, da wir wissen, wie weit und wohin sie mit dieser Bewegung kommen können und werden.

04 Sie werden aber mit der Weile inne, daß sie um nichts vorwärtskommen, trotz all ihres Mühens. Und dies Innewerden wird das Zeichen zum Ausbruche ihrer inneren Wut sein, in der sie sich selbst gegenseitig ohne alle Schonung anfallen und zerreißen werden gleich wilden Bestien. Gebe jetzt nur recht acht, ganz besonders auf ihre Bewegung!"

05 Cyprian gibt nun sehr wohl acht auf alles, was sich in der Bewegung der Höllenrotte ergibt. Miklosch und der Graf Bathianyi aber sagen einstimmig: "Herr, wohl übergroß ist Deine Langmut und Geduld, daß Du solchem Treiben noch stets mit all Deiner sanftmütigsten Gelassenheit zusehen kannst! So es auf uns ankäme, so würden wir diesem Gesindel einen ganz kuriosen Ernst entgegensenden, der es sicher für ewig gehörig demütigen sollte. Nein, solch eine Frechheit, sich Dir entgegenstemmen zu wollen, ja Dich sogar, so es möglich wäre, gänzlich zu vernichten! Nein, nein, das ist zu über- oder zu unterhöllisch arg! Solch ein Gedanke würde von uns aus schon einer ewigen Züchtigung wert sein, geschweige erst eine unternommene Handlung in solch einer allerhöllischesten Absicht."

06 Rede Ich: "Meine lieben Kindlein, lasset beiseite, was nur immer den Namen Ärger hat! Denn sehet, aller noch so geringer Ärger entstammt der Hölle und verträgt sich nie mit der reinen Natur Meiner himmlischen, noch kleinen Kindlein, als wie ihr es nun noch seid. Ihr müsset euch überhaupt über gar keine Erscheinung, wie böse sie auch immer aussehen möge, auch nur im geringsten ärgern. Denn das Ärgern der Kinder der Himmel verleiht der Hölle einen Vorschub und gibt ihr Stoff zum Wiederärger, den sie nur zu leicht und zu bald vergrößert und in einen neuen Wirkungsstand setzt. Denket aber dafür in euerm Herzen, daß dies alles also geschehen muß, so in jene Grotte auch einmal ein sanfteres Licht dringen soll! Denket, daß die ganze Hölle aus Wesen besteht, die gewisserart teils wohl durch ihre Geschichte und zum Teile durch die Geschichte der Weltgroßen zu solchen Teufeln geworden sind und ihr geistiges Leben gänzlich verwirkt haben. Sie sind nun unendlich unglücklich und werden noch stets unglücklicher werden. An uns aber, die wir alle Macht innehaben, liegt es nun - ihnen so viel als möglich zu helfen, und zwar durch jedes Mittel, durch das eine Hilfe noch als möglich erscheint.

07 Dieser nun bevorstehende Kampf, den sie gegen uns unternehmen, setzt ihr mattes Scheinleben in eine größere Tätigkeit, durch die sie vor der völligen Auflösung geschützt werden. Durch den fehlgeschlagenen Versuch werden sie dann wieder in Kenntnis gesetzt, daß sie gegen Gott nichts vermögen; und es werden dann viele aus ihrer Rotte bescheidener werden und sich bei einer ähnlichen künftigen Unternehmung nicht mehr beteiligen. Und das ist dann ein wirklicher Fortschritt dieser verlorenen Schafe. Für sie stehen uns dann schon wieder eine zahllose Menge der wirksamsten Mittel zu Gebote, sie in eine etwas hellere Belebung zu leiten, ohne uns direkt an ihrem freien Willen, der ihr Leben ist, zu vergreifen. Daß aber derlei Bäume nicht mit einem Hiebe gefällt werden dürfen, das werdet ihr hoffentlich einsehen?"

08 Spricht Miklosch: "O ja, Herr und Vater! Nun ist uns schon wieder alles klar, und es ist alles gut, was Du, o Herr, anordnest! - Aber nun entdecke ich, daß aus den Spitzen der überhohen Gebirge sich auch lichte Geister stets mehr und mehr anzuhäufen beginnen. Auch auf der höchsten Spitze stehen neben den zwei ersten eine Menge anderer uns ganz unbekannter kräftigster Engel! - Und da, da seht in die Lüfte empor! Ungeheure Scharen schweben in wohlgeordneten Reihen und haben ein scharfes Auge auf die Bewegungen der höllischen Rotte. Und die Höllenrotten scheinen sie zu bemerken, weil sie nun aus einmal ihre allergrimmigsten Gesichter erheben und ihre Wurfgeschütze aufwärts zu richten beginnen."

09 Spricht Cyprian: "Ja, ja, Bruder Miklosch, hast recht! Dort nahe an der wahren Teufelsgrotte habe ich schon eine Art Raketen in die Höhe steigen gesehen, die aber nicht bis zur Achtelhöhe des Gebirges gekommen sind. Auch sehe ich nun, wie ganze Massen an den schwarzgrauen Felswänden auswärts zu klimmen anfangen, aber ganz verzweifelt schlechte Forschritte machen. Von unten her werden sie ganz entsetzlich bedroht, und zum weiteren Emporklimmen scheinen sie auch keine bedeutende Lust zu haben. Nein, die Geschichte fängt an, ein ganz entsetzlich tragisches Aussehen zu bekommen! - O Million! Nun ist eine ganze Rotte über eine sehr hohe und steile Wand herabgestürzt und wird nun sogleich wieder angetrieben, neu auswärts zu klimmen. Sie sträubt sich, indem sie auf die Unmöglichkeit hinweist; aber man fängt an, sie mit glühenden Spießen zu bearbeiten. Ah, das ist schauderhaft!"

10 Rede Ich: "Gebet jetzt nur alle genau acht; denn nun beginnt die eigentliche Hetze! - Nun soll aber der Miklosch, der mehr gelassenen Geistes ist, die Szene weiter erzählen, gerade wie sie vor sich geht - und zwar ohne alle verwunderlichen Zwischenrufe! - Also sei es!"

11 Spricht Miklosch: "Herr und Vater! Ich armes, sündiges Wesen danke Dir aus aller Tiefe meines Herzens für diesen herrlichen und großen Auftrag, den Bruder Cyprian abzulösen in diesem wahrlich jeden noch so standhaften Beobachter höchst in Anspruch nehmenden Geschäfte. Aber ich muß es danebst auch sogleich offen bekennen, daß es mir dabei um nichts besser gehen wird. Denn die Erfolge jener höllischen Mühen sind selbst für die Hölle und ihre Streiter zu grell und schaudererregend, als daß selbst das beherzteste Gemüt dabei ohne Erschütterung bestehen könnte. Daher bitte ich Dich zu diesem Zwecke wohl um eine ganz besondere Stärkung, so ich da nicht mitten in der Nacherzählung des Geschauten schon beim dritten Satze steckenbleiben soll. In Deinem allmächtigsten und heiligsten Namen will ich dann versuchen, wie es mir mit dem Nacherzählen gehen wird.

12 Soeben stürzt eine ganze große Felswand über eine große Menge, die hinaufzuklimmen genötigt wurden, und begräbt und zerschlägt eine große Masse der höllischen Streiter. Und hinter der eingestürzten Wand ergießt sich lichterloh eine gräßlich brausende und zischende Lavaflut und begräbt in ihrem raschen Vordringen bei weitem mehrere als eheden die eingestürzte Wand. Nun ersehe ich auch wieder den schon sehr verunstalteten Cado und dessen Häuptling. Sie scheinen im Vordergrunde Rat zu halten, was da weiteres zu tun und zu unternehmen sei, da, wie es scheint, kein Teufel mehr eine Lust zeigt, über die schroffen und steilen Felsenhänge für nichts und wieder nichts hinaufzuklettern. Die mächtigeren Teufel treiben die schwächeren wohl noch echt höllisch-energisch an; aber wie ich merke, so ist da von irgendeinem Gehorsam gar keine Rede mehr, und ein jeder, vor dem Lavastrome fliehend, scheint nun allein nur dem eigenen Willen zu gehorchen. Welch ein gräßliches Jammergeschrei, welch ein Elend, welch eine namenlose Not! Es brechen nun aus mehreren Ritzen und Spalten des Gebirges glühende Lavaergüsse hervor und stürzen gleich gewaltigsten Wasserfällen in die Tiefe herab. Dort, mehr rechts, über eine ungeheure Felsenwand, stürzt gleich einem Niagarafalle in Nordamerika eine ungeheuer große Masse des glühenden, geschmolzenen Erzes unter dem furchtbarsten Krachen und Donnern in die Tiefe hinab. Und die Rotten, groß und klein, fliehen vor den gegen sie herwogenden Feuerfluten und heulen und fluchen ganz entsetzlich.

13 Cado und sein Häuptling machen ebenfalls eine ziemlich schnelle Bewegung mehr gegen uns her und klimmen nun auf einen mäßig hohen Hügel, der sich zu unserer Linken befindet. Cado macht dem Häuptlinge, wie ich nun recht deutlich vernehme, recht scharfe Vorwürfe ob dessen von ihm, Cado, zum voraus als unausführbar widerratenen allerwahnsinnigsten Planes, die allmächtige Gottheit besiegen zu wollen. Nun habe er den Sieg vor seinen dümmsten Krokodilsaugen! Er solle nun die Löcher zustopfen, aus denen die Gottheit über ihn und sein über alle Begriffe mißhandeltes Heer so reichlich Feuerfluten hervorsprudeln läßt, und soll auch die Begrabenen hervorholen. Aber der Häuptling macht ihm die Bemerkung, daß dies alles bloß nur so ein blinder Lärm sei und diese Feuerflut bald erschöpft sein werde.

14 Cado lacht dazu gräßlich höhnisch und sagt: »O du verflucht dümmster Teufel! Da sieh ein wenig hinaus, wie da stets neue, allergewaltigste Quellen sich auftun und wie die rasche Glühflut in wenig Augenblicken auch unsern Hügel, der uns bis jetzt noch schützt, umspülen wird, und du wirst leicht gewahren, wie bald (nach deiner dümmsten Idee!) der Gottheit Zornquellen versiegen werden! Da sieh hin gegen die Grotte, deren löbliches Innere wahrscheinlich deine Königswohnung ist, sie ist bereits voll des glühend fließenden Erzes, auf dessen wogendem und dampfendem Spiegel ganze Scharen deiner mächtigsten Kämpfer schaudererregend schwimmen und mit des Feuerstromes breiter und rascher Flut höchstwahrscheinlich in einen endlosen Abgrund hinabgeschwemmt werden. Das wäre mir ein Sieg, ganz gehorsamer Diener! Ich hoffe, du wirst doch wieder bald einen Feldzug gegen die Gottheit unternehmen!? O herrje - ! Die Flut hat bereits auch unsern Hügel erreicht, nun heißt es weiter fliehen, sonst werden auch wir beide in diese Schwimmanstalt der Gottheit aufgenommen werden!« Der Häuptling ersieht nun die höchste Gefahr und schreit: "Dorthin, gen Abend, wo einige tapferste meiner Kämpen hinfliehen, fliehen auch wir! Aber nur eiligst, sonst sind wir verloren!«

15 Spricht Cado: »Schöne Tapferkeit bei einem so gräßlichen Fersengelde! - Oh, ich war ein großer Esel und überdümmster Teufel! Zwei so grundehrliche Boten hatte die Gottheit an mich schlechtestes Luder abgesandt, und ich verschmähte sie! Nun sehe ich meinen allergräßlichten Untergang, und kein Retter mehr naht sich mir!« - Schreit der Häuptling: "Fliehe, sonst bist du verloren! Denn diese Flut ist arg! Wen sie begräbt, der ist begraben für ewig! - Ich fliehe nun!« - Mit diesen Worten stürzt der Häuptling jählings den Hügel hinab.

16 der Kado aber bleibt, und schreit dem Prinzipal nach: »Fliehe nur, Satan! Der ewigen allmächtigen Gottheit wirst du ebensowenig entfliehen, als wie ich, der ich gar nicht fliehen will. Wir beide haben dieß Los wohl verdient; daher werden wir ihm auch nicht entfliehen; denn der Gottheit Rachefinger umspannt die Unendlichkeit.«

170. Kapitel: Untergang der Höllenmacht. Cado als einziger Überlebender gibt erschüttert besseren Regungen Raum. Der Geist ist willig - aber das Fleisch ist noch schwach.

01 Miklosch berichtet weiter: "Cado schaut nun bebend und sehr erschreckt seinem fliehenden Häuptlinge nach und sieht, wie einer mächtigen Feuerglut rascher Wogensturz dem Fliehenden schon sehr nahe an die Fersen kommt. Der Fliehende heult nun ganz entsetzlich, und schon so mancher aus der glühenden Flut hervorzuckende Funke leckt an seiner empfindlichen Haut. Das entsetzt den Cado, und es scheint eines jeden Funken Brand, der seines Herrn Häuptlings Haut berührt, auch die seine ganz gewaltigst zu stechen.

02 Nun aber hat die Flut den fliehenden Häuptling auch erreicht. - Und Cado schreit: »O herrje, o Du allmächtige Gottheit - er ist verschlungen! Wie ein Tautropfen vom glühenden Erze so ward auch er sicher allerschmerzlichst verzehrt! Und kein Wesen kommt ihm zu Hilfe! Wer aber sollte ihm auch zu Hilfe kommen?! Seine Mächtigen sind bereits alle begraben. Ich bin auf diesem Hügel (der bereits auch zur Hälfte von der gräßlichen Flut umflossen ist und wo nur ein schmaler Streif gen Morgen hin noch schlechtweg passierbar ist) auch auf dem Punkte, in einigen Augenblicken sein Los zu teilen; und wollte ich auch an die unglückliche Stelle hinrennen, so würde ihm das nun dennoch nichts mehr nützen. Kurz, ich bleibe, wo ich bin, und die göttliche Allmacht soll mit mir machen, was sie will; denn zu entfliehen ist Ihr nimmer. Dies Feuermeer muß aber auch eine unermeßliche Brennhitze haben, da es mich schon hier so unausstehlich brennt, wo es doch nach meinem Augenmaße noch mehrere hundert Schritte von mir entfernt sein dürfte.

03 »Großer Gott, welch eine Marter, welche Schmerzen in der höchsten Schärfe werden nur zu bald mein ewiger Anteil sein! - Das ist also die fürchterliche Hölle, deren Wurm nimmer stirbt und deren entsetzliches Feuer nimmer erlischt! - O Gottheit, o Gottheit! Habe Erbarmen mit einem Kinde der Hölle, das zwar überaus schlecht war und ist, aber doch wenigstens seine Greuel erkennt und nun, leider zu spät, bereut! Ich habe zwar schon eine entsetzlich schmerzliche Höllentour durchgemacht; aber ich fühlte da im höchsten Schmerzensübermaße eine Kraft in mir, durch die ich mich meiner Peiniger habe entledigen können. Aber beim Anblicke dieser rein göttlichen Strafmacht hat mich alle Kraft verlassen. Und ich fühle nun kaum die Kraft eines Insektes in mir und muß mich demnach gefangennehmen lassen von der gegen mich - leider - gerechten Zornflut des göttlichen Rachefeuers.«

04 Miklosch fortfahrend: "Nun sinkt Cado auf seinem Hügel zusammen und erwartet die ihn verzehrende Flut, die ich zwar wohl noch ganz mächtig hin und her wogen, aber dennoch nicht mehr steigen sehe. Denn bis auf den Cado ist nun alles, was da gegen uns zu Felde ziehen wollte, weidlichst von ihr verschlungen. Nur das einzige kommt mir noch unerklärlich vor, daß da die mächtigen Himmelsfürsten sich noch nicht entfernen wollen. Auch die schauerliche Grotte, obschon über die Hälfte erfüllt mit dem Feuerstrome, der nun etwas zu erhärten beginnt, hat ihr scheußlich drohendes Aussehen noch nicht verloren."

05 Rede Ich: "Der Kampf ist noch nicht zu Ende und der Cado noch nicht völlig verloren! - Gebet aber nur acht, was nun weiter geschehen wird! Darauf erst soll euch allen eine genügende Aufklärung zuteil werden!"

06 Miklosch beobachtet jetzt nur hauptsächlich den Hügel, auf dem Cado also zusammengekauert liegt, als wäre er tot, und berichtet weiter: "Aber da die schreckliche Flut denn doch über des Cado beiläufige Berechnung nicht an seine Haut gelangen will, so fängt er langsam sich wieder emporzurichten an, um zu sehen, was es denn nun da mit diesem Zornsturme aus der Gottheit Rachekammern für einen Fortgang nehme. Er ersieht zwar noch das Feuermeer in seiner gleichen, wogenden Tätigkeit, nur merkt er, daß es sich nicht mehr weiter ausbreitet und auch nicht höher steigt, als es sich gleich anfangs über eine unübersehbar weite Fläche ausgebreitet hatte und zu einer bedeutenden Höhe gestiegen war.

07 Diese Erscheinung flößt dem Cado mehr Mut ein, und er spricht nun bei sich: »Was haben nun alle diese Esel und Ochsen davon, daß sie sich wieder einmal den argen Spaß gemacht haben, mit der allmächtigen Gottheit einen Kampf zu wagen?! Aber ich selbst bin eigentlich auch ein Esel und Ochse zugleich! Warum habe ich denn ehedem den Antrag jener zwei Boten nicht angenommen, denen es von der Gottheit gegeben war, mich von dem schauervollsten Untergange zu retten!? - Wo sind diese Herrlichen nun? - Rings um mich her ist Nacht, nur das glühende Feuermeer wirft einen matten Zornschimmer über mein verfluchtes bärenzottiges Wesen. Gegen Morgen - dort in weitester Ferne, wie es mir vorkommt - entdecke ich einen freundlicheren Schimmer als dieser dahier ist, der vom Spiegel dieses Qualmeeres über mein Wesen sich verbreitet. Wie wäre es etwa doch, so ich längs dieser Hügelzunge mich dahin zöge? Schrecklicher und gefährlicher kann es doch nirgends mehr sein, als eben hier in der Mitte der untersten Hölle!«

08 Nun macht sich Cado auf die Beine und fängt ganz rasch an, sich gegen uns her zu bewegen. Aber, wie ich merke, so gibt seine Bewegung eben nicht sehr aus. Und es hat sein ganzes Bewegen ein Aussehen, als ob er sich selbst mit seiner Schnellfüßlerei foppen möchte. Denn er zippelt und zappelt fast immer auf einem und demselben Punkte. Was kann davon wohl die Ursache sein, daß er bei seinem sicher festen Willen nicht weiterkommen kann?"

09 Rede Ich: "Der Grund davon liegt in dem, daß solche Geister auch bei den besten Vorsätzen und bei guter Erkenntnis dennoch ein Herz voll Unflat haben, aus dem fortwährend böse Dünste in die Kammer des Willens aufsteigen und allda stets einen Rücktritt bewirken, wo der bessere aber schwächere Willensanteil einen Fortschritt tun wollte. Es geht ja vielen auf der Welt auch so: sie kennen das Gute und das Wahre und nehmen sich auch immer vor, es auszuüben - aber gemeiniglich in den Augenblicken, da sie das Gute und Wahre in ihrem Willen aufnehmen wollen, da dunstet dann auch ihr Fleisch am meisten; sie werden schwach und kommen trotz ihres Strebens nicht vom Flecke. Und so ist denn der Geist stets willig, aber das Fleisch ist schwach! - Und da an diesem Cado habt ihr nun ein lebendiges Beispiel, wie ein Mensch oder Geist aus seiner eigenen Kraft nichts vermag - ohne Mich. Mit Mir aber vermag er alles!"

171. Kapitel: Verändertes Szenenbild. Ballet von Höllengeistern. Cado läßt sich nicht beirren. Er verscheucht den Spuk und ruft die Gnade und Hilfe der Gottheit an. (Am 22. Febr.1850)

01 Rede Ich weiter: "Nun aber gebet nur weiter acht, und du, Miklosch, mache den Erzähler. Denn es ist hier in dieser Gesellschaft nicht jedem gegeben, das Kommende zu schauen. Aber in der Unkenntnis soll niemand belassen werden."

02 Miklosch richtet nun wieder ganz fest seine Augen auf die höllische Szene und fängt nach einer kurzen Weile also zu erzählen an: "He der Taufend! Ah, das ist wahrlich im höchsten Grade tragikomisch! Aus dem Feuermeere, das noch immer ganz verzweifelt grauenerregend mit donnerartigem Getöse dahinwogt und aus einer jeden der Milliarden Wellen eine zahllose Menge Blitze entsendet - erheben sich nun ganz muntere Gestalten, und das, gleich den Wellen und Blitzen, ebenfalls in einer Unzahl. Von vorne sehen sie ganz rar aus, recht anmutig; aber vom Rücken aus wie halbverweste Totengerippe! Das starke Wogen der glühenden Flut scheint sie nicht im geringsten zu genieren, und die sicher allergewaltigste Glühhitze unter ihren Füßen scheint ihnen nur ein höchst angenehmes Gefühl zu verursachen. Die Blitze fahren durch sie durch, als wie das Wasser durch ein Sieb, ohne daß sie die muntern Gestatten nur im geringsten inkommodieren (belästigen) möchten! Das ist wahrlich im höchsten Grade sonderbar! Ah, ah, sie mehren sich stets mehr und mehr und machen einen förmlichen Reigen! Eine wahrlich von vorne sehr elegant aussehende Gruppe bewegt sich in den zierlichsten Schritten gegen unsern Cado hin, der diese Erscheinung auch mit der größten Aufmerkamkeit betrachtet, ohne jedoch daran ein sichtliches Wohlgefallen zu haben. Aber mit der fruchtlosen Bewegung seiner Füße hat er dennoch Einhalt gemacht und staunt nun ganz verblüfft diese vielen Tänzergruppen an. Die eine Gruppe macht jetzt schon ganz knapp am Hügel ihre Sprünge und sonstigen graziösen Bewegungen und scheint den Cado zu unterhalten; denn er hat sie schon ein paar Male nun recht wohlgefällig angelächelt. Aber den Rücken bekommt er nicht zu Gesichte.

03 Nun eilen ein paar Tänzerinnen recht graziösen Ansehens zu ihm auf den Hügel hinauf mit rosenfarbigen Schleifen in ihren Händen und winken ihm, ihnen auf den glühenden Tanzboden zu folgen. - Aber Cado entschuldigt sich und spricht: »Meine Füße würden sich auf solch einem Tanzboden nicht halten; daher bleibe ich, wo ich bin. Ihr aber bleibet, wo es euch gut zu gehen scheint. Ich brauche von solch einem zu brennheißen Vergnügen wahrlich nichts!« Aber die zwei kommen ihm näher und geben sich alle Mühe, ihn auf das glühende Eis zu locken. Aber Cado bleibt stehen und gebietet ihnen, sich ihm ja nicht noch mehr zu nahen, ansonst er wider sie Gewalt gebrauchen müßte. Je mehr er aber ihnen droht, desto mehr zeigen sie ihn von ihren Vordergrundsreizen und bestreben sich, ihn ganz zu bezaubern. Es ist das wahrlich ein ganz sonderbarstes Schauspiel! Merkwürdig ist die Haltung dieser wahrsten Höllengrazien, daß sie bei allen ihren verlockenden Bewegungen doch nicht irgend derart aus der Haltung kommen, daß der Cado ihrer Rückenteile ansichtig werden könnte. Na, eine bemüht sich, ihm nun die Schleife gleich einer Schlinge um den Hals zu werfen.

04 Cado aber weicht einige Schritte zurück, hebt einen Stein auf und schleudert ihn der Grazie gerade an die Brust und schreit nun mit einer wahren Donnerstimme: »Zurück Höllenbestie! Wenn Satan, dein Gebieter, kein besseres Verführungsmittel mehr hat, um einen armen Teufel noch tiefer in die Hölle hinabzuziehen, als er ihn schon gezogen hat, dann soll er sich heimspielen lassen! Glaubt denn dieses uralte, der Gottheit widerspenstige Rindvieh, Vögel meines Gelichters werden auch - so recht dummen Weltfinken, Gimpeln umd Zeisigen gleich - sich auf seine alten, saudummen und alles Leimes baren Spindeln setzen und sich dann von ihm fangen lassen? Da irrt er sich! Ein Aar setzt sich nie auf eine Leimspindel! Saget das euerm Ochsen von einem Gebieter!«

05 Nun spricht die zweite Kameradin, nach der Cado noch keinen Stein geworfen hat: "Aber lieber Freund! Du irrst dich gewaltig über unsere große Fürstin Minerva! Siehe, sie kennt deinen großen Geist und will dir durch uns, als ihren Genien (Engelsboten), eine kleine Vorauszeichnung zuteil werden lassen, nach der sie dann selbst im höchsten Majestätsglanze ihrer Macht und Kraft dir liebreichst entgegenkommen wird, um dich einzuführen zu den allerhöchsten Ehren - dieweil du der einzige warst, der diesen von der alten, außer allen Kurs gekommenen Gottheit gegen einige Feiglinge der großen Fürstin gerichteten Feuerwogen den beharrlichsten Widerstand geleistet hat. Erkenne daher die höchste Gnade, die dir deiner unbezwingbaren Kraft wegen die allerhöchste Fürstin der ganzen Unendlichkeit zuerkannt hat!«

06 Spricht Cado: »Ist eure hohe Fürstin auch so dumm, oder vielleicht noch dümmer als ihr hundsgemeinsten Höllenfetzen?!« - Spricht ganz pomphaft die Ungesteinigte: »Was ist doch das für eine entsetzliche Frage! Die hohe Minerva, die Göttin aller Weisheit, bei der sogar alle Götter in die Schule gehen müssen, sogar Zeus und Apoll nicht ausgenommen!« Spricht Cado: »Oh, ja das habe ich nicht gewußt, daß hier das alte Göttergesindel auch noch existiert! Ihr seid gewiß auch eine Art von Göttinnen?« Spricht sie: »Nun freilich, ich bin ja die berühmte Terpsichore (Göttin des Tanzes)! Und diese hier, nach der du grausamermaßen einen Stein geschleudert hast, ist die herrliche Euphrosine (Göttin des Frohsinns)! Die Arme leidet nun einen starken Schmerz; aber sie leidet ihn geduldig aus großer Liebe zu dir!"

07 Spricht Cado: "Na, na, nun weiß ich genug, um euch mit aller Macht meines unbeugsamsten Ernstes sagen zu können, daß ich die Minerva im höchsten Grade verachte und von ihr ewig nie eine Ehre annehmen werde. Saget ihr, ich bin zwar ein entschiedener eines gewissen Juden Je- Jes- ja, ja, so heißt er, Jesus, richtig Jesus heißt er. Und ich bin auch mehr oder weniger ein Feind seiner Lehre in mancher Hinsicht. Aber so ich nun diesem verachteten Judenpropheten als ein Esel Dienste leisten sollte, so bin ich dazu bei weitem eher erbötig, als von eurer Minerva die höchste Ehre anzunehmen! Und nun fahret ab, ihr sauberen Geniusinnen! Aber sehet zu, daß euer Tanzboden nicht zu heiß wird!« - Spricht sie: »Na warte nur, da wir dich nicht erweichen können, so sollst du die Minerva selbst zu sehen bekommen, aber von ihr keines Blickes gewürdigt werden!« Spricht Cado: »Oh, das wird nur sehr angenehm sein - aber hauptsächlich das letzte, verstanden!?«

08 Miklosch fortfahrend: "Nun entfernen sie sich und hüpfen ihren Solotanzschritt unter den andern zahlreichen Gruppen fort. Und jetzt verlieren sie sich so ganz und gar, daß ich sie nirgends mehr zu entdecken vermag. Aber nun wird das Glühmeer schon wieder unruhiger; die wogen fangen an, stärker zu gehen, und die Oberfläche wird glühender und daher auch leuchtender. Die zahllosen Tänzerinnen fliehen jetzt wie von höchster Angst gepeitscht in wildester Unordnung über die schreckliche Oberfläche gegen die Grotte hin und stürzen sich unter gräßlichem Schmerzgestöne und Schrei des Entsetzens in einen alle meine Einbildungskraft weit übersteigenden furchtbaren Abgrund.

09 Cado selbst macht hier eine sehr bedenklich kleinlaute Miene und sagt bei sich selbst: "Nun, nun, die Gottheit sei aller Kreatur gnädig! Und so an der Hilfe des Propheten Jesus, der ein Liebling der Gottheit sein soll, etwas wahrhaft wirksames ist, so helfe auch er! Denn diese Qualen sind für jedes lebende Wesen, ob Leib. Seele oder Geist, denn doch zu unaussprechlich groß und hart! - Übrigens muß die weiseste Minerva diese ihre Dienerschaft eben nicht gar zu artig empfangen haben, weil sie gar so entsetzlich haben zu wehklagen angefangen! - O Du große, allmächtige Gottheit, habe ich auch eine Strafe verdient, so lasse mir nur ein bißchen Gnade für ein zu scharfes Recht widerfahren! Denn diese Strafe für zeitliche Vergehen, wie sie auch immer beschaffen sein mögen, ist doch als ewig während zu ungeheuer und unverhältnismäßig schrecklich grausam! Lasse uns zunichte werden, und wir sind für ewig damit zufrieden! Denn wer nicht ist, dem ist doch sicher alles recht. - Ich habe Dir, Du allmächtiger Gott, wohl ehedem trotzen wollen, als ich noch nicht die Macht des gräßlichsten Schmerzes verkostet hatte; aber da ich nun so eine wahrscheinlich nur höchst geringe Einleitung zum großen, ewig dauernden höllischen Schmerzenstraktamente schon verkostet habe, so ist mir auch wahrlich für ewig alle Lust vergangen, mich Dir je wieder einmal widerspenstig zu bezeigen. Ich bin gewiß kein Feigling; aber was zuviel, ist zuviel! Zugleich aber danke ich Dir, du große, allmächtige Gottheit, als ein wahrlich vielseitig ärmster Teufel für so viel Gnade, daß Du mich bis jetzt noch nicht in den Pfuhl geschleudert hast. O wie gräßlich qualvollen Anblickes ist doch dies erschreckliche Glühmeer! Welch unerklärbare Schmerzen müssen die empfinden, die unter seinen weißglühenden Wogen begraben ruhen! O eine erschrecklichste Ruhe!«

10 Hier wird Cado stille und scheint zu weinen. Ja, ja, er seufzt recht bitterlich, und nun ruft er wieder in einem sehr klagenden Tone aus: »O du elendestes Geschöpf! Du für den höchsten Schmerz best befähigter Spielball in den Händen einer unerforschlichen ewigen Macht! Was ist dein Los sonst wohl, als eine ewige, allergräßlichste Verzweiflung im Gefühle deiner entschiedensten Ohnmacht!? Die Erde ward dir beschieden, auf daß du durch ihre tausend Lockungen zu einem Teufel werden mochtest. Dann ward dir der elende Leib genommen, und du stehst nun als ein nackter und allerärmster Teufel, ein ewiger Fluch der unerbittlichen Gottheit, vor den Pforten der ewigen Qual! Und weil du ein Teufel bist, so reicht dir auf all dein Bitten auch keine helfende Macht irgendeinen leisesten Hoffnungsstrahl zu einer Erlösung! - Wo seid ihr beiden Freunde nun, die ihr mich vor einer noch nicht gar zu langen Weile habt ins Paradies bringen wollen? Damals war ich blind, und nun bin ich sehend. Warum kommet ihr denn jetzt nicht zu mir, um mich zu retten als einen Sehenden, da ihr mich doch ehedem als einen Blinden habt retten wollen vor dem Abgrunde des ewigen Entsetzens! - Aber ich schreie und weine jetzt vergeblich, denn das Jammergeschrei aus der verdammten Tiefe eines armen Teufels dringt nimmer an ein göttliches Ohr. Wer verflucht ist, der ist auch verflucht, und die ewige schmerzvollste Verzweiflung ist sein erschrecklichstes Los! Wehe mir! Dies ist erst der Anfang, dem aber kein Ende folgen wird!«

172. Kapitel: Cados Selbstbeschauung. Seine irdische Lebensgeschichte. Weitere Herzensprüfung für den Hadernden. Höllische Minerva (Satana) im Staatswagen. Cados geweihte Abwehrsteine. (Am 26. Febr. 1850)

01 Miklosch fortfahrend: "Nun starrt er wieder ganz trübsinnig vor sich hin und wirft dann und wann einen Blick nach der entsetzlichen Grotte hin, aus deren schaudervollem Hintergrunde nun stets gewaltigere Flammen emporschlagen, begleitet von einem fürchterlich unheimlichen Tosen und von zahllosen Stimmen, wie sie nur ein höchster Schmerz einem Gemarterten erpressen kann.

02 Dem Cado stehen die Haare zu Berge. In seiner Miene malt sich Furcht und Verzweiflung, und in seinem Innern wird es zornglühend. Nun faßt er einen Stein fest in seine Hand und spricht mit bebender Stimme: »O komm nur, du mir durch deine Quälteufel angesagte Minerva, du Urgrund alles Übels! Dieser Stein soll dir dein Gehirn messen, wieviel der grausamsten Weisheit etwa doch in selbem vorhanden sein möchte. Ein Gott oder ein Teufel gebe mir Antwort: Wer sind die Gequälten, wer quält sie, und was ist ihre Schuld? - Keine Antwort?! - Auch aus der Hölle keine?! Das ist schon die Art der Mächtigen, daß sie die Stimme eines armen Teufels als rein null und nichtig betrachten. - Mein Herz, du fragst umsonst! Die Hölle ist taub und der Himmel zu entsetzlich ferne von hier! Hier gibt es keinen Trost mehr für dich! Du bist verloren,verloren auf ewig! - Gewöhne dich an die Greuel, so hier eine Angewöhnung überhaupt möglich ist - das ist noch dir einzige Scheintrost, den ich dir bieten kann! Gewöhne dich an die Verzweiflung, an die Diamanthärte der Höllenbeherrscher, an die Ferne von Gott und an die ewige Unzulänglichkeit jeder deiner am den Himmel gerichteten Bitten! Aber welch eine schaudervollste Angewöhnung wird das werden?! Auf der Erde ging es zwar, das Ich mich an alle die Greuel gewöhnen konnte, die zu verüben ich von meinem Häuptling genötigt wurde. Aber damals war ich ein rohestes und aller Menschenbildung barstes menschliches Raubtier; ich hatte von keiner Religion auch nur einen allerleisesten Begriff. Erst als ich Selbstherrscher ward, griechisch lesen und schreiben lernte und dabei zu einer geraubten griechischen Bibel kam, da ward ich in meinem Leben zum ersten Male auch über das Dasein eines altmächtigen Gottes belehrt.

03 »Ich las das Neue Testamemt und machte da Bekanntschaft mit dem berühnmten Juden Jesus, dessen Lehre sehr viel für sich hatte, bis auf einige Widersprüche. Ich ließ mir einen sogenannten Geistlichen an meinen Hof bringen, daß er mir diese alte Schrift erläutere. Aber was war das für eine Erklärung!? Ein jedes alte Weib hätte mir sicher eine ebenso gute, wo nicht bessere gegeben! Der Pfaffe verlangte von mir bloß Opfer zur Sühne meiner Sünden und verbot mir das weitere Forschen in solchen Büchern, durch die des Menschen Geist getötet werde. Ich sah, daß der Geistliche ein Lump war, ärger denn ich, und ließ ihn darum gehen und legte auch die Schrift zur Seite. So ich nun dadurch zu einem Teufel ward, so frage ich, ob ich daran wohl alle Schuld trage? Aber frage, mein Herz, die Allmacht, und sie wird dich keiner Antwort würdigen.

04 »So der Soldat, der mit Schlingen und Ketten zu diesem Berufsstande gezogen ward, aus dem Schlachtfelde Menschen ermorden muß - kann eine höchstweise Gottheit ihm das in sein Schuldbuch schreiben und ihn dann als einen Mörder rechtens verdammen? Nein und ewig nein! Das kann Sie nicht mit dem Rechte wahrer Weisheit! - Ist aber auch der Gottheit Weisheit mit dem eitlen Dunste ihres göttlichen Allmachtsdünkles umnebelt, da freilich muß einem armen Teufel in aller seiner Nichtigkeit und Schwäche alles recht sein, was die Allmacht über ihn verfügt. Aber was hadre ich!? Geht es etwa für die armen Teufel nicht schon auf der Erde vorbereitungsweise also zu? Die allmächtige Gottheit ruft sie ins Dasein auf einem Boden, auf dem für sie kein Gräschen wächst, und nehmen sie sich eines ohne den Willen des berechtigten Besitzers, so haben sie als Diebe schon das Gesetz am Genicke, während der Reiche im eigentlichsten Sinn gar nicht stehlen kann, da ja ohnehin alles sein ist. O du schöne Weisheit und Gerechtigkeit, die dem Reichen gibt im Übermaße und den Armen verhungern läßt!«

05 Miklosch fortfahrend: "Nun werden die Flammen, die da aus dem Hintergrunde der Grotte hervorbrechen, sehr tätig, und Blitze fahren in Unzahl von eben diesen Flammen in allen Richtungen hin über die große Fläche des stets schauderhaft wogenden Glühmeeres. Ich gewahre jetzt ein starkes Drängen im Hintergrunde der entsetzlichen Grotte. Ich kann mir in meinem Gefühle wahrlich nicht helfen - es sieht zwar die Grotte an und für sich nicht anders aus, als wie ich auf der Erde schon so manche gesehen habe, nur mit dem einzigen Unterschiede, daß da diese Grotte voll des allesverzehrendsten Feuers ist; aber dessenungeachtet macht sie auf mein Gemüt dennoch einen gräßlichen Eindruck. Wie muß sie erst dem Cado vorkommen, der da in der vermeinten sichern Anwartschaft steht, über kurz oder lang in diese (Schreckenshöhle) zu gelangen! O Tausend, o Tausend! Nun fängt es aber in der Grotte schon ganz entsetzlich du toben und zu wüten an! Flammen schießen hervor, als ob sie von einer gewaltigsten Esse getrieben würden. Und ganze Bündel der mächtigsten Blitze fahren empor zu den noch in unverrückter Ordnung weilenden Himmelsscharen, die all dieser greuelhaften Machination (Machenschaft, Veranstaltung) ganz gleichgültig zusehen, als sehen sie gar nicht, was da alles vor sich geht.

06 Aber nun läßt sich aus der Grotte wie ein gar heftiges Angstgejammer vernehmen! - Das Gejammer kommt näher und näher, und der Cado hält sich die Ohren zu. Nun, der muß dieses elendeste Geschrei, Geheul und Gebrüll gar gut vernehmen! - Ah, ah, ah, das ist großartig teuflisch-merkwürdig! Nun kommt aus der inneren Grotte ein Prachtexemplar von einem nach Römer Art gemachten kaiserlichen Galawagen, von 6 glühenden Drachen bespannt, zum Vorscheine! Und im Wagen, der selbst ganz glühend zu sein scheint, sitzt im Ernste eine Art Minerva, in ihrer Rechten eine Art Szepter und in ihrer Linken eine glühende Lanze haltend.

07 Sie gebietet nun dem Glühmeere Ruhe. Doch siehe, das Meer scheint ihre Sprache nicht zu verstehen, denn es ist stets gleich unruhig. Aber jetzt winkt sie mit dem Szepter in den Hintergrund zurück, und sogleich stürzen eine Unzahl ganz verzweifelt teuflisch aussehender Geister aus den Flammen unter gräßlichem Geheul hervor. Sie gebietet ihnen, die Wogen des Glühmeeres zu bändigen und niederzuhalten. Die Teufel, unter allen erdenklichen Geschmeißgestaltungen, werfen sich sogleich auf die glühenden Wogen und bringen richtig eine etwas bedeutendere Ruhe zuwege. Aber es scheint diese Ruhe der Göttin noch nicht zu behagen; deshalb ruft sie noch eine größere Menge solcher Geister herbei. Diese stürzen mit großer Wut hervor und decken mit ihrer Scheußlichkeit beinahe die ganze sichtbare Oberfläche des Glutenmeeres. Und es ist die Oberfläche jetzt ganz ruhig, so weit sie von diesen Scheusalen bedeckt ist.

08 Nun erst fängt die Minerva an weiterzufahren, und wie ich merke, nimmt sie die Richtung gerade gegen den vor Entsetzen schon nahezu ganz starr gewordenen Cado. Dieser aber versieht sich nun mit Steinen, und wie ich merke, so bezeichnet er dieselben zum Teile mit dem Namen ,Jeoua' und zum Teile auch mit Deinem Namen ,Jesus von Nazareth, König der Juden'. Er sieht ganz verzweifelt grimmig aus und droht schon von weitem der sich ihm nahenden Minerva.

09 Diese, Minerva, aber herrscht ihm entgegen: »Wage es nur, meine Majestät zu beleidigen, so du in tausendmal tausend Stücke zerrissen sein willst! Siehe, ich komme zu dir, um dich glücklich zu machen - und du willst mich steinigen! O du elender, blinder Tor! Was ist deine Macht gegen die meinige!? Sieh, die ganze Schöpfung, alle zahllosen Sterne und Welten sind aus mir! Ein Hauch aus meinem Munde verwehet sie auf ewig in einem Nu! Und du willst mit mir einen Kampf beginnen!?- O du tollster Tor! Sehe und höre mich vorerst - dann versuche dich an mir!« - Spricht Cado: »Das ist mir ein Teufel, ob schön oder häßlich, ob mächtig oder schwächer als eine Mücke! Das ist, wie gesagt, mir ganz gleich! Ich warne dich, nahe dich mir nicht, sonst sollst du ganz verdammt schlecht bedient werden! Denn ich verachte dich bis in den tiefsten Abgrund der Hölle, die von A bis Z dein Werk ist, o du bildschöner Satan von einer Minerva, meinst du denn, mit deiner reizendsten Gestalt wirst du mich bestechen oder verlocken, daß ich mich dir ergebe! Packe ein mit allen deinen Reizen! Wahrlich, nicht einmal mit meinem Kote möchte ich deiner Haut zarteste Stellen beschmieren! Fahre ab, sonst sollst du die Wurfkraft meiner Hände zum Verkosten bekommen. Sieh diesen Stein, ,Jeoua' ist sein Name!«

173. Kapitel: Cados und Minervas Disput. Schreckensproben der Höllenfürstin. Cado rettet sich mit dem wahren Stein der Weisen. Gott Jesus ist Sieger! Sein Name - der Hölle ein Greuel! (Am 27. Febr. 1850)

01 Miklosch berichtet weiter: "Spricht die Minerva: »Aber Cado, für so unverschämt, roh und grob hätte ich dich wahrlich nicht gehalten! Es haben mir's ein paar Favoritinnen (Bevorzugt, Lieblinge) meines Hofes erzählt, welch ein grober und roher Schroll du sein sollst. Aber ich nahm ihre Aussagen nicht sogleich als bare Münze an, sondern wollte mich erst selbst von allem überzeugen. Aber da ich mich nun von deiner höchst ungebildeten Weise, mit hohen Geistern zu verkehren, selbst überzeugt habe (wo ich dir doch gewiß nicht unartig entgegengekommen bin!) - so bin ich denn auch genötigt, mit dir in einem ganz andern Tone zu diskutieren! - Zuerst sollst du einer kleinen Exekution (Strafvollzug) zusehen und daraus entnehmen, wie ich mit Geistern so ganz von deiner Art umzugehen pflege. Und sollte dich dieser Anblick für mein Herz noch nicht mürbe machen, so werde ich dann auch unverzüglich dich meine Schärfe verkosten lassen - weil dir meine Herablassung, Milde und Sanftmut nicht munden will!«

02 Die Minerva winkt, und in einem Augenblicke werden von allerschrecklichst aussehenden Teufeln eine unübersehbare Menge von allen erdenklichen Marterwerkzeugen herbeigeschafft und in einem weiten Kreise um die Minerva ordnungsmäßig ausgestellt. Auf einen zweiten Wink werden von andern noch gräßlicheren Teufeln eine ungeheure Menge noch ganz menschlich aussehender, wahrhaft allerärmster Deliquententeufeln (Sträflingen) auf eine Weise aus der schauderhaften Grotte herbeigeschleppt, die selbst einen Stein empören müßte. Diese Delinquenten schreien und heulen furchtbar und viele winden sich entsetzlich aus tiefster Verzweiflung bittend vor der Minerva, daß sie ihrer schonen möchte. Aber diese winkt nur ganz stumm den vor Martergier ordentlich glühenden Teufeln, und diese ergreifen mit wildester Hast ihre Opfer und beginnen sofort dieselben auf das allerunbeschreiblichste zu martern und zu quälen!

03 Ah, Herr, das ist noch der allergräßlichste Anblick! Wenn diese ärmsten Teufel auch so wie wir schmerzfähig sind, so ist das etwas, worüber selbst der tiefweiseste Cherub verstummen muß. Das Martern geht nur sehr langsam und ganz planmäßig vor sich. O Herr, du ewige Liebe! Erbarme dich dieser ärmsten und allerunglückseligsten Teufel und lasse den armen Cado nicht in die vollste Verzweiflung übergehen! Ich höre von ihm nun nichts mehr und nichts anderes als: O Gott, o Gott, o Gott! Wo bist Du? Ist es denn möglich, daß Du so etwas ruhig mitansehen kannst?! Ich bin verloren, ich bin verloren!« - Er fällt nun wie ohnmächtig zusammen.

04 Jetzt ruft die Minerva dem Cado so ganz höhnisch gelassen zu: »Nun, du tapferster Held, wo ist denn jetzt dein Mut und dein Starrsinn?! Beliebt es dir, mir etwa noch länger trotzen zu wollen? Versuche es, so du noch den Mut besitzest, und ich werde dir dann sogleich meinen Mut und meine Kraft zeigen! Wie gefällt dir dies kleine Pröbchen, das ich nun bloß nur so aus meiner Laune vor deinen Augen aufführen lasse? Nicht wahr, die Sache macht sich!?«

05 Der Cado springt plötzlich auf wie neu gestärkt und heult der Minerva zu: »Satan! Grund alles Bösen! Was haben diese verschuldet vor dir, daß du sie alle quälen lässest?! Wenn dir nur ein Funke Weisheit innewohnt, so forsche in dir dem Grunde nach und gebe mir ihn kund! Und so er mich befriedigt, dann will ich dich anbeten! Rede, oder ich zerreiße dich in Atome!« - Hier bricht die Minerva in ein gellendes Gelächter aus und sagt darauf: »O du elendester Wurm, du wagst es noch, bei all dem Gesehenen mich als die Herrin der Unendlichkeit um eine förmliche Rechenschaft anzuheulen! Warte, es soll dir sogleich die verheißene Züchtigung zukommen! Und diese wird es dir sagen, aus welchem Grunde die Allmacht so manches zu tun pflegt nach ihrem launigen Belieben, ohne ein geschaffenes Wesen zuvor um eine Genehmigung anzubetteln.«

06 Nun winkt die Minerva ihren Büttelteuflen, daß sie den Cado ergreifen und auf eine allerärgste Martermaschine schleppen sollen. Und sogleich springen eine starke Menge der grimmigsten Teufel auf ihn zu, um ihn zur Martermaschine zu schleppen. Aber da sehe man den Cado an! Nein, eine solche Kraft hätte ich in ihm nicht gesucht! Im Augenblicke, als ihn die Teufel ergreifen wollen, wirrft er allergewaltigst einen Stein unter sie, daß sie dadurch wie durch einen Zauber derart auseinanderstieben, als wäre ein gewaltiger Blitz unter sie gefahren! Und es scheint keiner mehr die Lust zu haben, einen wiederholten Angriff zu wagen.

07 Als Cado nun ersieht, daß ihm der mit Deinem Namen, o Herr, bezeichnete Stein einen so ausgiebigen Dienst geleistet hat, legt er die Hände auf seine Brust und sagt: »Nicht mehr du Juden-Prophet Jesus, sondern Du Gott Jesus! Du hast mir geholfen!- Dir sei all mein Dank und alle meine Achtung auch aus der Hölle, in der ich mich befinde, für ewig geweiht!«

08 Miklosch fortfahrend: "Mehr als überaus merkwürdig ist es aber, daß bei der Nennung Deines allerheiligsten Namens die sämtlichen Teufel samt der Minerva wie von einer Million Blitzen zu Boden geschmettert worden sind und gar keine Lust mehr zeigen, sich wieder zu erheben.

09 Cado aber fragt nun die zusammengekauerte Minerva: »Nun du holdeste Beherrscherin der Unendlichkeit, wie geht es dir denn nun?! - Mir scheint, du bist ein wenig angegriffen? - Möchtest du dich denn nicht ein wenig näher zu mir begeben? Vielleicht könnte ich dir helfen mit noch so einem Steine der Weisen!"

10 Die Minerva richtet sich nun wieder auf, findet aber zu großen Leidwesen, daß ihre Lanze gebrochen und ihr Szepter beschädigt ward. Sie betrachtet ihre Herrschaftsabzeichen eine Weile und sagt: »Das ist sehr übel für meine Herrschaft! Denn es sagte einst das nichtige Fatum zu mir: ,Minerva, du weiseste und mächtigste Königin über alle Sterne, gib acht auf deine Lanze und auf dein Szepter! So es je geschehen sollte, daß dir deine Lanze gebrochen und dein Szepter beschädigt würde, dann wird es mit deiner Herrschaft auch ein baldiges Ende nehmen, und du wirst verabscheut werden ärger als ein Aas!'- Ja, ja, das Fatum, das unerbittliche Fatum hat wahr gesprochen! Kein Engel der Himmel konnte je meine Macht brechen. Aber einem niedrigsten Teufel, der doch bei aller Bosheit ein dümmster Teufel war, wurde es vom Fatum vorbehalten, daß er mich stürze!«

11 Nach diesem Selbstgespräche wendet sie sich jetzt an den Cado und sagt: »O du dümmster aller Teufel, wie ist es dir denn nun, daß du mich so schmählich hintergangen hast!? Wirst du nun als das Sinnbild der rohesten Dummheit die Welten, Sonnen und alle Elemente lenken? Wirst du sie aufhalten, so sie nun bald, da ich sie nicht mehr erhalten kann, über dich hereinstürzen werden? Meinst du, auch eine ganze Welt mit all ihrer Schwere wird sich von deinen allerschmutzigsten Steinen im Falle aufhalten lassen?« - Spricht Cado: »Wenn du als allmächtige Beherrscherin der Unendlichkeit dich vor meinen Steinen nicht schützen konntest, wie werden sich dann deine miserablen Werke schützen vor ihnen? Wer so eine saubere Gottheit, wie du eine bist, besiegt - für den werden wohl ihre Werke auch nicht unbesiegbar sein! Kümmere dich dessen nicht! Da weiß es schon eine andere Gottheit als du, was sie aus deinen seinsollenden Werken machen wird. Sage mir aber lieber, wie viele so arme Teufel hinter jener Grotte noch weilen, wie diese da sind, die du nun so bloß zu deinem Privatvergnügen auf das allerscheußlichste hast martern lassen? Und wie viele sind schon von jeher so und vielleicht noch ärger gequält worden? Sage mir die genaueste Wahrheit, sonst sollst du von mir auf das übelste bedient werden!«

12 Spricht die Minerva: »Sieh, du blinder Tor! Alles das, was du hier gesehen, war nichts als bloß nur eine flüchtige Ausgeburt meiner Phantasie - also gestellt zur Probe deines Mutes! Ich allein bin eine Wirklichkeit; alles andere war ja nur ein Schein und kein Sein. Daher hattest du mit dem Scheine auch einen leichten Kampf zu bestehen! Denn wäre dir hier eine Wirklichkeit entgegengetreten, dann hätten dir deine allerschmutzigsten Steine sicher keinen Sieg verliehen - aus welchem Grunde aber an deinem Siege über mich auch nicht so viel liegt, wie du nun etwa meinen dürftest. Denn du hast nur einen Schein und keine Wirklichkeit besiegt!« - Hier denkt die Minerva etwas nach und sagt nach einer Weile: »Auf deine Frage, wie es sich schon von selbst versteht, kann ich dir daher auch keine Antwort geben - zumal auch mein gerechter Stolz nie zugeben könnte, daß ich mich mit so einem miserabel dümmsten Teufel in eine Weisheitsberechnung einlassen möchte. Verstehst du miserabel dümmster Teufel solches?«

13 Spricht Cado mit spöttisch lächelnder Miene: »Schau, schau, was du doch bist für ein kluges Tier! Also nur bloß den Schein und keine Wirklichkeit hätte ich besiegt durch den Gottnamen Jesus?! Und doch sagtest du, die du auch völlig geschlagen bist, soeben von dir selbst aus, daß du eine allmächtige Wirklichkeit bist! Wenn ich mit meinen Steine nach deiner Behauptung bloß nur deine allergrausamsten Phantasiebilder besiegt habe, wie kommt es denn, daß du als Wirklichkeit nun auch besiegt und ganz gelähmt vor mir dich befindest? Rede nun und mache mir diese Sache erklärlich! Wie ist das?«

14 Spricht die Minerva: »Das ist auch nur ein Scheinsieg, da ich mich nur so stelle, als wenn ich besiegt wäre um mit dir ganz aufrichtig zu sprechen! Denn wäre ich wirklich besiegt, so stünde ich nicht mit aller meiner vollsten Entschlossenheit vor dir und wäre nicht bereit, mit dir noch zahllose Male den glühendsten Kampf zu erneuen! Ich gebrauchte gegen dich, der du ein reinstes Nichts gegen mich bist, dieses Scheingefecht nur aus Schonung für dein mir leider zu wohlgefälliges Wesen, welches mein Herz mit der unverdientesten Liebe gegen dich erfüllte und noch erfüllt. Hätte ich nicht diese zarte Rücksicht für dich, so hätte ich bloß so ein paar allerschwächste Mückengeister über dich gesendet, die all deine Macht und Kraft rein in nichts verwandelt hätten. Und wenn du mir viel Flausen machst, so werde ich am Ende denn doch noch mit der Wirklichkeit dir entgegenzukommen genötigt sein!«

15 Spricht Cado: »Hm, hm, merkwürdig! Nein, nein, du bist wirklich ein scharmantes Wesen! Schau, schau, so viel Herzensgüte hätte ich bei dir nicht erwartet! Daß du überaus gut sein mußt, das haben mir ja deine Phantasiebilder hinreichend bewiesen, wie auch deine schönen Ideen der Gottes-Entthronung, welche du früher durch deine Hauptmacht ausführen wolltest, die nun unter diesem Glutmeere begraben liegt! - Sage mir, war etwa das auch bloß so eine ganz leere Spiegelfechterei? - Der erste Empfang von Seite deiner Apostel war an mir wenigstens ganz verdammt wirklich, was ich zu einer ewigen Witzigung nur zu klar verspürt habe. Dieselben Apostel aber sind hernach, als sie an mir scheiterten, in einer ungeheuer vermehrten Anzahl gegen die wahre, allmächtige Gottheit zu Felde gezogen, um an Ihr höchstwahrscheinlich deinen uralten Plan auszuführen. Aber die liebe, allmächtige Gottheit war gleich so keck, die Feuerschleusen dieses Gebirges zu öffnen und begrub deine Hauptmacht unter den Wogen dieses Glühmeeres. - Sage mir gütigst, ob das auch alles bloß nur so ein Schein war ohne alle Wirklichkeit!?«

16 Spricht die Minerva ganz trotzig und mit zornverbissenen Lippen: »Das war leider kein Schein! Daß es aber so ungünstig für mich ausgefallen, daran ist leider dein dümmster Häuptling schuld. Denn ich habe es ihm tausend Male gesagt, daß es jetzt noch nicht an der Zeit sei. Aber er ließ sich nicht raten, handelte eigenmächtig und hat nun den Lohn für seine Wahnwitzige Tollkünheit! Wann wird sich wieder so eine Gelegenheit darbieten?«

17 Spricht Cado: "Ich glaube, in alle Ewigkeiten nimmer! - Packe daher ein mit deinem allerdümmsten Plane! Gott ist und bleibt Gott ewig! Und du - ein allerdümmstes Wesen, schlecht und elend genug, so du solch einen allerdümmsten Plan nicht aufgeben wirst! - Schau, was für ein ungeheuer schönes Wesen wärest du, wenn du nicht so bösdumm sein möchtest! Lege einmal dein uraltes, stets fruchtloses Handwerk, und nehme an den Willen der Allmacht, der du ewig nimmer wirst zu widerstreben imstande sein! - Ergebe dich, du sonst deiner Gestalt nach unbeschreiblich Herrliche, und ich selbst will dich mit einer Liebe umfassen, von der unter den geschaffenen Geistern die ganze Unendlichkeit kein Beispiel gesehen hat - ansonst ich dich trotz deiner höchsten Schönheit dennoch alltiefst verachten muß!«

18 Spricht die Minerva etwas weniger leidenschaftlich: »Wüßtest du, was ich weiß, so würdest du von deiner Gottheit anders reden! Ober dennoch hast du recht, daß du also zu mir redest, denn es ist auch also. Aber ich kann mich ewig nimmer ändern! Denn ändere ich mich, so ist im nächsten Augenblicke außer Gott und mir kein geschaffenes Wesen mehr in der ganzen Unendlichkeit; keine Sonne und keine Erde mehr! Ich muß daher in der ewigen Qual stecken, auf daß die Geschöpfe aus mir in aller Seligkeit schwelgen können. - Aber nun habe ich es satt, und es muß denn doch einmal anders werden!«

19 Spricht Cado: »O du arme Mutter der Unendlichkeit! Geh, komm her zum mir, ich werde dich zu unserm lieben Herrgott Jesus führen, nachher wird schon alles wieder gut werden!«

20 Schreit die Minerva: »Nur diesen Namen nenne mir nimmer - sonst ist es gleich rein ganz aus mit uns beiden! Denn dieser Name ist mir ein Greuel!!!«

174. Kapitel: Cados erleuchtete Weisheit gegen Minervas hochmütige Verblendung. Anerkenne den Gottmenschen Jesus - und dir wird alles lichter werden! (Am 11. März 1850)

01 Miklosch berichtet weiter: "Spricht Cado: »Aber liebe Mutter der Unendlichkeit, allerholdeste und schönste Minerva! Warum denn gerade vor diesem gewiß sehr menschenfreundlich klingenden Namen einen solchen Widerwillen? Was hat er dir denn getan? - Ich meines Teiles finde gerade in diesem Namen sehr viel Tröstendes und Beruhigendes! Also heraus mit der Farbe, was für einen Haken hat es denn da?«

02 Spricht die Minerva ganz erbost: »Freund, da hat es den allerunendlich größten Haken, den wohl alle Ewigkeiten nicht gerade biegen werden! Denn in diesem Namen ist die Gottheit wahnsinnig geworden, hat ihre Urhöhe und Tiefe verlassen und hat sichaus einer alleralbersten Liebe zu ihren Phantasiegeschöpfen in einen engen Schlafrock gefercht , aus dem sie nun nicht mehr herauszubringen ist! - Denke dir eine aus purer Affenliebe zu Ihren Geschöpfen von ihren allermistigsten Kreaturen mißhandelte, ans Kreuz gehängte Gottheit - eine Gottheit, die sich zu einem Aase heruntergewürdigt, anstatt auf ihrer unendlichen Höhe und Glorie in meiner lichtvollsten Gesellschaft zu bleiben und über die vollendetsten Wesen zu herrschen, die das aus mir ihr unverwüstbares Dasein nehmen! Was, frage ich, was kann ich als die höchste und noch durch nichts getrübte Weisheit von solch einer toll gewordenen Gottheit denken und halten?! Ich könnte vor Schande und Schmach vergehen, wenn ich auf solch eine entsetzliche Erniedrigung schaue - und schauen muß, weil sie wirklich da ist! - Siehe, Tor, da hat es den Haken! Würde ich auch mit der Gottheit toll, so geht die ganze Unendlichkeit in Trümmer und alle Wesen haben zu sein aufgehört, wie ich dir's schon früher sagte. Siehe, das ist der verzweifelte Haken!«

03 Spricht Cado: »Merkwürdig, merkwürdig! - Aber was ist denn hier so ganz eigentlich merkwürdig?! - O nicht die Erniedrigung der Gottheit zu Ihren Geschöpfen herab; o nein, das ist in meinen Augen noch lange nicht so merkwürdig, als daß die mir sich als höchstweise darstellende, höchste Göttin Minerva so schauderhaft geistesbeschränkt ist, sich von der großen Gottheit eine gar so überaus dumme Vorstellung als dauernd feststehen zu machen! - Erlaube mir - wie kann die Gottheit, als der reinste Urgeist aller Geister, als die mächtigste Urkraft aller Ur- und (von ihr ausgehenden) abgeleiteten Kräfte, je schwach werden? Sie, die die Unendlichkeit umspannt und danebst aber der ewige und festeste Mittelpunkt aller Mittelpunkte ist - könnte je schwach, ja (was ganz unglaublich erscheint!) am Ende sogar wahnsinnig werden!? - Nein, Minerva, dieser Witz ist dir nicht gelungen! Du magst sonst sehr weise sein, ja sogar so weise, wie du - im Ernste gesagt - ungeheuer verführerisch schön bist; aber der Witz mit der göttlichen Schwäche und Tollheit ist dir nicht gelungen, und ich möchte dir beinahe mit dem Ausrufe des alten griechischen Malers: ,Schuster bleib bei deinen Leisten!' zurechtweisend entgegenkommen. Aber ob deiner übergroßen Schönheit, die sicher einen jeden armen Sünder zur Anbetung auffordern müßte, so er dich zu sehen bekäme, verschone ich dich ernstlicherweise damit. Zudem sehe ich, daß du außerordentlich herrschsüchtig bist, und daß es dir beliebt, mit mir einen Spaß zu machen. Und so ärgere ich mich gar nicht mehr über deine wenigstens mir bezeigte Dummheit.

04 Aber so du es annehmen willst, weil ich gar so ein großes Wohlgefallen an deiner allerhervorragendsten Schönheit habe, und dich sogar im Ernste etwas liebe und noch mehr lieben möchte, so ich mir's getrauete - so gebe ich dir einen Rat, und dieser besteht darin, daß du dich mit dem Gottmenschen Jesus auf einen freundschaftlichen Fuß stellen sollest! Lasse wenigstens Seinen Namen in deinem Reiche (oder was es sonst noch ist?!) öfter ausrufen - zu deiner eigenen Überzeugung, was daraus doch etwa entstehen könnte. Und ich bin überzeugt, daß du schon dadurch in aller Kürze für bleibend zu ganz anderen Begriffen und Vorstellungen über die Gottheit gelangen wirst. Siehe, ich bin auch ein Teufel, vielleicht ein viel ärgerer noch als du, und kenne, wie gesagt, Jesum nur dem Namen und einigen Bestimmungen Seiner Lehre nach, die wahrlich höchst göttlich weise sind und sogar jedem nur einigermaßen redlich denkenden Geist- oder Fleischteufel die höchste Bewunderung abnötigen müssen. Aber es kommt mich wahrlich gar nicht schwer an, Ihm die tiefste Achtung zu zollen. Warum soll denn das gerade dir gar so schwer und unausführbar vorkommen?

05 Geh und mache nun einmal eine Gescheite! Denn dumm warst du ja ohnehin schon lange genug! Schau, wir zwei taugeten denn doch so hübsch füreinander. Es wird deswegen noch Schlechtes genug geben, wenn es auch gerade nicht mehr von uns ausgehen wird. Denn für junge Teufel haben wir, glaube ich, doch so hübsch gesorgt. Und der gute Herrgott wird noch eine hübsche Weile zu tun haben, bis Er all unserer Nachkommenschaft vollends Meister wird - so wir auch unser beinahe ewig währendes Teufelmacher-Geschäft für immer aufgeben. Es darf dir darum schon wahrlich nimmer leid sein. Denn du hast davon noch allzeit einen scheußlichsten Lohn empfangen. Und so du dein Geschäft fortsetzest, so wird dafür dein Lohn statt besser nur immer scheußlicher werden! Und am Ende könnte es der allmächtigen Gottheit so bei einer launigen Gelegenheit irgend einmal denn doch einfallen, dich für ewig ganz zu vernageln! Und was hättest du dann von all deiner allersauersten Mühe und Arbeit? - Daher folge meinem Rate, und das um so mehr, da du dabei sicher am wenigsten verlieren kannst, da du mir doch selbst ehedem deutlich genug zu verstehen gabst, daß deine Existenz so wie die der Gottheit für ewig unverwüstbar sei!«

06 Die Minerva ist hierauf stumm, steht als ein unbeschreiblich schönstes Weib knapp am Hügel auf ihrer Phaethon (offenen Wagen) und scheint - manchmal einen Blick aus Cado werfend über dessen Worte nachzudenken."

175. Kapitel: Fortsetzung des Disputes zwischen Cado und Minerva. Minervas Bedingungen zur Ergebung. Cados Erwiderung. (Am 13. Marz 1850)

01 Miklosch berichtet weiter: "Nach einer Weile von einigen irdischen Minuten richtet Minerva ihr Angesicht wieder fest gegen den am Hügel weilenden Cado und sagt: »Freund, ich muß dir offen gestehen, daß du mich sehr interessierst, denn es liegt im deiner schönen morgenländischen Gestalt wie auch in deinen Worten mehr Geist und Wahrheit, als du es selbst nun zu ahnen imstande bist, aber demungeachtet kann ich deiner Rede nicht eher Gehör bieten, als bis die von mir geschaffene Erzhure des neuen Babel vollends gestürzt ist. Ich habe sie aufgerichtet zu einer von der Gottheit mir gestatteten Feuerprobe für alle, die da auf den mir widrigsten Namen getauft wurden, und wollte der Gottheit gegenüber nur beweisen, daß auch ihre Lehre in ein allerabgefeimt-tollstes Heidentum umgestaltet werden kann. Mir ist scheinbar mein Werk gelungen, und die neuen Babylonier wissen sich nun vor Nacht und Grauen nicht mehr zu raten und zu helfen. Sie haben allen Geist verloren. Vom Christentum ist keine Spur mehr zu entdecken. Sie haben nur noch ein morsches Gerippe vor sich und erwürgen sich nun der äußersten toten Haut wegen, in der schon seit nahe einem vollen Jahrtausend kein Leib und um so weniger irgendeine Seele mit ihrem Geiste sich befindet. - Aber das muß nun also geschehen! Meine Greuel müssen durch aus sich gezeugte neue Greuel vernichtet werden, und die Menschheit muß in eine neue Pflanzschule versetzt werden. Wann solches bewerkstelligt wird, dann sollst du mir unter die Arme greifen, und ich werde eines Sinnes sein mit dir ewig!«

02 Spricht Cado: »:Allerholdestes und reizend schönstes Weib der ganzen Schöpfung Gottes! O mache mir keine so schweren Bedingungen, deren endliche Erfüllung wahrlich nicht abzusehen ist! Lasse das hundemäßige Neu-Babel! Lasse die Gottheit allein walten, der es ein leichtes sein wird, alle von dir angelegten Krummwege zu ebnen! Du aber folge mir und werde fortan glücklich! Gedenke nicht mehr dessen, was du warst in irgendwelcher Hinsicht; sondern gedenke vielmehr, wie glücklich du wieder werden kannst und wie glücklich ich (sein werde) an deiner unbegreiflich schönsten Seite und (mit uns) zahllose Myriaden in der Anschauung deiner unendlichen Schönheit. Und du wirst meinen Worten dann leichter Gehör leihen können, als du Herrlichste es dir vorstellst. Denke dir meinen Schmerz, so ich dich verachten müßte deines tollen Starrsinnes wegen - dich, für die in meinem Herzen Milliarden Sonnen brennen! Ich bitte dich, du unbeschreiblich Schönste, folge meinem Rate! Bei aller Allmacht der Gottheit und all deiner unendlichen Schönheit schwöre ich dir, daß du von mir nicht hintergangen sein sollst! Unbeschreiblich holdestes, schönstes Weib, du Zentralsonne alles Lichtes, gehe, verlasse deinen Phaethon, werfe das morsche Szepter und die zerbrochene Lanze von dir und ziehe an den herrlichen Schild der Liebe! Komme also gerüstet an diese meine Brust, und du sollst für alles Ungemach, das dir je begegnet ist, die reichliche Entschädigung finden! Mit deiner gegenwärtigen Scheinmacht wirst du mich nie besiegen; aber mit der Liebe wirst du mich zum Sklaven deines Herzens machen!«

03 Spricht die Minerva: »Cado, Cado! Du wagst mit mir ein gefährliches Spiel! Was wirst du aber dann tun, so dich der eifersüchtige Himmel meinetwegen aus das härteste verfolgen wird!" Blicke auf, und du wirst sehen, wie ich von zahllosen Milliarden in meiner Unterredung mit dir belauscht werde und du mit mir! Meine unbegrenzte, mit nichts zu vergleichende Schönheit ist ja eben mein ewiges Unglück! Ich sollte nur Einen lieben, für den in meinem Herzen keine Liebe thront. Will ich aber meine Liebe jemand anders zuwenden, dann ist aller Himmel voll Zorn und Rache gegen mich und gegen den, dem ich mein Herz zuwende! - Daher begreife, so ich dich warne, mit mir ein so gewagtes Spiel zu treiben! Möglich, daß es dir vielleicht gelingt, da dir schon manches gelungen ist, aber wehe dir und mir, so es dir nicht gelingen sollte!«

04 Spricht Cado: »Du hast in Hinsicht der Milliarden himmlischer Belauscher über uns wohl recht! Ich ersehe sie nun auch; aber ich ersehe in ihnen Freunde und keine Feinde. Siehe, sie alle winken mir Beifall zu! Wahrlich, diese tun uns nichts. Und sollte ihre Freundlichkeit eine Kriegslist sein, so werden sie alle es allein mit mir zu tun bekommen! Kurz, ich lasse nimmer ab von dir! Du bist mein, und keine böse Macht soll dich mir nehmen! Denn auch ich bin unverwüstbar und bin mächtig aus Gott und aus keinem Teufel, der ich selbst einer bin!«

05 Spricht die Minerva: »Cado, Cado, Cado! Reize die Götter nicht, denn du bist nur ein schwacher Mensch! Siehe, die da oben werden mich bald in ein häßliches Kleid werfen, was wirst du dann sagen und tun?«

06 Spricht Cado: »Holdeste, so sie das täten, dann sind sie Teufel und wir Engel! Nein, nein, sieh hinauf! Sie alle geben mir ein Zeugnis, daß sie solch einer Tat unfähig sind! Alle die Zahllosen haben eine Freude darüber, daß du in solcher deiner urwahrsten Gestalt so lange verharrest und sie Gelegenheit haben, die erste ,Urschönheit', den ersten ,Grundgedanken alles Seins aus Gott' vor sich zu haben und anzustaunen - mehr als alles, was (außer Gott) der höchsten Geister nie erschöpfbare Weisheit als schön bezeichnen kann! O ,Lichtträgerin' alles dessen, was der geschaffene Geist schön nennen und selbst als schön gestalten kann, mache keine Bedingungen mehr und komme! Denn mein Inneres sagt es mir, daß auf deine Rückkehr alle Himmel schon äußerst lange Zeitenläufe vergeblich harreten und sich nach der Lust sehnten, dich als die Krone endlicher Vollendung aller Dinge und Wesen die Ihrige nennen und ehren zu können. - Wende daher deinen Willen! Lasse erweichen dein Herz! Komme und genieße an meiner Seite der freiesten Seligkeiten höchste! Fühle einmal auch die Wonne, für die du - als erste, größte und vollendetste, in mächtigst lebendiger Wirklichkeit aus Gott hervorgehende Idee -bestimmt warst und noch bist!«

07 Die Minerva sieht den Cado nun recht freundlich, aber doch immer noch mit Herrscheraugen an und sagt: »Cado, hast du dir's denn wohl im Ernste vorgenommen, mich schwach zu machen?! Meinst denn du, mich zu besiegen und für irgendeine Sache geneigt zu machen sei etwas leichtes, was so einem aus mir geschaffenen Erdwurme ebenso gelingen werde wie der Fang einer matt gewordenen Fliege? - Oh, hoffe nicht zu voreilig! Denn gar mächtigste, größte Geister haben sich an mir versucht und sind am Ende mit Spott und Schande unverrichteterdinge abgezogen. Wie mag es dir denn träumen, mich durch die Macht des Stromes deiner Rede fesseln zu können?! Sieh, solche Kleinmannöver gegen mich habe ich schon zahllose bestanden und zurückgeschlagen! Wie kann es dir nun beifallen, du werdest mich gewinnen für dein Herz und am Ende gar für die mir über alles verhaßten Himmel, die ich besser kenne als du armer, blinder Teufel! Dich allein lasse ich mir gefallen. Aber so du mir als Teufel von den Himmeln etwas vorzuschwärmen beginnst, dann bist du von mir aus des Anspuckens nicht wert. Jedes Wesen muß sich selbst treu bleiben! Es muß entweder ganz vollkommen ein starker Teufel - oder umgekehrt ein dummer Himmelsbote sein, der bei mir allzeit nichts ausrichtet, aber von mir demnoch geachtet wird wegen seiner (obschon wahnmäßigen) Selbsttreue. Aber so ein Teufel wie du, der zugleich auch eine Art Engel sein will, muß im Verfolge (mit der Zeit) mir widrig werden, obschon er sonstige Eigenschaften besitzt, vor denen ich selbst eine gerechte Achtung habe! Mein lieber Cado, so du mein Herz für dich gewinnen willst, dann mußt du es ganz anders anfangen als es bisher der Fall war! Wahrlich, ich bin dir nicht abgeneigt; willst du mich aber gewinnen, so mußt du mir folgen und zu mir kommen aber nicht von mir verlangen, daß ich das tun (d.h. zu dir kommen) solle.«

08 Spricht Cado: »Aber Herrliche! Ich will dich ja nur für mich und nicht für jemand anders gewinnen! Ob sich die dir verhaßten Himmel darob freuen oder ärgern wollen, das ist mir gleich! Ich will ja nur dich und nicht die dir verhaßten Himmel und beharre für ewig nur bei diesem Verlangen! Aber den offenbar mächtigsten Himmeln trotzen werde ich ebenfalls ewig nicht - auch deinetwegen nicht, obschon ich dich mehr liebe als alle Gottesschätze der Unendlichkeit!

09 Siehe, ich halte ein jedes Wesen, dich nicht ausgenommen, für höchst dumm, das da mehr tun will, als es vermag. Und überaus dumm aber ist ein Wesen, das selbst die bittersten, endlos vielen Erfahrungen nicht klüger zu machen imstande sind. - Sage mir ganz aufrichtig, was und wie viel wohl hast du gewonnen durch deinen allerunbeugsamsten Starrsinn? Bist du dadurch mächtiger oder reicher oder schöner geworden? Oder waren dir die dezillionenfachen Züchtigungen, derer du allerschärfst teilhaftig wurdest, eine Wollust? Siehe, du gleichst in jeder Hinsicht jenen eselhaften Völkerbeherrschern, die lieber ihr ganzes Reich zugrunde richten, als daß sich ihre höchstgestellte, aber auch offenbarste Dummheit von irgendeinem niederen Weisen etwas raten ließe.

10 Du zwar endlos schönstes, aber dabei, wie ich nun an dir nur zu klar merke, auch allerdümmstes Weib - Wenn ich dich besiegen wollte, da brauchte ich auch nicht ein Wort mit dir zu verlieren! Denn da genügten diese Steine! Und da sieh, eine neue Waffe zu meinen Füßen; es ist eine Wurfschlinge, mit der ich umzugehen verstehe! Ich brauche sie nur nach dir zu werfen, und kein Teufel und Gott deines Maßes befreit dich mehr aus meiner Macht! Aber ich selbst will dich nicht fangen und nötigen, sondern alles dir selbst überlassen, damit der Sieg über dich nicht mein, sondern ganz allein dein freies Werk sein soll!

11 Meinst du denn, daß ich mit dir eine Freude hätte, so du mir zu eigen würdest durch meine Macht über dich? Nein, da möchte ich dich nicht einmal, trotz deiner endlosen Schönheit! - Aber so du, meine wohlgemeinten Worte beherzigend, dich selbst besiegst und dich mir gibst zur ewig treuen Gefährtin, dann bist du für mich eine ewige Unendlichkeit aller Seligkeiten! - Was wirst du nun tun? Wirst du in deiner Tollheit noch länger verharren und dadurch höchst elend sein? Oder wirst du meinen Worten Folge leisten? Lichträgerin, um deiner endlosen Schönheit Willen bitte ich dich: ermahne dich und lasse ab von deinem Starrsinn! - Siehe, es nützt dir nichts; du kommst mir ewig nimmer aus! Denn richte ich mit dir nichts durch alle meine Liebe, so werde ich mit meiner Liebe auch die Gewalt gebrauchen und dich also an mich ketten! Denn meiner Gewalt widerstehst du wahrlich ewig nimmer!«

12 Spricht Minerva: »Aber lieber Freund, warum soll denn gerade ich mich besiegen und mich dir ergeben?! Kannst denn du nicht ebenfalls dasselbe frischweg tun? Denn ich dürfte für dich denn doch wohl mehr Anlockendes haben, als du für mich! Zudem wäre es denn hoffentlich doch ordnungsmäßiger, daß der Bräutigam zur Braut hinginge als die Braut zu ihm!«

13 Spricht Cado: »O allerdings! Ich wäre auch schon lange bei dir, so der Boden, auf dem du stehst, ein anderer wäre. Ich verstehe mich aber wahrlich nicht, auf solch einem Boden zu stehen und zu wandeln und kann daher nimmer zu dir kommen. Dich aber trägt jeder Boden, und so kannst du wohl eher zu mir kommen als ich zu dir!«

14 Spricht die Minerva: »Was wirst du dann aber mit mir machen, so ich zu dir komme?« - Spricht Cado: »Alberne Frage! Lieben und möglichst glücklich machen werde ich dich, und aus diesem Hügel ein neues Paradies gestalten der Gottheit zur Ehre, die mich mit Kraft versieht!«

15 Spricht die Minerva: »In einem Paradiese bin ich schon einmal eingegangen (hintergangen), und das schändlich! Mein Adam, dieser deiner -Erde Erstling, hat mich auf eine Art angesetzt, daß ich mir's wohl für die ganze Ewigkeit gemerkt habe! Es war ein Paradies, und das was für eins! Noch auf keinem Weltkörper ist es der Gottheit gelungen, mich so hinters Licht zu führen, als eben auf dieser Erde! Und daran war das schmähliche Paradies schuld! Ich brauche es dir gar nicht weiter zu erzählen, wie dies vor sich ging. Aber ich bin da zum ersten Male der Gottheit aufgesessen und genieße nun über 6000 Jahre hindurch die elendsten Früchte davon! Daher komme du mir mit keinem Paradiese, so du mich im Ernste für dich gestimmt machen willst! - Ich aber mache dir einen Vorschlag - so du diesen annimmst, dann bin ich die Deine für ewig!

16 Der Vorschlag aber lautet: Gelobe es mir, den Namen Jesus, daran ich fast allzeit ersticke, nimmer auszusprechen, und wirf alle die Steine von dir und die Schlinge auch, so soll dir dafür mein Herz zum Lohne werden, und du sollst an mir Genüsse finden, von denen keiner Gottheit noch je etwas geträumt hat! Tue das, und ich bin dein für ewig und werde dir allein leben! Fasse meine Schönheit, meine Anmut, meine Reize und meine göttliche Erhabenheit nur einmal recht ins Auge und in dein Herz - und du müßtest vom härtesten und gefühllosesten Steine sein, so du solchen Reizen widerstehen könntest!«

17 Spricht Cado: »Meine allerdings allerreizendste Minerva! Weißt du, bevor du das Lügen erfunden hast, wäre ich auf deinen Vorschlag ohne weiteres eingegangen. Denn Jesus oder kein Jesus das wäre mir ein Ding! Und diese Steine und diese Götterschlinge - ich könnte sie entbehren und deiner auch ohne ihre Hilfe Herr sein, verstehst du?! - Aber da bekannterweise du zu allen Zeiten eine größte Künstlerin im Lügen, Anschmieren und Sitzenlassen warst und sicher noch bist, was ehedem deine Schein-Strafvollstreckung hinreichend bewies - so kann ich so lange keinen Vorschlag von dir annehmen, als bis du den ersten, von mir (gemachten) annehmen wirst, Mache aber bald, denn ich merke, daß die himmlischen Zeugen über uns unruhig werden. Meinen Willen kennst du nun! Entschließe dich rasch, sonst wird es bald ein Mordsspektakel absetzen! Denn meine Geduld geht nun auch schon zu Ende.«

18 Miklosch fortfahrend: "Der Minerva Gesicht wird nun finsterer und herrschsüchtiger. Sie sinnt nach Widersätzen; aber es scheint ihr kein rechter unterkommen zu wollen. Sie möchte sich vor heimlicher Wut in ihre eigenen Lippen verbeißen, so sie sich nicht scheute vor dem Cado. Es ist wahrlich recht komisch anzusehen, wie sich die Erfinderin des Hochmutes und der Lüge alle erdenkliche Mühe gibt, dem Cado ja keine ihrer Schwächen zu verraten. - Aber der Cado scheint es ihr doch auf ein Haar abzulauschen, da er sie nun keinen Augenblick aus den Augen läßt und die Wurfschlinge in solcher Bereitschaft hält, daß er sie in jedem Augenblicke loslassen kann. - Nein, da bin ich wahrlich neugierig, was nun die Satana (Satana ist der weibliche Urname des großen, gefallenen Lichtgeistes der hier als "Minerva" auftritt) für ein Manöver wird ausführen wollen!"

176. Kapitel: Cado erhält stärkeren Engelschutz. Sein wohlmeindendes Liebeswerben erwidert Minerva mit argen Gegenvorschlägen. Dem von oben Gefestigten zeigt die Hölle neue Schreckensbilder.

01 Miklosch berichtet weiter: "Nun begeben sich aber auch unser Freund Robert-Uraniel und sein Gefährte Sahariel ganz unvermerkt auf den Hügel zu Cado hin, der ihrer aber nicht ansichtig ist, da sie sich hinter seinem Rücken aufgestellt haben.

02 Auch die Schein-Minerva scheint diese Ortsveränderung der beiden nicht zu merken, weil sie kein Auge daraus verwendet, sondern nur allein den Cado mit verstohlenen Blicken zu mustern scheint, um höchstwahrscheinlich ihm irgendeinen schwachen Augenblick abzulauschen. Sie mustert hin und mustert her; aber Cado steht wie eine chinesische Mauer auf seiner Hut. Diese Hut des Cado scheint der Minerva nicht zuzusagen, daher sie denn auch immer auf den Boden hinstarrt und sehr nachdenkt, was sie nun tun soll. Sie macht und schneidet allerlei Gesichter; bald ein ernstes, bald ein freundliches, bald ein weises, bald nun wieder ein herrscherisches; aber überall schaut der alte, heimliche Sünder heraus.

03 Diese Geschichte scheint dem Cado bedeutend langweilig werden zu wollen. Er räuspert sich nun kräftig und fragt die Minerva sagend: »Nun, Holdeste, wie sieht es denn aus, wirst du anbeißen oder nicht? - Ich habe nun ein ziemliches Weilchen geharret; aber es kommt von deiner Seite zu keinem Entschlusse und sonach auch um so weniger zu irgendeiner Tat nach meinem Wunsche! - Ich gebe dir daher nur noch eine äußerst kurze Bedenkzeit! Wird dich diese zu nichts vermögen, dann sollst du sogleich meine Fertigkeit im Gebrauche der Wurfschlinge zu bewundern bekommen! Ich sage es dir im vollsten Ernste, seit deinem Sein hast du aus den zahllosen Myriaden der von dir verführten Geister noch keinen gefunden, der dir ein Meister gewesen wäre; denn sie alle waren deiner List nicht gewachsen. Aber an mir wirst du dich ganz verdammt verrechnen! Ich Sage dir, traue mir nicht! Denn wo du hindenkst, da bin ich schon vorne (weit voraus), verstehst du diese Sprache?! Ich sage dir zu wiederholten Malen: Mich fängst du nicht! Es mochte dir wohl einmal ein Erzengel Michael aufgesessen sein (auf deine Bosheit hereingefallen), daß er dir halbe Ewigkeiten lange Bedenkzeiten zukommen ließ; aber bei mir ist da nichts (zu machen)! Der Erzengel bebte vor Gott und ahmte dessen Geduld nach und gab dir Fristen auf Fristen, die du dazu benütztest, um schlechter und schlechter zu werden. Ein Teufel Cado aber macht sich aus Gott, Tod und Teufel nichts, und Himmel und Hölle sind ihm einerlei. Vestehst du das?! Der Cado steht unter keinem Kommando, außer unter dem seines höchsteigenen Verstandes und Willens! Was er tun Will, das wird er auch tun, weil er es will und weil er es kann! - Verstehst du das?! - Daher entschließe dich nun sogleich, sonst fliegt die Schlinge dir an deinen herrlichen Nacken!«

04 Spricht die Minerva: »Aber ich bitte dich, lieber Cado, sei doch ein wenig manierlicher! Ich kann ja doch nicht so urplötzlich aus allen meinen alten, üblen Gewohnheiten heraushüpfen wie eine Bachstelze aus ihrem Neste, so eine Natter dasselbe umschleicht. Ich glaube, so du zu deinem Heldentume auch ein wenig mehr Geduld hinzufügst, so wird dir das etwa auch nicht schaden! Daß ich, dich prüfend, so manches zu dir sagte und dem Scheine nach nicht sogleich auf deine Ideen und auf dein Begehren einging - - das, Freund, hat seinen Grund! Denn auch mir muß es zustehen, den durch und durch zu erproben, mit dem ich, als der ganzen Unendlichkeit erste und unerreichbar größte Schönheit, mich verbinden möchte. Dazu glaube ich dir ein hinreichender Preis für dein bißchen Geduld zu werden! So ich an dir kein Wohlgefallen hätte, wäre ich schon lange eine ganze Ewigkeit von dir entfernt. Aber dein noch nie dagewesenes höchst sonderbares Wesen fesselt mich mit zauberischer Gewalt an deine Brust, und ich lasse mir von dir nun schon Dinge gefallen, die ich mir selbst von der Gottheit noch nie habe gefallen lassen! Bist du damit noch nicht zufrieden?«

05 Spricht Cado: »Herrlichste der Schöpfungen Gottes! Ich liebe dich unendlich, und daher habe ich wahrlich keine Geduld mehr! Aber um dir gegenüber nicht unartig zu sein, will ich mich noch einige Augenblicke gedulden. Aber länger wolle du meine Geduld nicht erproben!«

06 Die Minerva lächelt nun und wirft während des Lächelns ihre zerbrochene Lanze in das beruhigte Glutmeer, aus dem noch immer zahllose breitgeschlagene Geister liegen und dessen Wogen darniederhalten.

07 Als die Lanze von dem Meere nun verzehrt ist, was Cabo für ein günstiges Zeichen zu halten scheint - erheben sich auf einmal aus dem Glühpfuhl eine große Menge der allerschrecklichst aussehenden Gestalten und umlagern die Minerva. - Einer, der die Gestalt aller Drachen und aller furchtbarsten Bestien in sich vereinigt, donnert der Minerva mit dem gräßlichsten tausendstimmigen Wolfs-, Hyänen-, Löwen- und Tigergebrülle zu:

08 »Elendste! Ist das dein Dank für die Trillionen getreuester Dienste, die wir dir eine ganze Ewigkeit hindurch geleistet haben, indem wir dir zuliebe kein Opfer, keine Mühe und selbst die ungeheuersten Schmerzen und Qualen nicht scheueten, um uns nur endlich einmal deiner uns so oft versprochenen Liebe und Hingebung zu versichern - daß du uns nun aus Liebe zu einem neuen, modernsten Teufel, der erst kaum die Nase auf einige Sekunden in die Hölle gesteckt und für dich noch gar nichts getan hat, schmählichst verlassen willst, und das auf immer?! - Nein, schreien wir alle, die ersten und mächtigsten Teufel der Hölle, nimmermehr wirst du uns das tun! Eher zerstören wir dich, die Hölle und alle Himmel, bevor du einen Schritt von dieser Stelle tun wirst! Siehe, unsere Diener bändigen dies Meer und leiden entsetzliche Qual, auf daß du als unsere Gebieterin ruhig auf demselben umherwandeln kannst, und du willst uns verlassen und ewig nimmer jene Lust gewähren, die du uns so zahllos oft verheißen hast! - O wage es nur, du elendeste Hure eines elendesten Mastdarmwurmes des schmutzigsten Staubes, Erde genannt! Dir soll dafür von uns ein Lohn werden, von dem selbst der tieften Phantasiefülle der höchsten aller Gottheiten nie etwas geträumt hat! Rede nun! Was wirst du tun? Schaue nur hin auf jene Mastdarmmilbe auf dem Hügel! Rufe sie dir zur Hilfe! Sie soll nun Gebrauch machen von ihren Waffen; sie suche uns zu vertreiben, wenn sie so mächtig ist! Sieh nur hinauf, wie dein Held den großen Mut sinken läßt und sich nun nach allen Seiten umsieht, ob es nicht irgendwo ein Loch zum Durchgehen gäbe! - O rufe ihn dir zur Hilfe! Das gestatten wir dir schon, du schönste Hure und Geliebte eines Mastdarmwurmes! Rufe, rufe ihn! Warum rufst du ihn denn nicht, deinen Erwählten?!«

09 Die Minerva scheint vor Schande, Zorn und Wut vergehen zu wollen. Sie bebt am ganzen Leibe und scheint vor lauter Grimmfieber keines Wortes fähig zu sein. - Der Cado aber gebärdet sich noch grimmiger und scheint in sich zu beraten, was er nun tun soll. Diese gräßlichsten Giganten flößen ihm denn doch eine Art Respekt ein, so daß er eben nicht die größte Lust hat, sich mit ihnen in einen Kampf einzulassen, und zugleich erfährt er ein Zeugnis über die Minerva, das ihn über deren Treue und Liebe sehr bange macht. Deshalb ist er denn auch unschlüssig, was er jetzt tun soll. - Aber die Minerva macht so sehnsüchtige Blicke, daß er sich von ihr nicht trennen mag, und er fängt daher an, seine Steine zu mustern und zu ordnen.

10 Nach einer kleinen, aber allerschrecklichsten Weile richtet sich Cado auf und sagt zu diesen gräßlichen Unholden: »Eure Macht kenne ich, und eure gegenwärtige Trugkunst ist mir nicht fremd - sie ist nicht euer Werk! Denn ihr für euch selbst seid - als leere Schemen und pure Phantasiegebilde dieser einen, der ihr eine leere und nichtigste Scheindrohung machet - keiner Tat fähig! Aber wäret ihr wirkliche Wesen, so möchte ich euch sogar belohnen für diesen wichtigen Dienst, den ihr mir nun geleistet habt. Denn durch dies euer Benehmen wie durch eure gräßliche Gestalt und eure Worte, die diese eine selbst in euerm Rachen geformt hat, bin ich mit ihrem Charakter wieder näher vertraut worden, und das ist für mich, von größter Wichtigkeit. Ich stehe dadurch dem Ziele näher als je! - Zerreißet sie, so ihr es könnet! - Ich könnte es tun, so ich es wollte. Aber ich will es nicht, weil sie solch einer Mühe von meiner Seite aus gar nicht wert ist.

11 Satana, so dir noch ein Ppröbchen ähnlicher Art vor mir auszuführen möglich ist, so tue es nur! Denn dabei bekomme ich desto mehr Gelegenheit, dich so recht durch und durch kennenzulernen. - Mit euch, ihr Schemen, aber werde ich nun im Namen Gottes, Jesu des Gekreuzigten, sogleich fertig werden! - Sehet diesen Stein an! Er ist bezeichnet mit dem Gottnamen Jesus nebst drei Kreuzen! Dieser Stein wird euch sogleich zeigen, wessen Geistes ihr seid!«

12 Hier hebt Cado einen Stein vom Boden und fängt an, ihn zu einem kräftigen Wurfe zu schwingen. - Die Minerva aber schreit nun ängstlichst mit heftiger Stimme auf: »Cado, um alles, was dir heilig ist, tue du nur das nicht! Denn du bist im selben Augenblicke für ewig verloren, in dem der Stein deine Faust verlassen wird! - Die Macht dieser Geister, die du irrig für Ausgeburten meiner Phantasie hälst, ist unbändig; was sie ergreifen, das entreißt ihnen keines Gottes Macht mehr! Verhalte dich ruhig! Vielleicht gelingt es mir, sie zu beschwichtigen und sodann meine Befreiung mit dir ins Werk zu setzen!«

13 Cado, der jetzt dem geheimen Einflusse der hinter ihm stehenden beiden Schutzgeister mehr und mehr ausgesetzt ist, spricht nun ganz ernstlichst: »Deine Worte sind gleich wie Seifenblasen, und es ist keine Wahrheit in ihnen! Du bist eine Lügnerin von jeher gewesen, hast aber dadurch niemanden mehr geschadet als gerade dir selbst. Darum sei versichert, daß ich allezeit nur das tun werde, was zu tun du mir am meisten widerraten wirst! Daher im Namem meines Gottes, meines Heilandes Jesus!«

14 Hier wirft Cado den Stein dem ersten großen Unholde an dessen Drachenkopf. Ein fürchterlicher Knall wie aus tausend Kanonen vom schwersten Kaliber geschieht, als der Stein den Kopf des Unholds berührt. Und alles bis auf die Minerva verschwindet, die nun bebend auf einem Sandhaufen ganz nackt steht und sich vor dem Cado zu verbergen sucht, was ihr aber nicht gelingt.

15 Cado aber fragt sie: »Nun, Holde, wie siehst du nun aus?! Wo ist die von dir mir angedrohte Gefahr?! Und wo sind nun die gar so drohend aussehenden Machtgeister, die ehedem Himmel, Hölle, Gott und alle Erde mit einem Bisse zerstören und dich Arme der Untreue wegen auf das beispielloseste züchtigen wollten?! Wo, wo sind sie nun? - Sieh, es tut sich nimmer mit deiner Kunst! Sie ist keines Schusses des schlechtesten Pulvers mehr wert, und es ist alle deine Mühe vergeblich! Du kommst mir nicht mehr aus! - Sieh, ein anderer würde dir nun fluchen und dich auch züchtigen nach Gebühr, so er meine Macht besäße! Aber ich vergebe dir alles! Nur folgen mußt du mir, sonst gebrauche ich eine Gewalt, der du mit gar nichts mehr einen Widerstand wirst leisten können! - Was wirst du nun tun? - Siehe, du bist verlassen von allem, was dir je irgendeinen Schein von einer Macht verliehen hat. Nichts hast du außer mich und deine unbeschreibliche Formen-Schönheit! Lehne dich daher frei- und festwillig an mich, und ich werde dich einen rechten Weg führen, nicht einen Weg der knechtischen Demütigung, sondern einen ganz freien Weg der wahrsten Liebe meines Herzens zu dir! - Aber frei mußt du mir folgen!«

16 Spricht die tiefst beschämte Schein-Minerva: »Ja, ja, ich will, ich werde, ich muß dir folgen! Aber nur einen Schritt näher zu mir tue auch du, so du wirklich eine Liebe zu mir in deinem Herzen hast! Denn da ich mich dir nun schon über tausend Schritte genähert habe, so könntest du ja doch auch einen Schritt näher zu mir her wagen!«

17 Spricht Cado: »Du weißt nun ja, daß ich einer bin, der auch nicht um ein Haar mit sich handeln läßt und nie deinem Verlangen eher folgen wird, als bis du dich auf dem Standpunkte völliger Umwandlung deiner urbösen und ungetreuesten Gesinnung befinden wirst. - Daher unterlasse für die Folge alle deine Anforderungen an mich! Denn sie werden kein Gehör finden. Ich bin böser als du, obschon deine Urbosheit die Unendlichkeit mit dem härtesten Gerichte hätte erfüllen können. Aber da zu deiner Wiedergewinnung aller Engel Mühe an deinem unbeugsamen Starrsinn scheiterte, so muß dich ein Teufel der Teufel dahin wiederbringen, von wo du ausgegangen. Aber dieser Teufel ist kein Teufel deiner Art, sondern einer ganz andern Art! Seine Macht hat er von oben; aber sein Wesen gehört der Hölle an.- Kennst du solch einen Teufel? - Du allein bist sein Lohn - den er aber verschmähen wird, so er ihm nicht frei, sondern gezwungen zuteil wird! Darum folge mir!«

177. Kapitel: Minerva wittert in Cados festem Willen eine List der Gottheit. Cado erklärt ihr den wohlmeinenden Grund. Ein Kleid fällt vom Himmel und erregt Minervas weibliche Neugier. (Am 10. März 1850)

01 Miklosch berichtet weiter: "Spricht die Minerva: »Freund Cado, wahrlich, ich liebe dich! Es ist wohl die erste wahre Liebe, durch die mein Herz je bewegt ward. Aber so du mir zuliebe denn schon gar nichts tun willst, so tue mir doch den Gefallen und erkläre den Grund von solcher deiner Hartnäckigkeit gegen mich! Denn es muß da ein großer und zugleich allerfeinster Plan zugrunde liegen. Man hat mit mir etwas vor von der allerhöchsten Seite, und du bist deren verkapptes Werkzeug, entweder dir bewußt oder möglicherweise dir auch unbewußt! Der Plan muß mir enthüllt werden, sonst bringst du mich ungezwungen nicht um ein Haarbreit weiter von dieser wennschon höchst lockern Stelle! - Was wird es dir auch nützen, an mir selbst Gewalt zu üben?! So du dir mein Herz und meinen Willen nicht frei aus mir selbst dienstbar und innigst geneigt machen kannst, so hast du mit all deiner Gewalt an mir wenig oder nichts gewonnen. Denn du weißt, welch einen unbesiegbar hartnäckigsten Trotz ich der Gottheit selbst bieten kann und geboten habe; um wieviel mehr dir! Die Gottheit ist endlos mächtig und kann aus mir machen, was sie will - jedoch nur durch ewigen Zwang. Aber das Herz und der Wille sind mein und verstehen jeder Macht zu trotzen, und, verstehe! - auch der deinigen - obschon du der einzige bist, der meinem Herzen seit meinem Urbeginne am allernächsten gekommen ist. Und wäre es nicht also, so hättest du statt dieser meiner wahren Urgestalt schon lange ein allerhäßlichstes Scheusal vor dir! - Nun weißt du, wie ich bin und sein kann. Daher gebe mir, wie verlangt, den Grund an, warum du, bei aller meiner ersichtlichen Aufrichtigkeit gegen dich, mir gegenüber so unbeugsam bist!«

02 Spricht Cado: »Was verlangst du von mir das, was ich dir frei, ohne daß du mich dazu aufgefordert hast, schon sonnenklar dargetan habe!? - Ich kann und darf in nichts eingehen, was du willst, weil ich dich dann nimmer freimachen könnte! Du mußt (daher) zum frei und ungezwungen dich in meinen Willen begeben und mußt ihn zu dem deinigen machen! So du das getan haben wirst, dann werde ich auch alles tun, was du aus dir selbst wollen wirst!«

03 Spricht nun die Minerva: »Ja, ja, das ist gewiß, so ich nur das will, was du willst, dann wirst du freilich meinem Willen leicht nachkommen! Aber wo ist denn dann meine höchsteigene Willensfreiheit?!« - Spricht Cado: »In dem, daß du frei das willst, was ich will, und sonach deinen Willen mit dem meinigen zur Einheit machst! Denn ohne diese ist ewig an keine höhere, wahre Wirkung zu denken.«

04 Spricht die Minerva: »Das ist mir zu dunkel! Ich verstehe dich nicht! Erläutere die Sache genauer!« - Spricht Cado: »O du sonderbare Trägerin alles Lichtes und Leuchtens, das da ausgegossen ist durch alle endlosen Räume! So du solche Dinge nicht fassest, die doch so klar sind, wie wirst du dann Tieferes aus dem ewig unversiegbaren borne der rein göttlichen, freiesten Weisheit zu erfassen imstande sein?! - Höre denn! So zwei Ehegatten miteinander in einem fortwährenden Hader sich befinden und das Weib nimmer in den Willen des Mannes eingehen will, so wird solch eine Ehe wahrlich nie zu einer lebendigen Nachkommenschaft kommen. - Man kann da freilich auch sagen: Ja, dasselbe kann auch vom Manne gelten! - Das ist richtig, so der Mann nachher stützig (unsinnig, störrisch) würde und zu seinem Weibe sagen möchte: Ich erkenne meinen alleinigen Willen in deinem Begehren. Aber weil er nun auch dein Wille ist, so will ich ihn nicht! Siehe, das wäre eine große Torheit von seiten des Mannes, und das Weib hätte dann das vollste Recht, dem Manne keines seiner Begehren zu erhören. Aber da das Weib schon gleich Anfangs der Ehe in das Begehren des Mannes eingeht, ohnedem es nie eines Mannes Weib werden könnte, und dadurch des Mannes Willen zu dem ihrigen macht - so hat dann im Stande der Ehe auch das Weib aus dem vom Manne in sich aufgenommenen Willen das vollste Recht, auch aus ihrem eigensten Willen etwas zu verlangen, was ihr dann ein weiser und redlicher Mann auch sicher gewähren wird, wenn das Verlangte nur irgend mit seinem Willen in einem harmonischen Einklange steht. Es müßte des Weibes Verlangen nur an und für sich ganz das Gegenteil wollen von dem, was sich in der Ordnung des männlichen Wollens ausspricht, in welchem Falle dann der Mann freilich, um sich selbst nicht zu vernichten, dem Begehren des Weibes nicht nachkommen könnte. Solch ein Begehren des Weibes aber wäre dann auch der alleroffenbarste Ehebruch, durch den der schwächere Teil dem Gerichte aus ihm selbst verfiele, weil keine Kraft für sich ganz allein sich als wirksam erhalten kann, und so sie erhalten werden soll, auch in eine Gerichtskammer eingesperrt werden muß, wie es mit dir nun schon nahezu eine Ewigkeit der Fall ist. Denn wäre über dich nicht sogleich ein hartes Gericht verhängt worden, so beständest du schon ganz entsetzlich lange nimmer!

05 Aber nun sollst du wieder frei werden und deshalb in eine rechte Ordnung eingehen! Und darum mußt du zuerst in meine Willensordnung eintreten, damit dadurch dann auch dein eigener Wille frei wird. - Mache wenigstens einen Versuch! Behagt es dir nicht, nun, so kannst du ja immer in dein altes Gericht zurückkehren!«

06 Spricht die Minerva heitereren Angesichts: »Nun denn, auf diesen deinen Antrag will ich eingehen! So mir der Rücktritt, wenn mir der neue Zustand nicht behagen sollte, nicht verwehrt ist - dann sei es, wie du willst! - Aber ich bin nackt und schäme mich vor dich also hinzutreten! Verschaffe mir ein Kleid, und ich werde sogleich mich zu dir hinbegeben!« - Spricht Cado: »Auch das kann ich dir nicht eher gewähren, als bis du meinem ersten Verlangen nachgekommen sein wirst. - Komm her und siehe soeben ist ein herrlich Gewand wie vom Himmel herab zu meinen Füßen gefallen! - Es ist für dich - in einer Art, wie die Himmel noch kein ähnliches gesehen haben! - Also komm und nimm es als ein würdiges Brautkleid aus meinen Händen!«

07 Miklosch in seinem Berichte fortfahrend: "Die Minerva stutzt nun ein wenig und richtet ihre großen, feurigen Augen nach der Stelle hin, wo nun im Ernste bei den Füßen Cados ein Gewand, in ein rotes Tuch eingewickelt, sich befindet. Sie möchte es wahrscheinlich näher besichtigen und sehen, ob es ihrer Annahme wert sei. Sie strengt sehr ihre Augen an, um etwas vom eigentlichen Kleide zu erspähen. Aber es ist so gut in das rote Tuch eingewickelt, daß nirgends etwas von demselben zu erspähen ist. - Die Neugierde der Minerva wächst stark. - Bin denn nun doch wahrlich selbst voll Neugier, was dies allestützigste und mit allen bösesten Salben geschmierte Satanswesen jetzt tun wird!? Herr, unser allerbester, liebster, heiligster Vater Jesus! Wird dies Wesen, dieser alte Lügner, sich wohl einmal bekehren für immer? Und wird es dann besser werden auf den Weltkörpern, besonders auf unserer Erde?"

08 Rede Ich: "Mein liebster Freund Miklosch! Das wird alles die Folge zeigen! - Betrachte du nur den ferneren Verlauf der Szene und mache dieser Gesellschaft einen Dolmetscher wie bisher, und du wirst samt allen diesen Brüdern und Schwestern ins klare kommen! - Daher gebe jetzt nur weiter acht!"

178. Kapitel: Minera (Satana) lenkt ein und nähert sich, von immer neuen Kostbarkeiten gelockt. Die letzten Schritte vor dem Ziel.

01 Miklosch kehrt nun wieder seine Augen der Szene zu und spricht nach einer Weile: "Aha, aha, die Minerva wird nun ganz unruhig, und man sieht es aus jeder ihrer Bewegungen, wie sie nur zu gerne das rote Bündel vor sich enthüllt hätte!

02 Cado merkt solches gar wohl und fragt sie: »Bist du denn an den Boden geheftet? Erhebe deine Füße und begebe dich hierher! Da wirst du es leichter haben, in das Geheimnis dieses Bündels zu dringen, als von deinem gegenwärtigen Standpunkte. Bist du aber angeschmiedet auf deinem Boden, so sage es mir! Deine Füße will ich dir auch von hier aus frei machen.« Spricht die Minerva: »Ah, das ist keine Notwendigkeit, denn ich bin frei und kann gehen, wohin ich will! Wie sieht das Kleid aus? Geh. Sag mir's, lieber Cado!«

03 Spricht Cado: »Nein, das kann nicht sein, wie vorderhand alles nicht, was du willst! Komme, und du wirst es sehen und dich darob sehr erstaunen!« - Spricht die Minerva: »Ei, ei, du bist aber doch hart! - Aber was will ich machen? - Muß ich aber auch in dich vernarrt werden! Nein, so etwas hat die Ewigkeit an mir noch nie erlebt! - Nun denn, ich will's wagen! Aber so du mir etwas tust, dann kehre ich sogleich wieder um und komme nie wieder zu dir zurück - verstehe, nie wieder!«

04 Miklosch fortfahrend: "Nun verläßt die Minerva endlich nach so vielen allerartigen Gegenbestrebungen ihren Standpunkt, eine Art Glühsandhügel, und begibt sich sondierenden Schrittes hinaus zu Cado, hinter dem noch immer die zwei bekannten Freunde verweilen. Aber da sieh einmal hin! Im Augenblicke als die Minerva ihren unbeschreiblich reizend schönen Fuß an den vom Glutmeer freien Hügel setzt, verschwindet nun die Glut. Auch von der scheußlichen Grotte ist nichts mehr zu erschauen, und das greuliche Gebrause, Gepfeife und Gestöhne, wie das Gekrache und Gedonner sind verstummt! Ah, das tut unsereinem ordentlich wohl! Das Hochgebirge scheint auch etwas niederer geworden zu sein und hat den Charakter der Schroffheit nahezu ganz verloren. Nur hie und da sind noch einige nackte Felsen zu entdecken, so man den ganzen Gebirgszug von Punkt zu Punkt recht sorgfältig durchschaut. Kurz, die ganze Gegend bekommt nun ein recht artiges Aussehen und ist gerade nicht stark aber doch hinreichend erleuchtet. - Nun, nun, die Geschichte scheint sich machen zu wollen!

05 Wahrlich der Cado ist ein Künstler in seinem Fache! Denn diese Prinzessin der Ewigkeit in sich verliebt zu machen - ich sage, ein Wesen, dem die Liebe fremder sein mußte als mir das Ende der Unendlichkeit, zu irgendeiner Zuneigung zu bringen - da gehört mehr dazu als zwei Ohren, zwei Augen, eine Nase, ein Mund und zwei Hände! Der Cado ist bis jetzt zwar noch ein sogenannter Teufel; aber ich habe wahrlich allen Respekt vor solch einer Teufelschaft. Nein, das ist ihm gelungen! Es muß aber auch eine Unbeugsamkeit in ihm sein, an der jede noch so diamantene Härte am Ende unfehlbar Schiffbruch erleiden muß. Charakter hat er und einen Mut, der ins grauenhaft Schauderhasteste geht! Ja, wenn man so etwas nicht selbst gesehen hätte, da wäre solch eine Erzählung das Unglaublichste, was ein Geist nur immer sich denken kann. Aber wir haben das Außerordentliche, noch nie Dagewesene mit unseren eigenen Augen angesehen und mit unseren offenen Ohren vernommen und können daher nichts anderes tun als staunen und Dich, o Herr, loben und preisen über alle Maßen, daß Du so etwas endlich einmal hast geschehen lassen. Nun ist aber auch zu erwarten, daß die gesamte Erde - vielleicht nach wenigen Stürmen - in ein Stadium übergehen werde, das allen Himmeln sicher sehr erwünscht sein wird.

06 Aber gar zu sehr beeilt sich die Minerva gerade nicht bei ihrer Annäherung zu Cado! Denn ihre Schritte sind sehr klein und gemessen. Lungensucht wird bei solcher Bewegung sich die Schönste nicht zuziehen! Alle Augenblicke findet sie etwas am Boden, klaubt es auf, betrachtet es eine Weile und wirft es dann wieder hastig von sich. Mir kommt es vor, wie wenn am Boden gegen den Cado hin geflissentlich allerlei scheinbare Preziosem (Kostbarkeiten, Schmucksachen) verstreut wären, welche die Schlaue gewisserart stets näher und näher zu Cado hin verlocken sollen. Wahrlich, die List ist gar nicht übel! Ich kann mich erinnern, sogar auf der Erde in einer sybillischen Weissagung gelesen zu haben: »So aber der Satan bekehrt würde, da wird er auf Perlen und Diamanten einhergehen und wird sie verschmähen und ihrer nimmer achten. Dann wird die Hölle verschlossen werden, und die Ketten des Wahnes werden schmelzen wie Wachs an der Sonne.«

07 Wahrlich, da sieht die Geschichte beinahe also aus! Sie kommt näher und näher und ist nun keine vierzig Schritte mehr von Cado entfernt. Bin wahrlich höchst neugierig, wie sich diese beiden empfangen werden! - Aha, jetzt muß sie etwas sehr Bedeutendes gefunden haben! - Mit großer Hast beugte sie sich zum Boden nieder und hob etwas wie ein Diadem auf, das sie nun recht beifällig betrachtet und bei dem sie keine Lust zeigt, es ebenso von sich zu schleudern wie die früher aufgeklaubten Dinge.

08 Nun fragt die Minerva den Cado, sagend: »Freund, wer hat denn diese vielen Kostbarkeiten hier versteut? Sind sie für mich - oder sind sie für jemand anders zu einem neuen Falle gelegt? - Hier ist ein herrlichstes Diadem, meines Hauptes wert! Soll ich's behalten oder von mir schleudern?« - Spricht Cado: »Das Gute behalte und das Schlechte nur werfe von dir! - Klaube aber nicht zuviel auf! Denn zuviel von derlei Dingen würden dich derartig belasten, daß du kaum einen Schritt vorwärts tun könntest. Das Diadem behalte, aber weiter klaube nichts mehr auf! Verstehe das und sei folgsam!«

09 Spricht die Minerva: »Ja, ja, ich komme schon, ich komme ja! Aber da liegt vor mir schon wieder ein allerherrlichstes Armband! Ah, das ist wunderschön! Du Cado - geh, erlaube, daß ich das noch aufhebe! Denn das ist meines Armes würdig!« - Spricht Cado etwas ungeduldig: »Ei, ei, du schmuckgieriges Wesen, lasse liegen das verlockende Armband! Denn dein Arm ist ja ohnehin so unendlich schön, daß er für sich allein als ein Schmuck alles Schmuckes betrachtet werden kann! Wie könntest du ihn noch mehr schmücken wollen!? Hier aber zu meinen Füßen harret deiner ja ohnehin ein Schmuck, dem keiner in der ganzen Unendlichkeit gleichkommt. Daher verweile dich nicht über dem Gassenkehrichte, sondern komm und nehme eiligst von dem Besitz, was für dich bereitet ist!«

10 Die Minerva kommt nun, das Armband von sich werfend, schnell in die Nähe des Cado. Nur drei Schritte trennen sie noch. - Sie spricht nun zu Cado: »Freund Cado, sieh, soweit bin ich dir entgegengekommen; es waren sicher bei dreitausend Schritte! Drei einzige Schritte fehlen noch. Diese wirst wohl du mir entgegengehen können! Ich sehe es dir nur zu sehr an, wie du vor mir glühst und mit welch einer noch nie dagewesenen Liebegier du mich nun an deine Brust drücken möchtest! Meine wahrlich zu mächtigen Reize machen erbeben dein ganzes Wesen. Du liebst mich unaussprechlich. Das sagt mir deine glühende Brust; das sagen mir deine Augen! Tue mir daher den kleinen Gefallen und mache nur diese drei kleinen Schritte zu mir!«

11 Spricht Cado: »Endlos Schönste! Es werden noch himmlische Zustände kommen gleich wie irdische Zeiten, da ich dir Millionen Schritte entgegeneilen werde. Aber hier erheischt es eine allerfesteste, für dein alleiniges Wohl berechnete Ordnung, daß ich zuvor keinen deiner noch so beachtlichen Wünsche erhören darf, als bis du alles das erfüllt haben wirst, was ich von dir verlange und verlangen muß. - Daher mache auch noch die drei kleinen Schritte,- da du schon die dreitausend hast machen können!«

12 Spricht die Minerva: »Wer bemüßigt dich denn, von mir all das zu verlangen? Wer ist dein Gesetzgeber?« Spricht Cado: »Niemand mir bewußtermaßen kann mir vorschreiben, was ich von dir verlange. Ich selbst bin mein höchsteigener Gesetzgeber und lasse mir weder von irgendeiner Gottheit noch von irgendeinem Teufel etwas vorschreiben. Du bist doch der oberste Gebieter aller Teufel und dazu schön wie ein Augapfel Gottes. Und sieh, deine Worte finden kein Gehör bei mir! Und ich war ehedem vor Gott durch dessen zwei größte Geister, und sie waren gut und weise und zeigten mir Himmel und Hölle, auf daß ich mich entschiede für eines oder das andere. Und sieh, ich wollte den Himmel nicht und verstand der Hölle den gerechten Hohn zu sprechen! Ich sah ein wahnsinnigstes Unternehmen, dem ewig nie ein Gelingen folgen kann. Es ward sodann von dir auf mich Fahndung gemacht auf alle mögliche Art und Weise. Alle deine Trugkünste aber scheiterten an der Härte meines Willens und an der Festigkeit meiner Absicht, dich vom Joche deiner eigenen Blindheit endlich zu befreien! Sage doch, wer könnte mir so etwas vorschreiben?

13 Sieh, in der ganzen Unendlichkeit gibt es kein Wesen, dem ich gehorchen würde, so es mir geböte: ,Tue dies, oder tue jenes!' Denn ich bin ein Herr meiner selbst und kümmere mich um niemand anders, außer allein um dich, weil du mir so unendlich gefällst und weil du nach Gott als erstes, größtes, vollendetstes und mächtigstes Wesen in der ganzen Unendlichkeit dastehst, das nun im vollsten Sinne wieder das werden soll, was es der ewigen und höchsten Weisheit Gottes zufolge hätte werden sollen. Ich allein fühle in mir die Bestimmung, die ich mir selbst gebe, dich also umzugestalten. Aber das geht aus keinem andern Wege als gerade auf dem nur, den ich dir vorschreibe - aus welchem Grunde ich dir aber in gar nichts eher nachgeben kann, als bis du all dem, was ich verlange, bis auf ein Haar nachgekommen sein wirst. Daher also nun keine Zauderei mehr mit den drei Schritten, sonst wirst du noch lange nicht zu deiner Urschönheit und Würde gelangen!«

14 Spricht die Minerva: »Weißt du, mein wirklich und im vollsten Ernste geliebter Cado - es ist alles richtig und wahr und gut und herrlich, was du mir nun gesagt hast! Ich will und kann dir da nichts einwenden; aber so uns für alle Zukunft die eigentliche Liebe leiten soll, so verstehe ich nicht, wo du diese hernehmen wirst, da du nun mir zuliebe dich auch nicht um ein Haar von der Stelle rühren wirst! Siehe, ich will noch zwei Schritte tun! Den einen, letzten aber mußt du tun, und sollte ich daraus eine Ewigkeit harren! Denn nun ist ja bei mir ohnehin an keine Umkehr mehr zu denken, da ich mich dir schon so weit habe gefangen gegeben! Tue mir daher diesen kleinen Gefallen!«

179. Kapitel: Endkampf und Wendung. Das alte, selbstherrliche stolze Urwesen Satanas kommt wieder zum Durchbruch. Cado aber gibt nicht nach. Gleichnis vom rettenden Lotsen. (Am 29. März 1850)

01 Miklosch berichtet weiter: "Spricht Cado: »Aber endlos Holdeste, warum verlangst du denn etwas von mir, das ich ohne dein Verlangen getan haben würde - aber nun nicht tun kann, weil du es von mir verlangst!? O du unverbesserliche Krone der Unendlichkeit! Nun mußt du ohne Gnade und Barmen auch den letzten Schritt tun, den ich sonst unfehlbar getan hätte! Ich bitte dich um deines eigenen, höchsten Vorteiles wegen, verlange für die Folge nichts mehr von mir. Denn ich darf und kann dir nicht eher auch nur den leisesten deiner Wünsche gewähren, als bis du völlig in meinen Willen eingegangen sein wirst. Sieh, nur einen Schritt noch, und die ganze Unendlichkeit ist gerettet und befreit vom härtesten Joche eines ewigen Gerichtes! Und du sollst als das glücklichste Wesen leuchten mit dem Lichte aller Sonnen, die der unendliche Raum fasset!«

02 Spricht die Minerva: »Ja, ja, das glaube ich schon, das könnte wohl sein - wenn ich nur so dumm sein könnte, das zu tun, dir beliebt, von mir zu verlangen! Aber diese Dummheit fehlt mir, und das ist eben sehr traurig für deine stark glänzenden Aussichten für mich. Es fehlt freilich nur mehr ein einziger, kleiner Schritt. Aber so ich ihn aus meinem freiesten Wollen heraus durchaus nicht machen will und jeder deiner Beredungen den weidlichsten Hohn ins Angesicht lachen kann und auch werde - durch welches Mittel wirst du mich dann zu zwingen imstande sein? Äußerlich ja, aber innerlich ewig nimmer!!

03 Denn wisse, ich bin ein Wesen, aus dem die Unendlichkeit alle ihre Wesen hat. Ich bin ein Wesen der Wesen - die ganz gleiche negative Machtpolarität, wie da die Urgottheit die positive ist! Ich bin der endlos große Boden, auf dem die Urgottheit ihre Werke erbaut! Und, verstehe und fasse das wohl, du unendliches Nichts vor mir - du willst mir durch einige elende Worte dir, dem nichtigsten Staube, untertänig und zinsbar machen und mich etwa bestechen durch deine endlos dummen Schmeicheleien, an denen wohl eine feile Landdirne ein Wohlbehagen finden kann, aber nicht ich, als das erste und vollendetste Wesen in der ganzen Unendlichkeit! O du elendester Dummkopf? - Wohl sehe ich dich beben vor Wollust in allen deinen Eingeweiden und (erkenne) deine große Gier nach einem Vollgenusse in meiner Umarmung. Aber mache dir ja ewig keine schmutzigen Gedanken, so du diesen letzten Schritt für meine Gunst und Liebe nicht wagen willst! - Ich mache keine Linie mehr - mein festester Wille!«

04 Spricht Cado: »Oh, schau, schau, wie gescheit du nun auf einmal bist! Aber schau, so gescheit wie du nun bist und allzeit warst, so gescheit ist unsereiner zum Glück wohl auch! Du willst mich eine Ewigkeit auf diesen einen und letzten Schritt harren lassen?! Ich wünsche dir selbst dazu recht viel Geduld! Denn meiner Geduld wirst du dennoch nie Meisterin werden? - Was macht es mir? Ich habe dich zu meinem Vergnügen! Der eine Schritt hindert wenig! Aus meinem Wollen heraus kann ich mit dir tun, was mir nur immer beliebt. Und somit brauche ich eigentlich nichts mehr, was da meinen Vorteil betrifft, und werde daher wegen dieses einen Schrittes mit dir sehr wenig Worte mehr verlieren. Daher verharre du, so es dir beliebt, nur immerhin in deiner Stützigkeit! Ich werde dadurch gar nichts verlieren. In meinen Klauen habe ich dich einmal. In einen Drachen kannst du dich auch nicht mehr verwandeln, und so ist es mir eigentlich so lieber, wenn du so bleibst, die du nun dich gestellt hast! Juchhe, Viktoria! Na, das wird ein wahrhaft lustiges ewiges Leben werden! Brot und Wein habe ich auch schon, wie ich nun bemerke! Darum noch einmal juchhe! - Brav, brav, Minerverl, das hast du gut gemacht! Juchhe, juchhe, juchhe!«

05 Spricht die Minerva ganz verdutzt über solche Verwandlung des Cado: »Das hätte ich nie geglaubt, daß du ein so feiner Halunke wärest! Ich möchte nun vor Galle zerbersten, daß ich gerade dir nichts abgewinnen kann! Aber traue dir nicht zuviel zu! So ich in die große Vorratskammer aller meiner Kniffe und Pfiffe greife, so möchtest du wohl sehr übel bedient werden! Wenn ich aber nur der verdammten Liebe zu dir loswerden könnte, da ginge die Sache gleich anders. Aber da steckt eben der Knoten, den bisher niemand zu lösen wußte durch alle Räume und Zeiten der Zeiten! Und gerade du mußt meine Schwäche durchschauen! - Das ist schmählich, überschmählich! - Nein, das halte ich nicht aus! Verflucht sei, der dich gebildet hat! Aber warte nur, du sollst an mir noch zu lecken haben, du sollst an mir deinen Satan kennenlernen!!«

06 Spricht Cado nun ganz phlegmatisch: »Oh, das macht nichts! Juchhe! Ich habe dich einmal und damit die endlos größte und reizendste Schönheit, die sich nicht mehr verhäßlichen kann; und das genügt einem Cado vollkommen! - Übrigens ist es dir deshalb nicht verwehrt, den verlangten letzten Schritt zu tun. Wenn es dir also langweilig genug wird, dann wirst du etwa meinem Verlangen wohl von selbst nachkommen. Bis dahin aber nur juchhe, juchhe, juchhe! Denn ich habe dich, du mein allerholdestes Minerverl du!«

07 Miklosch in seinem Berichte fortfahrend: "Die Minerva möchte nur zerbersten vor Zorn. Sie möchte sich überaus gerne in ein recht scheußliches Wesen verwandeln; aber es geht nicht. Auch möchte sie ihre Scham bedecken; aber sie findet nichts, das sie dazu benützen könnte. Sie bemüht sich, zu fliehen von dieser Stelle, aber ihre Füße sind wie auf den Boden geheftet. Nur gegen den Cado kann sie den Fuß erheben. Will sie sich aber auf eine andere Seite hin wenden und ihre Beine zur Flucht benützen, so bringt sie keinen Fuß vom Boden. - Sind aber das doch wohlgeformte Füße! Diese Rundung, diese zarteste Weichheit und dieses unbegreiflich schönste Ebenmaß in allen Teilen! Ojemine, ojemine! Wahrhaftig wahr, da wird sogar unsereinem sehr warm bei der Betrachtung dieser wahrhaft gigantischen Schönheit! Nein, dem Cado alle meine Achtung! Wie er solch einer ungeheuersten und allerreizendst üppigen Schönheit gegenüber, die er nun im Ernste ganz in seiner Gewalt hat, eine solche Mäßigung beachten kann! Da gehört mehr dazu, als was ich bis jetzt begreife. Ich bin auf der Erde auch kein Unzüchtler gewesen, und mich ließen oft die größten irdischen Schönheiten kalt,- die freilich gegen diese allerechteste Venus aller Venusse ein Pfuhl gewesen wären. Aber vor dieser Schönheit kalt zu bleiben oder sich wenigstens kalt zu zeigen - allen meinen Respekt!

08 Jemine, jemine! Wie sich die Minerva nun zornig stellt,- und wie sie den armen Cado verächtlich anglotzt - das ist ohne allen Vergleich! Sie bemüht sich über alle Maßen, ihr schönstes Gesicht zu verzerren. Aber je mehr sie es verzerrt, desto interessanter wird es. - Und der Cado sagt auch nun zu ihr: »Holdeste, gebe dir keine Mühe! Denn je mehr du dein Gesicht verziehst, desto interessanter und anziehender wirst du für mich! Du bist wahrlich eine Göttin!«

09 Spricht die Minerva beinahe weinend vor Zorn: »So, das, auch noch dazu?! O du verfluchtes Leben, wenn es sich so zu gestalten beginnt! Bin ich denn keine Herrin, keine Fürstin aller Fürsten und Fürstinnen mehr?! Muß ich mich von solch einem allerdümmsten Esel beherrschen und bespotten lassen?! Kann ich denn nicht zurück, nicht dich auf ewig verlassen, du dümmstes Rhinozeros!? Hast du doch früher mir zugestanden, daß ich zurück kann, wann und wie ich Will! Was ist es mit dieser deiner Verheißung?!«

10 Spricht Cado: »Mit dieser Verheißung ist es so lange nichts, als du nicht völlig in meinen Willen eingehen wirst! Denn du bist und bleibst so lange im Gerichte, als du deines eigenen Starrsinnes Sklavin bleibst. - Siehe, so jemand in einer großen Gefahr sich befindet und ein in allen Gefahren bewanderter Lotse ihm Hilfe bietet durch die Kraft seiner Hand - er sie aber nicht ergreifen will, obschon er sich selbst gar nicht helfen kann - so wird er auch ebensolange der Sklave der Gefahr, in der er sich befindet, verbleiben, als er die angebotene Hilfe des Lotsen nicht ergriffen und sich derselben bestens bedient hat.

11 Siehe, so ist es auch mit dir der Fall! - Du stehst auf einer übers Meer emporragenden Spitze, auf die dich ein Sturm warf, der in dir selbst ausgeboren ward. Ich bin dir ein Lotse und reiche dir hier meine hilfreiche Hand, um dich von solch einer gräßlichen Gefahr wegzubringen und dich dann in eine vollste Freiheit zu versetzen. Aber du verschmähest meine Hilfe, deine blindeste, alles Zweckes bare, hochmütige Tollheit läßt dich nicht handeln, wie es dir allein frommen würde, sondern treibt dich nur an, alles das zu unternehmen und zu tun, was doch offenbar deinen Untergang früher oder später wird herbeiführen müssen. Und darum kannst du auch jetzt nicht mehr zurück wie es dir beliebt, sondern mußt hier auf dieser Klippe verweilen. Und so ich dich nicht verwahrete vor dem Untergange und hintan hielte die Wogen, die dich von dieser Klippe schon lange weigespült hätten - wo wärest du nun?«

180.Kapitel: Cado macht sich's bequem und erquickt sich an Brot und Wein. Minerva (Satana) ärgert sich darüber. Cado gibt ihr deutliche Belehrungen über ihren tatsächlichen Unwert. (Am 31. März 1850)

01 Miklosch berichtet weiter: "Spricht die Minerva: »Ja, das kann ich, so ich's will. - Habe ich auch äußerlich hier keine wirksame Macht und Gewalt mehr, so kann ich aber dennoch in meinem Innersten von der hartnäckigsten Widerspenstigkeit sein und in dieser ewig verharren! Aber ich werde das wegen meiner dummen Liebe zu dir vielleicht dennoch nicht tun, sondern diese Sache reiflicher überdenken und, so ich darinnen im Ernste einen Vorteil für mein Herz entdecken werde, mich deinem Rate unterordnen. Aber wohlgemerkt, ich werde mich noch hübsch lange besinnen!« - Der Cado entgegnet ihr nun ganz gleichgültig und kalt: Ganz wohl, ganz wohl, meine Liebe! Gesagt habe ich dir bereits alles, und du wirst nun auch sicher alles wissen, was dir allein frommen kann. Je länger du aber auf deine völlige Umkehr wirst warten lassen, desto länger wirst du auch unglücklich verbleiben und desto schwerer diesen einen, letzten Schritt tun! - Das beachte danebenher auch!«

02 Der Cado setzt sich nun nieder. Und da es ihn hungert und dürstet, so nimmt er etwas Brot und Wein und verzehrt beides. Und da er dabei ein gar so wohlbehagliches Gesicht macht, so muß seine Stärkung von einer großen Lieblichkeit sein. Die Minerva betrachtet den schmausenden sehr mißvergnügt und sagt mehr wie bei sich: »Na, na, ein hübsches Geschäftl das! Eine Lebensart hat er, und das eine von der ersten Klasse! Das muß er in der Schule der Bären und Wölfe sich zu eigen gemacht haben! Der Kerl frißt ja wie ein echter Wolf und säuft wie ein Walfisch! Er hat noch einen Becher und noch ein sehr gut aussehendes Stück Brot; aber seine Schroffheit läßt es ihm nicht zu, mir damit einen Antrag zu machen. Ich würde auch von solch einem Esel wohl ohnehin nichts annehmen! Aber es schickete sich doch hoffentlich, mir, der erstem Zelebrität (Berühmtheit, Größe) der ganzen Unendlichkeit, damit einen Antrag zu machen! Wie der Kerl aber frißt! Nein, an dem hat sich die Gottheit einen ganz gehörigen, bestgearteten Fresser bereitet! Der ist fähig, die ganze Schöpfung hohl zu fressen! Der Freßgiergeifer rinnt ihm ja wie einem hungrigen Wolfe aus den Mundwinkeln, das unsereins geradewegs darüber speien könnte! Wenn ich mich nur auch so hinsetzen könnte! Aber nach abwärts dieses Hügels tut sich's nicht, weil das zu unbequem wäre; und anders ist es nicht tunlich, weil ich mich von diesem Esel nicht abwenden kann, da meine armen Füße wie gelähmt an diesen Boden geheftet sind. Und knie ich vor ihm der Rast wegen nieder, so könnte der Ochse das etwa ganz anders auslegen. Nein, das tue ich nicht!

03 Aber was tue ich denn? Etwas muß ich ja doch auch tun! Wenn ich nur jenes Bündel, in welchem sich für mich ein allerherrlichstes Gewand befinden soll, näher zu mir herziehen könnte, so hätte ich eine gar nicht üble Unterhaltung mit der Durchmusterung desselben. - Ist aber merkwürdig, wie dieser Kerl gerade wie mir zum ärgerlichsten Trotze in einem fort frißt und zu jedem Bissen einen tüchtigen Schluck Wein nimmt und sich nach mir aber auch nicht einmal umsieht! Na, der muß eine Liebe zu mir haben wie ein Holzscheit zum andern! - Anreden will ich ihn auch nicht. Denn täte ich das auch, wer steht mir dafür, daß er mir überhaupt eine Antwort gäbe?! Und das wäre für mich dann ja doch eine Kränkung, von der noch keiner Unendlichkeit etwas geträumt hätte? - Was aber tun? So zuschauen, bis er sich wird vollgefressen haben?! O das ist eine verflucht dumme Sachlage! - Aber warte nur, du grober Esel, es soll noch ganz anders werden mit der gerechten Folge der künftigen Zeitbewegungen!«

04 Cado ißt noch immer ganz behaglich ein Stückchen Brot ums andere, nimmt manchmal einen Schluck Wein dazu und sagt nun wie zu sich: »so Gott, das war doch ein herrlich Stückchen Brot und ein Wein! nein, das war ein Wein, der muß auf einer Sonne selbst gewachsen sein! Bin sonst, das ist wahr, ein grundschlechter und böser Kerl, schlechter als die ganze Hölle zusammen, und ich bilde mir darauf sogar etwas ein, daß ich mit meiner alleroffenbarsten Bosheit den Herrn Satan selbst vor mir zittern und gänzlich rat- und tatlos mache. - Aber jetzt wär' ich lamperlfromm und gut wie ein Esel! Juchhe, und den Herrn oder noch besser die schönste Frau Satana, nun umgetaufte ,Minerva', bei mir, mir untertänig! Juchhe, jetzt geht's gut! - No, no, no! Was machst denn du, mein allerholdestes Minerverl, für ein saures Gesichtl dazu, so es mir nun so recht pudelwohl geht? Darüber solltest du dich ja nur freuen und kein solches Sauerampfergesicht schneiden! Geh und sei guten Mutes und setze dich so recht behaglich und traulich zu mir her! So du das tust, soll's dir auch für den noch zu machenden letzten Schritt abgerechnet sein! - Geh, geh, Minerverl, und mache mir einmal so eine rechte Freude! Schau, alle himmlischen Wesen freuen sich mit und untereinander, daß es schon eine allerhellste Freude ist! Da sieh nur aufwärts, und du wirst es sogleich selbst entdecken, wie bunt es da durcheinander geht! Man möchte sogar selbst unter ihnen sein! Und wir beide, endlos edler und vollkommener als dies ganze bunte Himmelsgesinde, hocken da beisammen wie so ein paar kranke Esel mit ellenlangen Essigesichtern! Pfui, lassen wir uns doch nicht beschämen und seien wir noch zehn Male heiterer als alle die da über uns! - Geh, geh, geh und setze dich nur gleich zu mir her!«

05 Spricht die Minerva ganz stolzen und beleidigten Gesichtes: »Halte dein Maul, grober, besoffener Lümmel! Was der Trottel nicht alles möchte! Schauet nur, gleich zu ihm soll ich mich setzen! Es wäre für ihn solch eine Unterhaltung freilich wohl so übel nicht; das kann ich mir ungefähr schon so ein bißchen vorstellen. Aber nichts da, Lippel! Solche Früchte, wie ich etwa bin, werden für derlei Esel wohl sicher ewig nimmer reif werden! Versteht Er das?!«

06 Nicht, nicht so, Minerverl«, spricht Cado weiter, »warum solltest du für mich nicht reif sein oder werden können?! O du bist schon sehr reif! Denn du bist auch schon schön alt geworden! Aber eine Passion wäre das nun, dich so recht con amore (nach Herzenslust) abzudrücken! Trillion tausend sapperment! Diese schönen und fetten, weißesten und zartesten Füße, diese Arme, dieser Nacken, dieser Busen! Und das Gesichtl! Nein, das wäre so eine Freude für unsereinen! Und nur ein einzigs Bußerl von diesen allerechtesten Rosenlippen! Oh, oh, oh, das wäre schon gar über alles! Daher, so geh und komme und mache meinem Herzen eine rechte Freude!«

07 Spricht die Minerva: »O gleich, gleich, mein Herr Quasi-Gemahl und -Gebieter (gewissermaßen, sozusagen)! Sie wissen es ja, wie gerne ich solchen Wesen, wie Sie eines zu sein die allersauberste Ehre haben, folge, so Sie das oder sonst was wünschen. Oh, Sie können es gar nicht glauben, wie sehr ich Sie liebe! Beruhigen Sie sich daher nur noch ein wenig, so etwa auf einige wenige Ewigkeitchen, dann werde ich Ihren besoffenen Wünschen schon nachkommen! Jetzt wäre ich auch noch viel zu jung für Eure Majestät. Nicht wahr, das wäre wohl lustig, mich so recht nach Herzenslust mit rhinozerosgroben Händen abzudrücken? Ei, ei, es ist mir wirklich leid, daß ich Ihnen nicht sogleich dienen kann! Vertrösten Sie sich daher nur auf so ein paar Ewigkeitchen, mein Lieber!«

08 Spricht Cado: »Wie es dir gefällig ist, das ist mir alles ganz ein und derselbe Teufel, ob um ein paar Ewigkeitchen früher oder später! In meiner unauflösbaren Gewalt bist du einmal, und mehr brauche ich zu meinem alleinigen Vergnügen nicht. Ich kann mich mit dir unterhalten, wie es mir nur immer beliebt, und du wirst es mir nicht verwehren können, da ich Kraft, Macht und Gewalt zur größten Übergenüge besitze, dich äußerlich zu meinem Vergnügen zuzurichten, wie es mir nur immer beliebt. Da ich aber nicht selbstsüchtig bin und mehr auf deine wahre Wohlfahrt sehe als auf die meinige - darum auch allein nur möchte ich dich aus deiner ungeheuren Torheit heben und dich so frei und glücklich, als nur immer möglich, machen. Aber so du lieber eine Sklavin deiner allerblindesten und abgeschmacktesten Torheit verbleibst - gut, so bleibe, was du bist, nämlich das dümmste und schlechteste Wesen in der ganzen Unendlichkeit! Mich wird das äußerst wenig bekümmern.

09 Hebe deine zwar überschönen, aber sonst über alle Begriffe dümmsten Augen empor und siehe, wie sich da oben Trillionen ihres göttlichen Daseins freuen, obschon sie wohl wissen, daß du das unglücklichste Wesen in der ganzen Unendlichkeit bist, und so kann auch ich, wennschon nicht in der edlen, himmlischen Art, mich nach meiner Art ewig ganz prächtig ohne dich beseligen. Ich muß dir auch noch das hinzugestehen, daß ich gerade von nun an gar nicht mehr darauf poche, dich für deine eigene Freiheit in Gott deinem Schöpfer zu gewinnen und dich somit zu bekehren. Denn ich weiß es ja so gut wie ein Gott, daß du ein allereigensinnigstes Luder bist und mit dir bis jetzt weder ein Gott noch irgendein Teufel je etwas ausgerichtet hat. Aber das alles stört mich nicht; denn ich habe dich einmal, wo und wie ich dich gleich uranfänglich haben wollte! Ich für mich bin, wie schon öfter gesagt, ganz vollkommen zufrieden. Du bist mein und bist unschädlich gemacht wie eine Natter, der man das Gift genommen hat. Willst du für dich selbst frei und glücklich werden, so weißt du nun zur Genüge, was du zu tun hast! Ewigkeitle du in deiner Dummheit nur fort! Denn von nun an wirst du von mir aus keine Einladung mehr erhalten. Gehabe dich nun wohl in deinem Wahne! Wie du säest, so wirst du auch ernten! Halte nur daran fest, daß da mir alles eins ist!«

10 Nach diesen Worten fängt die Minerva sehr stark sich hinter den Ohren zu kratzen an und sagt: »Was wird denn dann mit meinem höchsten Ansehen, das ich bis nun in der ganzen ewigen Unendlichkeit genossen habe?«

11 Spricht Cado: »Lasse dich um Gottes Willen doch deines eingebildeten Ansehens wegen nicht auslachen! Da sieh auf meinen Hintern her! Dieser, wahrlich so schmutzig wie ein Abtritt selbst, ist bisher bei aller Welt und bei allen besseren Geistern in einem unvergleichbar höheren Ansehen gestanden als du mit all deiner allergöttlichsten Primokreatur (Erstgeburt) Denn dich beschämt ja, was die reinere Weisheit betrifft, ein jeder Esel und Ochse. Wo aber ein Wesen, sei es äußerlich auch noch so schön, gar so entschieden dumm ist wie kein zweites mehr in der ganzen Unendlichkeit - da wird es mit dem wahren Ansehen etwa wohl einen so derben Faden haben, wie groß da sein dürfte der Durchmesser jenes Ankertaues, an dem die allmächtige Gottheit das große Schiff der ganzen Schöpfung durch die Kraft Ihres allmächtigen Willens befestigt. - Rede mir daher ja mimmer von einem vermeintlichen Ansehen, das du dir selbst und sonst noch kein Wesen je gegeben hat! Bilde dir ein, was du willst; aber verschone nur mich mit derlei nahe unaussprechlichen Albernheiten!«

12 Spricht die Minerva: »Nun, nun, sei nur nicht gar so aufbrausend! - Ich glaube, so ich schon gar so dumm bin, da werde ich ja aber doch etwa noch wert sein, daß du dir mit mir eine kleine Mühe nimmst und mich belehrst, wo es mir fehlt!« - Spricht Cado: »O Liebste, dir fehlt gar viel, ja dir fehlt bloß - alles! Da werde ich noch vieles zu reden haben mit dir, obschon ich kein Freund des Redens bin.«

13 Spricht nun wieder die Minerva: »Nun, nun, habe nur Geduld! Lehre mich recht und habe Geduld mit meiner Dummheit und Schwäche! Denn ich meine, so ich dann selbst dir zum Lohne werde, da dürftest du ja für deine Mühe etwa doch hinreichend entschädigt sein!« - Spricht Cado: »O allerdings, so du je zu belehren bist! Nimmst du aber wie bisher gar keine Belehrung wahrhaft an, so ist mir dann mein Hinterteil lieber als du, trotz all deiner noch so unendlichen Schönheit! Solches beherzige auch! Denn ich bin durchaus kein sinnlicher Teufel!«

14 Miklosch in seinem Berichte fortfahrend: "Die Minerva kratzt sich nun schon wieder sehr stark hinter den Ohren, als hätte sie Läuse, sinniert ganz gewaltig, reibt sich die Stirne und scheint mit sich sehr uneins zu sein. - Cado aber wendet sein Gesicht nun gerade zu uns herüber und macht eine Miene, als ob er von uns so einen Wind hätte. Was mich aber sehr wundernimmt ist, daß er, da er doch all die Hinmmelsgeister über ihm gar wohl erschauen dürfte, die zwei neben ihm stehenden, Robert-Uraniel und dessen Begleiter Sahariel, nicht zu ersehen scheint. Denn da macht er gar keine Miene, als nähme er jemanden hinter sich wahr."

181. Kapitel: Bathianyi und Miklosch über diese Szene. Minerva macht den letzten Schritt. Das herrliche Himmelsgewand als Lohn. Mögliche Folgen der vollen Erlösung Satanas.

01 Sagt nun der Graf Bathianyi, den diese Szene schon ein wenig zu langweilen beginnt: "Freund Miklosch, du bist wahrlich ein prächtiger Wiedergeber des Geschauten, und es ist äußerst interessant dich anzuhören. Aber was wahr ist, das ist wahr - diese Geschichte zwischen dem wohlkondizionierten Cado und der sogenannten Minerva, die besser Luziferina oder geradezu Satan hieße, wird etwas langweilig! Ich bewundere nur die ungeheuere Geduld des Herrn, wie auch die der Erzväter, der Propheten und Apostel! Diese betrachten diese nun höchst einförmig gewordene Szene, als läge da, Gott der Herr weiß es, was für eine ungeheure Wichtigkeit darin! Ich für mich finde nun stets weniger daran. Es bekommt die ganze Geschichte mehr und mehr das Gesicht eines allerfadesten Romanes, der so angelegt ist, daß er sich ganz kommod (bequem) eine ganze Ewigkeit fortspinnen kann. Der Cado verdient wahrlich allen Respekt! Aber die Minerva ist ein feines Luder, ein wahrer Proteus (Zauberer und Halbgott der griechischen Sage), der sich in alle Gestalten, Formen und Elemente verwandeln kann und somit auch gar nie zu fangen ist. Cado ist zwar wohl ein höchst politisch feiner Kauz. Aber sie ist bei all ihrer Luderei dennoch pfiffiger als er, und ich fürchte sehr, daß es ihm bei all seiner wahrlich wunderbaren Charakterstärke nie gelingen wird, sie zu diesem letzten Schritte zu bewegen. Sie stellt sich zwar hie und da, als wäre sie blöde. Aber von ihrem innersten, verborgenen Plane läßt sie weislich ja nichts merken. Er solle sie lehren! - Von dem Unterrichte möchte ich mir auch ein Exemplar ausbitten! Auskosten will sie ihn ganz! Dann wird sie schon wissen, was sie tun wird! - Oh, das ist eine Canaille non plus ultra! - Gib jetzt nur wieder weiter acht, Bruder und Freund Miklosch! Du wirst sehen, daß ich recht habe!"

02 Sagt Miklosch: "Lassen wir das alles nur dem Herrn über! Ich meine, daß da am Ende schon alles recht werden wird. - Sagt Bathianyi: "Ja, ja, das meine ich auch; es wird am Ende alles gut werden! Aber wann wird dies Ende kommen?! Wir werden es wohl sicher erleben, weil wir ewig leben werden; aber der Faden der Ewigkeit ist ein ganz entsetzlich langer, und die Meilenzeiger sind auf diesem ewigen Fadenwege der Ereignisse und Zustände ganz entsetzlich weit auseinandergerückt. Über welchem dieser endlos vielen Meilenzeiger aber der Herr das große »Finis coronat opus (das Ende krönt das Werk) geschrieben hat, das weiß nur Sein heiliger Geist, wir alle zusammen aber wissen so viel als nichts. Und es ist unsereinem daher sehr gut zu verzeihen, so man bei der nur sicher zu sehr ersichtlichen Lumperei der schönen Minerva notgedrungen auf die Idee geratet, daß diese Geschichte zwischen dem Cado und der sogenannten Minerva wohl schwerlich ewig je zu einem Ende kommen werde."

03 Spricht Miklosch: "Weißt du, Bruder, was da mich betrifft, so kümmert mich das nun im Grunde sehr wenig. Im übrigen interessiert mich diese Geschichte ganz außerordentlich, denn das ist sicher keine Alltagsgeschichte! Zwei allerdurchtriebenste Geister der Hölle liegen sich in den Haaren, und es wird sich da bald zeigen, welcher von ihnen den Sieg davontragen wird! - Ich halte es noch immer mit Cado." Spricht Bathianyi: "Ich auch! Denn am Ende, so es überhaupt ein Ende gibt, soll denn doch hoffentlich die gute Sache obenauf zu stehen kommen. Aber dafür steht die Geschichte noch ganz verzweifelt schiefrig da! - Sehe du aber jetzt nur wieder hin zu dem sonderbaren Dunste und erzähle uns nach deiner ausgedehnten Weise, was dort vor sich geht."

04 Miklosch schaut hin und sagt: "Schaue auch du, so wie ich, gleichfort hin, und du wirst nun ja ebenfalls ersehen können, wie die Minerva nun ganz freundlich dem Cado die schönste Hand reicht und dieser dafür zu ihr sagt: »Das nützt dir nichts, denn alles, was du mir aus deinem Wollen zur Annahme anträgst, kann und darf ich nicht eher annehmen, als bis du alles Verlangte, also auch den letzten Schritt gemacht haben wirst! Hebe den Fuß und setze ihn an den meinigen her, dann hast du deine Aufgabe gelöst und bist zu deiner Freiheit wieder gelangt! - Von da angefangen werde ich dann, wie ich es dir oft genug versprochen habe, auch manches tun können, was du von mir wünschen wirst!«

05 Spricht die Minerva: »Nun denn, um zu erfahren, wie du dein Wort halten und was du mit mir machen wirst, so hebe ich meinen rechten Fuß vom Boden und setze ihn an den deinigen hin! Alle Himmel und alle Höllen sollen mir ein lautestes Zeugnis geben, ob ich jemandes Willen je so weit nachgekommen bin wie dem deinigen! - Aber wehe, wehe, wehe dir Cado, so du mich nur im geringsten hintergangen haben solltest, da ich dich liebe! Ich müßte an dir die fürchterlichste Rache nehmen, eine Rache, die noch nie da war!!«

06 Die Minerva hebt nun ihren rechten Fuß im Ernste vom Boden und setzt ihn ganz zum Fuße des Cado hin und sagt: »Nun habe ich erfüllt, was du verlangtest von mir! - Und jetzt, was wirst du wohl tun?!«

07 Spricht nun Cado: »Hebe auch den andern! Dann erst hast du die dir gegebene Bedingung ganz gelöst, und ich werde dir dann alles sagen, was ich tun werde! Im Grunde habe ich es dir schon ohnehin gesagt, was darnach geschehen werde, so du dir meinen Willen wirst zu eigen gemacht haben. Aber da du stets ein sehr kurzes Gedächtnis zu haben scheinst, so werde ich darnach das schon zu öfteren Malen Gesagte ganz kurz wiederholen. Aber zuvor muß der letzte Schritt ganz und nicht nur bloß zur Hälfte gemacht werden! - Darum also noch mit dem andern Fuße aus der Gefangenschaft, und es wird dann sogleich alles andere in der besten Ordnung sich befinden!«

08 Spricht die Minerva: »Nun, mir scheint, daß deine sauberen Begehrungen an mich nimmer ein Ende nehmen werden! Wie kann ein ganzer Schritt, der stets nur nach der Vorwärtssetzung des einen Fußes gerechnet wird, darum nur ein halber Schritt sein? Siehe, das ist ein reinster Unsinn! - Aber weil ich schon so viel getan habe, so will ich auch noch das tun! Aber sehe dich vor, daß ich dich dann ja nicht verlasse! Denn du weißt es, daß mir dann der freieste Abzug und Rücktritt in meinen vorigen Zustand gestattet ist, und zwar als eine Hauptbedingung zu dieser meiner mich unter alles Denkbare entwürdigenden Handlung nach deinem Willen.«

09 Nun hebt die Minerva im Ernste auch den zweiten Fuß nach und sagt: »Jetzt ist es vollbracht! Ich habe deinen Willen ganz erfüllt! - Nun was geschieht jetzt?« - Spricht Cado: »Endlos Holdeste! Hier löse das Bündel auf! Nimm das Gewand heraus und bedecke deine mein ganzes Wesen zu mächtig aufregenden bloßen Reize!«

10 Die Minerva beugt sich sogleich nieder, löst das Bündel auf, und als sie im selben ein karminrotes, mehr als die Sonne hellst strahlendes Kleid, mit einer schweren Menge strahlendster Diamanten und Rubinen besetzt, erschaut, erschrickt sie vor dieser ungeheuern Lichtmasse, so daß sie, von einer barsten Luftschwäche angewandelt, förmlich zu Boden sinkt und nun in einer Art Betäubung beinahe ohne Regung vor Cado liegt.

11 Cado fragt sie nun, sagend: »Nun Minerva, wie ist es dir?! Gefällt dir das urkönigliche Gewand!? - Habe ich dich angelogen oder habe ich dir die Wahrheit gesagt? - Was hältst du nun von mir?«

12 Die Minerva, vor lauter Staunen kaum der Sprache mächtig, sagt mit einer etwas bebenden Stimme: »Cado, Cado, das ist zu viel, zu groß, zu herrlich! Ich kenne doch alle Himmel und deren Einwohner - aber mit solch einem Kleide habe ich allda noch nie jemanden angetan gesehen, nicht einmal die Gottheit in ihrem unzulänglichen Lichte? - Wie soll ich nun, aus meiner ärgsten und tiefsten Verworfenheit kaum ein wenig auftauchend, solch ein Feuergewand anzunehmen und am Ende gar zu tragen imstande sein!? Ich habe daran zwar eine unbeschreibliche Freude; aber anzuziehen, wage ich es wahrlich nicht! Denn das Tiefste der Hölle kann nicht so bald mit dem Höchsten der Himmel einen zu schnell veranlaßten Bund eingehen! Dazu gehört noch eine lange Zeit, in der ich über mein langes höllisch-grundböses Wirken und Handeln nachdenken und mich über dasselbe mehr und mehr werde hinaussetzen können. Denn wohl bedenke, daß ich der Urgrund alles Bösen und alles Gerichtes bin! Wie und wann ich mich aber über diese meine höchst böse Stellung werde erheben können - o Cado, wie sehr ferne noch ist eines solchen Zeitraumes Herbeikommen!«

13 Spricht Cado: »Törin, zähle die Sonnen im endlosen Raume, zähle die Planeten alle, die nicht selten zu Trillionen wie Atome im Äther um eine einzige und letzte Zentralsonne umherkreisen, die noch lange keine Haupt-Zentralsonne ist! Zähle den gerichteten Sand nur eines kleinsten Planeten! Summiere alle die atomistischen Materiepartikeln, die im endlosen Äthermeere des ewigen Raumes als gerichtet rasten und über ihren kleinen Rücken das Licht von einer Unendlichkeit zur andern tragen müssen! Sieh, alles das ist arg gerichtet aus deinem höchsteigenen Gerichte! Wie lange wohl müßtest du da zählen und wie viel denken, bis du den Grund eines jeden gerichteten Atoms der ganzen Unendlichkeit durchsähest und durchdächtest, um dich in dir selbst dann darüber hinaus erheben zu können!? Sieh, das wäre im höchsten Grade eitel und töricht! Daher tue du das, was ich dir zu deiner wahren Freiwerdung anrate, und du wirst der ganzen, ewigen Großrechnung nicht bedürfen, um wahrhaft frei und dadurch auch der allmächtigen Gottheit in Ihrer Jesus-Menschheit wohlgefällig zu werden!«

14 Spricht die Minerva: »Geliebtester Cado, du hast wohl recht, ich sehe es ein! Aber nur den gewissen Namen spreche mir nicht mehr aus! Denn dieser Name ist für mich im höchsten Grade unerträglich. - Ich kann dir zwar nicht sagen, warum - aber es ist einmal so: der Name brennt mich mehr als alles Feuer der Hölle!«

15 Spricht Cado: »Siehe, das ist schon wieder im höchsten Grade dumm und töricht von dir! Gerade in diesem Namen, wie ewig in keinem andern, ist für dich und mich ein ewig wahres Heil zu erringen. Deshalb lobe und preise du in Zukunft lieber diesen Namen, so wirst du vollkommen siegen über alles zahllos Böse in deinem Herzen, und du wirst dann einen wahren Triumph feiern über alles, was dich je zu solch einem großen, fortlaufenden Abfalle von der ewigen Gottheit mag verleitet haben!«

16 Spricht die Minerva: »Guter Cado, du hast wohl viel leichter reden als ich und hast auch recht in allem. Aber bedenke, wie viele Äonen ärmster Wesen schmachten nun noch in größter Qual, die ich ihnen bereitet habe. Wie soll ich überhaupt je frei und wahrhaft glücklich werden können, solange die zahllosen, durch mich unglücklich Gemachten in aller Qual schmachten müssen?! Ich soll nun glänzen in diesem Kleide, und zahllose Kinder aus mir sollen meinetwegen schmachten, ewig schmachten!? Nein, nein, das geht nicht, das kann nicht sein!«

17 Spricht Cado: »Kümmere dich um etwas anderes! - Seit die Gottheit zum Körpermenschen ward, hat Sie auch die ganze materielle Schöpfung auf Ihren Namen genommen und jeden Menschen im höchsten Grade von dir unabhängig und dem eigenen Gewissen zinsbar gemacht! Alle Welt ruht nun auf der Schulter Gottes und auf denen der freien Menschen. Und du stehst mit der Gottheit schon lange in keiner Verrechnung mehr. Daher tue, was ich dir sage, und du wirst frei sein in allem!«

182. Kapitel: Minerva findet neue Ausflüchte, denen Cado entgegentritt. Von Buße und Bekehrung. Gleichnis vom Okulieren. Hochbedeutsame Erlösungstatsachen. Robert und Sahariel treten hinzu (Am 10. April 1850)

01 Miklosch berichtet weiter: "Spricht die Minerva: »Aber es ist von der Gottheit eine Art Buße zur Vergebung der Sünden angeordnet, ohne die kein Mensch und somit noch um vieles weniger ein Teufel selig werden kann. Siehe, ich aber war und bin noch (zur Stunde) aller Sünde Grund und ein Pfeiler des Gerichtes und des Todes. Wie soll dann erst ich ohne Buße frei und endlich gar selig werden?! - Es müßte daher über mich wohl die größte Buße kommen, so ich im Ernste sollte frei und selig werden! Wie aber könnte ich Buße wirken in diesem Lichtgewande? Dazu gehört ein härenes Büßerkleid und Asche und Sack! Verschaffe mir ein solches Büßerkleid und ich will und werde die ernsteste Buße zu wirken anfangen!«

02 Spricht Cado: »Jawohl, du und Buße wirken - das ginge so hübsch zusammen! Was verstehst denn du, was da wahre Buße wirken heißt?! Meinst denn du, ein härenes Kleid, Asche und Sack machen die Buße aus?! Oder glaubst du nach römischer Art etwas tun zu müssen, um zur wahren Sündenvergebung zu gelangen?! Möchtest du nicht etwa gar eine Generalbeichte ablegen, tausend Messen zahlen, kommunizieren, auf daß in dir dann alle deine Sünden krepieren?! - Auf der Erde, unweit meines großen Raubgebietes, war ein sogenanntes Franziskanerkloster, sehr schlecht gebaut zwar, aber dennoch tauglich zur Aufnahme von ein paar Dutzend ärgerlichster Müßigänger, die sich Patres und Fratres nannten. Aus ihrem Munde habe ich solch einen Unsinn von einer wahren, der Gottheit wohlgefälligen Buße vernommen, ohne die niemand selig werden könne. Ich aber habe an diesen Kerlen bei guter Gelegenheit eine ganz neue Art Buße ausgeübt, und ich meine, daß sie eben für diese Geistestotschläger wirksamer war als die, welche sie den armen Teufeln ausdringen wollten und auch vielfach aufgedrungen haben. Ich, wennschon gleich dir und der Gottheit gegenüber ein Teufel, halte das für die wahre Buße, so man das Schlechte, als das der Gottesordnung widrige, freiwillig verläßt, seinen Willen fest und unerschütterlich unter das Panier der ewigen Gottesordnung stellt und dann selbst unerschütterlich fest das will, das man als solcher göttlichen Ordnung gemäß erkennt. So du also handeln wirst aus deinem neuen, in der Gottesordnung geregelten Willen, dann wirst du auch eine rechte Buße wirken. Aber ein härenes Gewand, Asche, Sack, Generalbeichte, Kommunion und meinetwegen eine Million Messen gehören ins Fach der größten Menschentorheiten, weil sie den Menschen nicht bessern, sondern nur schlechter und schlechter machen. Nur durch meinen Willen allein kann ich besser werden. Alles andere gehört in einen Leibstuhl und hat keinen Wert weder vor bessern Geistern noch vor Gott!

03 Du weißt es und siehst auch ein, was ein jeder Geist durch seine höhere Weisheit genau ersehen kann. Wolle sonach nichts aus dir heraus, sondern bloß aus mir heraus oder das ich will - so wirst du deines höchsteigenen Kerkermeisters alsbald loswerden. Solange du aber noch mit deinen eigenen Willensbrocken mir entgegenkommen wirst, da wird es mit dir noch sehr lange nicht besser werden! Sieh, an der Weisheit und an einer gediegenen Erkenntnis hat es dir nie gemangelt. Aber an einem neuen, guten Willen, und darum bist du zum Grunde alles Schlechten und Bösen geworden! - So ein Wesen aber gut und edel werden will, dann muß es mit seinem ersten, wilden Willen dasselbe Experiment machen, was da auf der Erde ein Gärtner mit einem Wildlinge macht. Er schneidet ihm die Krone ab, spaltet dann den Rumpf und setzt einen edlen Zweig hinein. Und es wird dann ein neuer, edler und guter Fruchtbaum daraus. - So mußt auch du, wie gesagt, es mit deinem alten Wildlinge von Willen machen! Wenn es dich daraus auch eine Weile bekümmern wird, da du die alte Krone dir mußt völlig nehmen lassen, so mache dir aber dennoch nichts daraus! Denn du wirst dafür zu einer herrlicheren, besseren und edleren Krone gelangen.«

04 Spricht die Minerva: »Cado, Cado, du bist zwar eigensinnig wie ein echter Teufel, aber dabei weise wie ein Gott! Hörst du, wie ein Gott!« - Spricht nun wieder Cado: »Eh, was nützt mir meine Weisheit, so sie außer mir niemand befolgen will?!! Ich predige tauben Ohren, und vor blinden Augen mache ich Spektakel, und diese merken nichts! Ich habe, bei Gott dem Allmächtigen, bis jetzt geredet zur Übergenüge - aber was nützt alles das?! Du hörst mich an wie der Prophet Bileam seinen Esel, welch letzterer auch weiser war als sein blinder, tyrannischer Herr. Denn der Esel sah und wußte, warum Er stehen bleiben mußte; während sein Herr dafür nur desto eifriger des grauen Sehers Rücken in die Arbeit nahm. - Ich zeige dir, warum du dich gänzlich meinem Willen unterordnen sollst, aber du hast da stets tausend Ausflüchte, und so du schon etwas tust, da tust du die Sache aber nie sogleich und auch nie ganz also, wie ich es haben will und haben muß! - Warum denn das?! - So du mich weise findest wie einen Gott, warum tust du denn dann nicht sogleich, was ich von dir verlange? Das herrlichste und kostbarste Kleid liegt vor dir und wirft seinen mächtigsten Strahlenglanz gleich einer Zentralsonne in die weite Unendlichkeit hinaus. Aber sein mächtiges Licht, das da bestimmt ist nach dem Innern deines Wesens seinen Strahl zu treiben, muß sich noch (immer) vergeblich verzehren. - Warum denn das? - Gebe mir dafür einen Grund an!«

05 Spricht die Minerva: »Ich habe dir den Grund ja schon angegeben! Du aber hast ihn wiederlegt mit der Schärfe deiner Weisheit, der ich nun freilich nichts mehr entgegenstellen kann. Aber alles dessen ungeachtet bleibe ich doch bei dem, daß ich mich für dies zu göttliche Gewand als viel zu unwürdig fühle, um es gleich so mir und dir nichts wie einen andern, gemeinen Fetzen anzuziehen. Und das ist ein Hauptgrund, warum ich also mit dem Anzuge zögere! - Einen andern Grund kann ich dir unmöglich angeben, und wenn du dich darob noch so ärgern solltest. - Ziehe du es an, wenn du schon so viel Mut besitzest, und gebe mir darinnen ein Beispiel; und ich werde dann diesem deinem Beispiele folgen. - Übrigens noch etwas! Wie sieht es denn auf der Erde und in allen anderen Welten dann aus, oder wie wird es aussehen, so ich dies Kleid anziehe? Wird es den dort neu zu bildenden, noch in die gröbste Materie verhüllten Geistern besser oder etwa noch schlimmer ergehen? Gib mir davon eine begreifliche Erklärung, und ich werde dann sogleich alles tun, was und wie du es wünschest.«

06 Spricht Cado: »Ich habe es ja gewußt, daß sie richtig wieder noch eine die Sache verzögernde Ausflucht finden wird! O du ganz entsetzlich verzweifeltes Wesen! Was gehen denn uns nun die Erde und alle anderen zahllosen Welten an!? Die Gottheit wird es wohl schon wissen, was Sie damit machen wird. Uns aber geht weiter weder die Erde noch der Himmel etwas an, und wir haben uns darum nicht im geringsten zu kümmern! Wie von nun an die Menschen auf der Erde oder auf der Sonne untereinander leben werden, ob kriegerisch oder friedsam, das hat für uns aber auch nicht die allergeringste Beziehung! Wir leben und handeln bloß nur für uns. Alles andere sei und bleibe für uns ein ,unbekanntes Gebiet' solange, bis wir möglicherweise zufolge eines höheren Auftrages beordert werden, uns darum zu kümmern. - Ich habe dir aber ja auch schon ehedem klarst gesagt, daß du (selbst) außer allen Einfluß auf die Weltkörper gesetzt wurdest (daß dir selbst aller Einfluß auf die Weltkörper genommen wurde) seit der Menschwerdung der Gottheit, in der ein zweiter Adam in und aus Gott alle Schöpfung und somit auch alle ihre Übel auf die höchsteigene Schulter nahm und nun alles also leitet und führt, wie es seine ewige Ordnung verlangt. - Daher hast du dich von nun an um nichts anderes mehr zu kümmern als bloß nur allein um dich selbst! - Ziehe nun das Gewand an, und es wird sich dann schon sogleich zeigen, was da weiter zu geschehen hat!«

07 Spricht die Minerva: »O du lebendiges Buch du! Du sprichst ja, als so du ein Jünger Salomos wärest! - Aber ich sehe es nun rein ein, daß du eines Teiles denn doch recht hast, und so will ich mich denn vor dir zu einer Putzgretel umgestalten und eine recht dumm-hochmütige und eitle Person spielen - da du daran denn schon eine so große Freude hast! Dummer Lippel, wird's dir denn dann besser sein, so du mich vor lauter Glanz gar nicht wirst anschauen können?! - Ich ziehe es nun an! Aber dann komme mir ja nicht sobald wieder mit einem andern Begehren!«.

183. Kapitel: Minervas Herrlichkeit im Himmelskleide. Robert und Sahariel geben sich den beiden zu erkennen. Wichtige Lehre über die Erziehung zur wahren Freiheit und Selbständigkeit. (Am 12. April 1850)

01 Miklosch in seinem Berichte fortfahrend: "Die Minerva zieht jetzt wirklich das Gewand an. - Sie ist nun auch schon angekleidet! - O Tausend, o Tausend! Ah, das ist stark! Nein, da ist es ja gar nimmer zum Aushalten! Aber diese ungeheure Schönheit! Herr und Vater Jesus! Mein Gott, mein Gott, sei mir armem Sünder gnädig und barmherzig! Nein, diese allerungeheuerste Schönheit auf eine längere Weile ansehen zu müssen und dabei das Leben zu erhalten, das dürfte wohl kaum möglich sein! Nur diese unbeschreibbar sanftest weiche Zartheit, diese göttlichst herrliche Form ihres Angesichts, dieser wallende Busen, dieser Arm! Nein, Herr, ich würde entweder tot oder ein Narr, so ich diese zu allerungeheuerste Schönheit nur einige Sekunden noch anschauen müßte! - Ah, ah, sie wird immer schöner und schöner? - Wie aber ein Cado und wie die zwei andern, der Robert-Uraniel und der Sahariel, die ihr doch gar so nahe gekommen sind, solch eine Nähe ohne verlust ihres Lebens aushalten können, das ist mir ein ungeheures Rätsel! Wohl gehen den beiden Letztgenannten nahezu die Augen vor lauter Glanz und Schönheit über, was da sehr begreiflich ist; aber wie der Cado es in ihrer größten Nähe auszuhalten vermag, das begreife, wer es kann! Ich werde es sicher nie begreifen. Denn diese allerungeheuerste Schönheit müßte geradewegs völlig tote Statuen im Augenblicke beleben können! - Bruder Bathianyi! Geh und ersetze du mich nun eine Weile! Denn ich kann es wahrlich nimmer aushalten!"

02 Spricht der Bathianyi: »Mein Freund Miklosch, das kann wohl nicht ausgeführt werden! Ich habe nur ein paar sehr flüchtige Blicke hingeworfen und bin deshalb schon ganz schachmatt. Was würde aus mir erst werden, so ich mich ganz wohlbehaglich eine längere Weile in sie vergaffete?! Ich bedanke mich, liebster Freund, für diesen deinen Antrag! Versehe du nur selbst diesen angenehmsten Dienst! Ich werde das weinige mir schon aus deinen Worten entnehmen.«

03 Spricht der Miklosch weiter: "Nun gut, so werde ich ein reiner Narr! - Und jetzt - oh, oh, oh! - Die beiden machen gar Miene, als ob sie sich zu uns her begeben wollten. Nun, so etwas! Da werde ich ganz bestimmt ein Narr! - Aber, Gott, Dir alles Lob! Jetzt geben sich die beiden Engel dem Cado und der Minerva zu erkennen, und der Cado wie die Minerva scheinen ganz verblüfft darüber zu sein, daß sie nun auf einmal, wie aus den Wolken gefallen, zwei ihnen ganz fremde Gesellschafter bekommen. Cado betrachtet die beiden mit sehr forschenden Blicken vom Kopf bis zur Zehe und scheint sie fragen zu wollen, woher sie gekommen seien, ob von oben oder von unten. Aussprechen will er es noch nicht, aber in seiner höchst klassischen Miene scheint diese Frage unverkennbar zu liegen. Bin nun höchst gespannt, was da herauskommen wird!

04 Aha, nun wischt sich der Cado mit der rechten Hand die Haare aus dem Gesicht, nimmt den beiden gegenüber eine ganz famose Heldenstellung an und sagt: »Woher seid ihr? Was wollt ihr und wer seid ihr? - Pünktlich genaueste und wahrste Antwort verlangt der Cado von euch! Verstehet aber wohl - der Teufel Cado verlangt solches von euch!«

05 Tritt der Robert vor und spricht: »Wir beide sind deine innigsten Freunde, sind von oben wie auch von unten zugleich her. Wir haben dich beobachtet und insgeheim beschützt, ansonst du diese Urkönigin aller Materie nicht so weit gebracht haben würdest. Nun du aber sozusagen am Ende deines großen Werkes stehst, so kommen wir, dich zu beglückwünschen, daß dir dies schöne Werk so herrlich gelungen ist, woran die Mühe so vieler mächtiger Brüder scheiterte. Solltest du dich in irgend etwas, das da gut ist vor Gott, unseres Dienstes bedienen wollen, so stehen wir dir zu Gebote!«

06 Spricht Cado: »Für euren allfälligen Schutz, den ihr mir geheim geleistet zu haben vorgebt, danke ich euch und so auch für eure Wache über mich! Aber ich bekenne es euch beiden auch ganz unverholen, daß es mir bei weitem lieber gewesen wäre, so ihr mich weder beschützt noch bewahrt hättet. Denn mir genügt der Name und die Kraft des großen Einen. Alles andere ist bei mir eitel nichts. Auch ihr beide seid mir gleich einer Null! Einen weitern Dienst von euch kann ich von nun an nimmer in irgendeinen Anspruch nehmen, da ich mir selbst zu genügen getraue. Ich ersuche euch darum, daß ihr euch alsogleich von mir entfernet, ansonst ich Gewalt gebrauchen müßte. Denn diese meine heißgeliebteste Minerva ist noch lange nicht auf dem Punkte, fremde Gäste, die ein sehr schmarotzerisches Aussehen haben, zu ertragen. Wird sie einmal ganz vollendet sein, dann könnet ihr gleichwohl wiederkommen und euch ihrer Wiedergenesung freuen! Aber nur keine weitere, weder offene und noch weniger geheime Hilfe mehr! Denn das würde meine Mühe nur verzögern und keineswegs verkürzen. - Also, Gott befohlen, meine Freunde!«

07 Spricht die Minerva: »Freund Cado, da ich nun das urkönigliche Gewand anhabe und somit alles erfüllt habe, was du von mir verlangt hast, so glaube ich hier wohl auch schon wirksam eim Wörtchen reden und frei etwas begehren zu dürfen. - Ich begehre sonach, daß diese beiden Weisen von ,oben und unten' her, hier verbleiben und mir in so manchem einen Dienst leisten können, so sie's wollen! Kurz, ich will und begehre, daß hier ihrem Wunsche willfahret werde!«

08 Spricht Cado: »Nur das hat zu geschehen, was ich anordne! Alles andere unterbleibt! - Muß ich dir nun nachgeben, so bist du von vornherein wieder auf wenigstens eine halbe Ewigkeit verloren samt mir. Denn vergesse du nur ja nicht, daß wir beide - Teufel sind und eine andere Bahn zu gehen haben, um zur Vollendung zu gelangen, als die Engel Gottes, die schon in ihrer Art vollendet sind. Also, Freunde, tut mir sonach diese reinste Freundschaft und gehet! Denn in eurer Gegenwart kann ich die Minerva nimmer weiter führen!«

09 Spricht Robert: »Freund Cado! Du kennst uns noch zu wenig, so du meinst, daß wir dir hinderlich sein könnten in Ausführung deines guten Planes mit der Minerva. Siehe, was du bisher geredet und getan hast, das hast du durch uns getan! Denn Gott der Herr, dessen Name herrlich ist, überherrlich, hat uns eben dazu die gerechte und hinreichende Kraft und Macht erteilt. Wärest du ganz allein vor dieser sogenannten Minerva gestanden, da wärest du ihr auch schon lange als ein schnödestes Opfer gefallen. Wir waren es ja, die dir jegliches Wort in den Mund gelegt haben. Wir haben deine Steine, die du als Waffe gebrauchtest, gesegnet und gekräftigt und ließen die Feuerflut nicht höher steigen, auf das du aus diesem Hügel eine sichere Zuflucht finden solltest und auch wirklich gefunden hast, während deine Feinde in den Wogen des Zornmeeres Gottes ihren erschreilichen Untergang fanden. - Da sich aber all die Sachen also vehalten und nicht anders verhalten können, wie sollen wir dir nun hinderlich sein können bei der ferneren Fortführung deines Planes mit der nun schon sehr hold gewordenen Minerva?! Förderlich ja, das wollen und können wir dir sein bei deinem löblichen und allen Himmeln gefälligen Werke. Aber dich irgend abhalten, das Werk zu vollenden, das könnte uns auch in keinem Traume beifallen, so hier ein Traum möglich wäre. Sei du, Cado, daher ganz unbesorgt unsertwegen! Wir werden dir sicher um so weniger in etwas hinderlich sein, da wir so ganz eigentlich selbst die Urheber deines Unternehmens sind.

10 Wir bleiben darum nun aber hier eine gerechte Weile bei dir, auf daß du nun wirklich frei aus dir selbst das Fernere wirst tun können, was zur Vollendung dieses Großwerkes vonnöten ist. Denn obschon wir dir auch jetzt mit Rat und Tat zu Diensten stehen werden, so wird aber unser Rat dennoch von jetzt an nicht mehr heimlich, sondern ganz offen erfolgen und eine Tat nur auf dein offenes Verlangen geschehen - auf daß du dadurch samt der Minerva wahrhaft frei werden kannst. Denn du wirst ganz frei unsern Rat entweder annehmen oder denselben von dir weisen können. Würden wir, wie bisher, in dich heimlich einfließen, so könntest du nimmer frei und dadurch selig werden. Denn in diesem Falle bist du bloß nur ein Werkzeug in unseren Händen. Wir aber geben nun das Werkzeug frei und machen es los von den Fesseln des Gerichtes, auf daß es dann wahrhaft frei wirke und aus sich selbst etwas werde vor dem Herrn! Darum muß aber das an sich zwar sehr taugliche aber in sich selbst bisher dennoch höchst schwache Werkzeug das erkennen und darnach sich selbst bestimmen - so wird es denn auch in Kürze zur wahren und freien Vollendung gelangen und nicht weiterhin in der genötigten Knechtschaft verbleiben. Und also sei und verbleibe es im Namen des Herrn Jesu, des einigen Gottes Himmels und aller Welten!«

11 Spricht Cado: »Wenn so, dann blibet ihr freilich wohl hier! Denn ich muß und will selbst frei handeln, um frei zu werden von jeglichem Joche! - Ob aber nun die Minerva, die ehedem für euer Hierbleiben sehr gestimmt war, auch noch so gestinmt sein und bleiben wird, das ist eine andere Frage.«

12 Spricht die Minerva: »Die Schritte, die ich nun vorwärts gemacht habe, die bleiben, und ich werde sicher keinen Rückgang mehr tun! Aber diese beiden himmlischen Gauner müssen mir aus den Augen, da sie gegen mich nicht offen, sondern nur geheim und hinterlistig gehandelt haben! - So sie hier verbleiben, werde ich keinen Schritt mehr dir zu Gefallen vorwärts tun!«

13 Spricht Robert: »Nicht so, nicht so, holdeste Minerva! So wir dir erweislich etwas Arges zugefügt haben, dann wollen wir auch sogleich gehen. Du aber mußt es selbst bekennen, daß wir dir dadurch nur etwas höchst Gutes erwiesen haben durch die Kraft Gottes, die in uns mächtig und tatkräftig ist. (Und du solltest dankbar einsehen), daß wir dich somit freigemacht haben von den Fesseln der Hölle und sie mehr und mehr haben verstummen gemacht in deinem Herzen, in dem ehedem der Grundkeim alles Übels und somit auch aller Hölle gelegen ist. Bedenke dieses ernstlich und gedenke der schaudervollen Zeitenlänge, in welcher du der Qualen höchste - leider freilich unglaublicherweise durch dein eigenes, starrstes Wollen - durchgelitten hast - und unsere für dein künftiges wohl höchstbesorgte Gegenwart wird dir sicher nicht so unangenehm sein können, wie du es dir nun einzubilden scheinst.«

14 Spricht Cado zur Minerva: »Ganz richtig! Also denke und es wird dann alles gut werden! Die beiden müssen nun bleiben, weil ich's ihnen gebiete. - Hast du auch gegen mein Gebot etwas einzuwenden?« - Spricht die Minerva: »O ja, denn du gebietest, weil die beiden dich dazu nötigen!«

15 Spricht Cado: »Da irrst du dich sehr, ich lasse mich von niemanden bei meinem freien Wissen und Wollen nötigen. Bin ich aber dazu gerichtet, solches tun zu müssen, dann wirst du dich dem um so weniger widersetzen können, was da ausspricht mein gerichteter Wille, indem er da nicht mehr mein, sondern des allmächtigen Gottes ist, und so denn bleibe es bei dem, was die beiden selbst bestimmt und ich nun geboten habe! Kein Jota darf daran gändert werden, verstehst du?! Kein Jota!«

16 Spricht die Minerva: »Ja, ia, im Eigensinne bist du groß und weißt die Sache also zu drehen, daß du dabei von deinem Ansehen, das du dir gewisserart erstohlen hast, ja nichts verlierst. Nur ich, als der Erstling aller Kreatur, soll nun bei dir um ein Ansehen betteln! - Aber sei es nun, wie ihm wolle, ich werde mich zwar äußerlich in dein Wollen fügen, wie bisher, weil ich zu schwach bin, dir einen wirksamen Kampf entgegen zu bieten. Aber das Innere gehört mir, und das hat von nun an nichts als den alleinigen Fluch für dich wie auch für diesen deinen Freundschaftsbund, Amen! - Verstehst du dieses Amen?!«

17 Spricht Cado: »O ja, so viel Verstand besitze ich gottlob! Aber auch noch etwas mehr, gottlob! - Um wieviel mehr aber, brauche ich dir nicht zu sagen. Wird nur einmal dein Äußeres recht durchgegerbt werden, dann wird sich auch dein Inneres dem zuwenden, was ich mit dir nach der unwandelbaren Gottesordnung will. Und dazu sage auch ich ein unwandelbares Amen! Verstehst auch du, was ich mit diesem allerunwandelbarsten Amen sagen will und gesagt habe!?«

184. Kapitel: Sahariel über das 'Amen'. Minervas Liebesantrag an den Engelsboten und dessen weise Antwort. Gleichnis von den zwei Brunnen. Cado enthüllt die Sachlage.

01 Miklosch berichtet weiter: "Nun aber tritt der Sahariel hinzu und sagt: »Höret! Auch mir steht ein Recht zu, über irgendetwas ein gar kräftigstes Amen auszusprechen. Aber ich tue es dennoch nicht, weil hinter einem jeden Amen irgendein Gericht steckt. Ich rate euch daher, eure Amen zurückzunehmen. Denn es steht niemanden ein Recht zu, über irgend etwas, das da mit der göttlichen Ordnung nicht in Übereinstimmung steht, aus sich heraus ein Amen auszusprechen? - Wohl aber darf und kann ein jeder Geist in dem ein ewiges Amen in sich tragen, was da betrifft die göttliche Ordnung und den Willen Gottes! Dies Amen ist das Urleben aller Wesen, ist ihr Wert und ist ihre höchste Freiheit, so sie es aus sich selbst heraus sich völlig zu eigen machen. Jedes andere Amen aber ist Gericht, Tod und Hölle und erzeuget Hochmut, Stolz, Verachtung, Geringschätzung alles Wahren, Guten und Göttlichen und bauet Kerker, Gefängnisse, schmiedet Ketten und fachet an das Feuer alles Verderbens. - Also nehmet darum euer Amen zurück und begebet euch in ein wahres und ewiges Gottes-Amen! Dann werdet ihr beide am ehesten frei werden von der Hölle, die nun noch recht stark in euren Herzen tobt und pocht, wie das Feuer eines feuerspeienden Berges. Gehet und befolget diesen meinen Rat, und ihr werdet wahrlich nicht schlecht fahren!«

02 Spricht die Minerva zum Cado gewendet: »Hast du's vernommen, du eingebildeter Weisheitspinsel und äußerst dummer Tropf!? Das sind Worte voll echter, himmlischer Salbung, auf die man bauen kann! Aber auf deine Worte, die keinen Anfang und kein Ende haben, kann man ja nicht einmal ein allerelendestes Kartenhaus setzen. Siehe, ich bin deinen Worten wohl gefolgt, weil es sich in denselben zeigte, als wäre dahinter wirklich ein guter Zweck verborgen. Aber je mehr ich sie in eine tiefere Erwägung zog und je näher ich dir kam, desto klarer wurde es mir hernach auch, daß du bloß nur so ein blinder Abenteurer bist, der zwar irgendeine Macht besitzt, sie aber bloß dazu verwendet, um damit zu einem sogenannten Gauklertriumphe zu gelangen, hinter dem aber freilich nichts ist als die leerste Schalheit. Packe nur ein mit deinen Macht- und Weisheitssätzen! Auch diese deine Davidssteine kannst du dir zum ewigen Angedenken aufbewahren. Denn nicht deine Steine, sondern diese beiden (Boten) haben mir die Lanze gebrochen und mein ewiges Szepter zerschlagen. Daher gebührt auch nur ihnen, nicht aber dir der Ruhm und der Preis! - Sahariel, nehme mich hin! Ich will dir ein Preis sein, denn du hast dich um mich verdient gemacht!«

03 Spricht Sahariel: »Holdeste, du aller äußeren Schönheit Krone! Mir wie auch meinem Freunde Uraniel gebührt ebensowenig ein Preis, wie dem Freunde Cado! Denn wir sind nur Diener nach dem weisesten Plane des Herrn, Werkzeuge in Seiner Hand! Und so wir alles aufs genaueste getan haben, so sind wir darob dennoch vor Ihm nichts, als eitel unnütze Knechte. Denn so wir auch etwas tun, das da aussieht, als täten wir es, so ist dies aber dennoch nur ein Schein - da doch nur Er es ist, Der da alles tut und vollbringt! Wie würde ich vor dem Herrn bestehen, so ich für meine nichtigen Taten mir gleich einen so hohen Preis aneignen würde!? - Was daher dem Herrn wohlgefällig ist, das geschehe! Du, wie wir alle, sind des Herrn und sind nach dem Grade unserer Demut vor Ihm und unserer Liebe zu Ihm ein Preis, der allein Ihm gebühret! Uns aber gebührt nichts, als was uns Seine große Liebe, Gnade und Erbarmung bietet. - Du mußt dich darob aber etwa ja nicht betrüben, daß ich dich als einen zu hohen Preis meiner zu nichtigen Mühe nicht annehmen kann, da du allein dem Herrn Gott Jesus Jehova Zebaoth angehörst. Sollte aber der Herr Selbst dich mir aus Seiner zu endlos großen Liebe heraus an mein Herz binden, dann werde ich dich auch mit der höchsten und liebedankbarsten Würdigung für ewig annehmen! Ist dir, du gestaltlich schönste Lichtträgerin, das recht und genehm?«

04 Spricht die Minerva: »Schönster Sahariel, deine Demut und beinahe unbegrenzte Bescheidenheit nötigt mir ein gerechtes Erstaunen ab, und deine Rede fordert mein Herz zur wahren und vollsten Bewunderung auf. Denn wie Milch und Honig floß deiner himmlischen Rede Süße in meine tiefstbewegte Brust, und ich atme jetzt nur Liebe über Liebe für dich, du mein göttlich schönster Sahariel! Welch ein schöner, göttlich-freundlicher Ernst strahlt aus deinem ewig jugendlich-zarten Jünglingsgesichte! Welch ein himmlischer Adel durchweht dein ganzes Wesen! Und welch eine sanfteste Rundung und himmlisch wohltuende Harmomie leuchtet gleich einem Morgensterne aus allen deinen Gliedern! - Ich muß dir gestehen, daß ich dich liebe über alle Maßen. Und so du mir nicht deine Gegenliebe gibst, dann bin ich das unglücklichste Wesen in der ganzen Unendlichkeit! - Sieh mich doch recht an! Sieh, ich bin ja auch schön! Gut freilich bin ich leider nicht. - Aber wer weiß denn, ob ich eben durch dich nicht auch so gut werden kann, wie ich nun schön bin!? - Gerne möchte ich dir das beste und reinste Herz bieten, so ich's hätte. Aber nehme es an, wie es ist und wie ich dir's biete. Vielleicht wird es an deiner Seite auch edel und rein werden. - Verschmähe diesen meinen Antrag nicht; denn er entstammt der ersten Liebe meines ewig langen Seins!«

05 Spricht Sahariel: »Meine allerschönste und strahlend holdeste Minerva! Dein Sein ist wohl schon, der irdischen Zeit nach gerechnet, ein recht sehr langes - aber kein ewiges. Vom Anfange her ist es nicht. Gott allein ist ewig. Alles andere aber hat aus Ihm heraus einen Anfang genommen. Wir alle Zahllosen aus Ihm werden nun wohl ewig fortdauern, aber ewig, wie Gott, bestehen wir nicht. Ob auch jemand aus uns gerade um einige Dezillionen von Erdjahren länger besteht, so ist er aber deshalb noch lange nicht ewig. Du hast dich in deinem Eifer zwar ein wenig verstiegen; aber das macht nichts! Wenn du nur sonst eine wahre Liebe zu mir in deinenm Herzen verspürest, woran ich zwar noch ein wenig zweifle - so kann ich über solche, bloß poetische Übertreibungen schon ganz ruhig hinwegschauen. - Du hast mir deine Liebe und dein Herz angetragen, und ich nehme diesen Antrag an. Aber nur eine einzige kleine Bedingung knüpfe ich daran. Und diese besteht darin, daß du mir folgest zum Herrn willig und fröhlich und den Freund Cado mitnimmst! Kannst du das tun, so sind wir quitt.«

06 Spricht die Minerva: »Freund, das ist keine kleine, sondern eine unendlich große, für mich so gut wie rein unausführbare Bedingung? - Was denkst du dir - ich zum Herrn der Unendlichkeit mit dir hinziehen und den mir nun über alles verhaßten Cado auch dazu mitzunehmen!? - Freund, das tut sich wohl nicht! Alles andere - nur das nicht, weil es mir nun so gut wie unmöglich ist! - Du mußt mit mir zuvor noch sehr Mühe haben, mußt reinigen und edeln mein Herz; dann erst kannst du mir mit solchen Bedingungen kommen! Es wäre die sofortige Erfüllung solch einer Bedingung ja auch für dich keine Ehre vor Gott, da es dir entweder von einer zu geringen Achtung vor der allmächtigen Gottheit oder (so das nicht ist) doch von einer Dummheit Zeugnis gäbe, deren du, wie ich dich bisher kenne, wohl kaum fähig sein dürftest. - Ich sage dir, nehme mich unbedingt an! Kaufe die Katze im Sacke, und du wirst damit keine schlechte Fahrt machen!«

07 Spricht Sahariel: »Das wird sich etwas schwer machen, weil noch zu viel Gerichtes in deinem Herzen rastet, das nur dadurch verringert werden kann, so du, Holdeste, ganz unbedingt dich stets mehr und mehr unserem in Gott geordneten Wollen frei und ohne Zwang unterwirfst. Geht auf diese Art dein Wille völlig in den göttlichen über, dann wirst auch du von mir verlangen können, was dir nur immer belieben wird, und wir werden es dann ohne Verzug sogleich in die vollste Erfüllung bringen. Aber jetzt tut es sich noch nicht! Denn täten wir nun, was du willst, so begäben wir uns selbst in dein Gericht und würden dadurch dasselbe vermehren und härter machen, während wir es mildern und verringern sollen.

08 Die Sache verhält sich gleichnisweise gerade also, wie wenn da zwei Brunnen nebeneinander wären, von denen der eine voll ist des reinsten Wassers, der andere aber voll Schmutzbrühe. Leitet man das ergiebige Wasser des ersten, reinen Brunnens in den zweiten, unreinen hinein, so wird mit der Weile der Pfützengehalt dieses zweiten, schlechten Brunnens gereinigt, und am Ende selbst zu einem guten Wasser werden. So man aber die Schmutzbrühe des zweiten Brunnens in den ersten, reinen leiten würde, da würden dann beide Brunnen schlecht und unbrauchbar werden! Würde bei solch verkehrter Arbeit wohl jemand etwas gewinnen?

09 Siehe, du hast nun ein handgreifliches Beispiel aus meinem harmlosen Munde erhalten, woraus du leicht ersehen kannst, warum wir das Wasser deines Willens in den unsern nicht aufnehmen können. Aber es muß dir auch sonnenklar sein, warum du zu deinem höchsteigenen Wohle das Wasser unseres Willens in das deines Willens allerreichlichst solltest überströmen lassen. Tue sonach das, was wir wollen, und du wirst gereinigt und voll edlen, trinkbaren Wassers werden! Hast du doch selbst den Wunsch geäußert, daß du durch mich rein und edel werden möchtest! Ja, du kannst das, so du's willst, aber da mußt du das tun, was ich im Namen des Herrn wie im Namen aller Himmel dir zu tun vorgeschlagen habe!«

10 Die Minerva sieht nach dieser wahrlich höchst einfach-weisen Belehrung wie stumm vor sich hin und scheint, nach ihren Blicken zu urteilen, daraus zu sinnen, wie sie sich von dieser ihr sehr lästig werdenden Gesellschaft loswinden könnte.

11 Der Cado scheint das auch zu merken und sagt nun zu Sahariel wie auch zu Robert-Uraniel: »Liebe Freunde! Obschon ich als selbst ein Teufel nicht wert bin, meine Augen zu euch emporzuheben, da ihr wahrlich voll seid der heiligen Wahrheit und Weisheit aus Gott - so darf ich aber nun doch wohl bemerken, daß wir mit dieser Schlange wenig oder nichts ausrichten werden. Denn ihre hartnäckige, böseste Schlauheit übersteigt schon alle meine Begriffsgrenzen, die doch nach meinem Dafürhalten eben nicht gar zu eng aneinander geschoben sein dürften. Ihr ist es ebensowenig enst, in ein besseres Sein überzutreten, wie es uns je Ernst sein könnte, in ihr ärgstes Gericht einzugehen. Denn dies echte Schlangenwesen ist durch und durch zu voll des Giftes. Was sind ihr schon alles für triftigste Vorstellungen gemacht worden, deren Grund und wahre vollkommenste Weisheit sie ebensogut wie wir einsieht! Aber ihr alter Satanswille bleibt dabei stets der gleiche. Sie tut wohl, als ob sie in unser Wollen eingehen wollte. Aber das utt sie nur zum Scheine und wendet dabei alles an, wodurch sie uns am Ende in ihren Sack schieben könnte. - Aber da sage ich: Nichts da, Satanas! Mein Auge sieht schärfer als das deine! Uns wirst du nicht lange mehr herumfoppen; denn wir kennen dich!«

185. Kapitel: Minerva (Satana) will sich rechtfertigen als negativer Pol. Von Cado mit Hohn widerlegt, entlarvt sie sich in ihrer ganzen Bosheit. Sahariel wendet sich mit Ernst zum Gehen. (Am 22. April 1850)

01 Miklosch berichtet weiter: "Spricht die Minerva: »Schweige, du dümmster Esel! Was verstehst und weißt du, was ich zu tun habe und tun muß!? - Meinst denn du, die göttliche Ordnung sorgt bloß nur für die positive Polarität der Wesen und Dinge?! - O du finsterer armenischer Patsch du! Muß denn bei den Wesen und Dingen die negative Polarität nicht im gleichen Maße ausgebildet dastehen?! Ist nicht alles Leben ein fortwährender Kampf der beiden Polaritäten?! Nimm du dummer Esel einem Baume die Wurzel und frage ihn dann, wie lange er noch Früchte tragen wird?! Haue den Tieren die Füße ab und siehe, wie sie dann ohne Füße weiterkommen werden! So durch eine sogenannte gute oder positive Kraft das Blut zum Herzen zurückgedrängt wird und daraus durch eine sogenannte böse Kraft, die ich als negativ bezeichne, wieder vom Herzen hinausgetrieben werden muß, wenn das physische Leben fortdauern soll - sage mir, welche Kraft ist denn da die vorzüglichere, die anziehende oder die abstoßende? Siehst du, grober Lümmel, was du in deiner unbegreiflichen Dummheit alles zusammenredest!? Es versteht sich wohl von selbst, daß die negative Kraft der positiven untergeordnet bleiben muß, weil sie aus ihr hervorgeht - das reine Wasser muß das trübe reinigen und nicht umgekehrt! Aber das alles ist auch Gottes Ordnung, dummer Lippel! Wenn Rom nicht finster wäre wie eine stygische Nacht, so würde die Menschheit nicht nach dem Lichte fragen. Also bin auch ich, wie ich bin, aus Gott und werde es auch also verbleiben - wie du sicher ein Esel in Ewigkeit!«

02 Spricht Cado lakonisch: »Ja, ja, den letzten Namen auf dich angewendet, möchte es sich wohl so begeben! O du Dummheitsprinzessin aus allen Fixsternen heraus! Du wirst mir etwas vorsagen von einer positiven und negativen Kraft und von ihrer gegenseitigen Notwendigkeit! Ich müßte mich wahrhaftig über die Ohren hinaus schämen, so ich darin von dir eine Belehrung anzunehmen genötigt wäre! Sage mir, du schönste Eselin, ist Gott eine ganze oder nur eine halbe Macht und Kraft ohne dich? Bist du notwendig - damit Er ist? Oder könnte Er vielleicht auch ohne dich bestehen, so wie Er ohne dich Ewigkeiten bestanden hat? - O du vor Gott dem Herrn gänzlich zweckloses Geschöpf, du willst mir die Notwendigkeit des Bösen hinaufdisputieren, ohne das es unmöglich irgend etwas Gutes geben könne!? O du dümmstes und blindestes Weibs-Wesen! Worauf gründet sich denn hernach die reinste Liebe, Güte und höchste Macht Gottes? Muß etwa die Gottheit, die doch sicher in allem das vollkommenste Wesen ist, auch zuvor böse sein, um hernach gut sein zu können? O lachet, lachet doch alle Himmel über solch eine Weisheit! Man erzählt sich von der fabelhaften Minerva, daß sie aus dem Haupte des Jupiter entsprungen sei. Aber diese oder jene Minerva wirst du sicher nicht sein. Denn für deine Entstehung müßte man ja nicht das Haupt des mächtigen und weisen Zeus, sondern höchstens - dessen Hinterleib annehmen! - Dein Kleid glänzt freilich wie eine Sonne; doch was nützt das, wenn der Rock noch so glänzt, im Rocke aber ein ganz blitzdummes Wesen steckt!? Bei dir kann man es wohl mit dem vollsten Rechte sagen: Es ist nicht alles Gold, was glänzt! Hat dir der himmlische Freund Sahariel den Grund seines Verlangens nicht handgreiflich und zur Übergenüge (dargetan und dir) gezeigt, wie die Sache zu deinem alleinigen Nutzen nur also und nie anders vor sich gehen kann?! Warum folgst du denn seinem Rate nicht? Hast du ihm doch ehedem alle erdenklichen Vorzüge eingeräumt vor mir - und scheinst ihn heimlich nun ebenso zu verachten wie mich! - O du Haupt aller Bosheit! Ich kenne dich nun ganz und werde auch diejenigen Mittel anzuwenden wissen, die dich mit der rechten Weile denn doch zähmen dürften! Denn auskommen wirst du mir wohl ewig nimmer, und mit deinem Zurückspringen in die alte Drachenhaut wird sich's auch nimmer tun; dafür ist schon durch dieses Strahlengewand gesorgt. Was aber wirst du jetzt tun!?«

03 Spricht die Minerva: »Schweige, du dünnster Esel! Mit dir zu reden ekelt es mir! Meinst du denn, daß ich in diesem Gewande nicht ebensogut meine Pläne ausführen könnte wie in der Drachenhaut, deren ich mich nur auf Augenblicke bei besonderen Gelegenheiten bediente?! O da irrst du dich gewaltig! - Merke es dir: Jetzt werde ich es euch erst (recht) zeigen, was ich kann! - Meine Regimenter - besonders die unter der Ägide der römischen Hierarchie - habe ich noch, und ich werde sie spielen lassen! Da wirst du dann sehen, was ich alles vermag! Inquisitionen, Galgen, Schaffote und auch die alten Scheiterhaufen sollen wucherisch wieder erstehen und ihr Wesen ums hundertfache ärger treiben, als sie es getrieben haben! Und die Herrscher sollen ihre Untertanen mit glühenden Ruten schlagen und sie erwürgen lassen zu Tausenden! Daraus wirst du bald ersehen, was ich auch ohne Drachenhaut zu bewirken imstande bin!«

04 Spricht Cado: »Aber ich sage dazu: Oha, bis hierher und nicht um ein Haar weiter! - Nun hast du deine Beichte vor uns gehörig abgelegt und uns in deiner großen Dummheit selbst deine schönen und menschenfreundlichen Pläne verraten! Und das war sehr gut von dir! Das ist dir einmal gelungen! Bravo! Das hast du gut gemacht! Mehr brauche ich dir nicht zu sagen. Das unsrige werden wir dann schon zu tun verstehen.«

05 Spricht dazu der Robert: »Die geheimst gehaltenen Vorkehrungen sind bereits getroffen! Diesmal wird sich der Satan selbst den völligen Untergang bereiten! Sein Lohn wird ein fürchterlicher sein!«

06 Spricht Sahariel: »Liebe Freunde, ereifert euch nicht dieser Unverbesserlichen wegen! Denn die Hauptmacht ist ihr benommen und mit ihrer Scheinmacht wird ihr wenig geholfen sein. Es wird diese alte Schlange wohl noch etliche beißen und vergiften; aber es wird ihr dann das Handwerk auf ewig gelegt werden. Denn der Herr Selbst wird zu den Sterblichen kommen und wird der Schlange das Handwerk legen! - Sie soll nun tun, was sie will. Je ärger sie es anfangen wird, desto eher wird sie mit ihrer schnöden Arbeit fertig werden. - Und genug nun der Arbeit mit und in der Hölle! Wir werden uns jetzt auf den Rückweg zum Herrn und zu unseren lieben Brüdern machen. Diese aber soll allein und gänzlich verlassen hier machen, was sie nur immer will und mag! An uns soll sie keine Narren mehr haben, mit denen sie ihr loses Windspiel treiben könnte. - Richte dich auf, Bruder Cado! Denn du hast Gnade gefunden vor Gott, darum du dein Böses in dir in Gutes und Wahres gekehrt hast. Du wirst nun auch mit uns hinziehen zum Herrn! Und Er wird dich annehmen und wird dir eine große Macht geben, über die Hölle zu wachen. Diese Minerva aber wird dir untertan verbleiben, weil du sie besiegt hast mit der Waffe der göttlichen Gerechtigkeit. - Mache dich alsonach auf und wandle in unserer Mitte hin vor den Herrn!«

07 Spricht die Minerva: »So,so!? Mich also, mich, als die Perle der Unendlichkeit, wollt ihr nun so ganz mir und dir nichts verlassen und gleichsam davonjagen wie eine feile Dirne vom Tanze!? O das ist sehr schön und löblich von euch! Früher habt ihr durch lauter Lockungen es mit mir so weit getrieben, daß ich nachgab und zu euch herkam. Und nun, da ihr mit meinen Schwächen einige Geduld haben solltet, wollt ihr mich verlassen, weil euch irgendeine kleine Mühe zu sauer ist und ihr der Meinung seid, daß ich rein unverbesserlich sei!? Aber dem ist nicht also! Ich bin vielleicht wie kein zweites Wesen einer Vesserung fähig. Aber nur der soll über mich triumphieren, der mir die gehörige und notwendige Geduld und gerechte Liebe erweist! Ich bin arm geworden und sehr verwaist, und allenthalben spricht man mit der tiefsten Verachtung von mir. Soll ich da nicht voll Mißtrauen sein gegen jegliches Wesen, das sich mir naht - da es mir noch allzeit also ergangen ist, wie nun?! Allzeit wurden mir Verheißungen gemacht, auf daß ich umkehrete zu Gott! So ich aber nahe daran war, da verließen mich die anfangs stets mutigst auftretenden Bekehrer und überließen mich meinem Schicksale, so wie auch ihr es nun machen wollt! Aber tuet nur, was ihr wollt! Ich werde in der Folge denn wohl auch wissen, was ich zu tun haben werde. - Cado! Willst du bleiben, so bleibe, und ich werde dir dann folgen! - Aber mit diesen zweien ziehe ich nicht!«

186. Kapitel: Minerva disputiert und rechtet weiter. Sahariels übergroße Langmut. Graf Bathianyi ärgert sich über die Unverbesserliche und wird selbst rechthaberisch. Minervas Abgang. (Am 25. April 1850)

01 Miklosch berichtet weiter: "Spricht Cado: »Was ich mit dir bisher ausrichtete, das war nicht mein, sondern dieser mächtigen Gottesfreunde Werk. Wenn ich nun allein mit dir zu tun bekäme, wohin würde ich kommen, da du mir allein in jeder Hinsicht zu mächtig wärest. Daher tue ich nun freudigst, was diese beiden mächtigen Gottesfreunde von mir verlangen. Es gibt nichts mehr, was dir nicht gesagt worden wäre. Du hast so viele Belehrungen und Witzigungen empfangen, als es der Welten im endlosen Raume gibt. Aber es war alles vergeblich, da dir dein hochmütiger Wahnsinn stets lieber war als die strahlende Weisheit der vielen an dich gesandten Gottesboten. Deine Sache ist: Alleinherrschaft über alle Himmel, über alle Materie und über alle Höllen! Du willst drei Herrscherkronen, drei Szepter und drei Schwerter! Das ist und war, wie gesagt, stets deine Sache - und ist für dich auch zugleich das unbesiegbare Hindernis deiner von Gott beabsichtigten Freiwerdung, zu der du in dieser deiner Natur wohl ewig nimmer gelangen wirst. - Und nun soll ich, aus mir selbst nichts als ein ärmster, schwächster Teufel, allein bei dir verbleiben und mit dir alle möglichen, bereits erschöpften Bekehrungsversuche machen!? - auf daß du am Ende mich verschlängest wie eine böse Riesenschlange ein Kaninchen, was dein eigentlicher, geheimer Plan ist, den ich jetzt nur zu gut und klar durchschaue! O siehe, dazu wird sich ein Cado nimmer gebrauchen lassen! - Darum gehe ich mit diesen beiden lieben Gottesfreunden! - Du wolltest ja frei sein! Und sieh, diese Freiheit ist dir nun eingeräumt, und du kannst tun, was du willst! Daß du nichts Gutes tun wirst, davon sind wir alle vollkommen überzeugt. Aber wir sind auch davon überzeugt, daß du diesmal dir ein Grab zum ewigen Tode bereiten wirst, dieweil du uns nicht folgen wolltest und von uns verlangtest, was wir zu deiner Freiwerdung von dir selbst zu verlangen von Gott das Recht hatten. - Tue nun aus deiner eigenen Macht, was du willst, aber erwarte von Gott ja nimmer die Zulassung irgendeiner Gewalt; denn diese wird dir nimmer werden!«

02 Spricht die Minerva: »So bitte ich euch alle drei, daß ihr noch eine Weile bei mir verbleibet und versuche zu meiner doch noch immer möglichen Besserung macht! Denn am Willen fehlt es mir jadoch sicher nicht!«

03 Spricht Sahariel: »O ja, das sicher nicht - da du nur viel zu viel Willen hast! Aber was für einen?! Das ist eine andere Frage. - Aber wir wollen, da du es verlangst, deinem Begehren nachkommen und noch einige Augenblicke mit dir die möglichste Geduld haben. Sollten diese an dir nichts ändern, dann wirst du auf immer verlassen werden! Also sei es!«

04 Spricht die Minerva: »Nun denn, da ihr mir das Zugeständnis gemacht habt, so bitte ich euch, daß ihr euch nun ganz kurz und klar erkläret, was ich zu tun habe, um frei zu werden vor Gott und aller Schöpfung.« - Spricht Sahariel: »Schönste, da brauchst du gar nichts zu tun, sondern so zu bleiben, wie du nun bist! Denn frei vor Gott und allen Seinen Geschöpfen warst du seit deinem Anbeginne her. - Es fragt sich nur, ob du - in Gott, deinem Schöpfer und Herrn, wahrhaft frei werden willst? Was du aber zu tun hast, um solch eine allein wahre Freiheit zu erlangen, das weißt du so gut wie wir! Und so kann ich dir darüber auch keinen andern Rat erteilen als: Handle darnach freiwillig! Wolle und tue das, was wir wollen und tun, so wirst du auch das erlangen, was wir dir im Namen des Herrn verheißen haben! Willst du aber das nicht, so ist unsere Geduld an dir vergeblich.«

05 Spricht die Minerva: »Ich müßte also zuvor eine Sklavin werden, um dann erst aus der Sklaverei in die sicher sehr geknechtete Freiheit überzugehen!? O das wird sich bei mir sehr schwer tun lassen, weil in mir ein gewisses Gefühl gegen jede Erniedrigung meines Wesens sich auf das allerentschiedenste ausspricht! Gibt es denn keinen andern Weg als diesen, den ich unmöglich zu wandeln vermag?«

06 Spricht Sahariel: »Wie es nur einen Gott, eine göttliche Ordnung und nur eine Wahrheit gibt, so gibt es auch nur einen rechten Weg, der zu Gott und der wahren ewigen Freiheit führt. Wer diesen nicht betreten und wandeln will, der bleibt ewig ferne von Gott, Seiner Ordnung, Wahrheit und Freiheit. Wer aber in der einzig alleinigen Wahrheit, die von Ewigkeit in Gott ist, nicht frei wird, der bleibt, dir gleich, ein elendester Sklave in Ewigkeit! - Also, nun sage du aber auch uns ganz kurz, bestimmt und entschieden, was du jetzt tun wirst! Willst du mit uns zum Herrn Jesum hin oder willst du nicht hin?«

07 Spricht die Minerva: »Ich wollte, so ich's könnte! Aber ich kann es nicht, weil es mir vorderhand nun nicht möglich ist, aber ich will mir, so ihr mir noch eine kurze Geduld schenken wollt, nun alle erdenkliche Mühe geben, euch folgen zu können. So ich euch (alsdann) in der möglichsten Kürze bekanntgeben werde, ob oder ob nicht - dann könnet ihr denn auch sogleich tun, was immer euch eure Ordnung gebietet!« - Spricht Sahariel: Gut, gut! Auch noch diesen Gefallen wollen wir dir erweisen. Mache dich daher nur sogleich an die Bekämpfung deines bösen Hochmutes!«

08 Miklosch in seiner Betrachtung fortfahrend: "Aha, aha, da sehet nun einmal hin, wie die lose Minerva nun druckt und schluckt und die Augen verdreht, als wenn es ihr noch so ernst wäre, sich zu bessern! O das muß eine allerdurchtriebenste, feinste Canaille sein!".

09 Spricht der Graf Bathianyi: "Freunde, bei der ist, wie man auf der Erde gesagt hat, Taufe samt Chrisam in Grund und Boden verdorben! Bei der alten Hure schaut keine Besserung mehr heraus! Eine dreifache Krone im Herzen und im Kopfe und dazu eine Besserung durch die Demut! Ich bitte euch, laßt euch nicht auslachen! So wenig ich je wieder auf der Erde einen Grafen spielen werde, so wenig wird die sich einmal bessern! Ich habe doch alles vernommen, was ehedem Cado allein und was nun alle drei mit dieser Primadonna der Hölle gesprochen und verhandelt haben. Wie weit sind sie denn mit ihr gekommen?! Auf demselben Flecke stehen sie noch, wo sie mit ihr zu verhandeln angefangen haben. Das Strahlenkleid hat sie wohl angezogen, weil das ihren Stolz und ihre unbegrenzte herrschsüchtige Eitelkeit erhöhte. Aber zu etwas, das nur irgend nach einer geringsten Demütigung riecht, werden die drei sie nie bewegen! Ich glaube, daß sogar ein Papst Roms eher zu irgendeiner Nachgiebigkeit zu bewegen wäre (natürlich durch sehr viel Gold und Silber!) als diese echteste Zentralhöllen-Canaille! Ich meine, man sollte das Luder möglicherweise irgendwohin auf ewig festbannen und sich dann weiter nicht mehr um dasselbe umsehen und kümmern! Denn bessern wird diese sich wohl ewig nimmer."

10 Spricht Miklosch: "Weißt du, lieber Freund, lassen wir das dem Herrn über! Er wird es am besten wissen, was Er mit diesem sonderbaren Wesen tun wird. - Mich aber interessiert nun die Geschichte ganz besonders - fürs erste die ungeheure Geduld unseres allgütigsten, liebevollsten, heiligsten Vaters - und fürs zweite aber auch die wirklich mehr als merkwürdige Art, wie sich die Schein-Minerva überall und zumeist auf eine so gar bescheidene Weise durchwindet, wenn es gilt, daß sie sich umkehren soll. Sie ist wirklich eine Minerva in ihrer freilich leider bösen Art, der keine zweite in die Nähe kommen kann. - Ich begreife bloß nur das nicht, wie sie bei ihrem urhäßlichen Charakter äußerlich so ungeheuer, bis zum rein Rasendwerden, schön sein kann!? Aber es gibt ja auf der Welt auch Ähnliches! Die schönsten Tiere sind gewöhnlich auch die bösesten, die schönsten Blumen giftig und die schönsten Weiber gewöhnlich eines sehr schlüpfrigen Charakters. Unter allen kirchlichen Anstalten auf der Erde steht die römische in der äußern Pracht und Schönheit sicher bei weitem oben an, und im Innern ist sie ohne Zweifel die schlechteste. Und so scheint es mir wenigstens, daß gerade in der vollendeten, lediglich äußern Schönheitsform der eigentliche Hauptcharakter des Höllenwesens zu suchen ist".

11 Spricht der Graf Bathianyi: "Ja, ja, da hast du ganz recht, es ist also! Die schönsten Länder der Erde werden gewöhnlich von den schlechtesten Menschen und bösesten Tieren bewohnt und das Unkraut wuchert allda ungeheuer. In den schönsten Palästen wohnen zwar äußerlich gewöhnlich die schönsten und üppigsten Menschen, aber welches Geistes Kinder sind sie zuallermeist!? - Was äußerlich zu sehr glänzt, das ist meistens des Teufels!"

12 Spricht auch der nebenstehende General: "Ja, wohl wahr, wohl wahr! Je mehr Orden auf dem Rocke, desto mehr Menschen muß man umgebracht und Tausende zu Sklaven und Bettlern gemacht haben! Das weiß ich aus Erfahrung, die Orden stehen zwar gut; aber unter den Orden das Gewissen steht schlecht, so noch eines da ist! Und das ist auch Satan in deutlichster Form, nicht wahr, liebe Freunde und Brüder im Herrn!?"

13 Spricht Graf Bathianyi: "Ja, ja, es ist hie und da auch manchmal etwas daran, aber freilich nicht allzeit - da es doch auch Männer gibt und gab, die ihre Ehrenzeichen sich auf die redlichste Art von der Welt erworben haben. Ich habe zwar auf Orden nie etwas gehalten und war da ein reiner Nordamerikaner. Aber dessenungeachtet gibt es neben den auf eine unrechtliche Art erworbenen Orden auch recht viele Verdienstorden, deren Besitzer rechtliche und biedere Menschen sind und somit auch auf dem rechtlichsten Wege zu solch ehrenden Auszeichnungen gekommen sind. Und so ist nicht anzunehmen, daß unter jeder mit Ordem geschmückten Brust ein schlechtes oder gar kein Gewissen zu Hause sei! Da hast du, Bruder, ein wenig zu viel gesagt! In Medio beati (die Wahrheit liegt in der Mitte)! Beiben wir daher schön in der Mitte, so werden wir vor dem Herrn sicher am besten bestehen können!"

14 Spricht der General: "Du hast in deiner Weise ganz recht, aber ich in meiner auch. Denn ich verdamme ja auch nicht jede geschmückte Brust, aber der erste Schmuck jeder Brust ist und bleibt ewig die reine und wahre Liebe zu Gott und zum Nächsten. - Wo diese einer noch so geschmückten Brust mangelt, da gelten bei mir alle andern noch so rechtlich erworbenen Ehrenanhängsel nichts. Wenn aber der Herr Selbst sagte: »So ihr alles getan habt, so bekennet es in euch, daß ihr ganz unnütze und faule Knechte waret!?« - Wie soll da ein wahrer Nachfolger Christi des Herrn sich ein ehrendes Verdienstzeichen auf seinen Rock anhängen lassen können!? Ich meine, dagegen wird doch niemand etwas einzuwenden haben! Denn das ist Gottes Wort!"

15 Spricht der Graf Bathianyi etwas gereizt: "Ja, ja, und noch einmal ja, ja, ja! Du hast recht, aber ich habe deshalb eben auch nicht unrecht. Denn Recht bleibt Recht. Und es versteht sich von selbst, daß es ohne die Liebe kein Recht und ohne das Recht auch keine wahre Liebe gibt und geben kann!"

16 Spricht Miklosch: "Brüder, wie ich merke, so kommt ihr vor dem Herrn und allein ewig wahren Richter in eine Art Rechtskampf wegen nichts und wieder michts! - Höret, da, wenige Schritte zu eurer Rechten, steht der Herr voll Liebe, Güte und Sanftmut! Das ist der allein wahre und vollkommene Richter! Ihn fraget um den rechten Bescheid, und ihr werdet dann sogleich erfahren, wer von euch das vorzüglichere Recht hat! - Wer aber wird hier im Gottesreiche vor dem Herrn Selbst einen irdischen Ordensstreit beginnen wollen, der gerade jetzt bei dieser vielleicht für die ganze Ewigkeit wichtigsten Erscheinung dort im Norden ebenso am ungeeignetsten Platze ist, wie die Faust eines Riesen auf dem Auge eines zarten, augenkranken Kindes."

187. Kapitel: Minervas (Satanas) seltsam theatralischer Abgang zu ihrem letzten Kampfe. Die hölliche Lügnerin verschwindet. Sahariel, Robert und Cado kehren heim. Jesus nimmt Cado auf.

01 Rede Ich: "Halt, halt! Nur nicht zu weit von allen drei Seiten! - Und nun keinen Lärm! Denn die Schwangere ist in Kindesnöten und darf in der Geburt nicht gestört werden! Miklosch, mache dich nur wieder an dein nur noch sehr kurz dauerndes Geschäft und mache den Dolmetsch! - Ich sage euch, die Ernte ist zur Reife gediehen, sie ist vor der Türe! Aber die Schnitter sind auch gerüstet zur Arbeit. - Ich merke auf der Erde einen starken Jammer. Der Satan möchte sie schlagen mit zehnfacher Finsternis. Aber dieses - letzte Mal wird er seine Rechnung nicht finden! Denn seine Mühe sei verflucht! - Passe du, Miklosch, jetzt aber nur auf! Denn von nun an wird jeder Schritt des Satans auf sehr kurze Zeit von großer Bedeutung sein für die Erde, den Prüfungsort Meiner Kinder! Schaue jetzt nur wieder hin und rede!"

02 Miklosch Sieht nun wieder hin und spricht: "Ah! Was Welt und alle Wetter! Die Minerva braust nun auf einmal auf und verlangt ein Schwert zum Kampfe auf der Erde wider den Unglauben und wider alle Ketzerei!

03 Der Sahariel aber deutet auf die Zunge und sagt: »So dies lebende Schwert nichts fruchtet, da ist auch jedes andere vergeblich! Das lebendige Schwert, so es mit dem Herzen im verbande steht, wirket für die Ewigkeit wie auch der Herr sprach: ,Dieser sichtbare Himmel und diese Erde werden vergehen, aber meine Worte ewig nimmer!' - Also wenn du es redlich meinst, so wirke durch Worte! Das Schwert aber lasse du stehen! Denn so du mit dem Schwerte predigen wirst, da wird das Schwert auch dein sicheres Ende sein. Denn wer nach dem Schwerte greift, der wird auch durch das Schwert zugrunde gerichtet werden. - Begebe dich in Frieden, sonst wird deine Zeit ganz entsetzlich verkürzt werden!«

04 Spricht die Minerva: »Ich will ein Schwert, und es geschehe darauf, was da wolle! Ich will ein Schwert! Ein Schwert, ein Schwert gebt mir! Denn nun will ich endlich einmal mit Gewalt und wie von heute bis morgen die Erde segen!«

05 Spricht darauf Robert: »Nun gut denn, du verlangst ein Schwert - und hier ist eines! Nimm es hin und gebrauche es nach deinem Wissen und Gewissen! Der Lohn wird dir diesmal auf der Ferse nachfolgen!«

06 Robert reicht ihr ein Schwert hin. Minerva reißt es ihm völlig aus den Händen und lacht echt satanisch-höhnisch dabei auf, sagend: "Hahaha! Ist das ein Schwert - aus Blei oder Pappendeckel! - Hahaha! Ist das etwa ein Sinnbild eurer himmlischen Macht und Stärke und Festigkeit!?« - Spricht Robert: »O nein, Holdeste! Wohl aber ist es ein Symbol deiner nunmehrigen Macht!- Gehe hin und kämpfe, du Elende, und erringe deinen elendesten Sieg! - Willst du aber mit uns ziehen, so steht dir auch dieser Weg offen! - Nun denn, Herkles am ewigen Scheidewege, erkläre dich, was du tun wirst?!«

07 Spricht Minerva: »Ich werde kämpfen auch mit diesem Schwerte!« - Spricht Robert: »Nur zu mit dieser Waffe! Aber gib acht, daß sie dir morgen auf der Erde nicht zu kurz wird! Diesmal soll dir der letzte Kampf - aber allein nur auf deine Rechnung! - zugelassen werden. Und genug nun der Worte mit dem Satan! - Gehen wir unseres Weges! - Der Herr richte dich nach Seinem Wohlgefallen!«

08 Miklosch fortfahrend: "Nun verschwindet Satana plötzlich und die drei eilen unter Vortritt des Sahariel hierher. - Jetzt bin ich neugierig, was sie alles etwa von ihren anderweitigen Himmelsbereisungen erzählen werden! Sie kommen, sie kommen schnell!"

09 Im selben Augenblicke sind die drei auch schon hier. - Und Sahariel tritt vor Mich hin, verneigt sich tiefst und spricht: "O Herr! Du alliebender, allmächtiger, bester, heiligster Gott und unser aller Vater! Mit dem Bruder Robert-Uraniel allein bin ich von Dir und in Deinem Namen hinausgegangen, um ihm ein Fünklein Deiner endlosen Herrlichkeit zu zeigen. Er sah seine Urheimat (den Planeten Uranus) und hatte eine ungemeine Freude daran. Und alles pries und preiset dort Deinen Namen. Aber auf dem Rückwege führte uns Dein heiliger Geist zu einer großen Szene, die für alle Deine Himmel und für die kleine Erde als Geburtsstätte Deiner Kinder von größter Bedeutung sein wird. Aber diese Szene war ein glühend heißes Werk! Die ganze Hölle empörte sich wider Dich und alle Deine Himmel! Der Satan schmückte sich gewaltig und wurde schön wie Deine Himmel, um durch solche Schönheit alle Himmel an sich zu ziehen.

10 Aber hier steht ein starker Geist, in sich schlecht und recht - böse und gut - ein Wesen seltener Art! Dieser Geist warf zuerst frei aus seinem eigenen Willen heraus der glänzenden Fürstin der Hölle über die glühende Flut ihres Grimms den Fehdehandschuh hin und kämpfte mit ihr wie einst Dein Sohn David mit dem Riesen Goliath. Ihr Äußeres bezwang er wie ein Meister, aber das Innere dieser Fürstin blieb wie bisher noch stets dasselbe. Dieser beherzte Geist stehet hier, sein Name ist Cado. Und so bin ich und der Bruder Robert-Uraniel um einen Bruder reicher hierher zu Dir, heiligster Vater, wiedergekehrt. Wir wollen Dich nicht bitten, daß Du ihn annehmen möchtest in dein Reich, da Deine unendliche Güte und Liebe uns schon lange zuvorgekommen ist, aber unsere große Freude nur wollen wir hier vor Dir, o heiligster Vater, so ganz nach unserer Herzenslust ausschütten darüber, daß Deine Liebe und Macht uns einen so herrlichen Bruder hat finden und gewinnen lassen! Dank, Lob, Liebe, Preis und alle Ehre Dir allein dafür!"

11 Rede Ich: "Meine Liebe, Meine Gnade und meinen Segen euch und ihm! Er war schon wie verloren, aber ein Fünklein war noch in ihm, das da lebendig ward in der Qual, die ihm sein einstiges irdisches Oberhaupt bereitet hat - und das rettete sein Herz und verlieh ihm eine große Kraft, mit der er Mir dann wahrlich unaufgefordert einen großen Dienst erwies. Aber er soll dafür auch einen großen, freien Lohn überkommen und ein Meister werden im Kampfe wider die Hölle.

12 Mein geliebter Cado! Ich sage dir, trete näher zu Mir herzu! Denn Ich habe dir Großes und Wichtiges zu geben!" - Cado tritt näher, verneigt sich tief und sagt dann: "Herr, ich hatte von Dir wohl eine ganz andere Vorstellung. Aber da ich Dich nun also in der schlichtesten Einfachheit treffe und sehe, so bist Du mir unter diesem Bilde auch am allerangenehmsten. Und ich frohlocke tiefst in meiner Wonne, daß Du als das allerhöchste Gottwesen so höchst schlicht und einfach bist! So habe ich mir die Gottheit oft in meinem Herzen gewünscht - wenn ich Sie mir auch stets endlos glänzend und unzugänglich denken mußte, weil meine halb türkischen und halb jüdisch-christlichen Begriffe mir keine andere Vorstellung von der Gottheit ermöglichten. Aber da ich jetzt hier meinen Gott und allmächtigen Schöpfer so finde, wie ich mir Ihn gar oft im Herzen, freilich ganz heimlich nur, gewünscht habe, so bin ich nun über die Maßen froh und stelle sofort Dir, o Herr, meine allerkleinste Kraftwenigkeit zum bereitwilligsten Dienste. - Aber nur müßig lasse, o Herr, mich nicht sein! Denn meine Freude ist, etwas Gutes zu tun. - Was wird denn nun mit der sogenannten Minerva geschehen? Soll sie so verbleiben? Oder sollen wir etwa doch noch weitere Vesserungsversuche mit ihr machen? Denn so (wie sie ist) wird sie viel Unheil auf der Erde anstiften, worauf sie ja auch ganz sicher ausgegangen ist"

13 Rede Ich: "Sei deshalb ruhig, lieber Cado! Diesmal ist ihr, wie allen ihres Sinnes, die endliche Falle gelegt, in der sie sich unausweichbar fangen wird! Wir aber werden nun etwas ganz anderes beginnen!"

188. Kapitel: Jesus mit Robert und Helena. Wiedersehen der beiden Gatten. Sie erkennen und lieben sich in ihrem beiderseits gesteigerten Werte. Ein wahres Ehepaar der Himmel. (Am 1. Mai 1850)

01 Rede Ich: "Robert, siehe hierher! Die du lieb hast, ist die ganze Weile, während der du auswarest, an Meiner Brust gehangen. Du hast sehr viel gesehen und hast große Erfahrungen gemacht. Aber frage sie, was sie unter der Zeit deines wichtigen Ausseins alles gesehen und gehört hat! - Du bist in Meine Himmel gedrungen - und diese deine Helena tief in die großen Geheimnisse Meiner Liebe. Was meinst du nun, wer von euch beiden an tiefen und wichtigen Erfahrungen des Lebens wohl die größten und weitesten Fortschritte gemacht hat?"

02 Spricht Robert-Uraniel: "O Herr, sicher diese liebste Helena hier! Denn wer an der Urquelle selbst schöpft, der empfängt sicherlich des Lebens reinstes Licht. Wer aber durch Umstände, wie sie Deine heilige Ordnung erheischet, genötigt wird, hinauszugehen und an den weitgedehnten Ausflüssen Deiner Liebe, Weisheit und Macht die Wunder Deiner Erbarmung zu besehen, der trinket Deine Gnade nur tropfenweise, während eine Helena in den gewaltigsten Zügen ganze Ströme Deines Urlichtes in ihr Herz aufnimmt und dadurch in den ungeheuern Sehkreis Deiner endlosen Erbarmungen und Wundertaten geleitet wird. Eine flüchtige Sekunde ihres ungetrübtesten Schauens in Dein Herz muß ihr ja mehr enthüllen als mir in der sichtlichen Ferne von Dir ein ganzes irdisches Jahrtausend! - Aber wie werde ich denn nun vor ihr bestehen? - Ich, ein durch winzige Lichttropfen gesätigter Geist! Und sie - Ströme und Meere des Lichtes aller Weisheit in sich fassend!"

03 Rede Ich: "Dessen kümmere dich nicht! - So jemand auf Erden sich ein Weib nimmt, so wird sie ihm umso lieber sein, je reicher sie bei andern, gleich guten Eigenschaften (an irdischer Habe) ist, und so wird es dir hier wohl auch sicher nicht unangenehm sein, so hier dein rechtes Weib möglichst reich ausgestattet ist und einen derartigen Schatz von Mir überkommen hat, daß ihr beide daran für die Ewigkeit zur Genüge haben werdet. - Ihr Schatz besteht in einer unschätzbaren Fülle der Liebe. Und dein Schatz an Weisheit ist auch nicht der kleinste.

04 Wohl bist du nur mit Tropfen gespeist worden, wo sie Ströme in sich eingesogen hat. Aber so du einen solchen Tropfen in die Fülle ihrer Liebe tauchen wirst, so wird daraus eine Unzahl von Wundern und neuen Geschöpfen und Werken entstehen, an denen du dich nimmer wirst satt sehen können. Und du wirst darinnen dann erst Meine Macht, Größe, Liebe und Weisheit in aller Fülle stets mehr und mehr zu ersehen, zu bewundern und anzubeten beginnen. Denn alles, was mit dir bisher geschah, das war nur eine nötige Vorbereitung zu all dem, was du von nun an beginnen wirst!

05 Du sahest dein Haus zuerst von außen, und es gefiel dir ganz ungemein. Als du aber in den ersten Saal deines Hauses kamst, da gefiel es dir noch bei weitem besser, da du darauf bald zu einer Gesellschaft kamst, die zwar noch sehr roh aussah - als deinem Inwendigen in allem entsprechend. Aber sie ward bald sanft, als dein Inneres selbst lichter und sanfter wurde. Es ward darauf ein zweiter Saal geöffnet, der große Speisesaal, allwo du die Tische zu ordnen hattest, die dir viel Bangens machten. Darauf traten wir in einen dritten, sehr großen Saal, das Museum benannt. Da lerntest du im weitesten Umfange alle deine Mängel und des Todes Samen in dir kennen und schafftest sie aus dir nun alle hinaus, indem du auf den Grund der Hölle (von deinem Urentstehen an) zu dringen und dich von ihr zu reinigen hattest. - Und nun stehest du noch im selben Museumssaale vor Mir!

06 Aber hier ist des Bleibens noch nicht! Daher werden wir uns nun in die große Schatzkammer begeben, in der dir die Schätze ersichtlich werden, die du mit der Helena als eine freie Mitgabe von Mir erhältst. Rufe daher die ganze, nun sehr große Gesellschaft zusammen, und wir werden uns dann sogleich in den vierten großen Saal begeben, der da ist die große Schatzkammer deines Hauses. Grüße aber vorerst deine Helena, dein himmlisches Weib!"

07 Robert begrüßt nun die Helena mit wahrer Engelszärtlichkeit. Und diese erwidert allerholdseligst den Gruß, ihm freundlichst die Hand reichend. - Robert vergeht nahe vor Wonne und sagt: "O du meine himmlische Helena, wie groß bist du nun, und wie klein bin ich vor dir!"

08 Spricht Helena: "Liebster Robert-Uraniel! vor Gott, dem Herrn, Der da ist unser aller Vater voll der reinsten Liebe, gibt es weder irgend etwas Großes, noch etwas Kleines, sondern alles ist gleich - nur Sein Werk! Er aber gibt dem einen Werke diesen, einem andern Werke einen andern Zweck. Wo aber der Zweck göttlich, da ist auch das Mittel gut, durch das irgendein solch göttlicher Zweck erreicht wird. Ich bin ein Mittel, und du bist es auch in der Hand der göttlichen Liebe und bist, so wie ich, weder groß noch klein, sondern gleich mit mir in der Liebe vor Gott. Daher machen wir uns gegenseitig keine Lobreden mehr, sondern ergreifen wir uns dafür so recht innigst in Gott, unserem heiligen Vater! Deine Weisheit vermähle sich wahrhaft mit meiner in Gott reif gewordenen Liebe! Und werden wir so dann eins vor Gott, so werden wir ein wahrhaftiges Ehepaar im Himmel und werden als ein solches leben und wirken nach und in der Ordnung Gottes. - Meinst du nicht auch, daß es also um vieles besser und klüger sei, als sich gegenseitig leere, nichtssagende Lobeserhebungen zu sagen und sich das Herz damit zu trüben?!"

09 Spricht Robert-Uraniel: "Du liebste, holdeste Schwester in Gott, dem Herrn und Vater - und Weib meines Herzens! Du hast ganz vollkonmmen recht! Also ist es und ewig nimmer anders! - Ach, wie selig doch haben mich deine Worte gestimmt! Ich hätte dir wahrlich jedes vom Munde wegküssen mögen! Denn ich sah mit deinen gar so himmlisch klingenden Worten den Geist der reinsten göttlichen Liebe mit in mein Herz herüberströmen. O welch eine liebliche Harmonie entfaltete das in meiner hochseligen Brust! - O ihr armen Schulvölker der mageren Erde, könntet ihr je so einen harmonischen Sang in euren Ohren vernehnen, dann würdet ihr es mit einem euer irdisches Leben zermalmendem Staunen gewahren, welch eine Macht im himmlischen Sange verborgen ist! - O Gott, welcher Masse von Seligkeiten gehe ich nun entgegen! Was alles wird meinen über die Maßen erstaunten Augen in der großen geheimen Schatzkammer des Herrn begegnen!? O Gott, o Gott, was alles habe ich schon gesehen und was werde ich noch sehen?! Seligkeiten ohne Maß, jede von neuen, nie geahnten Wundern der göttlichen Liebe, Weisheit und Macht begleitet!" - Hier fällt Robert- Uraniel der Helena an den Hals und küßt sie auf die Stirne.

10 Ich aber segne sie beide abermals und bedeute dem Robert, daß er nun alle zum Weiterzuge aufrufen soll.

189. Kapitel: Cyprian bei Jesus. Der beste Dank. Jesu Führungsweise. Wege zu Roms Gericht. (Am 4. Mai 1850)

01 Robert geht nun zu den vielen Freunden hin und verkündigt ihnen, was nach Meinem Willen jetzt zu geschehen habe.

02 Währenddessen aber tritt Pater Cyprian, seine Freunde, den Dismas und den Pater Thomas samt dem General verlassend, zu Mir hin und sagt: "Herr, Du bester Vater der Menschen und Engel! Das rein höllische Zwischenspiel hat ein hübsches Weilchen gedauert. War aber eben nicht sehr amüsant. Das beste an der Sache ist, daß da mit dem Verschwinden jenes wirklichen Ur-Satans nun auch das leidige Abbild aus meiner Brust gänzlich verwunden ist. Denn die beiden Brüder Dismas und Thomas haben mit mir nahezu den gleichen Exorzismus (Teufelsaustreibung) ins Werk gesetzt, wie dort im Norden der famose Cado mit der Schein-Minerva. Und ich bin nun, soweit ich mich nur immer durchforsche, wenigstens von alledem rein, was in mir, wie gesagt, römisch war. Geiz, Neid, Habsucht, Herrschsucht und Rechthabegier sind nun ferne von mir. Mit einem leichten und freien Gemüte stehe ich, o Herr, jetzt vor Dir und bitte Dich auch um einen kleinen Segen. Es ist die Bitte wohl ein wenig verwegen, ich sehe es ein. Aber da Du schon den guten Bruder Robert gar so übermäßig gesegnet hast, daß er sich vor lauter Seligkeit beinahe nimmer zu helfen weiß, so wirst Du ja auch mir meine Bitte nicht für eine Art Vermessenheit anrechnen!"

03 Rede Ich: "Nein, nein, das ewig nicht! Nur kommst du mit deiner Bitte etwas zu spät. Denn Ich habe dich schon gesegnet!" - Spricht Pater Cyprian: "So ist es an mir, Dir, o Herr und Vater, dafür gebührend zu danken!"

04 Sage Ich: "Ist auch schon geschehen! Denn Ich lese es in deinem Herzen, und das ist mir der gültigste und angenehmste Dank. Hast du Mir aber den besten Dank schon geleistet, wozu nachher noch einen schlechteren hinzufügen wollen?" - Spricht Pater Cyprian: "Ja, aber davon weiß ja ich selbst beinahe kaum etwas! Wie soll dann eine mir selbst beinahe ganz unbewußte Handlung vor Dir einen Wert haben können!?" - Sage Ich: "Weil sie Meiner Lehre im Evangelium gemäß ist - wonach auch die linke Hand nicht wissen soll, was die rechte Gutes tut in Meinem Namen! Meinst denn du noch immer, ein mir wohlgefälliger Dank müsse mir, nach Roms Art, unter weithin schallendem Geläute aller Glocken, unter dem gewaltigsten Tönen der Orgeln, Pauken, Trompeten und Posaunen und unter dem gräßlichen, sinnlosen Geplärre lateinischer Hymnen dargebracht werden!? O Freund, sieh, alles das ist vor Mir ein barster Greuel! Wer Mir recht danken will, der danke Mir im Herzen, und zwar also, daß sein hochweiser Verstand dabei nicht viel mehr zu tun hat, als ein gemeiner Handlanger bei irgendeiner Meisterarbeit. Und solch einen Dank hast du Mir schon dargebracht. Nun, so Ich damit überaus zufrieden bin, was willst du nachher denn noch?"

05 Spricht Cyprian: "Mein Gott und mein Herr! Du bist zu gut, zu gnädig und zu sehr barmherzig, daß Du die puren Gedanken des Herzens als etwas Dir wohlgefälliges ansehen magst! Ehre, Lob, Liebe und Preis sei darum mir allein ewig! Du ordnest alle Dinge richtig, und Deine Kinder führst Du den rechten Weg, daß sie nimmer irren können in der Fülle. - Ich war ja zwar sehr in der Irre, und mein Herz machte seine Lebensschläge in großer Trübnis; aber Du ließest es nicht zu, daß da mein Herz in seiner Nacht erstarrte und keiner Pulse der Liebe zu Dir mehr fähig geworden wäre. Darum dir allein ewig allen Preis, allen Ruhm, alle Ehre, alle Anbetung und alle unsere Liebe!

06 Es geht zwar nun wieder auf der Erde sehr traurig, düster und finster zu, wie ich es jetzt häufig merkte; aber es ist recht also, wie Du, o Herr, es zulässest. Denn es muß ja auch das Unkraut zur Reife kommen und seine Wurzel dürre und tot werden, auf daß es dann von Grund aus zerstört und vernichtet werden kann. Wie das Gute von Dir, so auch muß das Böse sich tatkräftig äußern, damit es als wahrhaft Böses erkannt und verworfen werden möge. Und so lässest du nun auch die arge Planze einen Wuchertrieb tun, auf daß sie desto eher dürr und tot werde. - Ein Stein, der nie in die Höhe geworfen wird, kommt nie zum Falle. So Du aber den Pfaffen es zulässest, sich höher und höher aufzuschwingen, so ist ihnen dadurch auch der Fall gegeben.

07 Das Böseste auf der Erde ist nun das römische Pfaffentum; es erhebt sich unter der Maske der Frömmigkeit und steigt höher und höher. Aber so es bald mit seinem stolzen Flügelpaare an die eherne Decke Deiner Himmel schlagen wird, da werden ihm die Flügel verstört werden durch Feuer aus den Himmeln, und es wird da einen erschrecklichen und letztem Fall tun, nach dem keine Erhebung mehr möglich sein wird. Ein trauriger Weg zwar; aber gut, recht und gerecht ist er und verfehlt nimmer des rechten Zieles Mitte!

08 Ich war falsch, schlecht und böse vor Dir und Deiner Erde, o Herr, und stieg und stieg höher und höher, um desto tiefer zu fallen. Aber als ich völlig gefallen war, da erst kamst Du, o Herr, und halfst mir wieder empor und machtest so aus einem Teufel einem Menschen nach Deinem Maße und nach Deiner Zahl. Und so tust Du, o Herr, fortwährend! Darum sei Dir wieder aller Ruhm, alle Ehre, aller Preis, alle Anbetung und alle Liebe! Denn Deine Erbarmungen sind unbegrenzt und Deine Liebe und Gnade erfüllet da alle Räume der Unendlichkeit. Den Niedern erniedrigst Du noch mehr, auf daß er vollkommen werde und näher komme Deinem Herzen. Aber die Hohen erhöhest Du und bereitest ihnen den vollkommenen Fall, auf daß sie dann als Gefallene ersehen mögen, wie gar so eitel da war all ihr Mühen und wie gar nichts sie sind vor Dir, o Herr! Wohl aber denen, die ihren sichern Fall merken und sich demütigen vor Dir! Die aber sich in ihrem Falle werden erhalten wollen - denen ein dreifaches Wehe! Denn ihr Weg wird ein heißer sein und ihre Umkehr nahezu unmöglich.

09 O Rom, o Rom! Du pochest vergeblich an die eherne Pforte deiner alten Macht! Siehe, die Riegel sind verrostet und unbeugsam sind die Querstangen, mit denen du selbst die Türe zum Gottesreiche verrammt hast allen, die da hinein wollten! Ich stehe vor Gott dem Allmächtigen und Sein Auge sagt mir: deine letzte Mühe wird dir einen schnöden Lohn bringen! Du dürstest nach Blut, und Feuer willst du speien über der Erde weite Triften. Aber wehe dir! Der Herr hat dir eine Nacht vorbereitet, die dich selbst verschlingen wird wie eine hungrige Schlange einen Sperling!"

190. Kapitel: Bitte um Heil für die Erde durch die Altväter. Jesu Antwort. Von den Vorbereitungen zur Wiederkunft des Herrn. Robert und Helena mit Cado an der Pforte der Vollendung. (Am 10. Mai 1850)

01 Treten alle Propheten und Apostel zu Mir dem Herrn und sagen: "Ja Amen! Dein Name werde geheiliget, wie hier in Deinen Himmeln also auch auf Deiner Erde, die da nach Deiner ewigen Ordnung eine wahre Probestätte ist für die Geschlechter, welche zum ewigen Dasein erkeimen unter Deinem Herzen! Aber nur das, heiliger Vater, bitten wir Dich alle aus einem Herzen und aus einem Munde: Lege dem Satan endlich einmal sein schnödes Handwerk! Nehme hinweg von Deiner Erde den Purpur und mache verschwinden Gold, Silber und das eitle Edelgestein, auf daß die Menschen nicht mehr nach dem Schimmer dieser unflätigen Dinge gieren, sondern nur nach reiner Liebe und Wahrheit (streben)! Welche Schätze des Geistes müssen zu Grabe getragen werden und können nie vom Lichte Deiner Sonne beschienen werden, weil das Jagen nach all den eitlen Dingen die Menschheit über die Maßen hindert, ihren Geist nach Deiner heiligen Ordnung zu erwecken und dann aus ihm unvergängliche Reichtümer für Zeit und Ewigkeit zu schöpfen!

02 Lege sonach endlich einmal dem Satan sein schnödes Handwerk! Mit seinem Verschwinden aus der Sphäre der Wirkung wird und muß die Menschheit zu allem, was da gut und wahr ist, geneigter und geneigter werden - weil wir (Deine Diener) dadurch einen freieren Wirkungsraum einnehmen können und sicher auch werden. Widrigenfalls muß die Menschheit stets tiefer und tiefer ins Verderben sinken. - Wohl sind Deine Ratschlüsse unerforschlich und unergründlich Deine Wege. Niemand, außer Dir, ist es bekannt, wie Du in solchen Fällen vorgehest, um alles am Ende dem einzig rechten und besten Ziele zuzuführen. Aber bei manchen Wesen wird wohl eine übergedehnte Zeit erfordert, bis sie zu ihrem vorbestimmten Ziel gelangen. Also eine Abkürzung der langen Wege und der Zeiten Dauer, wie Du, o Herr, sie Selbst Deinen Völkern allen verheißen hast, wäre uns Gottgesinnten allen wohl das sehnlichst Erwünschte!

03 Es ist wahrlich schade für Deine sonst so schöne Erde, daß sie die ihr stets neu geschlagenen Wunden nimmer zu heilen vermag, so Du, o Herr, ihr die stets gleichen Quäler nicht vom Leibe schaffst! - Was Du aber tun wirst, o Herr und Vater, das tue ja bald! Denn sonst verschmachten die Menschen vor der zu bangen Erwartung der Dinge, die da noch über die Erde kommen dürften. Wir (Deine Diener) warten freilich wohl leicht, da nun auch vor uns ob der großen Seligkeit bei Dir, heiliger Vater, tausend Erdjahre gleich sind wie ein flüchtiger Lenztag. Aber den armen, noch in sterblichen Hüllen lebenden Brüdern auf Erden werden bange Minuten zu Jahren und Jahre zu Ewigkeiten. Daher tue aus, o Vater, den reichen Born Deiner Liebe und Gnade, suche die Armen auf Erden gnädigst heim und kürze diese arge Zeit ab! - Dein allein heiligster Wille geschehe allzeit und ewig!"

04 Rede Ich und sage: "Ihr tut wohl daran, daß ihr also bittet. Aber es geht euch allen bei euren Bitten stets also, wie jenen, die überall zu spät kamen und darum auch vor Mir stets zu spät kommen müssen, weil Ich überall, und ganz besonders hier in den Himmeln, in allem der Erste bin und sein muß eine Bedingung, ohne die ihr nimmer einer Bitte und irgendeiner Handlung fähig wäret. Ihr seid wie Meines Leibes Glieder, die nicht eher zu handeln vermögen, als bis Mein Geist sie zu handeln antreibt. So es aber allenthalben in euch Meines Geistes bedarf, wie könnet ihr in euch wohl meinen, daß Ich durch eure Bitte erst müßte dazu bewogen werden, etwas zu bewerkstelligen, dessen Notwendigkeit oder Nichtnotwendigkeit Ich schon lange eher eingesehen habe, bevor noch irgendein Geist aus Mir sich eines freien Bewußtseins erfreute?! - Kurz, Meine lieben Kindlein, ihr kommet denn schon allemal und überall zu spät! Denn so ihm über eine Sache erst so ein wenig nachzudenken beginnet, da habe Ich schon um tausend Erdjahre vorgesorgt und alles so in den Gang gesetzt, daß nun die Wirkungen und Erfolge eben also zum Vorscheine kommen müssen, weil sonst am Ende der allgemeine Hauptzweck unmöglich erreicht werden könnte, der da ist - ein ewiges, schöpferisches, freiestes Leben Meiner göttlichen Gegenwart gegenüber. Wenn jetzt in den meisten römisch-katholischen Staaten auf Erden die sogenannte Religion, auch die römische, freigegeben ist, was da durch Mein Einfließen in die Verständnisse derer bewirkt ward, denen das Staatsruder anvertraut ist - und diese (Staatsleiter) dann solche Anordnungen zu treffen genötig sind, durch welche die herrschsüchtigste Hierarchie zugrunde gehen muß, so meine Ich, daß man da doch unmöglich mehr tun kann!?

05 Soll Ich denn Hierarchien durch ein Feuer vom Himmel mit einem Schlage tilgen? - O das geht im allgemeinen nach dem großen Werke der Erlösung wohl nicht mehr! Keine allgemeine Sündflut mehr, und kein Untergang Sodoms und Gommorras mehr!

06 Aber ein jedes Übel der Erde ist nun sein eigener Richter, und die Strafe folgt der Sünde auf der Ferse. Die Hierarchen verlangten ihre alte heidnisch-grausame Priesterfreiheit. Und sehet, sie sei ihnen aber ohne materielle Macht! Denn auch die materielle Macht des Staates ist frei unter ihren Regenten und kann sich nimmer von der Hierarchie knechten lassen. So aber nun die Hierarchen von ihrer grausamen Freiheit auch nur irgendeinen geringsten Gebrauch machen, so werden sie dadurch Tausende bewegen, aus ihrer schlechten Gemeinde in eine bessere überzugehen, wozu nun jedermann der freieste Weg für Seele und Geist mit guter Befugnis gebahnt und gegeben ist, wenn solche Übertritte von Tag zu Tag sich mehren werden, so wird die Hierarchie mit einigen wenigen Narren bald allein dastehen und ihr sicheres Ende an den Fingern zu berechnen anfangen. Wenn Ich aber solches veranlasse, wovon jedem die sicherste Folge einleuchtend sein muß, was soll Ich denn da noch mehr tun? Während ihr hier bittet, sind schon Tausende von Rom abgefallen! Kann da die Zeit noch mehr verkürzt werden? Wenn der Schlange das Gift gegeben ist, sich selbst zu töten, da sie damit in ihrer Ohnmacht niemand anders mehr erreichen kann, ist nicht alles getan zu ihrem Untergange, der nun notwendig geworden ist?

07 Wie könnte Ich verheißenermaßen je wieder zur Erde kommen, so nicht der argen Hierarchie auf diese allein wirksame Weise ihr altes Handwerk gänzlich gelegt würde!? Käme Ich ohne dem zu den Armen, da würde die Hierarchie Mich womöglich ergreifen und abermals mehrfältig kreuzigen. Käme Ich aber zu den Reichen, so würde sie Mich in den Bann tun und wider Mich die ganze Hölle entflammen, zehnfach ärger als je, und alle Welt würde sich in einem langwierigen, gräßlichsten Kriege zerfleischen. Käme Ich aber als Gott - nun, das begreift ihr doch sicher, daß da die ganze Erde gerichtet würde und kein Wesen aus ihr eines freien Atemzuges mächtig wäre.

08 So Ich aber zur Erde komme, kann Ich nur zu den Armen kommen. Darum muß zuvor die reiche Hierarchie in allem in die tiefste Armut gelangen. Der Verlorene muß mit den Schweinen Kost nehmen und die Reichen dürfen ihm sogar diese nicht gönnen. Und erst so ist auf der Erde eine rechte, nun baldige Ausgleichung aller herrschsüchtigen Bestrebungen möglich und daneben auch Mein Entgegeneilen dem Verlorenen.

09 Eure Bitte aber war dennoch recht, denn sie ward euch also gegeben; aber Meine Handlung kam ihr um vieles zuvor! Nun aber kommt Robert-Uraniel mit seinen Scharen! Daher seid alle bereit zum nötigen Weiterzuge!"

191. Kapitel: Aufbruch zum großen Saal der Vollendung. Robert und Helena gehen vor Cado voran und finden eine verschlossene Himmelspforte. Minerva tritt wieder auf. (Am 13. Mai 1850)

01 Alles begibt sich nun schnell in Meinen Willen. Und Robert-Uraniel konmmt und sagt: "Herr und Vater, es ist alles geordnet nach Deinem Willen, nach Deiner heiligen Ordnung!"

02 Sage Ich: "Also gehen wir denn dorthin gen Morgen, wo du in scheinbar großer Ferne zwei mächtige Säulen ersiehst! Alldort ist der vierte Großsaal der Vollendung, wo der eigentliche Himmel erst seinen Anfang nimmt für die Sphäre deiner Liebe und Erkenntnis. Nimm hier dein Weib, auf daß du aus Meiner besonderen Liebe in dir als vollkommen eingehest in das Reich deiner Liebe und deiner Erkenntnis! Also sei es!"

03 Auf diese Meine Worte umfaßt Robert-Uraniel mit aller Liebe seine Helena und bittet Mich, daß Ich, so es nach Meiner Ordnung anginge, sogleich an seiner Seite, und zwar zwischen ihm und der Helena, in den Großsaal der Vollendung einziehen möchte. - Ich aber sage zu ihm: "Du mußt einmal frei zu wandeln anfangen, ansonst du stets eines Gängelbandes bedürfen würdest! - Ich aber werde schon ohnehin in dem Großsaale zugegen sein, wenn du in denselben eintrittst. Sorge dich daher nicht um Mich und denke nicht, ob Ich hier oder dort sei. Denn wo du mit der Liebe zu Mir dich immer hinbegeben wirst, da werde Ich bei dir sein, da deine Liebe zu Mir Ich Selbst bin. Und Ich bin überall da gegenwärtig, wo die wahre und reine Liebe in irgendeinem Herzen zu Mir in gerechter Fülle gegenwärtig ist. - Und so gehe denn voran und öffne uns allen in der Fülle die Pforte in das Reich der Vollendung deines Herzens!"

04 Hier macht Robert eine tiefe Verbeugung vor Mir und tritt darauf sogleich seine Reise an. - Er wandelt wohlgemut mit seiner Helena, die ihn unterwegs fragt, wie es ihm denn hier im Reiche Gottes so ganz eigentlich vorkomme, ob er sich wohl schon so ganz heimisch fühle, oder ob es ihm nicht öfter vorkomme, als ob er in der Fremde wäre? - Sagt darauf Robert-Uraniel: "Allerdings kommt es mir manchmal sehr fremd vor, besonders so der Herr sich nicht neben mir befindet. Aber so der Herr Sich sichtlich in meiner Nähe befindet, da bin ich wieder ganz zu Hause. - Nun kommt es mir an deiner Seite, liebste Helena, aber dennoch weniger fremd vor, als ehedem an der Seite des Sahariel. Nur die Erscheinungen, die da kommen und bald wieder vergehen, kommen mir, trotzdem ich sie recht wohl verstehe und begreife, noch immer sehr befremdend vor, weil ihr Auftreten oft gar so unvorbereitet zum Vorscheine kommt. Aber das tut nun gar nichts, ich habe mich daran schon gewöhnt. - Aber nun ist auch schon die Pforte da - und verschlossen! - Was nun?!"

05 Spricht Helena: "Nun, die werden wir im Namen des Herrn eben aufzumachen versuchen. Sieh, es steckt ja ein goldener Schlüssel daran! Also versuchen wir's!" Robert ergreift sogleich den goldenen Schlüssel und fängt an, ihn nach rechts und links zu drehen. Aber die große Türe will sich nicht öffnen. Er dreht wieder, und stärker als zuvor drückt er mit aller Gewalt an die beiden Torflügel - doch vergebens! Nimmer weichen sie seiner Gewalt.

06 Darob wird dem Robertet fast bange und er spricht zu seiner Helena, sagend: "Siehe, mein geliebtes Weib, da ist wieder eine lebendige Antwort auf deine Frage, ob es mir nicht öfter vorkomme, als ob ich in der Fremde wäre?! Ich muß dir hier offen gestehen, daß ich mich nun einmal wieder sehr in der Fremde fühle, ja wie einer, der ganz verlassen ist von allen seinen früheren Freunden und Helfern in der Not! Siehe dich nur einmal um und sage mir, ob du selbst in der weitesten Ferne hinter uns jemanden erschauen kannst!? Außer dem Freunde Cado, der uns ganz still aus eigenem Antriebe gefolgt ist, entdecke ich keine Seele und somit auch keinen Geist! Was sagst denn du, mein Engel, zu dieser ganz unerwarteten himmlischen Anrennerei?!" - Spricht Helena: "Ist wahrhaft sonderbar! Außer dem Cado sehe ich auch niemanden, und das Tor läßt sich nicht öffnen! Und doch hat uns der Herr Selbst hierher beordert! Geh, versuche es noch einmal, die Türe zu öffnen! Ich werde dir selbst helfen - vielleicht wird es dann gehen!".

07 Robert macht sich nun wieder an den Goldschlüssel und dreht ihn nach allen Seiten, währenddessen die Helena stets recht kräftig an die beiden Flügel drückt. - Die Bemühung geht eine gute Weile vor sich aber ohne Erfolg. - Als beide schon etwas abgemüdet sind, sagt Helena: "Weißt du, mein geliebter Robert-Uraniel, über die Möglichkeit hinaus kann sich niemand zu einer Tat verpflichtet fühlen. Wir haben bereits alle unsere Kräfte daran verwendet, um dise Himmelspforte zu öffnen. Sie läßt sich aber durchaus nicht öffnen, wofür wir doch kaum etwas schulden können. Also bleibe sie denn in des Herrn Namen verschlossen! Den Freund Cado könnten wir zwar noch um eine gefällige Mitwirkung ansprechen. Wer weiß, vielleicht versteht er damit besser umzugehen als wir beide." - Spricht Robert-Uraniel: "Du hast recht! Das werde ich nur aber auch sogleich tun!"

08 Hier spricht Robert-Uraniel den Cado an und sagt: "Liebster Freund, du hast uns sozusagen ganz allein bis hierher ein freundliches Geleite gegeben, während von all den vielen andern nicht ein bewegliches Atom irgendwo zu ersehen ist. Du hast auch des Herrn Auftrag an mich vernommen - daß ich mit meinem Weibe hierher ziehen und dies Tor öffnen soll. Allein alle meine noch so kräftigen Versuche scheiterten an der Gegenkraft dieses Tores! Meines Weibes nicht unkräftige Mithilfe fruchtete auch nichts. Daher will ich dich hiermit, da du schon ohnehin hier bist, ersucht haben, daß du mir noch einen dritten Versuch recht kräftig möchtest machen helfen. Vielleicht gelingt's uns dreien, diese riesige Himmelspforte denn doch zu öffnen - dann wohl uns! Gelingt es uns aber wieder nicht, was das offenbar wahrscheinlichste ist - nun, so mag der Herr dann tun und machen mit uns, was Ihm wohlgefällt!"

09 Spricht Cado: "Lieber Freund, dieses unermeßliche Meer von Erscheinungen, die sich hier schnell aufeinanderfolgend überbieten, macht aus mir eine Ohnmachtsmücke, und es wird dir mein Wirken sehr wenig Segen bringen. Was einem Gotte zusteht, gebührt nicht einem Ochsen! Du bist berufen und auserwählt. Ich nicht einmal glattweg berufen! Aber es macht das nichts! Ich werde dir dennoch die verlangte Hilfe leisten. Ob es dir aber etwas nützen wird - natürlich dafür kann ich dir nimmer gutstehen! Du weißt es ja, daß das Himmelreich Gewalt braucht! Nur die werden es besitzen, die es mit Gewalt an sich reißen! Gewalt muß also hier geschehen dieser Pforte! Und so fangen wir's denn in Gottes Namen an!"

10 Robert macht Sich nun abermals an den Schlüssel und dreht ihn siebenmal nach links. Und da dadurch bei allem Kraftaufwande die Pforte noch nicht aufgeht, so dreht Robert den Schlüssel nach rechts so lange um, als sich der Schlüssel nur immer drehen läßt, und es wird während des Drehens in einem fort kräftigst gegen die Pforte losgedrückt. - Allein die Pforte bleibt beharrlich verschlossen.

11 Robert-Uraniel kratzt sich hinter den Ohren. - Und Cado sagt: "Ich habe es dir ja zuvor gesagt, daß es nicht gehen wird! Denn obschon ich eben noch nicht zu lange hier ein Bewohner des Geisterreiches bin, so weiß ich aber doch, daß diese geistigen Dinge um sehr vieles hartnäckiger sind als die irdischen. Ein Berg auf der Erde ließe sich eher versetzen, als so ein hartnäckiges Geistertor sich öffnen! - Mein Rat wäre hier dieser, die Geschichte abwarten! - Die Gegend ist hier wahrlich wunderschön, und Gärten und Früchte aller Art gibt es hier auch in großer Fülle. Was wollen wir mehr?! Daß unsere Bestimmung nicht darin bestehen kann, dem Herrn Gott Jesus gleichfort sichtlich auf der Nase zu sitzen, das werdet ihr hoffentlich ebensogut einsehen wie ich! Es ist uns demnach ein Ort im Gottesreiche angewiesen worden, wo wir so lange zu verharren haben werden, als bis uns von höheren Mächten diese große Himmelspforte aufgetan wird. Denn wir werden sie wohl ewig nimmer zu öffnen imstande sein. - Was wir aber tun können, wäre meines Erachtens das, daß wir uns auch hier an den evangelischen Rat halten, der also lautet: »Suchet, so werdet ihr finden! Bittet, so wird euch gegeben, und pochet an, so wird euch aufgetan!« - Wer weiß, ob das Tor nicht schon vor uns offen stünde, so wir uns statt des Schlüsseldrehens an diesen evangelischen Rat gehalten hätten!? - Was meinst du, mein Freund, in dieser Sache?"

12 Spricht Robert-Uraniel: "Ja, ja, Freund, du hast da durchaus recht! Dagegen läßt sich gar nichts einwenden! - Aber daß der Herr mich förmlich genötigt hat, mich ja eilends voran und hierher zu begeben und diese Pforte zu öffnen, da uns alle großwichtige Dinge hinter dieser Pforte erwarten! Und nun bin ich hier, die Eröffnung des Himmels erwartend - und richte mit der Pforte nichts! - Siehe, das ist denn doch, bei Gott, etwas sonderbar! - Aber sei ihm nun, wie ihm wolle, ich werde deinem Rate folgen!"

13 Spricht hierzu die Helena: "Freunde, wahrlich wahr, es gehört viel dazu, um in das Himmelreich Gottes eingehen zu können! Wenn man auch schon, wie ich selbst, in der allerwahrsten Glühhitze der reinsten Liebe dem Herrn Selbst an der heiligen Brust gelegen und da als ein Säugling die Gnadenmilch des Lebens gesogen hat, so nützt das aber dennoch, wie es hier ersichtlich ist, eben nicht gar viel. Denn kommt man dann vor die eigentliche Hauptpforte des Himmelreichs, so findet man diese ebensogut verschlossen als einer, der etwa in geradester Linie von unten hergekommen. Es ist wahrlich höchst sonderbar! - Mich geniert nun hier nichts als dies herrliche Strahlengewand! Wenn ich so ein ganz ordinäres Bauernkleid statt dieses strahlenden hätte, so würde mich diese Verweigerung des Eintrittes in das eigentliche Himmelreich bei weitem weniger genieren. Ein Schweinehalter muß auch als solcher bekleidet sein, sonst wird ihm entweder sein Amt oder er sich selbst zum Überdrusse werden. Wahrlich wahr, bei dieser Geschichte könnte man auf den Herrn ordentlich ungehalten werden! Früher Milch und Honig von bester Qualität - und nun einen rechten Bittertropfen daraus! Und an Stelle des Himmelsbrotes, das man ehedem schon im wahren Übermaße genossen, kommt nun eine Hafergrütze! Prosit Mahlzeit! Na, spührst du so was, Robertl?! Das wird eine sonderbare himmlische Süßigkeit abgeben! - Aber wenn ich arme Närrin nur dieses dummen Kleides loswerden könnte! Mich geniert's nun schon ganz entsetzlich! Gefällt dir, mein geliebtester Robert, noch dein uranisches Sternengewand?"

14 Spricht Robert: "Wäre gleichwohl auch mir einanderes um eine ganze Million lieber, aufrichtig wahrgesprochen! Ich komme mir nun in diesem göttlichen Sternenkleide wie so ein gefoppter himmlischer Esel vor! Bei Gott, eine lederne Hose und eine Jacke vom gröbsten grauen Tuche wäre mir um ein ganzes Leben lieber! Ich habe mich aber in meinem ganzen irdischen und geistigen Leben nie so wahrhast bettpisserisch geschämt wie diesmal in diesem fatalen Himmelsgewande! Wenn ich es nur gegen ein anderes vertauschen könnte!" - Spricht Helena: "Ich gäbe das meine um den allerschmutzigsten Küchenfetzen her. Denn es gibt wahrlich nichts Erbärmlicheres als ein Königsgewand zu tragen auf einer Schweinehirtenwiese."

15 Spricht Cado: "Meine liebsten Freunde, ihr redet mir aus dem Herzen! Das muß auch Christus als Gott und Herr der Unendlichkeit tief gefühlt und gewollt haben, da Er so oft und so sehr gegen die Kleiderpracht geeifert hat. Er trägt ja auch als Herr der Unendlichkeit hier im Reiche alles Lichtes wahrlich das lichtloseste, allereinfachste Kleid. Ich bin selbst ein größter Feind von jeder Kleiderpracht, mag sie nun auf der Welt materiell oder hier im Reiche des Geistes geistig sein. Wahrscheinlich sind die Prachtgewänder in den Himmeln, mit denen die weisen Engel angetan sind, jene Flecken, die an ihnen das reine Gottesauge ersieht. Denn es heißt irgendwo in der Schrift: »Auch an den Engeln schauet Dein Auge, o Herr, Mängel!« - Daher gebe ich euch ganz recht, daß ihr euer für hier unpassendes prachtvolles Himmelsgewand verabscheut. Aber wo nun ein anderes hernehmen? - Daher behaltet es, solange kein anderes zu bekommen sein wird. Sehen kann uns offenbar doch kein vierter, weil er nicht da ist. Wir drei aber wissen es ja, was wir davon zu halten haben. Deshalb sollen euch diese strahlenden Himmelsfetzen auch gar nicht genieren. Haben sie nun vorerst in euren Augen keinen Wert, dann ist alles wohl gut und recht; denn in meinen Augen hat selbst solch ein himmlischer Flitter nie einen Wert gehabt. - Aber was werden wir nun vor dem Öffnen der Pforte beginnen? - Werden wir zu bitten, zu suchen und zu pochen anfangen?"

16 Spricht Helena: "Ich meine, das werden wir schön sein bleibenlassen! - So sie uns der Herr nicht öffnen will, so soll sie denn gleichwohl verschlossen bleiben in alle Ewigkeit, amen!" - Spricht Robert: "Hast eben nicht ganz Unrecht, du meine allergeliebteste Helena! Aber weißt du, so man es schon einmal bis zur - sozusagen - letzten Himmelspforte gebracht hat, da sollte man sich denn doch noch einige Mühe geben, auch durch diese zu kommen! - Bitten ist gerade keine Schande, suchen noch weniger und was am Ende das Anklopfen betrifft, so will ich mich selbst gleich einem irdischen Regimentstambour auf die beiden Flügel hermachen und einen Lärm machen, der sich gewaschen haben soll! - Nein, aber das gefällt mir nun erst - ehedem machte ich schon, als selbst ein Engel, mit dem Sahariel die ausgedehntesten Himmelswanderungen und nun stehe ich wieder in eurer Gesellschaft als ein barster Ochse am Berge! Es geht uns jetzt nur noch die famose Minerva ab! Das wäre wirklich ein Spaß, diese hier über die Torsperre losziehen zu hören!"

17 Spricht Cado: "Nenne den Wolf nicht zu oft, sonst kommt er gerannt! Wahrlich, so ich mich nicht irre, da kommt sie schon daher, uns eine Visite zu machen! Nun sehen wir, wie wir ihrer loswerden!" - Spricht Helena ganz verblüfft über diese Erscheinung: "Aber die muß ein feines Gehör haben! - Nun, nun, nun, du mein liebster Robert-Uraniel, das wird eine hübsche Geschichte werden! Hast aber auch ihren Namen in unserer ohnehin mißlichen Lage wißgierig nennen müssen! - Nein, nein, das wird nun eine schöne Mette werden! Am Ende zieht sie uns noch alle drei mit sich in die allerunterste Gott-steh-uns-bei!"

18 Spricht Cado: "Ah, von dem ist keine Rede! Das eigentlich Fatale besteht nur darin, daß man ihrer nicht so bald wieder loswerden kann, so sie einmal da ist!" - Spricht Robert: "Ja, so suchen wir es zu verhindern, daß sie herkomme; denn mit so viel göttlicher Kraft und Gewalt werden wir ja etwa doch noch ausgerüstet sein!" - Spricht Cado: "Versuche es! Aber ich meine, daß dies nichts nützen wird; denn sie wird gleich sagen, daß auch sie das vollste Recht habe, vor die Pforte des Gotteshauses zu kommen und da Einlaß zu begehren. - Ob sie hineingelassen wird, das ist freilich eine andere Frage. Aber an die Pforte zu kommen, kann ihr nicht gewehrt werden. - Lassen wir sie daher ganz ungehindert fortwandeln und tun nicht dergleichen, als ob wir sie bemerkten. Wird sie sich dann etwa an uns machen, nun, so werden wir ihr schon etwas zu erzählen wissen, was sie sicher nicht gerne hören wird. Nur aber dürfen wir uns gegen sie weder freundlich und noch weniger richterlich-gebieterisch benehmen - sondern so ganz gleichgültig, was sie am wenigsten vertragen kann. So werden wir ihrer am ersten loswerden. Denn ich glaube, sie so ziemlich durch und durch zu kennen."

192. Kapitel: Minerva (Satana) vor der Pforte. Derbe Begegnung mit Helena.

01 Spricht Robert: "Ganz gut, ganz gut, dein Rat ist, bei Gott, wahrlich sehr gut! Das sieht man aber gleich, daß du, mein geliebtester Cado, kein Enropäer bist; denn diese sind samt mir keiner so offensichtlich weisen Ansicht fähig. - Doch jetzt nur stille, denn sie kommt schon sehr eilig in unsere Nähe! Aber das herrliche Kleid hat sie noch an, und das Pseudoschwert aus Blech und Pappendeckel! Auch von ihrer außerordentlichen Schönheit scheint sie noch nichts eingebüßt zu haben! Wahrlich wahr, das muß man bekennen, was da ihre Gestalt anbetrifft, so kann man sich wohl unmöglich etwas schöneres vorstellen! Sie ist wirklich unendlich schön und reizend! Man könnte beinahe die Behauptung aufstellen, daß es der lieben Gottheit gar nicht möglich sein sollte, eine noch größere gestaltliche Schönheit ins Dasein zu rufen! - Aber ich glaube, man das auch ihre Gestalt nicht gar zu sehr rühmen; sie könnte dadurch denn doch noch eitler und stolzer werden, als sie ohnehin schon ist. - Spricht Cado: "Ja, ja, überhaupt von und mit ihr nicht reden, sonst bringt man sie nicht leichtlich vom Halse!"

02 Spricht hinter dem Rücken des Cado schon die Minerva, sagend: "Richtig, du triffst den Nagel wohl immer auf den Kopf! O du Hascherl du! Du wirst die anderen was lehren, wie sie meiner am ehesten loswerden könnten - als ob ich mich etwa jemanden je schon aufgedrungen hätte! Dazu besitze ich wohl zu viel Ehre in mir und bin zu stolz, als daß ich solch kleinlicher Schmutzereien fähig wäre. Und du, mein Freund Cado, darfst dich schon gar nicht fürchten, meiner etwa schwer loszuwerden! Denn weißt du, wir kennen uns schon so hübsch lange. Soll ich dich etwa bei deinem wahren Namen nennen?!"

03 Spricht Cado: "Schweige! Sonst sollst du von meiner dir schon bekannten Höflichkeit sogleich ein neues Pröbchen erfahren! Dort ist die verschlossene Pforte, versuche, ob dich wer hineinlassen wird! Denn du gehörst etwa ja auch dort hinein, wo es sicher besser ist, als da außerhalb der verschlossenen Pforte." - Spricht die Minerva: "Lecke mich! - Ich tue, was ich will, und nie was du willst! - Verstehst du das?"

04 Spricht Cado: "O das verstehe ich ganz vollkommen! Denn du bist eitel und stolz und somit auch dumm zur Genüge! Wie solltest du da wollen und tun können, was dir für ewig wahrhaft frommen möchte? - Im übrigen aber merke ich, daß du, seitdem dir das berühmte Schwert des großen Helden Kolofuntius Bratto (der damit ganz glücklich gegen die Mücken gekämpft haben soll) eingehändigt wurde, an Höflichkeit gar nicht zugenommen, sondern nur ganz bedeutend abgenommen hast! Denn unsereinem, und das in der Gegenwart einer ganz allerliebsten, schönsten, zartesten und bestgeschmückten Himmelsdame, deinen für deine liebe Zunge unzulänglichsten Teil belecken zu heißen - das ist und bleibt, um geradeheraus zu sprechen, sackgrob! Wenn so ein Wort aus dem Maule eines Schweines gegrunzt werden würde, da ließe man sich's gefallen; denn von einem Schweine läßt sich füglichermaßen wohl nichts besseres erwarten. Aber verstehe, so man solch eine höchst unfein klingende Sentenz von einem so weich und schön geformten Munde eines allerschönsten weiblichen Geistwesens zu vernehmen bekommt, so wird man wahrlich sehr unangenehm berührt. So du mit uns etwa noch etwas zu reden haben solltest, so bitte ich dich um ein wenig gewähltere und bessere Ausdrücke! Denn so du schon mich nicht berücksichtigen willst, so berücksichtige unsere hier gegenwärtige, allerzarteste, wahre Himmelsdame!"

05 Spricht die Minerva: "Fahre ab mit dieser Lerchenfelderin! Das wäre eine rare Himmelsdame! Diese allergemeinste Proletariertrud - vor der soll ich am Ende noch gar einen Respekt haben!? Ich - das erste Wesen in der ganzen Unendlichkeit! Und die das letzte aus dem allerlumpigst berühmten Lerchenfeld! Nun, nun! Du hast einen hübschen Begriff von einer Himmelsdame, wenn du dieses echte Wiener Mistbratel für eine, sage, Himmelsdame ansiehst! Gratuliere, gratuliere! Du hast es in deinem Himmel mit deiner Weisheit wahrlich schon sehr weit gebracht!"

06 Hier unterbricht sie die vor Ärger nahe ganz glühend gewordene Helena, sagend: "Nun, du stolzes Aas! Weißt etwa über mich noch was Schlechteres - du aus der ganzen Unendlichkeit zusammengedroschenes Schwein du! Schau nur gleich, daß dir die ganze Unendlichkeit nicht zu eng wird! Nein, das gefällt mir! Will dieses Hauptluder aus allen Fixsternen sich über mich hermachen! Na Warte, du bist schon über die rechte gekommen! Ich werde dir deine polierte Quadrateselshaut schon etwas runzlicher klopfen, weil sie dich gar so juckt! Glaubst du, schönes Obers von der höllischen Rindsuppe, ich kenne dich etwa nicht! O da sei ganz besorgt, du schmutzigstes Unterfutter von einer Liguorianer-Hose! Schau, schau, das alte Jesuitenschnupftuch will mich eine Proletariertrud nennen!? Jetzt schau nur, daß du bald weiterkommst, sonst zeige ich dir, wo die ewigen Zimmerleute Gottes für dich das Loch gemacht haben!"

07 Spricht Robert: "Aber ich bitte dich, du meine holdeste Helena, du mein herrlichstes, von Gott Selbst in den Himmeln mir gegebenes Weib, ereifere dich nicht! Es wäre ja ewig schade für deinen herrlichen, schönsten Mund! Schau, mit dieser Schein-Minerva richtet Gott Selbst nichts, was sollen erst wir mit ihr richten!? Sie ist einmal so, wie sie ist! Du weißt es ja, daß auf den Disteln keine Datteln und auf den Dornhecken keine Feigen wachsen! Lasse sie daher reden, was sie will! Denn in unsere Ohren dringt ihre Stimme wahrlich nicht und somit noch weniger in unsere Herzen!"

08 Sagt Helena: "Ja, ja, das weiß ich wohl. Aber das weiß ich auch, daß man dem Teufel das Maul stopfen muß, als ein ehrlicher Christ, wenn er es zu weit aufmacht! Schau, jetzt ist sie schön sauber still, weil sie sieht, daß sie nimmer gröber werden kann als unsereins! Nein, die soll aber auch nur einmal noch sich mucksen, so will ich ihr ein echtes Lerchenfelder Liedl anstimmen, daß sie für alle Ewigkeit damit genug haben soll! Nein, dies Giftbratl vom heiligen Erzengel Michael soll mich dann erst kennenlernen! Wahrhaftig wahr, ich könnte sogar unserm lieben Herrgott und Himmelsvater eine Grobheit um die andere ins Gesicht sagen, wenn Er je diesem Leibstuhle Petri eine Gnade erweisen möchte. Die ist ja schon lange für die Hölle zu schlecht! Daher leiden sie die anderen Teufel auch gar nicht mehr unter ihnen! - Hast es aber auch hierher berufen müssen!?"

09 Spricht Cado zur vor Zorn ganz bebenden Minerva: "Nun, bist du mit deinem Grobheitslexikon schon zu Ende, daß du auf die würdevollen Komplimente, die dir soeben von der lieben Lerchenfelderin zugekommen, keine gleichwürdige Erwiderung zuwege bringst? Mir scheint es, daß du eine Meisterin gefunden hast und nun durch dein Schweigen bekennst, daß die Lerchenfelderin recht habe!" - Spricht die Minerva: "Ich bitte dich, rede mir nur von dieser Galgenschnur nichts mehr, denn ich habe sie genossen!"

10 Unterbricht sie die Helena: "Schau nur, daß du weiterkommst, sonst setzt's noch Gelsen und spanische Mucken ab! Kennst du diesen Lerchenfelder Salat?" (Der Minerva die beiden Fäuste zeigend): "Ich sag dir's, wenn du nicht bald weitergehst, so putz ich dir so eine kleine Tagwacht über dein rotzigs Großmaul runter!" - Spricht Robert: "Aber ich bitte dich, Helena, um Gottes willen! Wir kommen ja anstatt in den reinen Himmel Gottes gar zum Schmierseppl nach Oberlerchenfeld! Bedenke doch, wie als ein wahrer Gottesliebling du dem Herrn Selbst an der heiligen Brust lagst und alle Gnade von Ihm einsogest - und nun bist du, bis auf ein etwas besseres Deutsch, so ganz wieder eine vollendete Lerchenfelderin! Schau, das mußt du ganz ablegen, sonst wird dir die Pforte noch lange nicht aufgehen!"

11 Spricht Helena: "Nun, ich glaube, dir ist's etwa gar leid, daß ich diesem ewigen Mistvieh ein paar Wahrheiten ins Gesicht gesagt habe?" - Spricht Robert: "Nein, meine allerliebste Helena, das sicher nicht! Aber um deinen nun schon ganz himmlisch gewordenen Mund ist es mir leid, daß er nun wieder, nachdem er schon sogar mit Gott gesprochen und mir manche recht herrliche Lehre in der Liebe gegeben hat, wieder in das rein Oberlerchenfeldische übergehen sollte und das gerade hier, hier an der bedeutungsvollsten Gottesreichstüre zum wahren ewigen Leben!"

12 Spricht Helena: "Was! Mund hin, Mund her! Die Wahrheit muß einmal heraus! - Daß sich die Wahrheit auch aus dem schönsten Munde eben nicht am besten ausnimmt, das ist schon was Altes, ob's nun oberlerchenfeldisch oder ob's sächsisch klingt! - Aber wie kommt es denn, daß du die Wahrheit gerade aus meinem Munde als übelklingend darstellst, während du die Lüge aus dem ebenfalls sehr schönen Munde jener ewigen Teufelsgretl eben nicht als sehr häßlich gefunden zu haben scheinst!? So es um meinen Mund denn dir schon leid ist, wenn er auf oberlerchenfeldisch dieser ewigen Gottes-Gnad-und-Barmherzigkeits-Schnipferin eine Wahrheitslektion gibt wie sich's gehört - um wieviel mehr leid sollte es dir dann erst um jenen holdesten Mund sein, über dessen Lippen wohl noch nie ein wahres Wort gekommen ist?! Sage lieber ihr einige gute Rügen ins Gesicht und laß mich reden, so ich einmal im Zuge bin!"

13 Spricht die Minerva: "Bist einmal fertig, du grobes ungehobeltes Lerchenholz!? Du hast die Höflichkeit sicher nie auf einer hohen Schule studiert! Denn etwas Gröberes ist wahrlich durch meine Ohren noch nie gedrungen." Unterbricht sie die Helena: "Nun, schau Sie nur gleich, daß Sie etwa kein Ohrengeschwür bekommt! Ist Sie mir denn etwa gar so höflich gekommen!? Ich soll etwa Ihre (Grobheiten nur gleich so recht von ganzem Herzen demütig einstecken, wie so ein frommes Jesuitenbeichtkind, wenn es von seinem Herrn Gottesstellvertreter mit Höll und Fegfeuer gefüttert wird!? Da warte du ein bißchen! Ich sage es dir, wenn du mir nicht sogleich aus den Augen gehst, so wird es zwischen uns beiden noch einen ganzen Mordspektakel absetzen! Darum sage ich dir nun ein für alle Male, daß du dich nun sogleich aus den Staube machst, sonst möchte dein schönes Gefriß bald ein anderes Aussehen bekommen!"

14 Sagt Cado: "Sei ruhig, Helena, und du auch, Freund Robert! Ich werde nun mit der Minerva ganz allein reden und mit ihr etwas sehr wichtiges abzumachen versuchen. Vielleicht gelingt es mir, sie dem Herrn wieder um einen Schritt näherzubringen. Aber ihr müsset euch unterdessen ganz ruhig verhalten." - Spricht Robert: "Ja, Bruder, tue das! Ich wäre nun schon wahrlich sehr froh, so wir ihrer bald loswerden könnten. Es geht von ihr ein wahrer Zwietrachtssamen in die über, die ihr zu nahe kommen! Ich glaube, so es ihr möglich wäre, in die Himmel Gottes zu kommen, da brächte sie in kürzester Zeit alle Engel durcheinander. - Ich wünsche dir aber auch zugleich sehr viel Glück zu deinem sicher höchst löblichen Vorhaben! Nur zweifle ich an dem geringsten Erfolge auch deiner Mühe; denn dies Wesen wird nur als genötigt guttun, aber als vollkommen frei nie, ewig nie! Darauf getrauete ich beinahe meine ganze Seligkeit zu setzen."

15 Spricht Cado: "Du dürftest zwar eben nicht ganz Unrecht haben; aber meine Seligkeit getrauete ich mich dennoch nicht darauf zu setzen. Die Ewigkeit ist endlos lang. Und in solcher endlosen Zeiten- und Zustandsfolge könnte denn doch noch so manches geschehen, von dem bis jetzt noch keinem Geiste etwas durch seinen Sinn gefahren ist. Daher nehmen wir alles als möglich an, was nicht mit der göttlichen Ordnung im handgreiflich grellsten Widerspruche steht. Aber etwas daran setzen, ob dies oder jenes irgendwann möglich oder unmöglich sein dürfte, wäre unweise und hieße so viel als in die göttliche Weisheit selbst einen Zweifel setzen. Bei Gott sind alle Dinge möglich, warum auch nicht die volle Umkehr Satans!?"

193. Kapitel: Bedeutsame indische Weisheit über Satan. Mahnung zur Geduld. Ein kleines Plätzchen ist leichter gefegt als die gesamte Schöpfung.

01 Cado fortfahrend: "Sieh, ich habe einmal ein Buch alter indischer Weisheit gelesen und fand eine sehr denkwürdige Stelle, die ungefähr also lautete:

02 »Im urewigen Sein war nur Gott allein. Und die Unendlichkeit und Ewigkeit war Er selbst im klarsten Schauen Seiner Selbst. Seiner Gedanken und Ideen war kein Ende. Aber wie sich an einem schwülen Abende zahllose Scharen von allerlei Ephemeriden (Eintagsfliegen) in loser Freiheit kreuzen ohne irgendeine wahrnehmbare Ordnung, also stiegen auch die Gedanken und Ideen in der Gottheit auf und ab und hin und her. Aber der endlose Raum war noch ganz wesenleer. Nur allein Ihre großen Gedanken sah die endlose Gottheit in Ihr (selbst) in gänzlich ungezwungener Freiheit große Bewegungen machen. Aber der Gottheit bedünkete es, und Sie schied die Ideen von den Gedanken (d.h. die größeren, zentralen Grundgedanken von den einfachen Einzelgedanken, oder die Hauptkräfte von den Nebenkräften), und das war ein erstes Ordnen in der Gottheit selbst. Die Ideen stellte sie nach und nach fest; nur den Gedanken ließ sie den freien Lauf.

03 Als aber fester und fester gestellt waren die Ideen, da zeigte es sich, daß sie nicht völlig lauter waren. Da beschloß die Gottheit, Ihre Ideen selbst zu läutern und schied das Lautere von dem Unlautern. Als dieses vollkommen bewerkstelligt ward, da stellte die Gottheit all das Unlautere wie außer sich, festete es durch Ihr allmächtiges Wollen und belebte es durch den Geist Ihrer freiesten Gedanken.

04 Und es ging da hervor ein großer Geist voll Unlauterkeit zur Läuterung durch sieben andere Geister, welche die Gottheit aus Ihren lautern Ideen durch den freiesten Geist Ihrer Gedanken ins Dasein rief.«

05 Und siehe du, Bruder Robert, hier vor uns steht eben dieser erste große Unlauterkeitsgeist, an dessen Läuterung noch immer gearbeitet wird. Daher müssen wir aber auch nicht sogleich zweiflig werden, wenn so etwas eine längere Zeit braucht als so manches andere. - Dieser Geist ist wohl ganz richtig das Unlautere, was du dir nur immer vorstellen kannst, aber zu seiner Zeit einer völligen Läuterung eben nicht unfähig. - Wir dürfen darum nicht ungeduldig werden, weil wir leichter zu läutern waren als dieser Geist da; denn ein kleines Plätzchen kann doch offenbar eher und leichter gefegt werden als etwa der Boden einer ganzen Welt. Dieser Geist aber ist in sich der Gesamtausdruck der ganzen Schöpfung, während die ganze Erde samt allen ihren Wesen nur kaum als ein Atom seines eigentlichen Wesens anzusehen ist. Daß da ein winziges Geistlein, wie du eines bist, leichter und eher zu läutern ist als dieser allergrößte geschaffene Urgeist, der Gesamtbegriff aller Schöpfung, das wirst du hoffentlich ebensogut einsehen wie ich. Aber weil zur Läuterung einer solchen Größe etwas mehr erfordert wird als so sich jemand allenfalls in einer Minute Zeit und mit einer Faust voll Wasser sein Gesicht wäschet - so muß man auch diese Sache Gottes recht wohl bedenken und sich in aller Geduld in die Anordnungen Gottes fügen! Aber einem Wesen die Möglichkeit des Reinwerdens absprechen, das wäre etwas sehr Gewagtes und zugleich etwas sehr Kleinliches - so man die großen Naturen und Verhältnisse aus Gott nach seinem (eigenen) allerkleinsten und winzigsten Maße und Verhältnisse beurteilen würde. - Also lieber Freund, das berücksichtige ein wenig, und du wirst dich dann in meine Mühen leichter fügen. Und nun zur Minerva!"

194. Kapitel: Minervas (Satanas) Lügenlehre: "Gott ist der Töpfer, ich bin das Feuer". Cados schlagende Richtigstellung und Bedrohung der Vermessenen. (Am 21. Mai 1850)

01 Hier wendet sich Cado zur Minerva und sagt: "Wie lange noch Satana, wirst du unsere Geduld mißbrauchen?! Willst du selbst denn gar nichts tun außer Arges und Böses nur?! - Siehe, so die allmächtige und allgütige Gottheit (vor langen Zeiten) einen Diamanten erschaffen hätte, so groß, daß ein Blitzstrahl von einem Pole bis zum andern eine Million Erdjahre bedürfte, um solch eine weite Strecke zu durchfliegen - und hätte hierzu aber auch ein kleinstes Kolibri-Vögelein mit der Bestimmung erschaffen, daß dies Vögelein alle tausend Erdjahre einmal zu dieser Diamantkugel hinzuflöge und nur einmal mit seinem Schnabel an sie stieße - so hätte das Vögelein der Kugel schon lange den Garaus gemacht, indem es mittelst des Schnäbelchens durch das oftmalige Berühren die unnennbar harte Materie der Kugel längst bis zum letzten Atom abgenützt hätte. An dich wurden schon tausend solche Zeitenläufe verwendet, und noch bist du ganz dieselbe, die du warst im Anfang und Beginn aller Zeiten der Zeiten! Kein Geist kann es fassen, welche Geduld dir die Gottheit stets erwies und welche Wege eingeschlagen wurden, um dich zu läutern. Aber bisher - ja wahrhaft ungeheuerlich zu denken! - bisher vergebens! - Ich meine, es wäre nun wohl schon einmal an der Zeit, daß du dein ganzes Wesen in jene Ordnung brächtest, die dir von Gott schon von Ewigkeit her getreu und sichtlich vorgezeichnet ist!"

02 Spricht die Minerva: "Und was tat ich denn je, das da wider deine Gottesordnung gewesen wäre? Du sprichst fortwährend von einer gewissen Gottesordnung und scheinst im Grunde es selbst auch nicht einmal zu ahnen, was die eigentliche Gottesordnung ist und worin sie besteht. Wenn ich, als der ausgeschiedene unlautere Teil, den fortwährenden Gegensatz zu dem reinen Teile der Gottheit darstelle, und das unverrückt, so wie die Gottheit Selbst unverrückt in ihrer göttlichen Reinheit verbleibet - ist dann das etwas anderes als eben die Gottesordnung selbst in ihrer Gesamtumfassung?! Und was tue ich denn, das man vor Gott als unrecht, also als etwas Arges und Böses bezeichnen könnte?! - Es ist wahr, ich versuchte stets die Menschheit, ob sie in ihrer Tugend für Gott und Seine Liebe feuerprobehältig sei oder nicht. War sie es, nun, so hatte meine Versuchung ohnehin für alle Ewigkeit ein Ende; und war sie es nicht, so ward ihr durch meine Versuchung nichts als eine neue Gelegenheit gegeben, sich in der wahren Tugend zu festigen und feuerprobehältig zu machen.

03 Den Stolzen mache ich noch stolzer, auf daß er durch dieses Laster am Ende in sich selbst gedemütigt werde. Denn nichts heilt dieses Laster besser, als eben seine Überschwänglichkeit, wenn nicht schon aus der materiellen Probewelt so doch sicher früher oder später hier - was ein gewisser Cado an sich selbst mag erlebt haben! - Also mache ich auch die sinnlichen Böcke noch sinnlicher und geiler als sie von Anfang an sind, und das so lange, bis sie sich in ihrem Laster bis in ihre letzte Lebensfiber selbst gefangen haben und ihnen ihr Hang zur größten Qual und Pein wird, worauf sie dann erst aus höchsteigenem Antriebe diesem Laster den Rücken kehren und den Weg der Keuschheit betreten und fortzuwandeln anfangen. Schon auf der Materiewelt habe ich durch gewisse körperliche Krankheiten der Sinnengier Grenzen gesetzt. Und helfen diese nicht, so habe ich hier (in der geistigen Welt) schon noch viel stärkere Mittel, den Seelen dieses Laster am Ende so verächtlich als nur immer möglich zu machen.

04 Und wie ich's mache mit den beiden hier angeführten Übeln, also mache ich es mit jedem Laster. Ich bin ein scheinbarer Beförderer des Lasters, das ist wahr. Ich fühle jedem Hiob auf den Zahn. Aber noch nie ist von mir aus ein Laster belohnt worden, außer der Lasterhafte war noch zu wenig lasterhaft, um das Laster zu verabscheuen; da freilich wohl mußte ich durch allerlei Lockungen den Lasterhaften noch lasterhafter zu machen streben, um ihn auf den Gipfelpunkt des Lasters zu heben, wo er dann erst das Laster als solches erkennen mußte, um es dann zu verabscheuen und für ewig von demselben Abschied zu nehmen. - Ich und die Gottheit verfolgen ja stets das gleiche Ziel, nämlich die Reinigung der geschaffenen Seelen, damit sie tauglich würden, den ungeschaffenen reinsten und mächtigsten Geist aus Gott zu tragen.

05 Gott ist der Töpfer, ich aber bin das Feuer! - Wie aber zum Kochen beim Feuer kein Topf zu brauchen ist, der nicht zuvor im Feuer selbst gefestet worden ist - also ist auch keine Seele eher fähig, das Feuer der göttlichen Liebe zu ertragen, als bis sie durch mein Feuer gefestet und feuerbeständig gemacht ward. So ich aber das tue, was ich tun muß, wie kannst du es je nur zu sagen wagen, daß ich nicht nach der Ordnung Gottes (der ich wie alle Dinge ewig unterstehe) lebe und handle?! Ja, so du mir je nachweisen kannst, daß ich das Laster belohnt habe, dann hast du recht! So ich aber des Lasters größte und unerbittliche Züchtigerin bin, da ist deine Rede blind und schabt an der Rinde nur, wo sie nie des Kernes ansichtig werden kann.

06 Oder kannst du dir eine Tätigkeit denken aus purer positiver Bewegung? Muß nicht ein Fuß jeweils ruhen, also eine negative Bewegung machen, damit in der (Zwischen-) Zeit der andere Fuß die frei, positive Bewegung machen kann?! Ein Fuß muß also stets eine Sünde gegen die Bewegung machen, damit eben aus der Sünde gegen die Bewegung und aus der Bewegung des andern Fußes eine vollkommene Bewegung wird. Müssen sich nicht gewisse Punkte und Stellen im Zustande der Ruhe, also im Zustande der Sünde gegen die Bewegung befinden, damit sie von dem Wanderer erreicht werden können?! Muß es nicht eine Nacht geben, damit der Sehende und Lichtverwandte das Licht schätzen und heiligen lernt?! Muß es nicht wenigstens einen scheinbaren Tod geben, auf daß durch ihn das Leben verherrlicht wird!? Und was wäre denn die Seligkeit für den Geist, dem das Gefühl möglicher Unseligkeit nicht innewohnete?! So es keinen Schmerz gäbe, wie sähe es da mit dem Wohlgefühle der Gesundheit aus?! Und gäbe es wenigstens kein scheinbares Böse, wie sähe es dann mit dem Guten aus?! - Siehe, alles muß seinen Gegensatz haben, damit es sei! Und so ich der Grund alles Gegensatzes bin, wie bin ich dann wider die Ordnung Gottes!?"

07 Spricht Cado: "Meine liebe Minerva oder was anderes! So du auf einer Universitätskanzel auf der Erde, und zwar in Freiburg oder Jena, Stuttgart oder Berlin eine solche salbungsvolle Rede über die Gottesordnung deines satanischen Wesens gehalten hättest, wahrlich, du hättest bei diesen gelehrten Gremien (Körperschaften, Anstalten) ein nicht unbedeutendes Aufsehen erregt - ob sie dir schon mit der Bemerkung entgegengekommen wären, daß sie es schon wissen, daß ein Topf eher gebrannt werden muß, bevor er zum Kochen tauglich sei; wie auch, daß man beim Gehen stets einen Fuß um den andern aufheben muß, um weiterzukommen. - Aber wenn du durch deine gegenwärtige Rede mich du einer guten Überzeugung über dein Wesen hast zu bringen vermeint, dann hast du einen äußerst lächerlich starken Fehlschuß gemacht! Denn fürs erste zeigtest du, daß du dich selbst noch nie erkannt hast und daher auch gar nicht wissen kannst, wie du beschaffen bist und welche Richtung du dir selbst nach der Gottesordnung geben sollst, und fürs zweite kennst du mich gar nicht, nicht einmal dem Namen nach, daß du solch dummes Zeug vor mir dich auszusprechen getrauest!"

08 Unterbricht ihn die Minerva: "Du heißest Cado!" - Spricht Cado weiter: "Ja, so heißt mein Rock, den Ich nun anhabe. Aber ich selbst heiße anders! - Sage, wie kann es dir je beifallen, daß Gott die Seele durch Laster bessern wolle oder zulasse, daß sie durch Anhäufung von Lastern auf Laster rein, stark und edel und zur Tragung Seines Geistes kräftig werde? - Siehe, um dir ganz kurz deine Narrheit zu zeigen, so frage ich dich bloß, ob ein Kleid dadurch besser und vollkommener wird, wenn man, irdisch genommen, Tag für Tag einen neuen Riß in dasselbe macht? Oder ob ein weißes Tuch, das ohnehin schon einige Flecken hat, dadurch rein und weiß wird, so man statt es im reinen Wasser zu waschen, nur immerfort frische, ganz kohl- und pechschwarze Flecken hineinmacht? Oder wird ein schadhaftes Haus dadurch wieder fest und bewohnbar werden, so man, statt es mit neuem, gutem Materiale zu unterstützen und auszubessern, von dem alten, ohnehin morschen Materiale stets mehr und mehr wegreißt und zerstört und dadurch die Schadhaftigkeit dem Hauses stets mehr und mehr vergrößert? Oder wird eine ohnehin schon sehr verstimmte Harfe reiner klingen, so man, statt sie rein zu stimmen, sie nur stets mehr verstimmt und ihr zudem noch eine Saite um die andere wegnimmt und zerstört? Wird es lichter in einem Gemache, so man ein Fenster ums andere verstopft und ein im Gemache allenfalls noch mattglimmendes Lämpchen auch noch ganz auslöscht? Werden aus einer Schule, in der nichts als Huren, Fluchen, Stehlen, Rauben, Plündern und Morden gelehrt wird, wohl am Ende reine, zarte, sanfte, ehrliche, gute, liebe und moralisch gebildete Menschen hervorgehen? Und wird es mit einem Kranken besser werden, so man ihm durch schädliche und giftige Arzneien und durch Schläge und andere gewaltige Züchtigungen zu Hilfe konmt? Oder wird ein Bettler reicher, so man ihm noch das wenige, das er sich mühsam erbettelt, wegnimmt, anstatt ihm etwas zu geben?

09 O sieh, du Dümmste und Blindeste, zehntausend Beispiele könnte ich dir anführen, wo eines genügt, den krassen Unsinn deiner Rede mehr als handgreiflich darzustellen! Aber es genügen die wenigen, aus denen du hoffentlich denn doch ersehen mußt, welch dümmsten Geistes deine Rede und Schein-Lehre an mich war. Was wolltest du denn damit beweisen? Etwa deine Unschuld - weil du kein Laster je belohnt habest!? O Unsinn alles Unsinnes! Sage mir, wie möglich könnte man denn den Toten einen Lohn geben, wie kannst du einen Stein belohnen für einen allfälligen Schwerdienst, den er dir, unbewußt irgendeiner Eigenschaft und Kraft, bloß durch seine natürliche, in ihm hart gerichtete Schwere geleistet hat? Oder welchen Lohn kannst du einem gebratenen Vogel darum geben, daß er sich von dir hat fangen, töten, braten und essen lassen? - O du Unsinnigste aller Unsinnigen! ~

10 In solcher Weise also willst du dennoch behaupten, daß du der göttlichen Ordnung gemäß handelst!? Und von dir selbst (willst du) sagen, du und Gott verfolgen stets ein und dasselbe Ziel!? - O Allerelendeste! Gott willst du dich gleichstellen, ja dich Ihm sogar voranstellen, als wärest du nahezu vorzüglicher als Er! - Siehe, meine Liebe, das ist etwas zu arg! Das kann für fernerhin nimmer geduldet werden! - Daher wird von nun an deine Scheinfreiheit selbst wieder sehr bedeutend eingeschränkt werden! Denn du hast dich nun an den Rechten Gottes stark vergriffen und vergreifst dich auf der Erde blind (an ihnen) mit deinen Baalsdienern, die im Golde und Silber Gott zu dienen vorgeben! Und du hast dich an den Rechten der Könige und ihrer Völker vergriffen! Und sie werden dir darum bald einen vollen Garaus machen! Und dir wird nichts übrigbleiben, als mit einigen wenigen Schweinen der Könige und Fürsten (worunter zu verstehen sind jene blinden Anhänger deiner Götzenlehre, die du durch Reliquien- und Wundermärchen-Moral dazu herangezogen hast) die bekannten Treber zu fressen! - Hebe dich aber nun von dannen, denn deine Gegenwart ist mir zum Ekel geworden!"

195. Kapitel: Minerva (Satana) und Helena. Eine heilsame Entladung. Cado über das Königtum als Zuchtrute. Wahre Achtung kommt nur durch Liebe. Minerva geht ab. (Am 24. Mai 1850)

01 Spricht die Minerva, sich von Cado abwendend und wie schon im Sichentfernen begriffen: "Ich werde gehen, so ich es selbst werde wollen! Aber gebieten lasse ich mir's von niemanden, weder von Gott noch von jemand anders, der da wähnt, als habe er über mich irgendeine Gewalt! Verstanden, Herr Cado?! - Ich bin auch eine erste Majestät der ganzen Unendlichkeit, und alle Wesen müssen erbeben, so ich mein Haupt und meinen Arm erhebe. Verstanden, Herr Cado?! - Ich werde mit euch nun in einem ganz anderen Tone zu reden beginnen; denn meine Macht und meine nie besiegbare Kraft erteilen mir dazu das unbestreitbare Recht! Wo aber ist der, der es mir nehmen könnte?! Ich allein bin ein Herr! Alles andere ist unter meiner botmäßigen Knechtschaft von Ewigkeit her gewesen!"

02 Unterbricht sie Helena, sagend: "Meine lieben Freunde und Brüder! Jetzt halte ich es aber nimmer aus! Nein, was dieses Ewigkeitsschwein sich alles zu sein einbildet, das ist ja der ganzen Unendlichkeit unfaßlich! Jetzt will sie sogar mehr als Gott der Herr selber sein! Na, das ginge unsereinem noch ab! O du Mistschwein, du höllisches! Jetzt schau, daß du weiterkommst, sonst werden meine Mandelbäume für dich bald zu blühen anfangen!" Spricht die Minerva: "Schweige, du Lerchenfelder Jauchenkröte, sonst vernichte ich dich!"

03 Die Helena, förmlich wachsend vor Ärger, spricht daruf sehr laut: "Was sagst du, unterhöllistes Zündholz!? Du wunderbare Kasernenlaterne, du ewige Parfümbüchse aus allen Schmutzwinkeln der ganzen Welt! Du dürrer Ast am Baume der Erkenntnis, du übergrausliches Schwein du, du willst mich vernichten!? Na warte, du grausliche, aller höllischen Misthaufen stinkendste Unterlag'! Nicht genug, daß sie ohnehin mehr sein will als alle Menschen und Engel Gottes, nicht genug, daß sie mehr sein will als Gott Selbst! Nein, das ist dem Satan aller Satane noch viel zu wenig! Er oder sie, was immer ein und derselbe Satan ist, will auch dazu noch alles vernichten, mich auch, und euch beide sicher auch! O ganz natürlich, was sollte denn so einem allmächtigen Schwein nicht alles möglich sein?!"

04 Spricht vor Wut ganz bebend die Minerva: "Nein, das ist zu stark! Gott, wie kannst du es je zulassen, daß dein urerstes, vollkommenstes Geschöpf von einem Dreckwurme so gräßlich verlästert wird?! Stopfe diesem ekelhaften Wurme das Maul, sonst muß ich mich an ihm vergreifen!"

05 Bemerkt die Helena zu Robert: "Aha, sie läßt schon ein wenig mit sich handeln! Jetzt ruft sie schon den lieben Herrgott an! Aber der wird ihr etwas pfeifen!" - Hier tritt die Minerva ganz von Wut entbrannt zu Helena hin und sagt mit einer gellenden Schreistimme: "Wenn du nur noch ein Wort redest, so vergreife ich mich an dir, so wahr ein Gott lebt!!"

06 Die Helena aber springt hier vor Ärger auf und gibt der Minerva eine derartige wohlgezielte Maulschelle, daß diese niedersinkt, einige Schritte von der Helena hinwegpurzelt und da eine Weile ganz erschöpft liegenbleibt. - Die Helena aber, ganz erfreut über ihr gelungenes Zuchtwerk an der Minerva, sagt nach der wohlgeführten Maulschelle: "Da hast du, stolzer Wanzendust aus der Hölle, so ein kleines Vorspielerl! Wenn's aber beliebt, so kann das Hauptspiel schon nachfolgen!"

07 Spricht die Minerva, sich vom Boden erhebend und ihr Gesicht abwischend: "Habe hinreichend genug, um mir den gediegensten Begriff von der Humanität und zartesten Liebenswürdigkeit der lieben Kindlein des Herrn Himmels und aller Erden zu machen! - Besonders schön aber ist das von dir, Cado, der du mich auf dem bewußten Hügel dort nahe vor lauter Liebe gefressen hättest, daß du mich hier sogleich mir und dir nichts ohrfeigen läßt, als wäre ich irgend auf der Erde noch ein allerletztestes Kuhmensch, um recht gemein zu reden! Es bleibt dir aber gemerkt, verstehe!".

08 Spricht Cado: "Ist dir sehr recht geschehen! Warum bist du nicht gegangen, als ich dich zu gehen beheißen habe!" - Spricht die Minerva: "Aber habe ich denn von Gott deshalb den freiesten Willen empfangen, um ihn für ewig in des Gehorsams engste Zwangsjacke einzupferchen?! Hätte es der Schöpfer gewollt, daß ich gehorchen solle, so hätte Er mich doch sicher auch gleich wie dich mit einem gehorsamen Willen begabt. Aber da Er das sicher nicht wollte, da bin ich denn auch wie ich bin - nämlich meines eigensten und niemanden gehorchen-könnenden allerfreiesten Willens! Siehe, so Gott alle Wesen und alle Geister gleich mit einem gehorchenden Willen begabt hätte, wer würde dann den blinden Völkern auf der Erde einen regierenden Kaiser, König, Herzog und Fürsten abgeben können? Denn das wirst du doch wissen, daß auf der Erde die Kaiser, Könige, Herzöge und Fürsten niemanden zu gehorchen pflegen außer einem guten Rate zu ihren Gunsten!"

09 Sagt Cado: "O ja, das weiß ich! Darum sprach aber Jehova durch den Mund Samuels zu den Kindern Israels: »Zu allen Sünden, die dieses Volk vor Meinen Augen schon begangen hat, tut es nun auch diese größte hinzu, daß es gleich den Heiden von Mir einen König verlangt. Ja, es soll einen haben, auf daß er es züchtige und führe in die Gefangenschaft!« - Siehe, so lautet das Gotteszeugnis über die Könige. Kannst du daraus wohl schließen, daß die gegenwärtigen wie vorgewesenen Regenten aus dem Willen Gottes hervorgegangen sind? Ich sage dir, die Regenten aller Zeiten, auch die besten, sind nicht aus dem Willen Gottes, sondern lediglich aus dem Willen der Völker der Erde hervorgegangen und bestehen noch gegenwärtig also. Würde irgendein Volk zu der Erkenntnis kommen, daß es Gott in aller Wahrheit zum ewigen Regenten über sich setzete, so würde Gott solch ein Volk auch sogleich von dieser Zuchtrute freimachen und es Selbst durch Seine Engel in Menschengestalt leiten. Aber so die Völker nur um das Gegenteil, also um eine beständige Erhaltung solcher Zuchtrute zu Gott flehen, so müssen sie sich auch alle die Schläge gefallen lassen, die ihnen ohne alle Schonung von dieser Rute zugefügt werden.

10 Dein Beispiel, mittelst dessen du deinen Ungehorsam beschönigen wolltest, fällt also ins Blaue. Denn alle Regenten, mögen sie gut oder böse sein, gehen nicht aus dem Willen Gottes, sondern aus dem Willen und Hochmute der Menschen hervor, die da groß und mächtig sein wollen durch den Glanz ihres Königs! Aber weil die dummen Menschen lieber einen Menschen über sich gesetzt haben, als Gott, den Herrn aller unendlichen und ewigen Herrlichkeiten der Herrlichkeiten, so verleiht Gott diesem Menschen auch nach der Beschaffenheit der ihm untergebenen Menschen jene gebieterische Gewalt, mit der er seine Untergebenen so ganz nach seinem Willen leiten und züchtigen kann, so sie irgend seine Gesetze nicht beachten. Und diese Gewalt ist dann auch von oben, und der König muß sie üben, weil er von oben so gerichtet wird. Denn es stehet geschrieben: »In Seinem Zorne gab Gott den Juden einen König!« Der Zorn ist aber keine Liebe, die alles freimacht, sondern ein Gericht, das da alles bindet und nötigt. Glaube du ja nicht, daß da ein König wollen kann, was er frei will - sondern glaube, daß ein König wollen muß, wozu ihn der Gotteszorn nötigt. Hat ein König auch keinem Menschen zu gehorchen, so muß er aber doch Gott wissentlich oder unwissentlich gehorchen. Aber so er Liebe übt für Recht, so wird Gott Seinen Zorn im gewalthabenden Könige auch sänftigen und in Liebe umwandeln. Verstehst du solches?

11 So du mich verstehst, so werde sanft und übe Liebe - so wird Gott dich ansehen und sanfter und sanfter zeihen dein Herz! Und ein sanftes Herz wird dich in alle Zukunft bewahren vor einer Mißhandlung, so wie auch sanfte Könige von ihren Völkern am wenigsten zu befürchten haben, so ihre Handlungen im übrigen den Gesetzen nach gerecht sind und keine Blößen haben. Gehe, und werde also, so wirst du Ruhe haben und wirst geachtet sein! Denn die wahre Achtung wie auch jede (wahre) Freiheit wird nur aus der Liebe gezeitigt. Wer sich aber eine Achtung erzwingen will, dem wird sie nimmer in der Wahrheit, sondern nur zum Scheine aus Furcht zu teil. Und diese Achtung ist keine Achtung, sondern nur ein Fluch - und zwar derselbe Fluch, der seit deinem Beginne dein Anteil gewesen ist! - Fasse solches! Und gehe und ändere dich!"

12 Spricht die Minerva: "Ja, ja, ich gehe und werde mich bestreben, mich womöglich zu ändern!" - Hier kehrt sie den dreien den Rücken, geht von dannen und verliert sich bald aus dem Gesichtskreis der Helena und des Robert, aber nicht auch aus dem des Cado.

13 Als aber die Helena nun von der Minerva nichts mehr ersieht, sagt sie: "Gott dem Herrn allein alles Lob. Der mir in eurer Mitte den Mut gegeben hat, daß ich dieser ersten Feindin alles Lebens die Courage habe abgewinnen können! Ich meine, von nun an dürften wir vor ihr endlich einmal wohl Ruhe haben!?" - "O ja", spricht Cado, "Wir wohl! - Aber auf der Erde wird sie noch viel Unheil stiften. Doch dann wird sie mehr und mehr in sich gehen durch gewaltige Züchtigungen und Demütigungen! - Aber nun fragt es sich, was wir jetzt beginnen werden?! Denn sehet, die Pforte hat sich noch nicht geöffnet! - Was werden wir nun tun?"

196. Kapitel: Roberts und Helenas Ärger vor der Himmelspforte. Cados weiser Rat belehrt und beschämt sie. Durch die Pforte in die virtuelle Stadt Wien. (Am 26. Mai 1859)

01 Spricht Robert: "Ja, mein geliebtester Freund, da steht mein Verstand noch immer wie ein Paar junge Ochsen am Berge! Wer sich da auskennt, der muß weiterher sein als ich. Wenn der Herr gesagt hätte: »Dort vor jener Pforte, die in das vierte und größte Gemach deines Hauses führt, harret Meiner bis Ich nachkomme und euch das Tor des Lebens öffne!« - da wäre dieser Wartezustand ein natürlich-erträglicher und man könnte sich ein längeres Harren wohl ganz begreiflichermaßen gefallen lassen. Aber es sprach der Herr, wie ich es wenigstens aus seiner klaren Rede entnommen habe, doch ausdrücklich schon von einer offenen Türe, und daß ich mit der Helena nur alsogleich vorauseilen und gewisserart mich darinnen umsehen soll und für die Aufnahme und den Empfang der Nachkommenden dasein möge! Und hauptsächlich aber sagte Er ausdrücklich von der hier nötigen Eile wegen großwichtiger Dinge, die uns da erwarten und von uns zu versehen und abzumachen seien.

02 Wir eilten nach aller Möglichkeit hierher voran, um den Willen des Herrn ja pünktlichst nachzukommen. Wir kamen, fanden die Pforte aber uneröffenbar und stehen nun schon eine geraume Weile vor dem verschloffenen Eingang. - Frage: was ist das? was heißt das, und warum denn das also? - Wie gesagt, wer sich da auskennt, der muß von sehr viel weiter sein als ich! Das ist denn doch wahrlich etwas zu stark! Ich lasse mir wohl auf der Erde von dummen und aberwitzigen Menschen eine Erste-April-Sendung gefallen; aber hier im Reiche reiner Geister, und namentlich vom Herrn Selbst, sieht diese für meine Erkenntnis barste Fopperei doch etwas sonderbar aus! Aber von niemand kann man übers Vermögen verlangen!

03 Wir erfüllten bisher, soweit unsere Kräfte genügten, des Herrn Willen doch sicher vollkommen. Es geht nun nicht mehr weiter, und so bleiben wir denn hier auch stehen! Versorgt scheinen wir gerade mit allem zu sein, was uns not tut. Ums vierte Gemach aber werde ich mich von nun an sehr wenig kümmern! - Freilich heißt es, daß das Himmelreich Gewalt leide, und daß man es mit Gewalt an sich reißen muß, um es zu besitzen. Aber kann man dem Himmelreiche wohl eine größere Gewalt antun, als sie einem zu Gebote steht? Ich meine, das wäre eine Kunst aller Künste! Wir haben einmal unser Möglichstes geleistet, und es ging nicht. Nun soll sich jemand anders daran machen und sein Glück versuchen!"

04 Spricht Helena: "Schau, gerade dieser Meinung bin auch ich! Was einmal durchaus nicht gehen will, davon wende man sich ab und lasse es stehen!"

05 Spricht Cado: "Meine Lieben, ihr urteilt und redet zwar, wie man sagt, recht vernünftig; aber demungeachtet kann ich mich eurer Meinung nicht anschließen, da ich an der Möglichkeit nicht zweifle, daß diese Pforte eröffnet werden kann. - Haben wir denn schon alles versucht? - Ich sage: Nein, das haben wir wahrlich nicht! Wenn nun am Ende die Pforte doch offen wäre und ihr sie nur darum nicht hättet eröffnen können, weil ihr, wie es mir nun bei genauerer Betrachtung ganz klar wird, sie umgekehrt zu eröffnen euch bestrebtet!?

06 Ihr habt die Pforte nach öfterer Umdrehung des goldenen Schlüssels wohl mit aller Kraft hineindrückend öffnen wollen. Ich selbst half euch, nach euer Erkennen, wollen und Begehren, denn ihr wisset, daß hier jede Hilfe sich darnach zu richten hat, wie der, dem sie werden soll, sie zu haben wünscht - da dies die Ordnung des Himmel bedingt. Ich aber sah den Irrtum recht gut ein, konnte ihn euch aber nicht eher aufdecken, als bis ihr selbst durch ein gewisses Suchen, Bitten und Anklopfen dahintergekommen sein dürftet. Ich habe euch zwar wohl auf diesen evangelischen Rat aufmerksam gemacht; aber ihr habt ihn nicht befolgt, und so habt ihr auch die Entdeckung nicht machen können, daß diese Pforte nicht nach innen hinein, sondern nur nach außen aufzumachen ist, und das aus dem ganz natürlichen Grunde, weil auch die Pforte im kleinsten Maßstabe das Himmelreich vorstellt, das man mit Gewalt an sich reißen, nicht aber von sich hinwegschieben darf! Ist es ja doch schon im natürlichen Sinne so, daß man, so man etwas haben will, dasselbe zu sich nehmen und gewisserart an sich ziehen muß, nicht aber von sich hinwegschieben darf.

07 In den Himmeln ist nun einmal in alles und jedem vom Kleinsten bis zum Größten dieselbe feste, unwandelbare Ordnung, der nirgends, und sei es in noch so etwas unbedeutendem, zuwidergehandelt werden darf, und so ist es auch beim Torausmachen! Ihr habt dieser Ordnung zuwidergehandelt und habt daher nichts ausgerichtet. Versuchet nun, im Namen des Herrn ordnungsmäßig mit der Eröffnung dieser Pforte vorzugehen, und ihr werdet sicher erreichen, was ihr schon lange hättet erreichen können!"

08 Spricht Robert: "Liebster Freund, ich begreife nun meinen gewaltigen Irrtum! Aber etwas anderes begreife ich nicht, und das bist du, liebster Freund, selbst! Woher du solche Weisheit nimmst, vor der ich mit der meinen nun schon zu einer Blattmilbe herabsinke!? Ich sage: eine Weisheit, vor der sogar der tiefweiseste Cherub einen größten Respekt haben müßte, so er sie hier an meiner Seite vernähme! Wahrlich, das ist mir ein Rätsel der Rätsel! - So der Herr hier wäre, so könnte Er mich unmöglich weiser belehren, als du mich nun belehrt hast! Wahrlich, das ist mir ein Rätsel der Rätsel!"

09 Spricht auch die Helena: "Ja, ja, das ist wahr! Wie der Freund Cado weise ist - das ist wahrlich allen Himmeln unfaßlich! Er muß es aber auch sein, sonst hätte der Teufel keinen solchen Respekt vor ihm! O das hat der Freund schon auf jenem Hügel bewiesen, wo er dem Teufel der Teufel ganz kurios die Courage abgekauft hat! Wenn ich auch gerade nicht, wie der Miklosch, immer hingesehen habe, so habe ich aber dennoch alles gesehen, was dort vorgegangen ist, und darum habe ich aber auch eine besonders große Hochachtung vor dem Cado."

10 Spricht Cado: "Aber meine liebe Freundin, weißt du denn nicht, daß Cado eigentlich selbst ein Teufel war?! - und daß sonach auf dem bewußten Hügel des Nordens ein Teufel dem anderen in den Haaren lag?!" Spricht die Helena: "Wenn Cado jemals ein Teufel war, so war ich sicher desgleichen zehnfach, aber Cado war nie im Ernste ein Teufel, sondern vielleicht bloß nur erscheinlich - um den anderen wahren Teufeln desto mehr entgegentreten zu können! Und das ist auch eine große Weisheit, die einem wahren Teufel darum unmöglich ist, weil in ihm keine Liebe wohnet."

11 Bravo!", sagt Cado, "das ist dir gut gelungen! Solange im Cado keine Liebe war, war in ihm auch keine Weisheit. In dem Maße aber, wie Cado in sich die Liebe aufnahm, belebte er auch die Weisheit und kämpfte dann mit dieser Waffe wider den Teufel - eine Waffe, vor der jeder Teufel den größten Respekt hat.

12 Aber nun machet euch einmal an die Eröffnung der Pforte! Denn ich sehe dort in wohl noch sehr starker Ferne die ganze große Gesellschaft sich hierher bewegen. Was wird sie sagen, so sie uns noch hier vor der uneröffneten Pforte treffen wird?!"

13 Spricht Robert: "Ich habe vor der Eröffnung dieser Pforte nur noch einen einzigen evangelischen Anstand - eben bezüglich der Pforte selbst! - Es heißt im Worte des Herrn ausdrücklich: »Die Pforte aber, die in den Himmel führt, ist enge. Ihr müsset durch die enge Pforte ziehen, so ihr in den Himmel kommen wollt!« und ungefähr so weiter im Buche des Lebens. Betrachte aber diese Pforte, welche Höhe und welche Breite! Meinst du wohl, daß dies ein rechter Eingang in den Himmel ist?!"

14 Spricht Cado: "Freund, du hast noch manche materielle Vorstellung vom Gottesworte! Bedeutet denn die enge Pforte im Evangelium nicht die Demut des Herzens!? Und nicht eine wirkliche Türe?! - Aber schaue doch! Öffne sie nur, diese hohe Pforte! Sie wird dir wohl auch noch etwas enge werden!"

15 Spricht Robert: "Es ist doch wahrlich manchmal in hohem Grade merkwürdig, wie dumm man zuweilen wird! Ja man wird manchmal wirklich dümmer als ein Ochse! Denn ein Ochse bleibt denn doch vor einem Tore stehen, aber unsereiner wollte sozusagen mit dem Kopfe sogleich durch die Mauer rennen! - Denn sieh, Bruder, ich war unbegreiflicherweise so dumm und wollte diese Pforte stets hineinwärts, von mir weg, aufmachen. Als es mit leichter Mühe nicht gehen wollte, brauchte ich Gewalt. Und als es auch mit aller Gewalt nicht ging, da ward ich sogleich verdrießlich, wollte meine Kleider nicht mehr, wünschte mir die Minerva her, auf daß sie mir ein wenig im Schimpfen unter die Arme greifen möchte. Aber daß es mir anstatt all dieser Dummheiten eingefallen wäre, daß die Pforte vielleicht zu mir herwärts aufzumachen sei, o von dem ist mir nicht eine Silbe eingefallen! Nicht, Helena, du wirst mit mir eine rechte Freude haben, weil ich so schön dumm bin wie zehn Ochsen auf einmal?!"

16 Ah, das ist alles eins!", spricht die nun schon wieder sehr munter aussehende Helena, "ich bin ja ebenso dumm! Hätte es mir ja doch auch einfallen können, was Freund Cado uns geraten hat. Aber so man schon dumm ist, da ist man dann (gewöhnlich) auch recht dumm! - Zwar wissen wir beide noch nicht bestimmt, ob die Pforte (auch wirklich) sich herwärts öffnen werde. Aber es ist dessenungeachtet schon dumm genug, daß wir beide (noch) keinen Versuch damit gemacht haben! - Nun aber gehe doch hin und versuche die Geschichte, und zwar noch einmal nach hineinwärts - und dann erst, wie es dir der Freund Cado geraten hat!" Spricht Robert: "Nein, nach hineinwärts versuche ich's nimmer! Aber nach heraus zu mir soll sogleich ein Versuch gemacht werden!"

197. Kapitel: Die Pforte öffnet sich und zeigt - als neue Überraschung - die Stadt Wien. Wichtige Belehrung über das Wesen jenseitiger Erscheinlichkeiten. Robert staunt über Cados Weisheit. Die Begriffe kindisch und kindlich.

01 Damit tritt Robert sogleich zur Pforte hin, macht mit leichter Anstrengung seiner Kräfte den Versuch. Und der hohen Pforte breite und schwere Flügel gehen ohne allen Anstand auf.

02 Als nun die Pforte also eröffnet dasteht, fängt Robert an, hellaut aufzulachen, und sagt: "Nun, da haben wir nun den Himmel in der für diese Welt wahrlich allerseltsamsten Art vor uns! - Nein, das ist wahrlich komisch über komisch! - Geh, Helena, komm her und schaue!"

03 Helena kommt und sieht schnell mit großer Aufmerksamkeit durch die geöffnete Pforte und sagt nach einer kurzen Weile: "Je, je, das ist ja Wien, wie es leibt und lebt! Und wir stehen hier wie am Wiener Berge bei der Spinnerin am Kreuz! O du himmlische Süßigkeit übereinander! Wien und nichts als Wien! Also das ist das glorreiche vierte himmlische Gemach deines Hauses! Ah, Respekt! - Na, jetzt können wir uns nachher in Wien gleich wieder um ein Dienstl umsehen! Oder weißt du was, wir fangen auf den Basteien ein bißchen zu spucken an, zünden - natürlich unsichtbarerweise eine Kanone um die andere los! Am Ende hebt so etwas für die armen Wiener den Belagerungszustand auf!? - Nein, aber Spaß beiseite, komisch ist das wohl, den Himmel erwarten und dafür nach Wien auf die Erde kommen! - Nun, was sagst du dazu?!"

04 Spricht Robert: "Ich habe es dir ja ehedem gesagt, als du mit der Minerva gar so gewaltig gelerchenfeldet hast, daß wir statt in die reinen Gotteshimmel noch ganz rein nach Oberlerchenfeld kommen werden! Und da siehe, meine Prophezeiung ist in die Erfüllung gegangen! Vor Wien stehen wir bereits, und so werden wir wohl auch noch nach Oberlerchenfeld kommen! Muß nun aber doch auch unsern Freund Cado herführen, damit er die liebe Wienerstadt sieht!".

05 Robert beruft den Cado, der unterdessen seine Beobachtungen dahin machte, von wo die große Gesellschaft heranzieht. - Cado geht sogleich hin, und Robert sagt zu ihm: "Nun, Freund, wie gefällt dir denn der Himmel des irdischen Hauses Österreich?! Ein sauberes himmlisches Jerusalem das! Siehst du die Palisaden, die Schießscharten und die schönen Kanonen, Mörser und Bobenkessel!? Nimmst du die Wachen und ihre herrlichen Blockhäuser wahr!? Ah, das ist wirklich schön: die himmlische Stadt - auch im Belagerungszustande!"

06 Spricht die Helena: "Du, Freund Cado, sage mir, ob wir uns für die Sterblichen nicht auf eine kurze Zeit könnten sichtbar, aber gleich darauf wieder unsichtbar machen? Weißt du, so ein bißchen nur möchte ich mir den Spaß machen, die lustigen Wiener ein wenig zu necken! Vielleicht brächte sie so eine Neckerei auch um den Belagerungszustand. Und sollten Robert, ich und du etwa gar in dieser Stadt Wohnung nehmen, so werden wir doch gewiß den Belagerungszustand zuvor aufheben?!" - Spricht Cado: "Aber liebste Helena! Meinst denn du im Ernste, daß dies das wirkliche, irdische Wien sei?! Siehe, das ist ja nur eine Erscheinlichkeit und sonst nichts! Hat doch Robert zuvor von einer engen Pforte geredet, durch die man ins Himmelreich einziehen soll. Und siehe, da steht sie schon vor uns! Ihr werdet bei dem Durchgange noch auf so manche Engstellen kommen, die euch sehr schwerfallen werden; aber es wird dennoch zum Durchkommen sein."

07 Spricht Robert: "Das meine ich auch! Aber wie - das ist wieder eine andere Frage! - Wenigstens muß dies erscheinliche Wien doch eine Abbildung vom wirklichen, irdischen sein, sonst könnte es ihm doch nicht gar so auf ein Haar gleichsehen." - (Nach einer Weile fortfahrend:) "Erlaube mir übrigens, lieber Freund, daß ich dich noch mit einer Frage belästige! - Du sagtest vordem, daß dies Wien bloß nur so eine Erscheinlicheit sei und sonst nichts. Und doch steht es so klar vor uns, wie wir selbst uns gegenüber stehen. Sind demnach wir uns gegenseitig auch nur pure Erscheinlichkeiten? Oder sind wir wirklich das, was wir zu sein scheinen? Ist diese Pforte etwa auch nur eine bloße Erscheinlichkeit und sonst nichts? - Ich kann mich hier in den Begriff ,Erscheinlichkeit' noch immer nicht finden. Denn nach meiner Beurteilung ist eine Erscheinlichkeit nichts anderes als entweder der Reflex (Rückstrahl, Spiegelschein) eines wirklich vorhandenen Dinges oder Wesens - oder sie ist zur Erklärung eines Begriffes oder zur Prüfung eines Geistes bloß nur für einen nutzbaren Moment erschaffen; hat sie aber ihren Dienst verrichtet, so tritt sie dann wieder aus der Sphäre jeglichen Daseins. Das ist so meine Idee über den Begriff "Erscheinlichkeit". Und ich meine, es wird sehr schwer halten, ihr eine andere Erklärung beizulegen. Es muß mir aber darüber vollste Klarheit werden, sonst bin ich genötigt, alles für eine bloße Erscheinlichkeit zu halten, was mir seit meinem überirdischen Hiersein nur immer unter die Augen gekommen ist".

08 Spricht Cado: "Du hast schon selbst eine ganz richtige Idee von der Erscheinlichkeit, und ich werde dir darüber wenig mehr zu sagen brauchen. Nur das ist etwas unrichtig, daß da eine Erscheinlichkeit etwas ganz Leeres sein soll, weil sie vorderhand nur bloß eine Erscheinlichkeit ist. Siehe, eine Erscheinlichkeit ist hier (in der geistigen Welt), nach meinem Urteile, entweder wirklich nur ein Abbild eines schon in der Wirklicheit vorhandenen Dinges, oder sie ist ein Probeplan zu einer neuen Schöpfung, zuerst beschaulich dem Herrn allein, dann aber auch jedem Geiste, der seinem Innern nach mit der neuerscheinlichen Idee des Herrn in irgendeinem wesentlichen Liebeauswirkungsverbande steht. Daß aber solch eine Idee mit der moralischen (geistigen) Sphäre des Beschauers auch stets in eine entsprechende Beziehung kommt wie ein Gleichnis - das ordnet des Herrn unbegrenzte Weisheit also und so lange an, bis der Geist jene Kraft und Stärke erreicht, selbst in dem Erscheinlichen das Wirkliche und Unvergängliche zu erkennen.

09 Denn ein hier anlangender Geist ist zuerst gewisserart noch viel zu zart und schwach, als daß man ihm sogleich die kräftigsten geistigen Wirklichkeiten entgegenstellen könnte. Er würde sich an ihnen sehr stoßen und am Ende aufreiben, gleich als so man auf der Erde ein neugeborenes Kind, anstatt in weiche Windeln, auf hartes Holz und Steine legen würde, was ihm sicher sehr übel bekommen dürfte. - Aber nicht alles, was ein noch mehr oder weniger neu hier angekommener Geist zu Gesichte bekommt ist pure Erscheinlichkeit, sondern zumeist, nach der Kraft des Geistes, auch zum größten Teile Wirklichkeit!

10 Die Pforte hier ist eine geistige Wirklichkeit, und wir gegenüber auch. - Aber jenes Wien dort ist nur eine Erscheinlichkeit, aber so - wie du es selbst bemerkt hast - als Abbild der wirklichen, irdischen Stadt Wien, das ihr beide von Zug zu Zug in eurer eigenen Seele beschaulich berget. Dies Bild aber beschwert eure Seele noch dann und wann und erzeugt auch dann und wann Unlauteres in ihr, das sich in irgendeinem etwas mehr gereizten Lebenszustande den Weg bahnt und in die ,redende Erscheinlichkeit' tritt. Solches kann aber im reinsten Gottes-Liebelichte, das da ist der reinste ,Himmel', nicht Eingang finden und daselbst bestehen, da etwas nur im geringsten Unreines in die Himmel Gottes unmöglich eingehen kann. Und so tritt denn nun aus eurer Seele, die sich vor dem Eingange in die reinsten Gotteshimmel befindet und schon von der reinsten Himmelsluft angeweht wird, das letzte unreine Bild der Stadt Wien heraus, auf daß ihr es beschauen und daraus für immer aus euch verbannen möget und könnet.

11 Aber, wie schon früher einmal bemerkt, es wird euch noch einige Mühe und Arbeit kosten! Jedoch mit der beständigen Hilfe des Herrn wird sich auch das machen, und zwar leichter als ihr es meinet! - Darum seid mutig im Herrn, so wird alles leicht und vollkommen vonstatten gehen!"

12 Spricht Robert: "Aber liebster Freund, sage mir bloß das noch, woher du nur deine Weisheit nimmst?! Denn das war schon wieder also geredet, wie aus dem heiligsten Munde des Herrn selbst! Geh und erkläre mir das! Denn ich bin früher stets der Meinung gewesen, daß du mit uns darum hieher gezogen seist, auf daß du durch mich und die Helena für die Himmel Gottes möchtest vorbereitet und tüchtig gemacht werden. Und nun geschieht gerade das allerblankste Gegenteil! Du bist unser allervollendetster Meister, und wir beide haben kaum die hinreichende Fassungskraft, dich soviel als nötig zu verstehen. - Sage mir, bist du wohl im Ernste derselbe Cado, der auf dem Hügel dort im Norden die Minerva schlug mit Wort und Tat? Oder bist du bloß so als ein Cado maskiert und bist in der Tat irgendein allererster Erzengel Gottes? Denn nur auf diese Art läßt sich deine Weisheit begreifen, sonst bleibt sie mir ein Rätsel. Ich bin, Gott Lob, doch auch gerade nicht eines völlig verschlagenen Kopfes und Herzens. Aber so du deinen Mund nur aufmachst, da bin ich schon geschlagen wie mit zehntausend Blitzen. - Also, liebster Freund, sage mir, woher du deine Weisheit borgst!?"

13 Spricht Cado, etwas lächelnd: "So es an der rechten Weile sein wird, wirst du alles erfahren! Nun aber ist das die Hauptsache nicht! Darum kümmere dich vorderhand dessen nicht, da viel wichtigere Dinge vor dir stehen! - Sieh, die große Gesellschaft kommt! Trete darum in die Pforte!"

14 Spricht Robert: "Ganz wohl, ganz überaus wohl! Aber du allerliebster Freund mußt auch mit mir, denn du bist doch zehntausend Male reifer für die reinsten Himmel Gottes als ich!" - Spricht Cado: "Nun ja, das versteht sich doch von selbst, daß ich dich nicht allein werde gehen lassen und ebensowenig die allerherzlichste Helena, die ich ebenfalls sehr liebhabe." - Spricht Robert: "Aber wie werde ich denn die große Gesellschaft nun hier, in der Pforte stehend, empfangen? Mit welchen Worten werde ich sie anreden? Was werde ich zum Herrn sagen? Wie mich über meine Dummheit bei Ihm entschuldigen, wie bei den Propheten, bei den Aposteln und wie bei den vielen anderen Weisen, die auch bei dieser wahrhaft heiligsten Gesellschaft sich befinden? - O Freund, helfe mir da nur ein wenig aus meiner neuen Not!"

15 Spricht Cado: "Aber ich bitte dich, Freund Robert, sei nicht läppisch und kindisch! Kindlich magst du zwar sein, so stark du es nur immer sein kannst - aber nur kindisch nicht! Denn kindisch ist der Verstand der Kinder, und der ist kein nütze. Aber kindlich ist ihr Gemüt, und das ist vom größten Werte vor Gott. - Ich werde es dir schon heimlich eingeben, was du wirst zu reden haben - viel nicht, aber das wenige muß gut sein!"

16 Spricht Robert: "Ja, wie wirst du mir denn heimlich eingeben können?! Da müßtest du ja förmlich ein Gott sein, oder der Herr müßte dir dazu eine eigene Kraft verliehen haben!" - Spricht Cado: "Ei, ei, bist du aber doch ein lästiger Grübler! Muß man denn gleich alles bis auf den letzten Grund einsehen?! Schau, die Ewigkeit ist ja doch so hübsch lang, und es wird sich in ihr gewiß noch sehr viel einsehen und begreifen lassen! - Gebe nun acht, die Apostel kommen - voran Petrus, Johannes und Paulus als die ersten! Mit ihnen wirst du also zuerst etwas zu tun bekommen."

198. Kapitel: Wiedersehen mit der früheren Gesellschaft. Deren merkwürdiges Verhalten gegenüber dem scheinbaren Cado. In Robert dämmert's. Er erkennt mit Helena den hohen göttlichen Freund.

01 Die drei benannten Apostel treten nun schnell vor die Pforte hin, machen eine tiefe Verneigung ihrer Häupter, grüßen dann den Robert und dessen Weib Helena auf das allerherzlichste und zeigen eine große Freude, nun wieder bei Robert zu sein. Die ganze andere, übergroße Gesellschaft aber fällt vor der Pforte aufs Angesicht und ruft ein himmlisch-harmonisches Hosianna dem Herrn entgegen.

02 Robert aber schaut sich nach allen Seiten um, um zu erspähen, von wannen etwa der Herr käme. Aber es will sich der Herr von keiner Seite sehen lassen. Wolhl aber ersieht Robert hinter der Gesellschaft noch jemanden, der dem Cado nahezu auf ein Haar gleichsieht. Während alledem hört das Hosiannarufen jedoch nicht auf. Und Robert merkt es auch den drei ersten, neben ihm in der Pforte stehenden Aposteln ganz genau an, daß sie in sich geheim von einer übergroßen Ehrfurcht ergriffen und vor lauter Liebe und heiliger Empfindung kaum etwas zu reden imstande sind.

03 Robert kann es denn nun auch nicht länger mehr aushalten und fragt eiligst den Cado, sagend: "Aber lieber himmlischer Freund und Bruder! Diese alle sind von einer mir unbegreiflich heiligen Scheu hingerissen. Die Erzväter, die Propheten alle, die Apostel (bis auf die drei ersten bei uns in der Pforte, die aber vor lauter Ehrfurcht nicht reden können) liegen auf ihren Angesichtern. Ja sogar die allerseligste und glorreichste Jungfrau Maria an der Seite ihres würdigsten Joseph macht von allen anderen keine Ausnahme! Und ich schaue mir nun samt meiner Helena schon beinahe die Augen nach allen Seiten aus und sehe alles in solcher Ergriffenheit - sogar dort im Hintergrunde einen knienden Geist, der, dir auffallend gleichsehend, sich auch vor lauter Erbauung kaum mehr zu helfen weiß! Sage mir doch, vor wem sind denn diese alle gar so erbaulichst hingerissen, da doch der Herr noch nirgends zu ersehen ist! Oder sehen Ihn diese alle schon vielleicht irgendwo in großer Nähe, und nur mein Auge allein und etwa auch das der Helena mag noch nichts erschauen?! O ich bitte dich, liebster Freund, lasse mich doch jetzt nicht sitzen!"

04 Spricht Cado: "Ja, aber du mein lieber Freund, was soll ich denn tun? Schau, schau, keine Augengläser gibt es hier mehr und Fernröhren auch nicht! Was also soll ich dir tun?" Spricht Robert: "Uns womöglich den Herrn zeigen, und sonst nichts! Denn zum Herrn muß ich hin und muß Ihn grüßen aus allen Kräften meines Lebens. - Wo, wo, wo ist Er denn? Wo steht Er? Von wannen kommt Er - der Heiligste aller Himmel?"

05 Spricht Cado: "Nun, wenn du den Herrn jetzt auch noch nicht siehst - da bist du aber doch wirklich aus dir selbst heraus ein wenig blind! - Da frage die drei, vielleicht sehen diese ihn auch nicht!?"

06 Spricht Robert: "Das ist aber wirklich sonderbar von dir, das du mir gerade jetzt so halbe Antworten gibst, wo mir eine ganze am dienlichsten wäre. Du verwunderst dich auch nicht darüber, daß diese ganze große Gesellschaft hier vor dieser Pforte gar zerknirscht dahinliegt und sich vor lauter Ehrfurcht nicht einmal aufzuschauen getraut! Wahrlich, dich bringt nichts aus deiner Fassung, weder der offene Himmel noch die finsterste Hölle! Wahrlich, du bist klassisch in allem, wie in deiner mir stets unbegreiflicher werdenden Weisheit und in deinem langmütigsten Gleichmute, so nun auch in deinen halben Antworten, die du mir bloß darum zu geben scheinst, um etwas geredet zu haben, aber was, das scheint dir ganz einerlei zu sein!"

07 Spricht Cado: "O nein, nicht so, mein lieber Freund und Bruder! Ich gebe dir wohl ganze Antworten, die aber du leider nur halb verstehst. - Warum hast du denn für deine so überaus dringliche Angelegenheit nicht, wie ich dir riet, die drei befragt? Die hätten es dir schon lange gesagt, wo dieses alles hinaus will und wo sich allenfalls der Herr befindet. Aber da fehlt dir, wie es scheint, der Mut, was von dir eigentlich so ein wenig dumm ist! Denn sie werden doch als Bürger der Himmel nicht mehr sein wollen als unsereins. Im Himmel ist alles gleich, und der niederste ist der beste, und das ist der Herr selbst! -Sehe dich also nach Dem um, und du wirst Ihn bald haben und hast Ihn eigentlich schon. Aber Er ist dir zu wenig, so magst du Ihn auch nicht erkennen, obschon du Ihn schon lange siehst, verstehst du das?"

08 Spricht Robert: "Obschon ich Ihn schon lange sehe!" - Ah, das wäre aber doch etwas komisch - Ihn sehen und nicht erkennen! Ihn nicht erkennen?! Ich, der ich nun schon die geraumste Weile seit meiner höchst traurigen Ankunft in dieser Geisterwelt um Ihn war, sollte Ihn nun auf einmal nicht mehr erkennen mögen, so Er vor mir stünde!? Nein, das wäre denn doch im Ernste etwas mehr als zu viel! Freund Cado, du bist wohl sehr weise, aber diese Behauptung scheint dir denn doch auch einmal so ein wenig mißlungen zu sein. Denn nach dieser deiner Behauptung müßtest entweder du selbst oder am Ende gar die Helena der Herr sein! Denn ich bin es etwa doch ewig nicht, und die drei Apostel neben uns auch nicht. Die Helena ist doch ein Weib nur und kann's darum nicht sein und ist dazu auch eines viel zu himmlisch-reichen Anzuges. Du bist unter uns wahrlich am einfachsten; denn diese deine an den Orient erinnernden höchst unansehnlichen Kleidungsstücke entbehren offenbar jeder Zierde, schmücken deinen Leib auch wahrlich nicht im geringsten, sondern decken bloß nur dessen Blöße und sind daher auch sicher, wie du selbst, im höchsten Grade einfach. Du mußt daher nach deiner eigenen Behauptung es Selbst sein - obschon du dem Cado noch immer wie ein Ei dem andern gleichsiehst! Es hat zwar die Gesichtsbildung des Herrn mit deiner Cadoschen eine bedeutende Ähnlichkeit. Aber du bist dessenungeachtet noch stets ganz derselbe Cado, der an jenem Hügel dort mit der Satana kämpfte. - Hm, hm, solltest du also wirklich - der Herr Selbst sein!?

09 Nein, wenn das im Ernste so wäre, da träfe mich vor Schande ja beinahe ein Schlag, trotzdem ich nun ein Geist bin! Denn wie viel Dummes und sogar Schlechtes habe ich vor dir durcheinander geredet und geschimpft wie ein Narr! - Ja, ja, jetzt geht mir auch noch ein anderes Licht auf! Du hast mich ich überall ans Evangelium gewiesen, wo es bei mir zu stocken anfing und nicht weiter gehen wollte. Und das hätte denn der eigentliche Cado, der mit der Schrift doch unmöglich so vertraut sein kann, doch nicht so umfassend zuwegebringen können - da es sogar bei mir hie und da hapert, obwohl ich schon von der Wiege an in der Bibel unterwiesen worden bin. Und dazu begreife ich nun auch deine ewig unerreichbare, endlose Weisheit! - Ja, ja, Du bist es schon, und niemand anders kann es sein!

10 Aber da Du es bist und niemand anders es sein kann, was auch diese ganze, große Gesellschaft bezeugt durch ihr unbegrenztes Ergriffensein vor Dir, o Herr - so lasse mich und meine Helena mir denn nun auch zu Deinen heiligen Füßen hinfallen und Dir unseren schon lange schuldigsten Dank in aller Zerknirschung unserer Herzen darbringen! - Helena, siehe hierher! Dieser unser Begleiter, dieser Freund der Freunde, dieser überweise, himmlische Cado ist nicht der eigentliche Cado! Bloß nur das Kleid ist wie das des dir bekannten Cado! Aber im Kleide steckt, vor dir und mir nahezu ganz unerkennbar, der Herr Selbst! - Verstehst du? - Der Herr Selbst!"

11 Helena, solchen Ruf kaum vernehmend, stürzt sich jählings dem Herrn zu Füßen und schreit: "O Herr, verdamme mich doch nicht, denn ich war ganz entsetzlich roh und grob vor Deinen Augen! O Gott, o Gott, was habe ich getan!" - Sage Ich, noch immer als Cado: "Stehe auf, du Meine liebste Tochter! Denn Ich liebe dich eben deshalb, weil du so bist und warst, wie du nach Meinem Willen sein mußt! - Stehe also nur auf! Denn wir müssen nun nach Wien! Verstehst du das?"

199. Kapitel: Eintritt der kleinen Geselllschaft Jesu ins virtuelle Wien. Volkstümliche, echtwienerische Szenen an der Paßschranke. Der kritische Sergeant. (Am 2. Juni 1850)

01 Spricht Robert: "O Herr, möchtest Du mir denn nicht so ein wenig nur kundgeben, was wir so ganz eigentlich in diesem erscheinlichen Wien machen werden und was uns da nun alles begegnen wird? Denn wenn ich gar so unvorbereitet selbt an Deiner göttlich allmächtigen Seite in diese Stadt komme und diese ganze große Gesellschaft mit uns - so weiß ich wahrlich nicht, wie wir da enpfangen werden, oder wie ich mich bei Vorfällen mißlicher Art (die da wahrscheinlich nicht ausbleiben) zu benehmen habe, um nicht in recht offensichtliche Verlegenheit vor Dir und dieser ganzen Gesellschaft zu kommen."

02 Rede Ich: "Um alles das hast du dich nicht zu sorgen und zu kümmern, so Ich bei dir bin! Die ganze große Gesellschaft aber geht ohnehin nicht mit, sondern bloß nur Ich, die drei Apostel, du und die Helena. Alle andern bleiben hier bis zu unserer Wiederkunft.

03 Sehe du aber nun nach Wien hin, wie es nicht etwa leer, sondern ganz so bewohnt ist wie auf der Erde, und zwar entsprechend von ganz denselben Menschen, die seit dem Erdjahre 1848 bis in dies gegenwärtige Jahr 1850 diese Stadt bewohnt haben und jetzt noch bewohnen, entweder als Geister oder noch als Materiemenschen. - Gehen wir daher nun hin, auf daß du dein ,enge' Pförtlein, bald mögest durchgemacht haben! Aber da zu euren Füßen liegen dunklere Überwurfskleider; diese werfet zuvor über eure himmlischen!"

04 Robert und dessen Weib Helena tun sogleich, wie geheißen, und sehen nun ganz pilgermäßig aus. Ebenso auch die Apostel, die ganz gut drei Pilgern allenfalls aus Jerusalem gleichsehen. Meine Kleidung aber gleicht der eines einfachsten Juden. Und also kostümiert treten wir unsere kurze Reise in das vor uns liegende Wien an.

05 Bei der Zoll- und Paßlinie angelangt, und zwar bei derjenigen, die gleich zunächst der sogenannten "Spinnerin am Kreuze" sich befindet, fragt Robert, der knapp neben Mir einhergeht: "Herr, sehen bloß wir die verschiedenen wachhabenden Mannschaften - oder sehen sie uns etwa auch? Sollten sie uns auch sehen, da ginge es uns schlecht, wenigstens fürs Gesicht (den äußeren Ansehen nach); denn wir haben keine Pässe!" - Sage Ich: "Ja, sie sehen uns auch; aber nicht alle, sondern jene nur, die auch schon wirklich in der Geisterwelt sich befinden. Aber diese werden durch ein gewisses Einfließen die noch Irdischen auf uns aufmerksam machen, und da wird es dann freilich eine kleine Hetze abgeben. - Lasse aber jetzt nur Petrum vorangehen! Der weiß es am besten, wie man mit solchen Zöllnern und Einnehmern umzugehen hat."

06 Petrus geht nun sogleich zum Zöllner hin und sagt zu ihm: "Freund, wir sind Reisende von (für dich und deinesgleichen) sehr weit her, haben aber keine Pässe, denn in unserem himmlischen Reiche ist volle Freizügigkeit für ewige Zeiten gewährleistet. Wir können dir daher nicht mit Reisepässen aufwarten. Wir sind aber überaus kreuzehrliche Wesen, haben uns nirgends etwas zu Schulden kommen lassen und sind sonach auch überall noch ohne allen Anstand durchgekommen. Daher glaube ich, daß man uns auch hier keine Anstände machen wird."

07 Spricht der Zöllner: "Mein Freund wahrscheinlich aus China!? So ihr nichts mautbares (zollpflichtiges) bei euch habt, da könnt ihr von mir aus sogleich ohne allen Anstand weiterziehen. Da weiter vorne ist noch eine Maut (Zoll- und Paßamt); alldort werden die Pässe den Passanten abgenommen und vidimiert (geprüft, beglaubigt). - Seid ihr also im Ernste Chinesen?"

08 Spricht Petrus: "Ja, ja! - Also dort vorne ist das Paßamt? - Wir sind Ihnen für diese Auskunst sehr verbunden!" - Spricht der Zöllner: "Nun, nun, ich glaube gar, dies zerlumpte Bettelgesindel möchte etwa gar auch noch großtun!"

09 Spricht Petrus: "Freund, beurteile du die Menschen nie nach dem Rocke! Denn du kannst es ja nie wissen, was vielleicht denn doch dann und wann hinter einem schlichten Rocke stecken könnte." - Spricht der Zöllner: "Sicher höchst selten etwas anderes als Lumpen und Vagabunden, die man aufgreifen und per Schub dahin zurückschicken muß, wo sie zu Hause und gerichtszuständig sind! Verstanden, mein Herr!?"

10 Jawohl", spricht Petrus, "diese Sprache ist heutiger Zeit nur zu häufig gang und gäbe, als daß sie die arme Volksklasse nicht verstehen sollte. Wer hier in einer Prachtkutsche vorüberfährt mit bordierter Dienerschaft, mit dem redest du sicher ganz anders. Aber mit uns Barfüßlern redest du, als wären wir eine Gattung Tiere nur. Und siehe, das ist nicht löblich von dir! - Lasse uns aber nun weiterziehen! Vielleicht werden bei der vordern Maut die Aufseher nicht so scharf sein wie du." - Spricht der Zöllner: "Ja, ja, dort werden sie mit euch sicher nicht viele Umstände machen! - Sehet nun, daß ihr weiterkommt, sonst lasse ich euch selbst noch arretieren!"

11 Spricht Robert zu Mir: "So sind sie! Und das ist eher noch einer der Bessern! - Wenn man mit so einem Menschen zu tun bekonmmt, wahrlich, vor Grimm und Ärger könnte man da geradewegs zerbersten! - O Menschen! O Erde!" Spricht auch die Helena: "Nein, wenn der noch länger uns mit seinen allerfadesten Geringschätzungsreden belästigt hätte, so hätte ich ihm was gesagt! Denn ich kenne diesen Dalken (nichtsnutzigen Kerl). Ist aber gut, daß wir weiterziehen, sonst wäre ich wohl mit ihm zusammengewachsen! So ein paar Blitzschnelle hätten sich auf seinem Hottentottengesichte gar nicht schlecht gemacht! Na, der hätte sich verwundert, wenn er so ein gedoppeltes Gesicht bekommen hätt'!"

12 Sage Ich: "Nur nicht gar zu laut, Mein Töchterchen! Denn dieser Zöllner hat sehr lange Ohren! - So er das vernähme, da bekämest du ein schweres Tun mit ihm." - Sagt Helena: "Aber ärger, o Herr, wird er doch etwa nicht sein als die Satana selbst?!" Sage Ich: "Ja, es kommt darauf an! Die Hunde, welche die großen Reichen in ihren Höfen als Wächter an den Ketten halten, sind in ihrer Art um vieles böser als ihre Herren. Die Herren reden bloß, aber die Hunde beißen! - Daher sei du froh, daß dich der Hund seines Herrn nicht gebissen hat. Aber wir kommen nun schon zu der zweiten Maut! - Petrus fängt mit der Polizei zu reden an. Wir wollen sehen, was da herauskommen wird!"

13 Sagt Helena: "O eing'führt (eingesperrt, in Haft geführt) werden wir und sonst nichts - so Du, o Herr, von Deiner Macht keinen Gebrauch machen wirst!" - Sage Ich: "Meine liebe Tochter, sei ohne Sorge! Was wäre es denn auch, so uns diese Blinden im Ernste einführeten? Sage, welcher Kerker könnte uns wohl festnehmen! Ein leisester Hauch Meines Mundes und die ganze Erde samt allen ihren Kerkern ist nicht mehr! - Und so haben wir uns vor keinem Kerker zu fürchten. - Aber nun horchen wir auf den Petrus, der soeben befragt wird: »Woher des Weges?! Wo sind die Pässe?! Reist die ganze Gesellschaft mit einem oder mit mehreren Passierscheinen? Wo sind sie? Her damit!«

14 Spricht nun Petrus: "Eine kleine Geduld und eine ganz kurze Frage! Sage mir gefälligst, kann da gar niemand, auch kein Einheimischer, ohne Paß in die Stadt?" - Spricht der Polizeisergeant: "Bekannte Einheimische wohl; aber Fremde nie! Seid ihr fremd und nicht Bürger dieser Stadt, dann müßt ihr einen Paß haben, sonst kommt ihr nicht hinein! Gehört ihr aber dieser Stadt an, so müßt ihr euch durchexaminieren lassen, auf daß ich daraus ersehen kann, wessen Geistes Kinder ihr etwa seid."

15 Spricht Petrus: "Nur zu! Ich werde dir alles ganz genau angeben!" Hierauf fragt der Sergeant: "Wie heißt Er?" - Spricht Petrus: "Simon Juda, Jonas Sohn, genannt Petrus." - Der Sergeant weiter: "Das klingt sonderbar! Aber wer ist Er denn, was treibt Er für ein Gewerbe?" - Spricht Petrus: "Ich bin ein Fischer von Geburt aus und gehe aber nun aufs Menschenfischen aus, schon seit nahe 2000 Jahren."

16 Spricht der Sergeant zu einem Gehilfen: "Bewache diesen, denn der gehört ins Narrenhaus! Der Kerl bildet sich ein, daß er Petrus, der berühmte Apostel sei! - Nein, was man bei einer Linie (Zoll- und Paßschranke) doch alles erlebt!"

17 Hierauf wendet sich der Sergeant am den Paulus, fragend: "Wer seid denn Ihr - und wie heißt Ihr!" Spricht Paulus: "Ich bin ein Teppichweber, dann ein Apostel der Heiden. Mein erster Name war Saulus und der spätere war und ist noch Paulus." - Spricht der Sergeant zu einem zweiten Gehilfen: "Bewahre auch den! Denn auch dieser ist ganz reif ins Narrenhaus!" - Darauf, sich zu Johannes wendend, fragt er auch diesen Apostel: "Wer seid denn Ihr? Etwa auch so ein Apostel Christi?"

18 Sagt Johannes: "Ich bin der Evangelist Johannes und zugleich auch Apostel des Herrn Jesu Christi!" Spricht der Sergeant zu einem dritten Gehilfen: "Gehört auch ins Tollhaus! - Bewachet sie wohl! - Es sind noch drei dort, die werden wohl sicher des gleichen Geistes sein! Denn gleich und gleich gesellt sich gern!"

19 Hier tritt voll Ärger die Helena vor und sagt zum Sergeanten in ganz echt Oberlerchenfeldischer Weise: "Sö Haupttappschädl von an böhmischen Puliquatschenfeldwebl, gebens acht, daß ihnen ihnen die drei nit etwa auskommen!" - Spricht der Sergeant ganz spinngiftig über die Anrede der Helena: "Waaaas ist das für eine Kreatur!? Waaas hat sie gesagt!~ - Na warte du! Dir werden wir das Rohe schon herabarbeiten!" - Hier springt die Helena zum Sergeanten hin und sagt: "No, no, nur gschwind a portion Luxenburger Spargel her, du alter Schwefellebertigel aus der höllischen Apothek'! Schau nur gleich, daß dein böhmisches Zartg'fühl kein Leibschad'n kriegt! - Schau, schau, ehrgeizig auch noch - mit dem G'sicht!? - Laß sich der Herr den Grimm vergehn, sonst sag i ihm was, das ihm grad mit am besten schmecken nöcht!"

20 Spricht der Sergeant: "Weß Landes ist sie gebürtig, Sie ungehobeltes Mensch!?" - Spricht die Helena: "No denken's nach! Können Sie sich noch auf das Wirtshäusl erinnern, von dem Sie dreimal hinausg'worfn san's worden - wegen Unzucht und Stänkerei?! - Schaun's, dort bin i gebürtig!" Sagt der Sergeant: "Waaas brodelt Sie daher?! Ist Sie denn ein Oberlerchenfelder Früchtl?!" - Spricht Helena: "Ja, die Schwarzmaxl-Lenerl! Kennen's mi denn nimmer!?"

21 Spricht der Sergeant: "Ja, aber sag mir, wie kommst denn du zu dieser Narrengesellschaft?! A das ist gut! Die Schwarzmaxl-Lenerl! - Aber sag mir doch, wo bist denn seit der Revolution hingekommen? Man hat von dir ja gar nichts mehr gehört und gesehen!" - Spricht die Helena: "Na, g'storben bin i halt! Und jetzt bin i wieder als lebendig da und geh mit diese meine gute Freund mei Heimat b'suchen - wann's nix dawider habn! Daß aber die keine Narren san, da steh i ihnen gut dafür!" - Spricht der Sergeant etwas besänftigter: "Ah, meine Liebste, diese drei sind ganz vollkommen Narren! Diese müssen demnach ins Narrenhaus! Bei den zwei letzten aber wird es sich erst durch bin gutes Examen zeigen, wessen Geistes Kinder sie etwa sind. Und ich werde sie daher auch gleich vornehmen."

22 Hier tritt Robert von selbst vor und sagt: "Freund, du willst mich und diesen meinen heilig großen Freund ,vornehmen' und uns untersuchen, ob wir etwa nicht sinnesverrückt seien?! O du blinder Hascher! Siehe, das hättest du lange schon bei dir selbst tun sollen, auf daß du in der Einsicht und besseren Erkenntnis wenigstens soweit es gebracht hättest, daß du schon lange nicht mehr dem Leibe nach lebest auf der eigentlichen Erde und im eigentlichen Wien - sondern nur in dem entsprechend geistig Erscheinlichen auf der ebenfalls erscheinlich-geistigen Erde! - Meinst denn du, daß du hier der wirkliche Linienaufseher bist? Ja in deiner Einbildung bist du es und sonst gar nichts! Glaubst denn du, daß du irgendeine Gewalt oder irgendein Recht hast, uns zu untersuchen? Ich sage es dir, du hast kein anderes Recht als das Recht eines Narren, der dazu noch blind und taub zugleich ist!

23 Denn du bis ja schon lange gestorben, und zwar an der Cholera im Jahre 1849~ der irdischen Rechnung nach! Abgesandte Geister aus den Himmeln haben es dir im Augenblicke deines Austrittes aus dem irdischen Leibesleben gesagt, daß du dem Leibe nach gestorbeu bist, aber du lachtest sie aus und sagtest: »Was da, ihr dummen, hirnverrückten Kerls! Seht ihr denn nicht, wie ich noch ganz vollkommen und rüstig ein erster Polizeisergeant bin?! Und wollt ihr etwa das nicht glauben, so stecke ich euch ins Loch und ihr werdet es dann gleich einsehen, ob ich gestorben bin oder ob ich noch lebe!« Bei solcher deiner Gegensprache verließen dich dann aber auch sogleich die Boten aus den Himmeln und ließen sonach den Narren in seiner Narrheit, in der er nun über ein Erdjahr schon verharret und andere weise, ihm helfen wollende Geister als Narren erklärt, dabei aber selbst der größte Narr ist und bleibt! Meinst denn du wohl im Ernste noch, daß du ein leibhaftiger Polizeisergeant der Stadt Wien bist, die auf der Erde des österreichischen Kaisers Residenz ist? - Da schaue den Schrankbaum an! Siehst du nicht und merkst es nicht, wie er nun vor uns stets lustiger, durchsichtiger und somit auch nichtiger wird?!"

24 Spricht der Sergeant: "Das ist alles einleeres Geschwätze, das eine Amtsperson, wie ich eine zu sein die hohe k. k. Ehre habe, nicht anhört, sondern ihr hohes Amt handelt, wie es ihre Amtsinstruktion ihr zu handeln strengst gebietet! Wie heißt Er denn? Oder hat etwa Er einen Paß oder irgendeine sonstige Aufweisung?" - "Nein!", donnert ihm Robert ins Ohr, daß darob der Sergeant ganz schwindlig wird und um Hilfe zu rufen anfängt. - Wieder donnert ihm Robert ins Ohr: "Tor, was willst du, das ich dir tun solle?! Willst du leben oder sterben für ewig? Denn - einen zeitlichen Tod gibt es hier nimmer! Wer hier stirbt, der stirbt für ewig!"

25 Hier schreit der Sergeant ganz entsetzlich laut um Hilfe. Und es erscheinen sogleich drei gemeine Diener aus einer Wachtstube und wollen den Robert in Empfang nehmen. - Dieser aber donnert über sie so ein gewaltiges ,Halt!', daß darob alle samt dem Sergeanten also zusammenstürzen, als ob sie vom Blitze gerührt worden wären. - Und als sie so wie ganz bewußtlos am Boden liegen, sagt Robert: "Herr, so es auch Dein Wille ist, dann können wir ganz unbeirrt weiterziehen. Die drei dort, die den Petrus, Paulus und Johannes bewachen, blasen wir ein wenig hinweg und wir haben dann den freiesten Abzug von dieser Linie."

26 Sage Ich: "Es wäre wohl alles recht; aber dieser Sergeant muß auch Mich Selbst noch zuvor examinieren! Ist dies geschehen, dann werden wir, auch ohne viel blasen zu müssen, weiterkommen, ohne daß uns diese auch nur das geringste Hindernis in den Weg legen können." - Spricht Robert: "Ganz überaus wohl, o Herr! Dein Wille allein ist heilig!"

27 Hier erhebt sich der Sergeant wieder und sagt voll Grimm: "Wer ist hier ein Herr, und wessen Wille ist da heilig?! - Hier regiert allein der Kaiser! Der allein ist der Herr, und sein Wille allein muß heilig sein allen seinen Untertanen! Was darunter oder darüber, ist nichts als Asche! - He Mannschaft, habt acht! Nehmet dies ganze Gesindel fest und führet es vors Gericht und saget demselben alles, wie sich dieses sozialistische Gesindel hier benommen hat! - Dieser Schreier aber soll hier in der Wachtstube noch zuvor extra für sein tumultuarisches Schreien mit fünfundzwanzig wohlgemessenen Stockstreichen belohnt werden, worüber ihr eine Note von mir eigens an das Gericht zu überbringen habt, welche Note ich auch sogleich während der Exekution vefertigen werde! Ergreift ihn und schleppt ihn ins Wachtzimmer! - Nun, der soll sich sein Schreien merken!"

28 Drei Mann umstehen nun den Robert und wollen ihn binden und schließen. Aber da springt die Helena hinzu und sagt: "Wer es wagt, Hand an den Robert zu legen, der ist des Todes!" - Als aber einer doch mit der rechten Hand den Robert beim Kragen packt, bekommt er im Augenblicke eine solche Maulschelle von der Helena, daß er sogleich wie tot auf den Boden fällt. - Nun wollen die zwei andern die Helena packen, werden aber von ihr derart bedient, daß da beide jählings die Flucht ergreifen und sich so schnell als nur immer möglich aus dem Staube machen. Auch jene drei, welche die drei Apostel bewachten, sind nun flüchtig geworden. Und der Sergeant ruft ihnen vergeblich alle Galgen und ein Mordio übers andere nach, aber es kehrt sich keiner mehr um. Denn diese haben es so ganz leise zu ahnen angefangen, daß es mit unserer Sechsergesellschaft eine ganz sonderbare Bewandtnis haben müsse.

200. Kapitel: Der Zollsergeant examiniert Jesus, wird von Ihm zurechtgewiesen und gibt der Gesellschaft freie Bahn. Ein Steuereinnehmer folgt Jesus. Den Sergeant sticht die Neugier.

01 Aber der Sergeant ist noch ganz in Wien und ganz von den Pflichten seines Amtes durchdrungen und sieht und hört daher aber auch nichts anderes, als das nur, was seines vermeintlichen Amtes ist. Nur etwas bescheidener wird er nun, weil ihn alle Gehilfen rein im Stiche gelassen haben. Er begibt sich daher zu Mir hin und fragt Mich, wer denn Ich etwa wäre, wie Ich hieße und ob Ich keinen Paß oder sonstige Ausweisung besäße?

02 Und Ich sage zu ihm: "Wir kommen unmittelbar aus dem höchsten Himmeln hierher. Ich bin Christus der Herr und bin nun hierher gekommen, die Toten zu erwecken, die Verlorenen aufzusuchen und die Kranken zu heilen. Und allen, die eines guten Willens sind, soll ein großes Heil widerfahren!"

03 Spricht der Sergeant, zu dem sich auch noch einige Individuen gesellen, die im Mauthause sich befanden: "Gut gesprochen! Du bist noch der gescheiteste Narr von all den frühern, in denen sich sogar wühlerische Verschmitztheit beurkundete, indem sie ihre Narrheit mehr als einen Deckmantel ihrer verbrecherischen, geheimen Absichten vorschoben und mich so sub bona fide (unter dem Schein guten Wollens) täuschen wollten. Aber da ich Argusaugen habe und das Gras wachsen höre, so kann ich nicht so leicht übertölpelt werden. - Ich kenne mich aber nun mit euch ganz genau aus und weiß, woran ich bin. Und so muß ich euch wegen allerhöchsten geheimen Willens ja wohl passieren lassen. Das heilsame Placetum regli (Erfordernis der Aufenthaltsgenehmigung) ist aufgehoben und der katholischen Kirche freiestes Schalten und Walten in ihrer klerikalen Sphäre eingeräumt! Und so kann und darf sich auch ein exponierter Sergeant auf einer Linie nicht mehr wundern, so ihm von Zeit zu Zeit nun gewisse verkappte Jesuiten und Liguorianer in allerlei Gestalten vorkommen werden! Es wird bald wieder Ablässe und Wunder zu regnen anfangen. Die Jakobsleiter wird wieder repariert und zwischen Erd' und Himmel aufgestellt werden, auf der Engel, Apostel, die seligste Jungfrau, andere Heilige und nicht minder auch Christus Selbst auf- und niedersteigen werden, natürlich ums Geld und andere kostbare Buße! Und ihr seid schon die erste Probe! Deo gratis (Gott sei Dank)! - Ja ja, wir kennen uns schon aus. - Schön, schön, das kann sicher manchen sehr viel Trost gewähren - oder was?!

04 Ihr könnet nun schon weiterziehen! Hätte ich das eher gewußt, von welchem Geiste ihr getrieben werdet, so hätte ich euch ja kein Hindernis in den Weg gelegt, wozu ich auch die gemessene geheime Weisung habe. Aber die Zusammenstellung ist wahrlich als vollkommen gelungen zu betrachten - bis auf den Robert Blum und die unverkennbare Schwarzmaxl-Lenerl, die doch sicher jeder lustige Wiener in vielfacher Hinsicht kennt. Der eigentliche Blum wird zwar von Kopf- und anderen Schmerzen nicht mehr viel geplagt sein. Aber die Erfindung eines Pseudo-Blums (Schein-Blums) ist gut! Denn wer den rechten Paganini (berühmter Geigenspieler) nicht hören konnte, der stellt sich nachher doch mit einem falschen recht gemütlich zufrieden. Und dieser Name hat noch viel geheimes Gewicht in Wien! Auch eine verkleidete Barrikadenheldin aus Oberlerchenfeld ist wahrlich für eure Zwecke nicht schlecht! Denn zum Gimpelfange gehört ja allerdings so ein recht niedlicher Lockvogel mit einem geisterhaft heroisch klingenden Namen. Der Zweck heiligt ja jedes Mittel! - Und du - bist Christus, der Herr Selbst?! Oh, das ist sehr schön! Nun, wenn solche Christusse, wie du, der römisch-katholischen Kirche nicht wieder auf die goldenen Beine helfen, dann adieu Papst und Rom und adieu Pfaffentum! Ein Dutzend Weihröcke noch dazu, und es wird sich schon alles wieder geben und machen!"

05 Rede Ich: "Freund! Ich weiß, daß du ein sogenannter Protestant bist, und du denkst übers römische Christentum nicht unbillig. Denn dieses ist vor Gott von Grund aus ein Greuel in allen seinen herrschsüchtigen Mühen, von denen ihm aber keine gelingen wird, wofür Ich dir stehen kann. Aber Mich und Meine kleine Gesellschaft verkennst du ungeheuer! - Ich aber will dir von nun an nichts mehr auf bürden, indem du frei bist und glauben und tun kannst, was du willst. Aber das sei dir noch einmal kundgetan, daß du nun nicht mehr auf der Welt der Materie, sondern ganz in allem Ernste in der Geisterwelt dich befindest, und daß alles das, was du außer Mir und Meiner Begleitung siehst, nichts als leere Erscheinlichkeit ist, die für dich aber zu geistigen Wirklichkeiten werden könnte, so du dich an Mich anschließen und in Meine Fußstapfen treten würdest. Aber du bist in deinem Herzen noch zu weit von Meinem Reiche entfernt und kannst Mich daher auch nicht erkennen in deiner Blindheit. Bleibe daher nur, wo und was du bist! Vielleicht sehen wir uns später noch irgendwo und irgend einmal wieder!"

06 Spricht der Sergeant: "Wird mich sehr freuen, wenn nicht in dieser, so vielleicht doch möglicherweise in einer andern Welt! - Wünsche übrigens eine gute Verrichtung in der Residenzstadt! Der noch immer fest andauernde Belagerungszustand dürfte euerm löblichen Unternehmen günstig sein. Darum noch einmal - eine gute Verrichtung und einen schönen Gruß nach Maria-Zell! Adieu!"

07 Wir begeben uns nun ohne weiteren Anstand in das Innere der Stadt. - Aber der Sergeant schaut uns mit seiner Gesellschaft nach. Und als auch der Einnehmer der ersten Verzehrungsteuer-Maut hinzukommt, um zu erfahren, was es denn mit diesen sonderbaren Reisenden für eine Bewandtnis habe und wer sie etwa seien, ob Chinesen oder wenigstens Indier - da sagt der Sergeant zu ihm und den Seinen: "Das sind verkappte, feine Jesuiten als fromme Missionäre! Weißt du, seit die Kirche wieder frei ist in unserem lieben, väterlichen Österreich, haben ihre Pfaffen wieder die alte Jakobsleiter aufgefunden und sie geradewegs am Himmel angelehnt. Mit den alten Kirchenstrafen geht es denn doch wenigstens so geschwinde nicht und mit der goldenen Buße der Kreuzfahrer auch nicht; daher werden vorderhand Döbler und Bosko (zwei berühmte Zauberkünstler) zur Leihe genommen, und wir werden bald von den großartigsten Wundern von allen Seiten her die rührendsten Kunden erhalten!

08 So waren z.B. diese sechs nichts weniger als: Der Capo (Hauptmann, Führer) höchsteigenen Bekenntnisses gemäß - Christus Selbst, der nun alle Kranken gesund machen wird ec! Vielleicht hilft Er auch den Finanzen auf die Beine zum Spaziergang nach Rom - oder was? - Die drei ersten waren Petrus, Paulus und Johannes der Evangelist. Nun, wie g'fallt dir das G'schichtl? Ein recht bildsauberes Menschl haben's auch bei sich g'habt, unter dem Namen Schwarzmaxl-Lenerl, die Barrikadenheldin! Und, jetzt fall aber nur um und werd völlig tot vor Verwunderung - den Robert Blum auch! - Nun, ists G'schichtl nicht lustig?! Wie g'fällt dir dieser Spaß?! - Meine Mannschaft, die etwas schwachen römischen Geistes ist, hat dir im Ernste dabei Reißaus genommen und hat mich allein hier sitzen gelassen! - Nun, Freund, was sagst du zu dieser Errungenschaft vom Jahre 1848!?"

09 Sagt dazu der Verzehrungs-Steuereinnehmer: "Mein lieber Freund, diese Geschichte sieht wohl dem ersten Anscheine nach etwas spaßhaft aus, aber in Grunde liegt, wie es mir vorkam und wie es mir mein inneres Gefühl sagte, doch etwas sehr Ernstes in dieser Geschichte! Ich will es schon zugeben, daß die Pfaffen bei der nun wieder erreichten kirchlichen Freiheit so manches versuchen werden, wodurch irgendein ihnen erwünschenswerter Volksaberglaube wieder belebt werden könnte. Aber auf diese Weise, Freund, Freund - das werden sie fein bleibenlassen! Es mag in den früheren Zeiten sich wohl so mancher lüsterne Pfaffe in nächtlichen Stunden gegenüber einer schönen jungen Nonne oder sonstigen Betschwester einen Spaß erlaubt haben, der vielleicht sehr nach einer himmlischen Maskerade roch, aber also öffentlich gegenüber offenbar amtlichen Aufsichtsmenschen und - wohlbemerkt! - in einer im Belagerungszustande befindlichen Kaiserstadt, dürfte sich wohl der verschmitzteste Jesuit so etwas nimmer erlauben! Ah, weißt du, ich bin sicher kein Freund der Pfaffen; aber ich glaube, daß sich zu solch einem Geschäfte wohl keiner herbeilassen würde, selbst so er im Ernste die bedeutendsten Vorteile davon zu erwarten hätte.

10 Aber ich halte von dieser mir wahrlich ganz chinesisch vokommenden Geschichte ganz was anderes, und zwar: Entweder sind diese sechs verkleidete hohe Personen, oder sie sind am Ende im Ernste das, als was sie sich ausgegeben haben! - Denn, weißt du, aufrichtig gesagt, mir konmmt meine ganze Lebensgeschichte hier in Wien, so ich die Sache bei rechtem Lichte betrachte, etwas sonderbar vor. Und das bringt mich heimlich immer mehr auf die Vermutung, daß ich mich entweder in einem Traumleben befinde oder von irgendeinem sonderbaren Schwindel geplagt werde. Auch eine Menge andeer Bemerkungen habe ich schon gemacht und mich dabei am Ende, wenn ich die Sachen näher beurteilt habe, höchlichst verwundert, daß derlei Vorkommnisse mir nicht eher aufgefallen sind. So zum Beispiel habe ich seit ungefähr einem Zeitraume von zwei Jahren aber auch nicht einen Fuhrwagen gesehen und ebensowenig irgendeine Equipage, was gewiß sehr sonderbar ist, so gehen auch äußerst wenige Menschen hier vorüber. Und von einem gewöhnlichen Hineintragen der Lebensmittel ist auch keine Rede mehr; gewöhnlich werden seltene, mir ganz unbekannte Wurzeln und Kräuter und geselchte Wölfe, Füchse und kleine Bären vorbeigetragen und noch eine Menge anderes solch dummes Zeug mehr, daß man darüber geradezu lachen muß. Ich kann dafür auch von niemanden eine Steuer erheben, weil derlei Dinge in keinem Steuertarife vorkommen. Und verhalte ich auch jemanden dazu, so gibt er mir gar keine Rede und Antwort und geht unaufhaltsam seines Weges weiter. Mir aber fällt es auch dann gar nicht bei, daß ich jemanden anhalten soll.

11 Letzthin sah ich so in Gedanken vor mich hin und bemerkte ein großes, wertvolles Goldstück von neuester Präge so etliche Schritte vor mir am Boden liegen. Ich eile hin, um es aufzuheben. Als ich hinzukam, ist das ganze Goldstück verschwunden und an seiner Stelle lag eine zetretene ganz kohlschwarze kleine giftige Natter. Ich wollte sie mit meinem Visierstabe hintanschleudern. Als ich sie aber noch kaum berührt hatte, da verwandelte sie sich augenblicklich in einen recht sonderlich häßlichen Raubvogel, der im selben Augenblick aus und davon flog, als ich den verwunschenen Prinzen von einem Großdukaten mit meinem Visierstabe davonschleudern wollte. Letzthin bin ich ebenfalls auf eine außergewöhnliche Weise von einer Erscheinung betroffen worden. Ich sah zum Fenster hinaus, und es regnete gewaltig stark. Mir fiel es erst jetzt auf, daß ich bis dahin, sage zwei Jahre lang, weder regnen und noch weniger schneien gesehen habe. Ich eilte schnell hinaus, um mich ein wenig anregnen zu lassen. Wie ich aber - doch sicher schnell genug - hinauskam, da war dir aber vom Regen auch keine Spur mehr! Ich fing nun erst an, über die Sonderbarkeit der Witterung nachzudenken, und es kam mir wahrlich sehr merkwürdig vor, daß ich hier noch nie eine Sonne gesehen hatte und wahrlich gar nicht weiß, woher wir das Licht haben. Oder hast du schon einmal eine eigentliche Nacht erlebt? Oder einen Winter, Frühling, Sommer oder Herbst? - Sieh, alles dauert hier so in einem und demselben Zustande fort, und uns fällt es noch dazu am Ende gar nicht auf, daß die Sachen hier so sonderbar stehen, an denen wahrlich weder der Belagerungszustand und ebensowenig irgendwelche Jesuiten Schuld tragen können.

12 Siehe, durch diese Vorkommnisse bin ich um so mehr genötigt und geneigt zu glauben, daß wir fürs erste uns tatsächlich nicht mehr auf der eigentlichen Erde befinden und somit dem Leibe nach schon lange gestorben sind - und fürs zweite, daß die sechse danach doch sehr leicht das sein können, für was sie sich ausgegeben haben. - Und, weißt du was, ich werde ihnen nachgehen! Sie stehen gerade noch dort vor einem Hause! Bei denen muß ich ins klare kommen!"

13 Spricht der Sergeant: "So warte, ich werde auch mit dir gehen!" Beide machen sich sogleich auf den Weg und gehen uns eiligst nach.

14 Als sie zu uns kommen an der Stelle vor einem Hause, in das wir zuerst den Petrus sandten, auf daß er die Kranken darinnen besuche und die zu heilen wären, heile - da sagt der Steuereinnehmer: "Meine lieben, erhabensten Freunde, und besonders Du, Urweiser von Nazareth! Eure Rede fiel mir auf und weckte mich insoweit, daß mir gleich darauf auch verschiedenes anderes aufzufallen begann, was mir früher lange nicht aufgefallen ist, obschon es mir und vielen tausend anderen schon lange hätte auffallen sollen. Zugleich durchrieselte mich bei eurer Gegenwart an meiner Maut ein so merkwürdig wohltuendes Gefühl, daß ich mich kaum halten konnte, euch sogleich zu folgen. Ich kämpfte zwar eine Weile ganz männlich gegen dieses Gefühl und schützte ihm meine k. k. Beamtenpflichten vor. Aber das Gefühl sagte wie ganz mächtig laut: "Was kaiserlich, was königlich! So Gott dich ruft, dann hört der Kaiser und der König für ewig auf!« - Und ich wandte auf solche Stimme meines Gemütes meinem k. k. Mauthause sogleich den Rücken, bin meinem innersten Triebe gefolgt und bin nun bei euch, ihr Freunde, die ihr sicher weiser seid als unsereins. Erlaubet mir aber nun auch, daß ich dem Drange meines Gefühles nach mich bei euch wenigstens so lange aufhalten darf, bis ich durch eure Güte und Weisheit so viel erlange, um einzusehen - was ich bisher wirklich nicht eingesehen habe - wo und was ich denn hier so ganz eigentlich bin? Ob das Wirklichkeit oder ob das etwa bloß nur so ein ewiger Traum ist? - Lebe ich noch auf der Erde? Ich bezweifle das stets mehr. Und es nimmt mich auch stets mehr und mehr wunder, daß ich bei so verschiedenartigen, von der wirklichen Erdnatur gänzlich abweichenden Erscheinungen es nicht noch bei weitem mehr bezweifle. - So es euch möglich ist, was ich durchaus nicht bezweifle, da zündet mir in meinem Gehirnkasten so ein kleines Lichtlein an!"

201. Kapitel: Der Steuereinnehmer wird von Jesus aufgenommen und belehrt, der Sergeant zurückgewiesen. Missionsgang des Paulus ins Haus 'Zum guten Hirten'.

01 Rede Ich: "O ja, das tun wir recht gerne! Was in unsern Kräften steht, das werden wir auch sicher tun. Nur mußt auch du dann deinen Teil zu verrichten nicht unterlassen! Bleibe also deinem Wunsche nach bei uns und gib auf alles acht, was wir reden und tun werden. Und tue (du auch) das, was dir gut dünken wird, und du wirst auf diese Art bald ins klare kommen!"

02 Hier tritt auch unser Sergeant vor und fragt: "Freund, darf auch ich bleiben? Denn ich habe mich auch eines etwas Besseres besonnen!" - Sage Ich zu ihm: "Du bist wie ein Fuchs und traust dir viel zu! Aber es wird nicht ein jeder angenommen, der da kommt und fagt: "Freund, auch ich will bei dir bleiben!« - Wer bei Mir bleiben will, der muß einem reineren Herzens sein als du! Hast du doch nie an Christum geglaubt, wie möchtest du nun Dem folgen, den du für einen verschmitzten Jesuiten hältst? Wir werden uns wohl noch einmal wo sehen, aber für jetzt wäre es für dich und deine Erkenntnis noch zu früh. Daher gehe du nur wieder auf deinen k. k. Posten zurück und gebe zuerst dem Kaiser das Seine und sehe, wie du dann Gott das Seine geben wirst! Es stehet aber geschrieben: »Zu der Zeit werden zwei in einer Mühle sein, der eine wird angenommen und der andere belassen werden. Und zwei werden auf dem Felde sein, der eine wird angenommen und der andere auf dem Felde belassen werden!« - Du wurdest geladen und fandest es nicht der Mühe wert, der Einladung zu folgen. Darum werden die an den Straßen und Zäunen eher zu Mir kommen und ein Gastmahl mit Mir halten, als die zuerst Geladenen."

03 Spricht der Sergeant: "Bei der Sprache wird's einem ehrlichen Menschen ohnehin übel, und somit Gott befohlen!" - Hier geht der Sergeant wieder auf seinen Posten zurück, natürlich schimpfend.

04 Der Steuereinnehmer aber sagt: "Das hätte ich von diesem Menschen nicht geglaubt, daß er so widerchristlicher Art wäre! Es ist wohl schwer, Christum als den allmächtigen Gott anzunehmen, da man unter dem Begriffe Gott etwas zu unendlich Großes und heiligst Erhabenes sich vorstellt; während Christus doch nur ganz vollkommen ein Mensch war, so wie ein jedweder andere Mensch - nur mit dem Unterschiede, daß Er mit dem Geiste Gottes sehr erfüllt war, mehr noch als ein Moses, Samuel, Elias und noch eine Menge anderer Propheten. Aber Christum ganz zu verwerfen, Ihm nicht einmal die Würde eines Weisen, der Er doch sicher war, zukommen zu lassen, das ist etwas zu stark!"

05 Sage Ich: "Gut, gut, was aber hältst du von Christo?" - Spricht der Steuereinnehmer: "Oh, ich halte Ihn so lange für das höchste Gottwesen, als bis sich nicht irgendein anderer größerer, besserer und vollkommenerer Gott wird auffinden lassen. Denn mit einem Gotte, der zu endlos großen Wesens ist und den daher auch ein geschaffenes, endliches Wesen nie wird erschauen können, ist mir wahrlich wenig gedient. Christus ja, der ist mir schon recht! Aber irgendwo ein unendlich großer Gott-Vater oder ein noch unbegreiflicherer Heiliger Geist können von mir aus sein, wie sie wollen - mich werden sie nie genieren. Ich halte mich einmal an Christum, das andere wird dann schon Er machen!"

06 Sage Ich: "Nun recht, recht so! Halte dich nur recht an Ihn, so fest als dir nur immer möglich! Alles andere wird sich dann schon von selbst finden und machen lassen! Nun aber kommt Petrus aus dem Hause. Wir wollen hören, welche Ergebnisse er darinnen zuwege gebracht hat." Spricht Petrus: "Herr, wahrlich, da sieht es schlimm aus! Ohne Gericht wird sich da wenig bezwecken lassen! Denn da gibt es eine Verstocktheit, eine Blindheit und einen Wahn, der selbst in Sodom und Gomorra kaum anzutreffen gewesen sein möchte, als Du, o Herr, diese Städte mit Schwefel vom Himmel vernichtet hast? - Wäre ich angreifbar, wahrlich diese Brut da drinnen hätte mich in die kleinsten Stücke zerrissen! Herr, diese Kranken bedürfen eines kuriosen Arztes und einer ebenso kuriosen Medizin!"

07 Sage Ich: "Nun gut denn, so lassen wir sie! Aufdringen werden wir uns niemanden, und so ziehen wir weiter!" Spricht Robert: "O Wien, o Wien! Auch du hast gerichtet, die zu dir gesandt waren! Der Herr vergebe es dir! Ich werde keine Rache je an dir nehmen, aber da du des Herrn vergessen willst, da du dich mächtig wähnest durch die Gewalt deiner Wehrmänner und ihrer Waffen, so wirst du sehr gewaltig heimgesucht werden! Du magst den Herrn nicht annehmen, so Er dich heimsucht und dich heilen will. Darum aber wird eine große Trübsal über dich kommen und eine große Not und Schmach! Und du wirst dann rufen: »Herr, Herr, hilf mir!« Aber der Herr wird verziehen, und die Hilfe wird dir zu spät werden!" Rede Ich: "Ja, ja, du sollst recht haben! Ich will hier auf diesem Wege nicht voraussehen, sondern es nehmen, wie wir's finden werden. Aber sollte uns allenthalben ein solcher Empfang werden, dann, Robert, sollst du völlig recht haben!"

08 Wir begeben uns nun weiter und kommen bald wieder zu einem Hause, wo an der Außenmauer ein ,guter Hirte' aufgemalt ist.- Und die Helena sagt: "Herr, sieh, hier heißt es ,Zum guten Hirten'! Unter solch einem guten Aushängeschild dürften vielleicht etwas bessere Geister hausen!" - Sage Ich: "Ich will nicht vorhersehen. Gehet aber hinein und erforschet es!" - Spricht der Steuereinnehmer: "Meines schwachen Wissens hat dies Haus nie noch etwas besonderes beherbergt. Ich meine, das wird noch schlechter bestellt sein als das frühere." - Spricht Robert: "Einen Versuch können wir ja wagen, was kann uns geschehen?"

09 Sagt Johannes: "So ihr wollt, will ich das Haus betreten." - Sagt Paulus: "Bruder im Herrn, mit Heiden kann ich am wirksamsten umgehen; daher lasse mich hier einen Versuch machen! Denn du, mein geliebtester Bruder, bist viel zu sanft gegenüber solchen Wesen und würdest auch wenig ausrichten. Ich aber bin etwas barsch und ernst und verlange, wo du zu bitten pflegest, so hier noch was zu richten ist, da werde ich sicher nicht leer ausgehen. Richte ich aber nichts, so werdet ihr, du und Petrus, auch nichts ausrichten." - Spricht Johannes: "Lieber Bruder im Herrn! Sehr gerne gönne ich dir dies Geschäft im Hause Roberts. Aber ich meine, daß hier auch deine Schritte vergeblich sein werden. Denn wo die Liebe leer ausgeht, da geht der Ernst noch leerer aus!"

202. Kapitel: Paulus im Proletarierklub 'Zum guten Hirten'. Reden und Gegenreden. Der Apostel als Goldmacher. Inflationstheorie, Papiergeldschwindel und Lebenstaumel. Gleichnis vom Wettrennen.

01 Paulus geht nun ins Haus und sagt darinnen zu einem Haufen Menschen, die gerade eine geheime Beratung halten, wie sie eine artigste Demonstration (politische Kundgebung) gegen das Ministerium ins Werk setzen könnten: "Der Friede sei mit euch! Ich, Apostel Paulus, ein Knecht Jesu Christi, vom Herrn selbst zu euch gesandt, ermahne euch in aller Liebe und Geduld und in der wahren christlichen Sanftmut, die da ist ein rechtes Schild und ein fester Schirm gegen jeden Feind, daß ihr ablasset von euren bösen, nichts fruchtenden Beratungen, von euren höchst unlauteren Begierden und daraus hervorgehen-sollenden Werken! Kehret eure Herzen dem Herrn zu, und traget Ihm vereint eure Not vor, und Er wird euch wahrhaft helfen! Noch weiß die Geschichte kein Beispiel, daß der Herr je jemanden, so er sich ernstlich an Ihn gewendet hat, nicht erhöret hätte - selbst wenn der Bittende ein größter Sünder gewesen wäre. Und Er wird auch vor euch Sein Ohr und Herz nicht verschließen, so ihr in eurer Not euch an Ihn wendet und in euren Herzen saget: »Herr, Du liebevollster heiliger Vater, helfe uns aus unserer großen Not, denn wir sind ja auch Deine Kinder!« - So ihr also reden werdet, da wird der Herr mitten unter euch sein und wird jedem das Seinige geben. - Bedenket, daß eine jede Menschenhilfe gar keine Hilfe ist, sondern oft nur ein größerer Schade, als so sie nie einem Suchenden zuteil geworden wäre! Suchet also die Hilfe bei Gott, dem Herrn aller Herrlichkeit, und es wird euch für ewig wahrhaft geholfen werden!"

02 Tritt einer aus dem Haufen zum Paulus vor und sagt: "Was willst du, verkappter Pfaffe und - sicherlich! - Mitglied des verkappten Paulusvereines, der nun schon auf eine allerunverschämteste Weise sein Handwerk zu treiben anfängt?! Sieh, daß du weiterkommst, sonst sollst du hier auf die beste Art Jesum Christum erst kennenlernen!" - Spricht Paulus: "Lieber Freund, ich sage dir, daß du und deine ganze Gesellschaft euch ja schon seit einer geraumen Weile nicht mehr auf der Welt, sondern rein nur im Geisterreiche befindet - und tuet aber noch immer, als wäret ihr in eurem Fleische auf der finsteren Welt! Lasset euch ermahnen und werdet des wahren Zustandes inne, in dem ihr euch befindet!"

03 Schreit der Hervorgetretene: "Hinaus mit diesem Schmasuh-Pfaffen! Da schaut einmal so eine Figur an! Jetzt will uns der Kerl begreiflich machen, daß wir schon gestorben wären! - Ah, da geht der Spaß zu weit! - Daß er sich für 'n Paulus ausgibt, das ist sicher eine schwärmerische Finte (List) des neuen Paulusvereins und gehört offenbar ins Narrenhaus! Aber daß wir schon Geister seien, das ist zu viel auf einmal! Darum hinaus mit solch einem besonderen Paulus!"

04 Spricht Paulus: "Höret, ich will euch noch ein Wort sagen, und darnach könnt ihr mich hinaustreiben oder behalten, wie es euch frei belieben wird. Ich selbst, als ich zu Gottes Berufe zu Damaskus in Asien vor nahe zweitausend Jahren zu einem Gesandten Christi erwählet ward, da geschah es mir nicht selten, daß ich ebenso, wie nun bei euch hier, und manchmal wohl noch ärger, angefallen wurde wegen der damals bei den Erzjuden und auch anderen Völkerschaften sehr verhaßt gewordenen Heilslehre Jesu, aber so ich zu jemanden im Vertrauen sagte: »Freund, prüfe die Lehre und behalte davon, was dir gut dünkt! Sie kostet dich ja nichts als allein deinen Willen und ein wenig Verstandes zur Prüfung!« Sehet, dadurch ward so mancher beruhigt, der mich im ersten Augenblicke vor Wut und Ärger gleich hätte zerreißen mögen, und wurde am Ende selbst ein Eiferer für Jesu Heils- und Lebenslehre. - Und also sage ich denn nun auch zu euch: Prüfet zuvor in euch, was ich zu euch geredet habe! Und habt ihr etwas gefunden, das sich an euch denn doch bewahrheiten sollte - was kann euch dann hindern, es anzunehmen und für die Folge euer Leben darnach zu richten?! So ihr dies euer eben nicht zu glänzend-glücklich aussehendes Leben gut wähnet, jemand euch aber ein offenbar besseres bietet - wahrlich, ihr müßtet ja rein besessen und von allen Sinnen sein, so ihr das, was ihr bei einiger Prüfung als besser findet, von euch wieset und das viel minder Gute behieltet! - Darum prüfet, prüfet! Und dann erst urteilet!

05 Was aber habe ich mit dem neuen Paulusvereine zu tun? Wahrlich, ich sage es euch: Ich, als der wahre Paulus, und dieser neue Verein unter meinem Namen haben wohl nichts anderes miteinander gemein, als den an sich selbst ganz toten Namen! In der Lehre und der zwecklichen Tendenz aber ist er von mir noch weiter entfernt als der geistigste Himmel und die materiellste Erde! - Mehr kann ich, als der wirkliche, lebendige und leibhaftige Paulus, nicht sagen. Und ihr könnet von diesem meinem Bekenntnisse hinreichend entnehmen, daß ich kein finsterer Pfaffe und noch viel weniger ein Paulusvereinler bin! - Prüfet aber alles zuvor und tuet dann erst, was ihr wollet und was euch am besten bedünket."

06 Sprechen nun mehrere so recht proletarisch rauh: "Ja, ja, die Red wär grad so dumm nicht! Aber zwei schlawutzige Sachen sind denn doch noch dabei! Und das ist, daß du der wirkliche Paulus sein willst, und daß wir schon g'storben wären! - Schau, wenn wir schon wirklich g'storben wären, da hätten wir ja entweder gar keine Leiber mehr und wären pure Geister oder wir wären wohl etwa gar nicht mehr, was das Gewissere ist, so du aber nicht blind bist, da mußt du's ja doch sehen, daß wir alle ganz vollkommene Leiber haben mit Haut, Haaren, Fleisch und Knochen! Oder haben denn deine Geister auch Leiber?! Wenn das, dann magst du recht haben, aber sonst wohl in Ewigkeit nicht!"

07 Spricht Paulus: "Ich sagte ja aber zu euch: Prüfet, und es wird sich zeigen, ob ich zu euch eine Unwahrheit geredet habe!"- Sprechen mehrere: "Prüfen, prüfen das ist leicht gesagt! Aber wie, das ist eine andere Frage! Wie sollen wir denn das prüfen?! - Sollen wir das etwa einem Minister unterbreiten?!"

08 Spricht Paulus: "Habt ihr kein Geld bei euch?" - Sprechen die andern: "Geld!? Welch eine dumme Frage! Wie kämen denn wir und 's Geld etwa zusammen!? Und das in Wien noch dazu, wo schon lange gar kein Geld mehr existiert! Nein, ist aber das wieder eine dumme Frage von dir gewesen! Wien, wir und 's Geld!? Das ist ja beinahe schon gar nicht mehr wahr, daß in Wien einmal ein Geld existiert hat! Und wir sollen nun ein Geld haben!? - Lumpen (unwertiges Papiergeld) ja! - Aber lange schon kein Geld mehr! - Wenn's dir mit so einem Geldfetzen gedient ist, so können wir dir damit schon aufwarten!" - Spricht Paulus: "Lasset sehen, es soll sich zeigen, was sich daraus machen läßt!"

09 Sprechen die Redner des Klubs: "Schau du, der du schon durchaus der berühmte Paulus sein willst, wir werden jetzt auch ein wenig heiligschriftisch mit dir reden! - Petrus soll einmal vor der Pforte des Tempels zu Jerusalem zu einem lahmen Bettler, als dieser ihn um ein Almosen anredete, gesagt haben: »Mein Lieber, Gold und Silber habe ich nicht, aber was ich habe, das gebe ich dir!« - Sieh nun, du lieber Paulus, das sagen wir nun auch mit sehr vielen und tiefen Gründen: ,Gold und Silber haben wir schon lange keines mehr, aber was wir haben, nämlich Fetzen, das geben wir dir!' - Petrus gab zwar dem Bettler statt des Geldes die Gesundheit, die wir dir darum nicht geben können, weil du fürs erste ohnehin kerngesund bist, und wärest du's auch nicht, so könnten wir dir keine geben, weil wir keine solche Heilkraft in uns besitzen. Da wir dir sonach weder wirkliches Geld noch irgendeine Gesundheit geben können, so nehme denn hin unsern Gewinn - da ist nichts drin! - Sieh, ein barer Zehn-Kreuzer-Fetzen! Verwandle ihn, so es dir möglich, in zehn Dukaten, und rechne dann auf unsere besondere allseitige Dankbarkeit!"

10 Paulus nimmt die Zehn-Kreuzer-Note und verwandelt sie augenblicklich in zehn wirkliche, allerschönste und gewichtigste Dukaten. - Die Klubisten staunen über die Maßen und sagen: "Nein, Freund, du kannst schon mehr als Birnen braten! - Ah, das ist wirklich mehr als zuviel auf einmal! Das übersteigt schon alle Döblers und Boskos! - Das wäre so ein Künstler nach dem Herzen des Ministers Kraus und nach dem Herzen Rotschilds und noch sehr vieler Millionen Herzen! - Nein, hörst du, Paulus, mit deiner Kunst könntest du aufs östreich'sche Papier ein wahnsinniges Agio (Aufschlaggeld, Kursaufschlag) zuwege bringen! - Weißt du was, wir behalten dich! Du bist uns wie aus allen Herzen zugleich erwünscht!

11 Spricht Paulus: "Nicht so und deshalb wollen wir in eine nähere Freundschaft treten, sondern auf daß ihr der Kraft Gottes, des Herrn, in mir gewahr werden möget und daraus ersehet, daß ich euch kein Lügner und Betrüger bin! Ich verlangte von euch kein Geldstück, und ihr alle hattet nicht einmal einen reellen Kreuzer. Das zeigt auf euer Leben hin, das ihr noch für ein irdisch materielles haltet, das im Grunde aber nun dennoch trotz aller eurer eingebildeten Behauptung und allerirrigsten Meinung ebensowenig Materielles in sich enthält wie eure Taschen Gold und Silber.

12 Aber ihr gabet mir dennoch in der Zehn-Kreuzer-Note ein rechtes Zeugnis über den Gehalt eures Lebens! - Euer nunmaliges Leben gleicht ganz diesem schlechtesten Papiergelde, dessen innerer Wert natürlich so gut wie gar keiner ist. Nur äußerlich hin gilt es auf eine gewisse Zeitdauer, so wie diese Zehn-Kreuzer-Note. Wie aber nun auf der Welt die Papiergeldbesitzer nichts als Tag und Nacht spekulieren und sinnieren, wie sie aus ihren vielen Kreditpapieren klingendes Geld machen könnten - so auch tut ihr und möchtet aus eurem falschen, in sich völlig wertlosen Leben ein wirkliches herausbeuteln! Aber eure Mühe ist eine rein vergebliche. Denn alles Wertlose läßt sich durch ein abermals Wertloses unmöglich verwerten. So ihr fürs Papier - wieder Papier ausgebet der einlöset, saget, welchen Wert hat dann das Papier? Ich sage es euch: Gar keinen! Denn je mehr neues Papier fürs ältere gesetzt wird, desto wertloser werden beide (Inflationstheorie).

13 Und gerade so ist es auch mit dem Leben! Das irdische Leben ist an und für sich völlig wertlos. Sein Wert liegt lediglich darin, daß man durch eine rechte und kluge Spekulation fürs irdische, nur scheinbare Leben ein wirkliches aus der göttlichen Lebenswechselbank erhalten kann. So ich aber das irdische Leben nur verwerten will, um in der geistigen Welt wieder in ein noch schlechteres und leereres Leben einzugehen, so nehme ich's schlechte Papier fürs bessere frühere und bin somit ein Narr und ein unsinnigster Spekulant!

14 Habt ihr aber noch nie ein Wettrennen gesehen, wo gute Läufer innerhalb gewisser Schranken einen Rundlauf machen eines rechten Preises wegen, den natürlich derjenige erhält, der am schnellsten laufen kann und somit am ersten das bestimmte Preisziel erreicht!? Ich sage es euch: viele laufen in den Schranken, aber nur einer bekommt den Preis. Ist denn der Preis nur dem einen bestimmt? O das sei ferne! Der Preis gilt allen! Aber die sich die Mühe des besseren Laufens nicht nehmen, die müssen sich's denn am Ende selbst zuschreiben, so sie leer ausgehen. Ich aber sage euch: Laufet alle, der Preis ist groß und reicht für alle hin! So ihr aber gut laufen wollet, da müsset ihr aller eitlen, dummen Dinge ledig sein, auf daß euch nichts im Laufe hindere und die Füße nicht vor der Zeit beschwere und müde mache! Der Lauf ist ein ordentlicher Kampf. Wer aber da kämpfet, der kämpfe vollen Ernstes aufs Bestimmte und Gewisse hin und haue mit seinem Schwerte nicht in die leere Luft! Der Gewinn ist eine gute Sache. Aber wer ihn nicht ernstlich mit aller Mühe anstrebt, bleibt ein armer Teufel ewig!

15 Ich machte aber auf euer Verlangen aus der Zehn-Kreuzer- Note zehn gute Goldstücke, und ihr habt darüber eine große Freude! Ich tat das aber durch meine geheime Kraft, nicht um euch zu zehn Dukaten zu verhelfen, sondern um euch zu zeigen, was sich aus eurem papierenen Leben machen ließe, so ihr darnach auch, so wie nach den zehn Dukaten, in euch ein Verlangen trüget. Denn euer hiesiges materiell scheinendes Leben gleicht ganz der Zehn-Kreuzer-Note, die wohl einen singierten und durch die Umstände genötigten, aber keinen reellen Wert innehat, weil sie an und für sich nichts ist und auch im Rücken nichts Reelles zur Deckung ihres Nennwertes besitzt, auf das derjenige, der sie in ihrem Nennwerte annimmt, Rechnung machen könnte. Kann aber jemand, wie ich, hinter diese Note zehn reelle Dukaten legen, dann freilich wird sie ein hohes Aigo erhalten, wie ihr selbst bemerket habt. - So lasset denn auch ihr euch umwandeln! Werfet von euch alles Eitle, Leere, Nichtige! Machet leicht eure Füße und tretet an den Wettlauf nach des wahren Lebens Ziel! Und es soll euch an meiner Seite ein rechter Preis werden!"

203. Kapitel: Die gewonnenen sechs Geister. Werbung des Paulus um die übrigen. Über die Zeit der besonderen Gnade und die verblendende Fleischeslust. (Am 11. Juni 1850)

01 Spricht der zuerst hervorgetretene Klubist zu den andern: "Reden tät er aber schon wie a Buch! Und so a bißchen auf die Schwarzkunst verstünde er sich auch! Und ein prächtigs Gmüt hätt er auch! Und so närrisch sonst das Ding auch klingt, daß er uns für Geister und sich selbst für'n Apostel Paulus hält - aber wißt's, so ganz leer scheint solche seine Behauptung nicht zu sein! Denn mir ist auch schon so manches aufg'fallen, was i euch nit hab sagen wolln, weil's euch so wie mich gwiß sehr stark geniert hätte. Aber d' Sach ist einmal so und wir können's leider nicht anders machen. Darum mein i halt, wir soll'n grad diesem Paul folg'n! Denn schlecht meint er's nicht mit uns!"

02 Sagen einige: "Ja, ja, probieren können wir's ja! Was kann uns dabei g'scheh'n? Ist was dran, nun, so kann's nichts schlecht's sein. Und ist nichts dran, so haben wir nichts verlor'n. - Also gut, wir fünfe sind mit dir einverstanden! Was die andern, die sich noch nicht erklärt hab'n, machen wollen, das geht uns natürlich nichts an. Wir aber sind einmal dabei!" - Sagt der erste: "Wann nur noch einer wär', so macheten wir grad die heilige Zahl aus! Nun, hat denn von euch keiner a Lust mehr dazu?!"

03 Tritt einer aus der Menge hervor und sagt: "Nun, weil ich von allen, die mit euch stimmen, der Dümmste bin, so will ich in eure heilige Zahl treten. Und so wären nun ,die sieben Schwaben' wieder beisammen! Aber das müßt ihr mir schon erlauben, daß ich als der Letzte hinter euch einhergehe und zu euch sage: "Jockele, geh du voran, du hast Stiefel an!« - Wißt ihr aber, was die heilige Zahl bedeutet? Ich seh schon, daß ihr's nicht wißt. Drum will's ich euch sagen! Seht, sieben bedeutet einen Esel: zwei Eselsohren, zwei ditto Augen, zwei ditto Nasenlöcher und ein Eselsmaul macht gerade sieben! Ich glaube, daß uns keines dieser teuern Stücke fehlet, und so sind wir denn auch ganz geeignet, alles das für bare Münze anzunehmen, was uns dieser wahrlich aus den Wolken gefallene Paulus sagt! - Nur zu! Solange es gut geht, bin ich überall dabei! Wenn's aber dann schief zu gehen anfängt, so werde ich, als nun Letzter, beim Umkehren sicher der Erste sein, wie es auch irgendwo in einem Evangelium heißt: und so werden dann die Ersten die Letzten und die Letzten die Ersten sein - nämlich beim Davonlaufen!

04 Ihr wisset, daß ich stets ein lustiger Kauz war und noch bin. Aber daß wir schon g'storben sein sollen, das geht mir nicht ein; denn wir müßten da ja doch etwas davon wissen! Denn das Sterben ist doch keine gar so unbedeutende Sache, daß sie der Betreffende gar so total sollte vergessen können. - Aber sei ihm nun, wie's ihm wolle - ich bin beim Dummwerden nun einmal dabei, und so sei es denn! Um zehn Dukaten für ein lumpig's Zehnkreuzerstück kann man ja wohl so etwas mitmachen. Ich hätte selbst noch so ein halb's Dutzend solcher Zehnkreuzerfetzen. Vielleicht verwandelt's mir der gute Eskamoteur (Zauberkünstler) Paul auch in Goldstücke!? Wenn das, da bin ich dann völlig zufrieden!"

05 Hier wendet sich dieser siebente an Paulus und spricht: "Höre du, lieber guter Freund, der du das sonderbare Vermögen besitzest, Papier in reines, gediegenes Gold zu verwandeln, und zwar auf die Art, daß aus zehn Kreuzer Scheinwert zehn Dukaten werden! Sieh, ich habe hier gerade sechs solcher Zehnkreuzerfetzen! Möchtest du sie mir nicht auch in Goldstücke umschaffen?" - Spricht Paulus: "Warum dem nicht!? So dir nach deiner freilich offenbar höchst blinden Meinung damit gedient ist! Wo hast du deine Fetzen?'

06 Sagt der siebente: "Hier sind sie schon - beinahe jeden Zusammenhanges ledig!" - Paulus rührt sie an, und es werden in demselben Augenblicke sechzig Dukaten daraus. - Der siebente sinkt beinahe zu Boden vor Verwunderung und sagt nach einer ziemlichen Weile des Staunens: "Ja, jetzt ist es klar, das ist ein Wunder in bester Art! Denn beim früheren dachte ich, daß du, um uns in unseren Meinungen über dich gewisserart breitzuschlagen, bloß so ein Boskoisches Trugstückchen produziert habest, aber da hört des Bosko Kunst auf und an ihre Stelle tritt ein reines Wunder! In meiner Hand aus den 6 Zehnkreuzerfetzen augenblicklich sechzig Dukaten herzaubern, das geht über den Horizont alles menschlichen Wissens himmelweit hinaus! Jetzt aber glaube ich auch an die sämtlichen Wunderwerke Christi. Ihre Möglichkeit liegt vor meinen Augen auf meiner rechten Hand, und so glaube ich nun alles, was ich sonst ewig nie hätte glauben können. Siehe, du guter Mann Paulus, nun glaube ich auch, daß du im Ernste der eigentliche und wahrhaftigste Paulus bist, wie auch, daß wir schon im Ernste gestorben sind."

07 Sagt der zuerst Hervorgetretene: "Ja, ja, der Meinung bin ich nun auch ganz festweg! Aber wahrlich nicht so sehr wegen dieses Wunderwerkes, als vielmehr seiner früheren Rede wegen, die er, als wir ihn wegen der paulusvereinlichen Verdächtigkeit hinausschaffen wollten, an uns gerichtet hat. Denn da hat wirklich der alte Paulus, wie er einst mag geleibt und gelebt haben, haufenweise groß und stark herausgeleuchtet! Mir ist die Rede erst nach und nach so recht in den Leib gedrungen. Und je mehr ich bei mir darüber nachdenke, desto mehr Paulus finde ich darinnen und desto mehr Wahrheit! Das Dukatenmachen aus den Fetzen ist wohl sehr blendend und breitschlagend; ob's aber deshalb auch gut und wahr ist, das ist eine ganz andere Frage! Ich setze den Fall, daß wir schon ganz sicher in der Welt der Geister uns befinden, in der doch sicher allerlei zauberhafte Dinge zum Vorschein kommen dürften - da wäre es mit dem Dukatenmachen ein (gar leichter) Spaß! Denn der gute Paulus darf sich nur recht fest zum Beispiele hundert oder tausend Dukaten denken, und da die Geister Gedanken sehen können, so werden auch wir, so wir im Ernste Geister sind, des Paulus Dukatengedanken beschauen können!"

08 Sagt der siebente: "Ja, aber wie kommt es denn, daß wir als Geister auch schon seit einer geraumen Zeit her uns mit lauter klingenden Gedanken beschäftigten, und es kam anstatt der Fetzen auch nicht ein schlechtester kupferner Pfennig zum Vorscheine, geschweige ein Dukaten! Siehst du, da bin ich mit dir nicht so ganz einverstanden. Es muß also hinter der paulinischen Dukatenmacherei ganz was anderes stecken als bloß nur feste Dukatengedanken!"

09 Sagt der erste: "Ist nicht in Abrede zu stellen! - Aber dabei bleibe ich dennoch stehen, daß seine Rede besser war als seine Dukatenmacherei!" - Sagt der siebente: "Allerdings! Aber er hat in seiner Rede eben auch gar herrlich gezeigt, was so ganz eigentlich seine Dukatenmacherei für uns bedeutet. Und wir können letztere sonach so ziemlich der Rede gleichstellen."

10 Spricht Paulus: "Eure ganze Gesellschaft besteht aus einhundertundzwanzig Menschen. Sieben haben sich meinen Worten und Taten gefügt. - Somit bleiben noch hundertunddreizehn, die sich nicht gefügt haben! Was ist mit ihnen?" - Sagt einer aus den hundertunddreizehn: "Wir bleiben und brauchen nichts mehr von deiner Lehre und von deinem Golde!"

11 Spricht Paulus: "Nun ist geöffnet die Pforte zum Reiche Gottes! Wer da hinein will, der wird auch hinein kommen. Wer aber nun nicht will, der wird dann, so die große Pforte der besondern Gnade wieder geschlossen wird, schwer hineinkommen! - Denn obschon der Herr stets unveränderlich ist in seiner Liebe und großen Erbarmung für alle seine Geschöpfe und Kinder, so ist Er aber dennoch in der Gabe Seiner besonderen Gnade nicht allzeitig gleich, und nicht jedweder bekommt sie, sondern nur wenige, die da von Anfang an erwählt und dazu schon also geschaffen und zugerichtet sind, die besondere Gnade in sich ohne Nachteil für ihr Sein fassen und ertragen zu können. Auch sind nicht zu allen Zeiten Propheten da. Nicht jedes Erdjahr bringt seine eigenen zum Vorscheine. (Sondern) da gibt es kaum von hundert zu hundert Jahren irdischer Zeitrechnung Propheten, die da (erweckt) sind nach dem Willen des Herrn aus Seiner besondern Gnade, auf daß sie schauen Dinge des Geistes und hören das Wort aus dem Munde Gottes und dann beides verkünden den Schwachen und den Blinden der Erde - damit dann auch diese selig werden und eingehen mögen in die Gnadenhimmel Gottes.

12 Und so höret ihr Tauben und sehet ihr Blinden! Nun ist wieder eine solche zugelassene Epoche der besondern Gnade Gottes des Herrn! Boten aus den höchsten Himmeln durchziehen nach allen Richtungen die unteren und untersten Sphären der finstern Geisterwelt! Ja der Herr Selbst tut dasselbe, um die Unglücklichen glücklich zu machen! Und auf der Erde und in allen Weltkörpern werden nun besondere Propheten und Knechte des Herrn erweckt und geben den andern Menschen das Licht und das Wort aus den Himmeln!

13 Aber leider kehren sich nur wenige daran. - Viele aber tun, was ihr tut: sie lachen den Propheten ins Gesicht und spotten ihrer oder drohen ihnen gar! - Aber diese Zeit wird bald wieder vergehen, und die besondere, große Gnadenpforte Gottes wird wieder auf lange hin verschlossen werden den Kindern der Welt und des Gerichtes. Und so ihr dann rufen werdet in eurer großen Not, da wird euch keine Antwort werden. Und so ihr auch suchen werdet, da werdet ihr dennoch nichts finden. Und durch all euer Bitten und Flehen werdet ihr dann nichts bekommen! - Jetzt aber, da noch die Zeit der besondern Gnade währet, brauchet ihr weder zu suchen noch zu rufen, zu bitten und zu pochen, sondern bloß einfach nur zu wollen, und ihr werdet angenommen! Denn nun werdet ihr gerufen, gesucht, gebeten, und an die Türe eures Herzens wird von uns aus gepocht, und ihr braucht bloß ernstlich ,herein' zu sagen und die Aufnahme ins Gottesreich ist bewerkstelligt! - Was wollet ihr mehr?! Jetzt tut der Herr alles, was ihr wollet, zu eurer Beseligung für ewig. Aber nach dem baldigen Ablaufe dieser besondern Gnadenzeit werdet ihr alles mögliche tun können und werdet dennoch nichts erlangen - wie ich es euch schon im Verlaufe dieser meiner Belehrung und Beredung gezeigt habe.

14 Aber ich sehe euren Sinn! Und danach wollt ihr nicht dem Geiste angehören und seiner sanften Stimme aus den geöffneten Himmeln nicht folgen, weil ihr auf die tote Stimme eures vermeintlichen Fleisches höret und Weiber wollet, um mit ihnen den Rest eures Lebens zu verbuhlen! - Aber eure Bocksgestalt will den Weibern nicht mehr gefallen. Und nach denen ihr gieret wie eine Hyäne nach einem Leichname, die haben vor euch einen Ekel wie vor der Pest, und die an euch noch irgendein Vergnügen fänden, die wollen eurem Sinne nicht behagen, weil ihr zu geile Fleischböcke seid und nur junges und fettes Fleisch wollt!

15 Wartet aber nur noch ein wenig! Denn diese besondere Gnadenzeit wird nimmer lange währen, und es werden dann Weiber über euch kommen, denen werdet ihr über alle Maßen dienen! Da werdet ihr dann zu heulen und zu wehklagen anfangen und werdet euch vom Fleische der Weiber entfernen wollen. Aber all euer Bestreben und all euer Heulen und Wehklagen wird dann vergeblich sein. Die Weiber werden um eure Lenden glühende Fesseln, aus Schlangen gemacht, schlagen und werden euch also versenken in die Grube des Verderbens für ewig, daraus euch dann auch keine künftige Gnadenzeit mehr wird befreien können! - Wehe euch und jedem hier in der Geisterwelt wie auch jedem Unzüchtigen auf der Welt, so er seinen Sinn von der Gnade abwendet und seine Augen nach dem fetten und jungen Fleische der Weiber richtet! Wahrlich wahr, so wahr ein Gott lebt und so wahr Sein Wort durch meinen, Mund nun an euch ergeht, so wahr und gewiß wird das, was eurer Gier nun wie ein Himmel voll Lust und Wonne sich zeigt und euer Herz verlockt, in aller Kürze für euch und für alle euresgleichen eine Hölle gräßlichster Art werden!

16 Ihr schimpfet in einem fort über die Regierungen der weltlichen Fürsten, weil ihr Aufwand zuviel der Schätze benötigt und ihr dabei zu kurz kommet. Aber dies Zukurzkommen geniert euch nur hauptsächlich eures zu unbefriedigten Fleisches wegen! Hättet ihr Millionen, bei Gott dem Herrn, euch wäre jede Regierung recht. Denn da würdet ihr euch schon einen Fleischhimmel schönster Art einrichten können. Aber weil eure Finanzen nicht auslangen und ihr gewisserart mit den Schweinen die gemeinen Treber speisen müsset, und das nur selten - so seid ihr darob voll Grimmes gegen die Fürsten, die da die schönsten Weiber haben können, soviel sie nur wollen, mögen und können.

17 Aber das sehet ihr nicht ein, daß das Gott der Herr Selbst also anordnet und geschehen läßt, auf daß ihr zu euch kommen sollet und erkennet, daß euch Gott der Herr für etwas Besseres erschaffen und bestimmt hat als bloß für die Werke des Fleisches nur, die der Mann, solange er auf einer Welt im wahren Fleische des Todes lebt, wohl auch zu verrichten hat nach weisem Ziel und Maß - aber nie anzusehen hat als Bestimmung seines Seins, sondern als eine zufällige, allzeit nüchterne, natürliche Verrichtung, wie es deren zur Bedienung des zeitlichen, toten Fleisches mehrere gibt, von all denen diese die unwesentlichste ist.

18 Wer da auf einer Welt es tut nach Maß und Ziel, der tut wohl; wer es aber ganz unterläßt, der tut besser. Denn der Herr gab diesen Sinn dem Fleische nicht zu einem Bedürfnisse, sondern als eine Eigenschaft zum nüchternsten und weisesten Gebrauche. Wer aber daraus ein Bedürfnis sich macht, der ist ein elender Sünder, und die Gnade Gottes weicht aus seinem Herzen, da er dem stummen Gesetze des Fleisches gehorcht und sich in diesem Gehorsame einen Himmel der Böcke und Hunde nach der Gerechtigkeit des Todes und des Gerichtes erbaut!

19 Fasset es, wer es fassen kann: wer immer an einem Gesetze, auf dem ein Gericht lastet, eine Wollust findet und das Gesetz der Wollust wegen beachtet und darnach tut, der hat das Gericht schon in sich, wer aber das Gericht in sich trägt, der ist ein Sklave und ist für die Freiheit in Gott und aller Wahrheit verflucht.

20 Und darum sollt ihr über dem Gesetze des Fleisches stehen durch die freie Macht der Selbstverleugnung und durch die Liebe und den lebendigen Glauben an Gott den Herrn, auf daß ihr alles Gesetzes und alles Gerichtes ledig werden möget! Denn ein Sklave des Gesetzes, ob natürlich oder moralisch, kann in das Reich Gottes nicht eher eingehen, als bis er jedes Gesetzes ledig geworden ist. Niemand wird (zwar im Reiche Gottes) nach dem Gesetze gerichtet. Aber das Gesetz selbst ist schon das Gericht. Nur wer sich in der Liebe zu Gott über alles Gesetz frei erhebt, der wird auch frei werden in Gott und in aller Wahrheit! Denn die Liebe in Gott ist die alleinige Wahrheit!

21 Nun habt ihr es alle gehört, und niemand kann sich entschuldigen, als ob er es nicht vernommen hätte! Tuet daher nun, was euch als Bestes bedünket!"

204. Kapitel: Gute Antwort Eines aus der Schar. Letzte Worte des Paulus an die Hartnäckigen. Der lustige Wiener und die derben Tiroler. Paulus ordnet den Wiener. Alle ziehen weiter. Die Ahnen des Hauses Habsburg in der Kapuzinergruft. (Am 14. Juni 1850)

01 Sagt einer aus der Mitte der hundertunddreizehn: "Diese Rede war gewichtig und deckt mir manches Geheimnis des Lebens auf. Denn wer am Gesetze hängt, der hängt auch wie am Galgen dem (Gesetzes-) Geistes. Und die Sünde sowie nach ihr die Strafe sind nichts als Kinder des Gesetzes. Je mehr es Gesetze gibt, desto mehr gibt es auch Übertretungen und Strafen. - Warum sind denn nun in Enropa beinahe alle Kerker mit Verbrechern angestopft? Weil die Belagerungsstände (Militärgewalten) eine Menge neuer Gesetze erfunden haben und weil die Menschheit aber - der allgemeinen Ordnung und Vermögens- und Lebenssicherheit wegen zur Darnachachtung genötigt - von Anfang an dieses Joch hat abschütteln wollen! So sind die Menschen dann dafür in die Löcher hineingeschüttelt worden und sind richtig durch das Gesetz verflucht zur Strafe! - Das Gesetz ist für Gesellschaften zwar nötig, aber dabei doch stets ein Übel und ein Fluch in der Gesellschaft.

02 Denn wären die Menschen wie sie als wahre Menschen sein sollen, dann benötigten sie sicher keines Gesetzes und stünden weit über jedem Gesetze. Aber da die Menschen, wie die Erfahrungen es allezeit nur zu hell zeigen, mehr Tiere (und oft von der bösesten Art) als Menschen sind, so bedarf es freilich auch entsprechender Gesetze, durch welche die wilden Leidenschaften der bildungslosen Menschheit gezügelt und gebändigt werden. Was wäre eine Schule ohne Schulgesetze?! Was eine große Menschengesellschaft ohne Gesetzesordnung?! Daher müssen wohl Gesetze sein als ein Übel gegen ein anderes Übel. - Aber dessenungeachtet läßt sich doch immer eine weise Gesellschaft von Menschen denken, die keiner Gesetze bedarf und dadurch auch völlig frei und glücklich ist und sein muß. - Das also sehen wir alle hoffentlich recht gut ein und können diesem Paulus nur alles Recht zu- und nachsagen!

03 Aber wie kann sich ein Mensch, oder (wie können sich) hundert Menschen von noch so entschiedener Weisheit übers Gesetz hinaussetzen, mag das Gesetz ein natürliches oder ein moralisches oder politisches sein? Hält man das Gesetz, so ist man doch offenbar ein Sklave des Gesetzes. Und hält man es nicht und setzt sich darüber hinaus, so wird man vom Gesetze vors Gericht gezogen, allwo einem des Gesetzes Fluch zuteil wird. Macht man aber das Gesetz gewisserart zur zweiten Lebensnatur und hat an der Erfüllung desselben eine förmliche Lust, gleichwie ein Scharfrichter an der Hinrichtung eines armen Sünders (auf die sich mancher Henker oft schon wochenlang freut) - so ist man dadurch sich selbst zum lebendigen Gesetze geworden. Und weil das Gesetz selbst ein Fluch ist dem Menschen, so muß ja denn auch ein Mensch, der es zum Selbstgesetze gebracht hat, der hartnäckigste Fluch sein. Wahrlich, da heißt es wohl: Herr, wer wird mich vom Gesetze je erlösen können?!

04 Wir sind aus lauter Soll und Muß zusammengesetzt. Das Muß ist rein des Teufels, und das Soll ist um nicht vieles besser. Denn was einmal geschehen muß nach dem Willen einer allmächtigen Gottheit, das ist schon gerichtet. Was aber als dem eigenen menschlichen freien Willen anheimgestellt geschehen soll, das ist zwar noch nicht gerichtet, aber es steht in der beständigen Erwartung des Gerichtes.

05 Nun frage ich euch als einer eurer besten Freunde: was tun wir, oder was wollen wir tun? - Dieser Mensch mit dem Apostelnamen, oder meinetwegen auch derselbe Apostel selbst (so wir uns hier schon durchaus in der Geisterwelt befinden, was mir im Grunde, offen gesagt, gar nicht unangenehm wäre; denn der Gedanke an den Tod war doch stets meine größte Qual!) - hat uns diese Geschichte wahrlich sehr klar und wahr auseinandergesetzt. Was ist's denn? Folgen wir ihm? - In die Hölle, die es sicher nirgends gibt, wird er uns nicht führen und vor ein Gericht auch nicht! Und so können wir ihm ja auf die Gasse hinaus folgen. Da wird sich's dann wohl zeigen, was Er eigentlich mit uns will."

06 Sagen die andern: "Ja, ja, wenn wir schon wirklich in der lieben Ewigkeit sein sollten, da wäre es sogar dumm von uns, wenn wir einem gescheiten Kampl von einem Paulus nicht folgen möchten! - Nun, und gefällt es uns draußen nicht, da können wir ja immer wieder umkehren. Denn gezwungen können wir draußen doch ebensowenig werden wie hierinnen."

07 Spricht nun wieder Paulus, der sich unterdessen ganz ruhig verhielt: "So frei ihr hier seid, ebenso frei und noch um vieles freier sollet ihr in dem Befolgen meiner Lehre und meines guten Rates an euch alle sein! - Ich sage euch allen, meine lieben Brüder in Gott dem Herrn, was verlieret ihr eigentlich hier, so ihr diese Stube verlasset? Nichts als eine ekelig leere Erwartung einiger wollüstiger Dirnen, die auch bloß eure dumme, blind erhitzte Einbildung vormalt, die aber sonst für euch und für gar viele euresgleichen in solch naturmäßigem Zustande nirgends in der Wirklicheit zu finden und noch viel weniger zu haben sind. Was ist ein leerstes Phantasiebild gegen die Wahrheit? - Ich aber will euch für all das ekelhafte Leere die vollste Wahrheit geben! Was soll euch denn hernach noch abhalten können, mir zu folgen in die heiligen Sphären des Lichtes, der Wahrheit und des Lebens, welches ist die Liebe in Gott, der da ist Christus, der Ewige, der Wahrhaftige!?

08 Ihr seid nun schon eine geraume Weile leibesledig hier in eurer einbilderischen Erwartung. Aber welche Erfolge sind euch geworden? - Sehet, gar keine! - außer daß sich euch dann und wann ein nebliges Gebilde irgendeines weiblichen Wesens auf einige Augenblicke gezeigt hat und dann wieder in nichts verrann. Diese Augenblicke sind aber auch alles, was ihr hier als euch Beseligendes aufzuweisen habt! Nicht einmal einen schlechtesten Wein und nicht einen Bissen Brot, und kurz gar nichts habt ihr noch genossen! Und dennoch wolltet ihr anfangs nichts hören vom Verlassen dieses leeren Ortes, der zu sonst nichts taugt als zum noch dümmer und noch elender werden, als ihr es ohnehin schon lange seid.

09 Aber wohl euch nun, daß ihr in euch den guten Entschluß gefaßt habt, mir zu folgen! Denn nun werdet ihr erst dahin gelangen, wo die Urwahrheit und Urwirklichkeit alles Seins und Bestehens zu Hause ist, - In der Welt ist alles, was euch je irgendwo vorgekommen ist, Lüge und Täuschung. Euer Besitz, eure Wissenschaft, alle eure Künste und Schätze, euer Leben selbst - nichts als Lüge und Trug war es! Und wäre die materielle Welt etwas Besseres, so müßte sie beständig sein, wie die Wahrheit selbst als eine und dieselbe für ewig beständig ist und bleibt! - Was aber bleibet in der Welt als beständig? Ich sage es euch - nicht einmal das Wort Gottes! Denn auch dieses wird so viel nur immer möglich von der Lüge der Welt durchtrübt und dann in allerlei Dummes, Falsches und Böses verkehrt. Darum ist es aber den Menschen verhüllt gegeben, auf daß es in seinem Heiligsten nicht verunreinigt werden kann. Die Welt ist nichts als eine auf eine bestimmte Probezeit gerichtete Lüge. So diese beim Menschen aufhört, dann erst beginnt das Gottesreich der ewigen Wahrheit! - Und so machet denn nun auch ihr in euch der Welt ein Ende, auf daß dann in euch das Gottesreich anfangen kann, Platz zu greifen! -Und so denn folget mir alle!"

10 Sagt einer, der, seiner Natur nach eines guten Humors, stets mehr lustig als traurig ist: "So leb, denn wohl du stilles Haus, wir zieh'n von dir vergnügt hinaus! Sollten wir uns irgendwann in der allerliebsten Ewigkeit wiedersehen, so werden uns beiden die Augen offen stehen! - O du liebes Gebäude du, wie schön haben wir in dir Hunger und Durst und an durchaus keinem Geldüberflusse gelitten! Ja, wie oft sind wir vor allerlei Rührung zwischen deinen vier Wänden zu Tränen gekommen, an denen aus purer, freisinniger Ökonomie nur zwei schmale und niedere Fenster angebracht sind, jedes aus sechs kleinen Glastafeln bestehend, die aber so vielfach mit Blei durchzogen sind, daß dem Lichte nur sehr kleine Flächen zur beschmutzten Durchpassierung belassen sind. Oh, das ist rührend! - Freunde, daß wir beim Verluste dieses Hauses nicht nur nichts verlieren, sondern nur ungeheuer gewinnen, das wird hoffentlich doch jedem von euch bestens und klarst einleuchtend sein! - Mit dem Haus ist's also aus! Nun werden wir sehen, wie es uns gehen wird drauß!

11 Das Spassigste bei der Sache aber ist und bleibt das, daß wir schon sämtlich, wie wir hier sind, unsere Madensäcke abgelegt haben und bloß Seelen sind mit Haut, Haaren, Knochen, Hintern und noch was. Auch müssen wir als Seelen die gewöhnlichen Notdurften verrichten und Hunger und sehr viel Durst verspüren, haben aber wenig, um sie zu stillen! Merkwürdig! Daher wird's wahrscheinlich kommen, daß man schon auf der Welt oft sagt: Das ist aber eine arme, hungrige und durstige Seele! Ja, ja, über ein elendes Leben in Wien steht denn doch nichts auf! Das dumme Völkel singt mit hungrigem Magen noch immer ein lustig's Liedchen vom Tod. Die Reichen geben nichts her, die Minister schreiben Steuern aus, der Kaiser weiß sich vor lauter Unterhaltungen nicht zu helfen und schaut nur, was der Herr Kaiser-Großpapa im Eisbärenlande (Zar Nikolaus von Rußland) spricht. Dies einzige hat ein Gewicht, alles andere ist nichts. Und wer da was dawider spräche in seiner Not und Schwäche, der kann's verspüren bald, ob jung er oder alt mit wem er's hat zu tun im Belagerungsstande nun! Der Kaiser ist nicht faul und gibt ihm eins auf's Maul! - O Nikolaus, o Nikolaus, du großer Mann! Nach Österreich hast dir gebaut die Bahn, und Preußen in der großen Not leckt schon jetzt an deinem Kot! Was wird's erst später werden auf der lieben Erden!? Das Deutschland in Wirr'n schon schmeißet Zwirn. Und 's liebe, starke Frankreich, wird auch schon totenbleich. Wenn England sich nur rührt, wird Europa gleich verwirrt! Oh, das sind schöne G'schichten! Sei'n wir froh, daß wir nimmer leben auf der Erd! O Wien, o Wien, o Wien, wohin, wohin, wohin treibt dein Unsinn, Unsinn, Unsinn?!

12 Aha, schau, schau, schau der Mensch! - Während meines Geplausches sind wir nun auch samt und sämtlich auf die Gasse gekommen! Wie war denn das möglich. Ich kann mich ja gar nicht erinnern, daß ich auch nur einen Fuß in die Höhe gehoben hätte!"

13 Sagt sein Nachbar, so ein recht derber Patron: "Wie kannst du aber a so dumm sein und um so was frogn?! Siehst denn nit, was dös ist? Dös ist halt eine Zauberei, Gott steh uns bei!" - Sagt der Humorist: "Wenn nur ein Tiroler nie sein Maul auftät! Denn wenn ein Tiroler zu reden beginnt, so bebt die ganze Erde vor Dummheit!" - Sagt der Tiroler: "Dös laß du stehn, daß du mi schimpfst, süscht (sonst) kriegst mir a Fauntschn (Ohrfeige) auf dei Gfrieß, daß dir die rote Suppn obedreantschn (herabrinnen) wird."

14 Sagt der Humorist: "O du dummer Kerl von einem Tiroler! Siehst denn nicht, daß wir jetzt Geister sind, die bloß Willen und Verstand, aber keine Leiber haben!? Wir sind nun so etwas außerordentlich Luftiges. So du mir nun eine allerechteste Tirolerfauntschn gäbest, vor der sonst das gesamte Rindvieh von ganz Europa eine besondere Achtung haben soll - so würdest du dich damit nur lächerlich machen, denn da schlügest du mit deiner Luft aus die meine, und es schlüge da eine Dummheit die andere. - Peter! Stecke daher ein dein Schwert, es hat ja keinen Wert! - Denn wer mit dem Schwert umgeht, der kommt auch durchs Schwert um! Siehst du, das steht geschrieben in der Heiligen Schrift! - Hast du sie einmal gelesen?" - Sagt der Tiroler: "Aber bist du dumm! Wie kunnt ich's denn lesen, bin doch nie in a Schul gangen! Aber dös weiß i wohl, daß i von d'r Heiligen Schrift mehr weiß als du!"

15 Sagt der Humorist: "Nun, nun, werde nur nicht so massiv wie deine Berge in deinem Landl! - Schau lieber dorthin, wo unser Paulus nun gar so freundlich mit einem lieben, schlichten Manne sich bespricht und wie ihm jener die Hand drückt wie aus lauter dankbarer Freude! - Und dann schau dort weiter rechts hin - ein Mädchen, wie's keine zweite mehr wo gibt! No du, dös wär a so a rechte Tausendelement-Lisl! Du, dös wär a anders Früchtl als deine fünf-zahnlückete Nani beim gschecketen Hirschen! - Du, da gehen wir ein wenig näher hin! Meiner Seel, die wär mir schon lieber als wie die österreichische Staatsschuld! Was meinst du blatter-steppiger (blatternnarbiger) Tiroler?" - Sagt der Tiroler: "Du bist halt noch immer a damisches Luder von an Menschn! Siehst denn nit, daß auf solchen Bamern (Bäumen) für uns keine Feigen wachsen?! Bleiben wir, wo wir san! Da ist's viel gscheiter für uns."

16 Spricht der Humorist: "Gelt, du hast nur keine Courage nicht, sonst gingest du schon hin! Ja, ja, die Courage, die Courage - die fehlt dir wohl sehr stark! Denn ich habe es immer gehört, daß die Tiroler nur hinter den Felsen, wo sie schußsicher sind, couragierte Leute seien, aber im offenen Felde der Davonlauferei sehr ergeben, so es irgendwo ein wenig hitzig herzugehen beginnt. Und so wirst du davon wohl etwa auch keine Ausnahme machen! - Ich aber werde wohl hingehen und werde pflichtgemäß dem guten Paul meinen Dank abstatten, daß er uns so gut und zu unserem Wohle ins Freie herausgeführt hat! Wir sind freilich nun noch in unserm lieben Wien, aber doch wenigstens in einer der belebtesten Straßen, wo es stets sehr lebhaft zugeht! Und das ist schon ein ungeheurer Profit und steht viel höher als das Hocken in einer solchen wahrhaftigen Bleikammer und sich in derselben von allen T'rullern (Tirolern) abdrucken lassen. - Kurz und gut, Paul hat an uns Großes getan; ich muß ihm darum meinen Dank abstatten!" - Spricht der Tiroler: "Siehst, siehst, was du für a Hauptlump bist!? Meinst, ich kenn dich etwa nit!? Dös Menschl sticht dich in d' Augn, und döshalben mögst hingeahn, aber mit etwa n' Paul z'dankn! Aber schau nur, daß d' weiter kimmscht, sünscht wirst du bald seahn, obs die T'ruller a Courage habn oder nit! Verstehst mi?!"

17 Spricht der Humorist zu einem andern Nachbar: "Freund, magst du mit mir hingehen, dem Paulus zu danken, daß er uns aus dieser Bleikammer befreit hat? Denn mit diesem vierschrötigen Tiroler ist nichts anzufangen. Sagt man ihm etwas, so wird er gleich schlagsüchtig und gebärdet sich wie ein Stier, der gerade im Begriffe ist, seinen Hörnern so ein kleines unschuldiges Stoßvergnügen zu verschaffen. - Also, wenn's dich nicht geniert, so gehe mit!" - Spricht der Angeredete: "Ich geh auch nicht! Denn du hast auch mich beleidigt, indem ich auch ein Tiroler bin, freilich mehr gebildet als der andere. Wenn du den Tirolern Mangel an Courage vorwirfst, so bist du ein dummer Mensch, der nicht weiß, daß die Tiroler die allertapfersten Krieger sind und allzeit waren. Schau, du damischer Wiener, wenn du ein rechter Mensch wärst, der Kopf und Verstand hat, so nähmest du schon von weitem den Hut vor jedem Tiroler ab! Denn das sind noch Leute, die in die Welt taugen! Ihr Wiener seid sonst nichts als allergemeinste Mistkäfer. Und es ist für längere Zeit für keinen ehrlichen Mann eine Ehre, mit euch in Familie zu leben!"

18 Spricht der Humorist: "O je, o je! Jetzt hab ich's gut gemacht! Zwischen zwei Feuern vom gröbsten Kaliber! Jetzt habe ich aber auch die höchste Zeit, daß ich weiterkomme, sonst entleert sich noch ehestens ein echtes Tiroler Hochgewitter über mein Haupt!"

19 Hier verläßt der Humorist seine Hochgebirgsgesellschaft und begibt sich schnell zu Paulus hin und sagt: "Liebwertester Freund! Du hast uns allen eine große Wohltat erwiesen. Aber wie ich bemerke, so ist es noch keinem eingefallen, daß er sich hier draußen im Freien bei dir dafür bedankt hätte, daß du uns durch die Wahrheit deiner Rede aus unserer wahren Bleikammer befreit hast. Ich habe daher, vom tiefsten Dankgefühle gedrungen, mir als erster die Freiheit genommen, dir als unserem allerwertesten Freunde hiermit meinen tiefsten und wärmsten Dank darzubringen!"

20 Sagt Paulus ein wenig lächelnd: "Schön, schön von dir! Aber nur hättest du hier auch den Hauptgrund angeben sollen, der dich vorzüglich ganz besonders zu diesem Deinem Dankgefühlsaufschwunge vor mir genötigt hat. Sieh, der grobe Tiroler hatte recht, als er zu dir sagte: »Nicht der Paulus, sondern das ,Menschle' sticht dir in die Augen!« Also in Zukunft nur alles, was wahr ist! Denn hier, vor uns, ist es wohl keiner Seele möglich, sich zu verstellen! Gehe aber jetzt nur auch zum ,Menschle' hin und mache ihr dein Kompliment! Aber vergesse es nicht, daß sie schon das Weib eines Mannes ist, und zwar eben desjenigen, der neben ihr steht!"

21 Spricht der Humorist: "Lieber Freund, ich danke dir auch für diese Belehrung, denn sie ist durchaus wahr! Aber daß ich nun dieser wahrlich allerholdesten Dame sogleich ein Kompliment machen solle, während sie mit ihrem Gatten in ein tiefes Gespräch versunken dort steht, dürfte denn doch ein wenig unschicklich sein!? Je mehr ich sie aber betrachte, desto bekannter kommt mir ihr Gesicht vor, wie auch das seine. Er hat, so ich mich nicht irre, eine ganz außerordentlich frappante Ähnlichkeit mit dem berüchtigten - hm, hm - fällt mir aber gerade jetzt der Name nicht ein! No, no, no - kurz, er sieht einem Hauptdenmokraten gleich, den ich vor ein paar Jahren oft, oft in Wien gesehen habe! Vom Sehen aus sind mir also er und sie bestens bekannt, aber natürlich die Namen können mir nicht bekannt sein!"

22 Spricht Paulus: "Daran liegt auch vorderhand sehr wenig, und wir haben nun gar um sehr vieles wichtigere Dinge zu tun, als uns mit ein paar Namen herumzubalgen und uns dann drei Tage lang nach irdischem Gebrauche zu verwundern, daß diese die und die seien. - Ich werde dir aber nun einen andern Rat geben! Den befolge du, und es wird dein Schaden nicht sein! - Falle du nun vor diesem meinem höchsten und allerbesten Freunde auf deine Knie nieder und sage: »O Herr, sei mir armem Sünder gnädig und barmherzig! Nehme mich als ein sehr verloren gewesenes Schaf in deiner großen Gnade auf, und lasse auch mich die Ausflüsse deiner Liebe und Erbarmung genießen!« Sage aber solches mit aller wärme deines Herzens aus, und dir soll dafür Heil widerfahren!"

23 Spricht der Humorist: "O Freund, du verlangst sehr viel von mir! Bedenke, wie mich alle meine Bekannten auslachen und für einen barsten Trottel ansehen werden! Und so mich dann jemand fragen wird und sagen: "Warum tust du wohl solches? Wer ist denn der, vor dem du wie vor dem allerheiligsten Altarsakramente bei der Wandlung auf die Knie gerutscht bist und vor dem du schon getan hast, als so er unser Herrgott wäre?!« - was werde ich solch einem Fragesteller zur Antwort geben?" Sagt Paulus: "Nichts als: »Tue auch du desgleichen, so wird es für dich besser sein als solch ein leeres Fragen! Denn Der, vor Dem ich niederfiel, ist Jesus Christus, der Herr Himmels und aller Welten!«"

24 Hier fällt unser Humorist auf den Boden nieder und sagt hell lachend: "Nein, was z'viel ist, ist z'viel! Entweder bist zu zeitweilig ein Narr, oder dir beliebt es, mich und uns alle dafür zu halten und dich also an unserer Schwäche zu belustigen! - Es ist genug, daß wir dich unter dem Namen des alten, berühmten Apostels verehren, weil du uns wirklich durch deine Lehre zu einem wahren Apostel geworden bist, aber daß nun dieser dein noch schlichter als du aussehender Freund nun so ganz mir und dir nichts Christus der Herr sei und die zwei andern höchstwahrscheinlich auch ein paar Apostel und jene Dame etwa gar die allerseligste Jungfrau mit dem hl. Joseph (oder was beißt mich da unter der Achsel?) sein solle - sieh, das geht vom Himmelblauen schon rein ins Hellkirschrote über! Lieber Freund, ist das wirklich dein Ernst, oder machst du einen Spaß mit uns!

25 Ich sage dir, Freund, aber nun ganz freundlich ernst: Mit derlei Spässen bleibe du uns vom Halse! Denn sie könnten dir mit der Zeit ganz verdammt übel bekommen! - Denn wisse du, mein sonst allerhochschätzbarster Freund, obschon ich zwar kein Pharisäer bin - das heißt in der neuen römisch-katholischen Art, die Christum aus Stärkmehl backt und vor einer Oblate aufs Gesicht fällt, im Herzen aber Christum und Sein heilig Wort sowie auch jeden, der sich rein nach der Gotteslehre Jesu hält, haßt und verachtet - so bin ich dennoch ein wahrer, innerer verehrer Chriti und bekenne vollkommen Seine unbestreitbare Göttllichkeit. Aus diesem Grunde aber ist Er mir denn doch viel zu erhaben und zu heilig, als daß ich Ihn hier in den weltberühmt allergemeinsten Wiener Straßenkot herabziehen sollte! - Glaube mir, obschon ich zwar in manchen Punkten, besonders im Punkte des schönen Geschlechts, kein Trapist (Mitglied eines asketischen Ordens), kein Plato und kein Sokrates bin, so bin ich dessenungeachtet ein großer Freund, Verehrer und Anbeter Christi! Daher bitte ich dich wohl, mit diesem Namen aller Namen ein wenig behutsamer umzugehen!"

26 Sagen nun auch die sieben, die sich zuerst an den Paulus angeschlossen haben: "Ja, ja, der Pepi hat recht! Christum den Herrn muß man höher achten! Und es ist nicht schön von unserem sonst sehr achtbaren Freunde, daß er den Gottessohn in so einen ganz gewöhnlichen Menschen herabziehen will!" - Sagt Paulus: "Seid nur ruhig! Es soll sich übrigens bald zeigen, ob ich recht habe oder nicht! - Ziehen wir nun weiter! Denn hier sind wir bereits vollkommen fertig! Der Herr geht, und so denn gehen auch wir!"

205. Kapitel: Phantasievolle Vermutungen der Mitläufer. Neue sonderbare Begegnungen im virtuellen Wien. Die längst erworbenen Ahnen des Hauses Habsburg-Lothringen.

01 Sagt im Gehen der Humorist: "Was soll nun das wieder heißen?! Der Herr geht, also gehen auch wir! - Wer ist denn der Herr, was ist er als Herr, warum ist er ein Herr? Der Mensch wird doch etwa nicht im Ernste behaupten wollen, daß dieser echte polnische Schachermann am Ende dennoch Christus der Herr sein solle!?" - Sagt ein anderer neben dem Humoristen: "Du. Seppel, jetzt wird mir die ganze Sache klar, was es da mit dieser Gesellschaft für eine Bewandnis hat!" - Seppel fragt: "Nun, was denn? Rede! Bin neugierig, dein Urteil zu vernehmen!"

02 Spricht der andere weiter: "So höre denn! Das sind seine russische Spione unter dem Deckmantel von einer gewissen transzendentalen Pietistik, mit der sie die Menschheit blenden! Es ist wahr, der sogenannte Paulus sprach wie ein Buch, und seine zwei Geldwechslungsgeschichtchen sind von einer Art, hinter der sich entweder wenig oder wohl auch gar kein Betrug sollte denken lassen. Aber ich denke da viel schärfer und sage: Eine plumpe Maske ist schlechter als gar keine! - Daher haben diese Russitschkis eine gar feine Maske gewählt, durch die man sicher ohne sehr vergrößernde Augengläser nicht leichtlich wie durch ein hohles Faß schauen wird! Christus, Paulus, sicher auch Petrus, Jakobus oder Johannes und gar etwa auch Joseph und Maria! O wie denn anders? - Ein recht rares Sextett! Der Christus wird so ein Hauptmagier sein und sehr hieroglyphisch reden, so er überhaupt etwas redet. Denn gewöhnlich sind solche Hauptmagier stumm gleich wie ein altes Stück Bauholz. Der sogenannte Paulus wird sein nächster Helfershelfer sein, auch in der Magie nicht unbewandert, aber hauptsächlich beim Redezeug zu Hause. Die andern zwei scheinen mir mehr so Taschenspielsadjudanten zu sein. Und der ganz voranige mit der schönen Zirkassierin ist höchst sicher so ein feiner Pfiffikoni und kennt sich überall aus. Und seine Holdeste ist so ein Lockvögelein und manchmal, natürlich gegen viel Geld, so ein liebes Zugpflästerchen für gewisse Schmerzen und Anschoppungen im Unterleibe. Zwar alles menschlich, aber der Art nach doch sogar für unser großes Wien etwas selten! - Nun Seppel, fangst schon an, dich ein wenig auszukennen?!"

03 Sagt der Humorist: "Ja, ja, die Geschichte hat wohl ein solches Gesicht, daß man schier so was glauben sollte! Aber für ganz, wie für alle Zeiten abgemacht, möchte ich die Sache denn doch nicht annehmen. Denn der Paulus ist wirklich ein Weiser, wie es im ganz Wien keinen zweiten irgendwo mehr geben dürfte. Und der sogenannte Christus, zwar ganz ein polnischer Jude, scheint aber sonst ein überaus guter Mann zu sein ohne die geringste kaufmännische Tücke. Und die andern vier, die Zirkassierin mitgezählt, sehen wenigstens sehr honett aus, und man entdeckt nichts Gemeines an ihnen. Auch der Verzehrungssteuereinnehmer geht an der Seite des seinsollenden Christus ganz allerbehaglichst mit und scheint sich um sein Amt gar nicht mehr umsehen zu wollen! Also laufen auch wir mit, als ob wir bezahlt würden, ohne daß uns wer bemüßigte. Das sind denn auch Zeichen, die irgendein Gewicht haben! Was meinst du, mein Freund? - Die Sache fängt an, für mich ein sehr bedeutend anderes Gesicht zu bekommen, als es im Anfange der Fall war! Schau hinaus ans Firmament! Der Himmel ganz rein, keine Sonne, und doch ist Tageshelle vorhanden! Gelt, das srappiert dich nun! Schaue aber diese uns nur zu bekannte Gasse an! Siehst du außer uns aber auch nur eine bekannte Seele wandeln? Siehe, alles ist leer! Die Häuser sind wie ausgestorben. Und auf der Straße wächst unglaublicherweise - das schönste Gras! Sage mir, fällt dir diese Sache nicht auf?!"

04 Sagt der andere: "Allerdings hat die Sache etwas für sich! Am sonderbarsten sieht aber wirklich das Firmamnent aus. Der Himmel ist förmlich licht-indigoblau. Und alles ist ganz so beleuchtet, wie von der Sonne am hellen Mittage. Aber nirgends ist etwas zu entdecken, das da der Sonne gleichen möchte. Kein Gegenstand wirft einen Schatten! Überall gleiches Licht, und nirgends ein leuchtender Körper, weder eine Sonne, noch ein Mond, noch ein Stern! - Ja, ja, du hast recht, das ist schon sehr merkwürdig!"

05 Sagt der Humorist: "Nun, ich glaub's auch, daß die Sache (wirklich) so ein wenig merkwürdig ist! Die Stadt, die Häuser und Gassen und Plätze sind wohl ganz vollkommen Wien; auch der Belagerungszustand mit seinen verpalissadierten Bastionen und Kanonen dauert in völlig gleicher Gestalt fort. Nur ist das Wache habende Militär nicht so streng gegen die Besucher der Bastionen und läßt sie ihre Wege wandeln. Aber sehe dir einmal die Menschen an, so dir irgendwelche unterkommem! Da kann man wohl mit allem Rechte sagen: 'S Mandl und 's Weibl ist nimmer zum Auseinanderkennen! Und sie sind meistens weltfremd, wild und dumm wie die Chinesen, und traurig und wehmütig, als wenn sie schon halbenteils die Cholera hätten. - Dort schaue hin! Vor einem Haustore stehen so einige Zigeuner! Schaue sie nur an, was die für echte Froschgesichter machen und wie sie dann und wann einander beriechen als wie die Sultl und Spitzl (Hundenamen: Sultan und Spitzer) im Frühjahre oder als wie die echten Mäckeljuden, die ihre Schuldner, die sich als zahlungsunfähig um eine Prolongierung flehend, demütigst vor sie hinstellen, am Ende zu beriechen anfangen, ob kein Silber oder Gold aus ihnen röche. Sage, hast du so was sonst je im lieben Wien gesehen? - Gelt, das ist rar!?"

06 Sagt der andere: "Ist wahr, ist wahr! Merkwürdig, sehr merkwürdig! - Aber he, he! Dort, dort, wo sich die Gasse etwas biegt - was wandert denn dort wahrlich für Wien ganz Fremdes uns entgegen!? - Beim Kuckuck! Das sind ja große schwarze Straußvögel! Sie haben ungeheuer lange Hälse und noch längere Beine! Und es gibt ihrer eine Masse! - Sie kommen uns näher! Wahrlich, mit denen möchte ich gerade nicht einen Gassenkampf beginnen! - Du, Freund Seppel, zupf du da ein wenig den Herrn Paul! Er wird dir darüber wohl etwa eine Auskunft zu geben vermögen! - Sagt der Humorist Seppel: "Zupf du ihn! Warum soll das gerade ich tun? Die Vögel werden etwa wohl einer großen Menagerie ausgekommen sein! Der Herr Vetter Holzbaumer wird sich doch etwa vor diesen afrikanischen Kapaunen nicht fürchten!?"

07 Sagt der Vetter Holzbaumer: "Nein, das gerade nicht. Aber wissen möcht, ich's doch, wo etwa diese Viecher her san. Vielleicht sein's etwa gar böse Geister?! So wir nun etwa doch in der Geisterwelt uns befinden könnten, da wäre so was ja gar leicht möglich!" - Spricht der Humorist Seppel: "Warum nicht gar!? Geister werden's wohl sein, aber keine bösen! Denn Geist muß alles haben, was da lebt. - Aber nun machen die Luder förmlich Front vor uns, und aus ihren sonderbaren Mienen ist eine gewisse Kampfgier gerade nicht unverkennbar. - Der Herr Vetter könnt, am Ende mit seinen bösen Geistern auch noch recht haben! - Nun muß ich denn doch im Ernste den guten Paulus ein wenig zupfen gehen!"

08 Hier zupft der Humorist den Paulus und sagt: "Höre, edler Freund, was hat's denn da mit den schwarzen Straußen für eine verzweifelte Bewandtnis? Werden sie uns fressen oder was?" - Sagt Paulus: "O nein! Sorget euch um nichts! Diese werden uns nichts tun. Sie ziehen uns nur in Parade entgegen, um uns zu ersuchen, daß wir sie in ihrem Palaste besuchen sollen. Daher seid ganz zuversichtsvoll ruhig! In Kürze aber werdet ihr schon ohnehin erfahren, was es mit diesen Eisenfressern für eine Bewandtnis hat."

09 Der Humorist Seppel gibt sich nun ruhig und sein Vetter auch. Und diese beiden beruhigen auch die andern, die auch mehr oder weniger über diese Erscheinung stutzen. - Als wir aber ganz in die Nähe dieser Vögel kommen, da verlieren diese mehr und mehr ihre Straußgestalt und werden zu sehr hager aussehenden Menschen, von denen ein paar vortreten und den Robert ersuchen, daß er seine ganze (mit ihm kommende) Gesellschaft in ihren alten, höchst adeligen Palast führen möchte.

10 Robert sagt darauf freilich wohl, daß er der Herr nicht sei und weist die beiden an Mich, aber die beiden sagen: "Wann du nöt Herr, worum voran gahn?" - Und Robert sagt: "Weil es also des Herrn Wille ist! - Und also ist es auch des Herrn Wille, daß ihr euch an Ihn wenden sollet, so euch in irgend etwas wahrhaft geholfen werden soll. - Wir alle andern können euch nicht helfen, außer durch Lehre und Rat. Die Tat ist des Herrn allein! Darum wendet euch an den Herrn! Was Er anordnen wird, das wird geschehen!"

11 Auf diesen Bescheid von Robert verfügen sich die beiden zu Mir und sagen: "Wonn du Herr, so gah mit ons sämtlich deiner Gesellschaft! Wür bitten di dorom!" - Sage Ich: "Was sollen wir bei euch? Wer seid ihr Hohen dem - daß Ich euch nicht kenne?! Was waren eure Taten? - Ich kenne die Geister nur nach ihren Taten und nie nach ihrer Gestalt!"

12 Sagen die zwei: "Wür sund kane Geister noh, wür sund Herzog und Erzherzog und König und noh mehr! Und wür wohnen alle in einem Höchstadlings-Palast. Und do sollst du mit ons gahn, und wür werden ons dort besser verstahn." - Sage Ich zu Robert: "Also führe uns denn dahin, und wir werden sehen, was sich dort alles offenbaren wird!"

13 Robert sagt nun zu den zweien: "So ihr es vernommen habt, was der Herr nun geredet hat, so tretet vor mich hin und führet uns alle in euer Haus." - Sagen die beiden: "Wür hohn kan Haus, wür hohn an Höchstadlings-Palast, weil wür sund von de höchste Adel!"

14 Sagt die Helena, die schon etwa spitzlich wird über die höchst langweilige Gesprächsweise dieser Höchstadeligen: "Nun, nun! Schaut's nur gleich, daß euer Höchstadlings-Palast am End nicht etwa gar so ein recht schmutzigs Saustallerl ist! - Jetzt wollen die einen Palast haben! Nein, das ist wohl zum Lachen! So graupige und kleinzerlumpte Kerls - und einen Höchstadlings-Palast! Na, na, wir werden es wohl sehen, was da für ein Palast herauswachsen wird!" - Sagt einer der Höchstadeligen: "Mane Jongfr, sei se stad mid Maul, sonst leg i an Schlos af ihr Maul! Se moß froh san, wonn sie onser Herrgott lebn laht! Hat se verstahn?"

15 Sagt die Helena: "Sie, sagen's mir, wie lang ist es denn schon her, seid Sie gestorben sind? - Sie müssen, Ihrer Sprache nach zu urteilen, doch so hübsch viel vor dem Adam auf der Welt gelebt haben? - Nein, ist aber das eine Sprache, bei der man alle Zustände bekommen möchte, besonders so man sie längere Zeit anhören müßte! - Nun, wie ich's merke, so geht der Weg ja zu den Kapuzinern?! Soll etwa dort der Höchstadlings-Palast sein?" Sagt der eine Höchstadelige: "Stad sei mid dan Maul! Du verstahn ons nöt, du best su jong. Dorom holt stad dane Maul! Bei de Kopozenr son mer wohl, obr nöt of der Erd', sondern ondr der Erd, verstahn du Jongfr!"

16 Sagt die Helena: "Ja, ja, mir kommt es auch so vor, daß ihr noch so hübsch fest unter der Erde zu Hause seid! - Das wird wohl das erste Mal sein, daß ihr euch über der Erde befindet?!" - Sagt der eine wieder ganz zornig: "Iche hohn de scho gsagt, daß dei Maul holdn sulst! Abr tost du nöt fulgn man Wort, so werd i dr mußn ane obe schlogn! Hast du mi verstahn!?"

17 Sagt Robert zu Helena: "Meine Geliebteste! Mußt nicht gar zu viel reden mit diesen Wesen; denn sie sind sehr roh und könnten dir am Ende im Ernst etwas Leides antun! - Ich sehe aber ja ohnehin, wohin sie uns führen werden, und so braucht man weiter nicht mehr darum zu fragen. - Sieh, das sind lauter längst verstorbene Regenten des Hauses Habsburg und Lothringen! Nun ruhen sie in der Herrschergruft bei den Kapuzinern, teilweise auch bei den Augustinern wie auch einige in den Stephansdom-Katakomben- das ist ihr Höchstadlings-Palast! - Wir werden uns nun sogleich bei ihren Särgen befinden. Daher sei nur ruhig und stille!"

206. Kapitel: In der Kaisergruft bei den Kapuzinern. Viel Totes in den Särgen! Lebensweisheit des Humoristen, die Hauptfrage ist - Jesus! Verschiedene Ansichten über das Papsttum.

01 Mittlerweile kommen wir aber auch wirklich bei den Kapuzinern in der Gruft an, was einigen von unsern neuen Begleitern eben nicht gar recht zusagt; denn unser Humorist macht gleich die Bemerkung und sagt: "Nun frage ich jeden noch so Unbefangenen unter euch: Was haben wir denn nun bei der Geschichte gewonnen? - Gar nichts! Von einem Loche hat uns der gute Paulus herausgefoppt, damit wir nun in ein noch ärgeres gesteckt werden mögen! - O das Leben ist denn doch schön! Freunde, höret, eine Preisfrage: Was ist das Leben? Da die Antwort euch denn doch einige Mühe kosten könnte, so will ich als Fragesteller zugleich auch selbst die Antwort bringen. Seht, das Leben ist eine eingehülste Beweglichkeit, aus Hunger, Durst und allerlei anderem Elende zusammengesetzt. Dies eingehülste Elend, was man Leben nennt, wird stets von einer Grube in die andere versetzt, und darin scheint auch die Bestimmung des Lebens zu sein! Bei der Zeugung nimmt die Wanderschaft ihren Anfang und hört nachher auch ewig nimmer auf. Nur so schön fort von einem Trübsalsort zum andern in Ewigkeit amen.

02 Dahier in der alten Fürstengruft werden wir's fangen! Da können wir den alten Habsburgern ein bißchen herumspuken helfen; denn sie allein werden ohnehin keine Spukerei mehr zuwege bringen. Und so eine Spukerei von einem Karl oder Rudolf oder Leopold wäre doch sicher ein wahres Labsal für die hungrigen Mägen einiger Kapuziner, denen nun die Messen trotz ihres Kanzellärmes nichts mehr eintragen wollen, und für die freien Zustände der Alleinseligmacherin und Versetzerin und Erheberin der seligst im Herrn Entschlafenen in den Bauernkalenderhimmel! Wenn so eine Geisterspukerei von vielen gesehen und beobachtet werden könnte, und das in der Fürstengruft - welchen Glauben an die Messen und an die vollkommenen Ablässe würde das wieder mit sich bringen! - Also, vivat! - Freunde! Den Kapuzinern soll geholfen werden!"

03 Sagt ein anderer: "Aber Freund, hast du nun aber wieder einen Stiefel zusammengeredet! Wo steht denn das geschrieben, daß wir hier derhalb schon bei den Fürstensärgen in der Kapuzinergruft verbleiben sollen oder gar müßten, weil wir hierhergekommen sind mit den Freunden, die uns ehedem aus dem ersten Quasi-Arreste befreit haben? Das war wohl wieder schwach, mein lieber Freund Seppel! - Ich aber meine, diese Fürsten werden wohl auch den Wunsch haben, von ihrem langen Schlafe einmal erweckt zu werden; und (daher) haben sie sich, so gut es ihnen möglich war, an diese sehr wundermächtigen Freunde Gottes gewendet. - Daß wir dann auch mit hierher gezottelt sind, das ist unsere Sache, indem wir auch ebensogut hätten draußen bleiben können. Da wir nun aber schon hier sind, so seien wir auch ruhig und hören, was die Wunderfreunde Gottes mit diesen alten Fürstengeistern alles tun werden!"

04 Sagt der Steuereinnehmer: "Nun, das ist einmal ein Wort, das sich auf so einem ernstvollen Platze hören läßt! Ein jeder dieser Särge ist eine Weltgeschichte von Völkern, die unter einem oder dem andern dieser Regenten gelebt, gewebt, gewandelt und gehandelt haben. Und wo Gott Selbst leibhaftig so einen Ort besucht, da müssen solche Protzer und Patzer, wie wir beide es sind, wohl schön fein 's Maul halten, sonst könnte es für sie am Ende nicht am besten gehen. - Dort schau hin, wie Paulus und der Herr Jesus nebst den zwei andern, wahrscheinlich auch Aposteln, die alten Särge ganz wehmütig betrachten! Und (höre wie) ein Paulus nun sagt: »O Herr, Deine Liebe, Gnade und Erbarmung hat keine Grenzen - aber da gibt es noch viel Totes in diesen Särgen!« Hörst du, Seppel!? Sehr viel Totes gebe es noch in diesen Särgen!"

05 Spricht der Seppel: "No ja, das wird doch ein jeder Mensch wissen, daß in so einem Sarge keine Tanzlustbarkeiten gegeben werden, und es bedarf da keines Paulus, um so was einzusehen! Daß aber diese alten Fürsten mit ihrem oft sehr tyrannischen Herrschen über die armen Völker so manches Stückchen einer haarzubergtreibenden Geschichte zuwege gebracht haben, das, Freundchen, weiß ich so gut wie du! Und inwieweit diese Särge ehrwürdig oder nicht ehrwürdig sind, das weiß ich auch! - Ob aber jener schlichte Jude, mit dem der sogenannten Paulus sich bespricht, Jesus, der bekannte Gottessohn, ist oder nicht, das ist eine ganz andere Frage! Möglich ist alles. Aber hier mangelt uns noch sehr das, was man lieber für wahr als für unwahr halten möchte (nämlich: die Gewißheit). - Meinst du denn, daß ich etwa ein Feind Christi sei oder an Ihn nicht glaube? - Oh, da irrst du dich sehr! - Ich verehre Ihn unendlich hoch, und eben deshalb trage ich noch immer Bedenken mit diesem Juden da. - Ich gebe auf alles acht! Sehe ich aber, daß Er es etwa doch sei, dann sollst du Wunder schauen an meinem Benehmen gegen Ihn! Denn weißt du, ich liebe Ihn unendlich!"

06 Sagt der Steuereinnehmer: "Das ist sehr schön von dir, so das dein Ernst ist; aber aus deinen früheren Reden hätte das wohl nicht leichtlich wer herausgesunden!" - Sagt Seppel: "Ja, ja, weil ich über die römischen Pfaffen nicht zu honnett (anständig, freundlich) gesprochen habe, so hast du geglaubt, ich sei etwa auch so ein halber Fetzen von einem Antichristen! Aber Freunderl, da hat's Zeit! - Wenn's Freunderl den Antichrist sehen will und den Herrn Teufel, seinen Bruder, so gehe 's Freunderl nach Rom; dort kann Er ganz allerechteste Antichristenklumpen beisammen finden, als wenn's die Tauben zusammengetragen hätten! Ja du, mein Lieber, man kann eben dadurch erst ein lebendiger Verehrer und Anbeter Christi sein, so man im Herzen ein Feind des Papsttums ist; denn Christentum und Papsttum verhalten sich gerade wie ja und nein. Was das eine ist, dem ist das andere schnurgerade entgegengesetzt. Wenn du mir das nicht glaubst, so gehe hin zu Paulus, der wird es dir auf hebräisch sagen, wenn du es deutsch nicht verstehen solltest!"

07 Sagt der Steuereinnehmer: "Ich habe die römische Religion wieder nicht gar so schlecht gefunden; und man kann in ihr auch selig werden." - Sagt der Seppel: "O ja, wenn man mit dem Bauernkalenderhimmel zufrieden sein will. Aber hübsch viel Maxen kostet es und Zeit und Geduld! - Nun aber heißt uns Paulus stille sein, und so gehorchen wir ihm!"

207. Kapitel: Anliegen der Geister der Regenten. Ihre Erzählung vom feurigen Reiter und dessen Weissagung über Weltende und Wiederkunft. Die Regenten erbitten irdische Hilfe, Paulus verheißt geistige. (Am 22. Juni 1850)

01 Paulus richtet sich nun auf und sagt zu den Bewohnern der Gruft: "Ihr habt uns von unserer Bahn abgeleitet und berufen, gewisserart dringend nötig hierher zu folgen. - Was wollet denn, daß wir euch nun hier tun sollen? Welches Tatenvermögen trauet ihr uns wohl zu? Und wodurch waret ihr denn genötigt, zu uns zu kommen? - Redet nun, auf daß wir euch helfen nach eurer Not und nach der Rührigkeit eures Gemütes!"

02 Tritt der eine vor und sagt: "Ich bin ein Römisch- Deutscher (Anmerkung: Die Würde wird bei irdisch hochgestellten Personen im Geisterreiche nicht leichtlich genannt, manchmal auch die Namen nicht), bin hier meines Namens und der Würde nach der Erste und heiße Rudolf. - Ich sah letzthin eine große Bewegung in der Luft, und ein feuriger Reiter trat zu mir hin und sagte: »Dies euer Haus wird euch wüste gelassen werden und kein Stein auf dem andern! Die Erde wird durch Feuer- und Blut gesäubert werden! Ein großes Wehe wird erschallen aus dem Munde der Großen, und Feuer und Pest wird zu Millionen hinraffsen die Armen! Und es soll kommen der Welt Ende!«  Das waren die Schreckensworte des feurigen Reiters. Und als der feurige Reiter also geredet hatte, da hat uns alle eine sehr große Furcht angewandelt, so daß wir zu schreien anfingen vor zu großer Angst.

03 Aber der feurige Reiter sagte darauf zu uns: »Es wird aber zuvor noch berufen Gott der Herr alle, auch die Verworfensten. -Ins Geisterreich wird der Herr Selbst kommen und wird Sich zu erkennen geben allen, die ihre Nacht gefangen hält. Die sich an Ihn wenden werden, die wird Er auch erhalten. Es werden Ihm aber vorangehen Seine Knechte Petrus, Paulus und Johannes und werden den Gefangenen verkünden das Licht, welches da kommt aus dem Namen des allmächtigen Gottes; und die den Namen aufnehmen werden in ihr Herz, die werden selbst einen neuen Namen bekommen, und der Herr wird wieder aufrichten ihre morschen Festen und zerfallenen Burgen.

04 Ebenso wird der Herr auch kommen auf die Erde, und zwar zuerst auch nur durchs Wort aus dem Herzen und Munde der Weisen, die Er erweckt hat und deren Er noch mehrere erwecken wird. Dann aber, so die Erde wird geläutert sein, wird Er auch kommen in seiner allerhöchstheiligsten Person zu allen denen, die Ihn lieben und eines reinen, erbarmenden Herzens sind!« Darauf verließ uns der feurige Reiter, fuhr wie ein Blitz von dannen, und wir sahen ihn dann nicht wieder.

05 Nun aber haben wir ein Gerücht vernommen, daß in diese unsere alte Residenzstadt Wien über die ,Sennerin am Kreuze' Menschen angekommen seien, die sich für Gottesboten ausgeben und auch Wundertaten verrichten, um durch sie für die Blinden die Wahrheit ihrer Sendung zu bekräftigen. Wir sind auch bei dieser Kunde, sogleich diesen unsern Höchstadlings-Palast verlassend, in guter Ordnung hinausgeeilt, um womöglich mit solchen Boten selbst zusammenzukommen. Wir sind mit ihnen wirklich zusammengekommen und haben sie hierher geführt. Ihr selbst seid unleugbar solche Boten!

06 Wir Fürsten legen darum unser Anliegen zu euren Füßen - dahingehend, daß ihr unsere alten Festen und Burgen wieder aufrichten und derart befestigen möchtet, daß sie nimmer von irgendeinem Feinde wieder möchten erobert und zerstört werden. Auch diesen unsern Höchstadlings-Palast möget ihr derart festen, daß ihn nimmer jemand soll verwüsten können! - Das ist nun aber auch unser ganzes Anliegen, dessentwegen wir euch entgegenkamen und euch hierher geführt haben. Denn könnte diesem unserm Höchstadtings-Palaste irgend etwas Übles zugefüget werden, so wäre das auch rück- und vorwirkend ein großes Unglück für die hohe Habsburg-Lothringer Dynastie, und es stünde bald sehr ihr Fortbestand auf dem Spiele.

07 Im Erdjahre 1848 ward in diesem unserm Höchstadlings-Palaste nur ein einziger Stein ein wenig locker, und sehet, die Dynastie hatte zu tun, um sich in ihrem uralten Ansehen zu behaupten. - Sie hat sich nun wieder gefestet und hat den gerechtest redlichen Sinn, ihre Untertanen bestens zu regieren und zu leiten, die Guten zu belohnen und die Bösen ganz rücksichtslos zu bestrafen nach dem Maße ihrer Vergehen, was gewiß vollkommen dem Willen Gottes gemäß ist und sein muß, weil Er Selbst es also tut und also haben will. Es wäre darum wahrlich ein unberechenbares Übel für alle untergebenen Völker, so die Dynastie nun in irgend etwas könnte gefährdet werden oder am Ende gar um ihren alten Thron kommen würde!«

08 Sagt Paulus: "Freunde, die Prophezeiung des feurigen Reiters ist wohl richtig, doch noch nicht - gerichtet (ausgerichtet, verwirklicht)! - Aber eure Bitte und eure Sorge, die euch zu bitten nötigt, ist eitel über eitel und sehr töricht! Was können euch die alten Festen und Burgen auf der Erde mehr nützen, deren viele Tausende durch der Zeiten Walten in Schutt verwandelt worden sind?! Es hat wohl der feurige Reiter von der Aufrichtung eurer Festen und Burgen geredet; aber es sind darunter nicht zu verstehen eure alten irdischen Festen und Burgen, sondern euer Glaube und eure Hoffnung durch die Macht der Libe zu Jesu, Gott dem Herrn! Das ist die Feste und die Burg! Diese will der Herr bei euch, die ihr hier zufolge eures höchsteigenen Wollens in tiefer Geistesnacht schmachtet, schon seit langen Zeiten aufrichten und neu beleben. So ihr das wollet, da sage ich zu euch im Namen des Herrn, der auch hier ist, den aber ihr nicht erkennet und noch nie erkannt habt: Das wird der Herr euch auch tun, so ihr Ihn darum bitten werdet!

09 Auch die irdische Dynastie wird Er erhalten, solange Er es für gut finden wird und solange diese so handeln wird, daß die Völker von ihr aus in keinerlei zu große Not geraten. Sollten die Völker aber in ihrem Herzen zu laut zu klagen anfangen, dann wird der Herr der Dynastie auch alsobald ein volles Ende zu machen verstehen. Denn die Dynastie ist vor Gott nichts und ihr Thron ist auch nichts, und sie ist nicht da des Thrones wegen und der Thron nicht der Dynastie wegen, sondern sie ist da als ein weisesein-sollender Hirte der Kinder Gottes! Kann oder will sie diese Gottes-Herde nicht hüten vor allerlei Übeln und nimmer Gott geben, was Dessen ist, dann ist sie nicht mehr zu brauchen! Der Herr wird dann auch wissen, einer hochtrabenden Dynastie ein völliges Ende zu bereiten!"

208. Kapitel: Weitere Belehrung der Dynasten. Gleichnis von den faulen Hirten. Dynastien sind nur der Völker wegen da. Mahnung zur Demut und Hinweis auf Jesus. (Am 25. Juni 1850)

01 Paulus fortfahrend: "Ich, Paulus, ein wahrer Knecht des Herrn Jesus, sage es dir und euch allen: vor Gott dem Herrn sind Throne und Dynastien ein Greuel. Aber so die Dynastie den Willen des Herrn achtet und handelt nach solchen Grundsätzen, die aus dem Worte Gottes und aus seiner Liebe und Erbarmung abgeleitet sind, dann ist die Dynastie über den Thron (erhaben) und dem Herrn recht und genehm. Mit solch einer Dynastie ist dann des Herrn Gnade, Macht, Kraft und Stärke; und wehe dem Feinde, der sie angriffe! Wahrlich, er wird zu Staub und Asche zermalmt werden! Merket euch das, ihr alten, selbst in eurem Geiste tiefst eingefleischten Dynasten! - Keine Dynastie ist an und für sich etwas, und kein Thron hat einen Wert und einen Bestand, so da nicht jemand tatsächlich von Gottes Gnaden darauf sitzet!

02 Eine Dynastie, die der Herr aber so lange - wie die Habsburger - auf dem Throne beläßt, muß dem Herrn im allgemeinen doch recht sein, ansonst sie schon lange gleich anderen Dynastien sich auf keinem Throne mehr befände. - Ihr aber seid eben deshalb hier so lange in eurer Nacht und Blindheit, weil ihr in euren Herzen die Dynastie als etwas ansehet und für etwas haltet, das da auf der Erde und auch noch in der Geisterwelt das allerhöchste sei und für dessen Erhaltung und Befestigung der Herr alle seine Allmacht verwenden solle. - O sehet, das ist ein großes Irrsal in euren Eingeweiden! Der Herr ist freilich wohl die alleinige Stärke und Macht jeglicher Dynastie und jeglichen Thrones, aber nicht der Dynastge und des Thrones wegen (das vor Ihm nichts ist!) - sondern der Völker wegen, die vor Ihm allein etwas sind!

03 Gott der Herr tut gegenüber einer jeden Dynastie, was da tut ein Haus- und Grundherr, der viele Weideplätze und viele Herden hat. Wenn ein oder mehrere Schafe seiner Herde schlecht sind, so wird sie der Besitzer mit aller Sorgfalt pflegen, auf daß sie gut werden mögen. Aber so der Hirte Saul wird und schlecht, so wird dieser mit dem Herrn der Herden übel zu tun bekommen; und bessert er sich nicht, so wird ihn der Herr aus dem Dienste jagen und ihm fürder nimmer eine Herde zur Hut anvertrauen. Wenn der Herr aber auch hundert Hirten vom Dienste hinwegtut, weil sie schlechte Hirten waren, so wird er aber dennoch nicht ein Schaf darum wegtun, weil es schlecht geworden ist. Sondern er wird es (wie gesagt) behalten und pflegen; aber einen schlechten Hirten wird er nimmer behalten und pflegen, sondern ihn weidlich vom Dienste entfernen.

04 Sehet hin über die ganze Erde! Die Völker sind noch dieselben; aber wo sind alle die Dynastien, die einst diese Völker beherrschten?! Sie sind schlechte Hirten geworden und somit auch ihres Dienstes verlustig gegangen! - Entfernet sonach ihr aus euren Herzen, was da töricht ist und überaus eitel und nichtig vor Gott! - Ziehet aus wie ein schlechtestes Kleid euren Dynastenhochmut und ziehet an ein neues Gewand der Demut und wahren Erkenntnis, auf daß ihr dadurch möget in die Zahl der Gotteslämmer aufgenommen werden, die da sind die wahren Gotteskinder!

05 Ihr habt aber alle die Worte vernommen, die der feurige Reiter an euch gerichtet hat. Da hieß es auch, daß bald auf die Boten, denen ihr entgegengegangen seid, der Herr Selbst kommen und eure zerstörten Festen und zerfallenen Burgen aufrichten wird. - Ich, Paulus, aber sage euch noch sehr viel mehr als jener feurige Prophet zu Pferde:

06 Sehet, der Herr, der da nach uns kommen sollte, ist gleich mit uns da! Dieser hier an der Seite meines Herzens ist es! Zu Diesem gehet hin und traget Ihm die Anliegen eurer Herzen vor! - Er allein besitzt die Urquelle des lebendigen Wassers! So ihr das trinken werdet, da wird es euch ewig nimmer dürsten! Ich habe euch zwar ein gutes, lebendiges Getränke dargereicht, aber es stillet dennoch nicht des Lebensdurstes heißes Verlangen; aber das Wasser Seines Mundes stillet jeden Durst für ewig! Darum also, da Er Selbst hier ist Persönlich wesenhaft gegenwärtig, so gehet hin vor Ihn! - Er allein kann und wird euch helfen! Wir andern haben keine Hilfe in unserer Macht, wohl aber die Eigenschaft, unsere blinden Brüder für die Hilfe aus Gott vorzubereiten."

07 Sagt daraus der erste Dynast R.: "Vom Anfange her war deine Rede gut, und du hast uns die rechte Sache recht gezeigt! Aber daß dieser hier an deiner Herzseite Christus, der Herr, sein solle, also Gott Selbst von Ewigkeit, das ist dumm von dir! - Wenn ein Herrscher auf der Erde kein Abzeichen, wie etwa einen Hausorden und dergleichen trägt und einhergeht wie ein geringster Stallknecht eines gemeinen Bürgers, dann mag er sich es selbst zuschreiben, so er mit Kot beworfen wird! - So aber ein irdischer König stets auch durch äußern Glanz zeigen muß, wer er ist - so wird das wohl beim ewigen Herrscher aller Herrscher um so mehr der Fall sein. - Zudem heißt es ja auch: »Gott wohnt im unzugänglichen Lichte«."

08 Spricht Paulus: "O ja, das letztere ist auch (richtig) also - aber nicht für jedermann! - Siehe hin! Gerade das Licht, in dem Sich der Herr nun befindet, wird für dich und deinesgleichen wohl schier das unzugänglichste sein; denn das Licht der Demut und der Selbsterniedrigung ist für Wesen euresgleichen wahrlich wohl schier das unzugänglichste. - O ich, Paulus, sage es euch, wäre der Herr strahlend wie eine Sonne zu euch gekommen, so hättet ihr Ihn sogleich anerkannt; aber in diesem Kleide ist Er euch unzugänglich! - Es wird euch aber schwer werden, fürder in solche Seine Nähe zu kommen! - Ihr wisset nun alles; tuet sonach, was ihr wollt! - Ich habe ausgeredet vor euch".

209. Kapitel: Ein alter Dynast und Jesus. Erzählung vom Wunder-Merkur. Der Dynast bittet um ein echtes Wunderzeichen.

01 Hierauf tritt einer dieser noch (geistig) toten Dynasten vor Mich und hin und sagt: "Du hast es vernommen, was jener Paulus und der alte R. von dir geredet haben. - Siehe, die Sache klingt selten und nahezu unglaublich; aber ich will mich an alledem nicht stoßen und komme daher zu dir, um von dir selbst zu vernehmen, ob am Zeugnisse des Paulus über dich im Grunde des Grundes etwas Wahres sei. - Ich will jenen guten Mann, der sonst viel Weisheit besitzt, gerade nicht als einen Lügner ansehen, da er mir dazu viel zu ehrlich aussieht. Aber gar leicht kann er für dich zu sehr eingenommen sein und dich deshalb in seiner zu starken Liebe zu dir rein vergöttern eine Erscheinung, die auf der Erde besonders bei den feurigeren Bewohnern des Südens tausendfach vorgekommen ist.

02 Ich aber will diesen guten Mann deshalb weder loben noch tadeln, daß er solches von dir aussagt; aber prüfen will ich die Geschichte denn doch, da es ja sogar geschrieben stehet, daß man alles prüfen und das Gute behalten solle. - Sage mir daher denn du selbst, was ich und wir alle von dir halten sollen! Kann Gott wohl in deinem Aufzuge Seinen Geschöpfen erscheinen? Und kann Gott, der Unendliche, überhaupt von Seinen Geschöpfen gesehen und gesprochen werden?"

03 Sage Ich: "Freund, du verlangest von Mir nicht Worte, sondern Taten! Handle Ich vor dir aber wie ein Mensch in seiner Ohnmacht, so wirst du sagen: »Das kann jedermann tun, ohne darum ein Gott zu sein!« - Tue Ich vor dir aber Ungewöhnliches, so wirst du Mich entweder für einen Magier oder für einen Naturgelehrten halten und sagen: »Das geht ganz natürlich zu, so man von den dazu erforderlichen Vorteilen die rechte Kenntnis und Praxis hat; und man ist deshalb noch lange kein Gott, so man auch anscheinende Wunder ans Tageslicht fördert!« - Würde Ich vor deinen Augen aber im Ernst eine Tat verrichten, deren ausschließlich nur ein Gott fähig sein kann, so würde sie dir aber dennoch nichts nützen, sondern nur ungemein schaden. Denn da wärest du zum zweiten Male gerichtet, und zwar sehr leicht zum ewigen Tode. Denn ein Gefesselter kann in Mein Reich, spricht der Herr, nicht eingehen! - Glaube also den Worten Pauli, so wirst du leben! Mehr von Mir sagen kann aber auch Ich vor dir nicht, da du noch lange nicht dazu reif bist!"

04 Sagt darauf der Dynast: "Du hast wohl recht; aber das sehe ich gerade nicht ein, warum und wie mir ein wirkliches Wunder, als eine von deiner sein-sollenden Gottheit zeugende Tat, schädlich, ja sogar tödlich sein oder werden soll! - Ist doch alles ein Wunder der Allmacht und Weisheit Gottes, was ich mur immer anschaue; und ich bin zunächst selber mir das größte. Und siehe, das alles bringt mich nicht ums Leben! Also, ob nun von Gott zu den zahllosen Wundern eines hinzukommt oder eines weniger wird, das sollte bei Gott denn doch eins und dasselbe sein. Denn mich berührt es wohl gar nicht, in welcher Gestalt die Gottheit Sich Ihren Geschöpfen zeigen und vor ihren Augen ein außergewöhnliches Werk wirken will. Ich werde dadurch in meinem Geiste dennoch ganz ungebunden bleiben und denken und handeln wie jetzt, wo ich von deiner Gottheit noch keine andere Überzeugung habe als die, daß ich daran glauben will oder kann.

05 Du kannst vor mir also tun, was du willst, und ich werde stets derselbe in meinem Tun und Lassen bleiben, der ich nun bin und allzeit war. Bist du Gott, so bin ich dein Geschöpf und werde eine große Freude haben, meinen Schöpfer persönlich kennenzulernen. - Bist du es aber nicht, nun, so werde ich dich für keinen schlechten Menschen, wohl aber für einen hie und da überspannten halten, und das wird hoffentlich weder dich noch mich bekümmern!

05a] Als ich noch Herrscher war, siehe, da kam einmal ein sonderbarer Mensch auf dem Wege einer erbetenen, besonderen Audienz zu mir. Und als ich ihn in meiner gewöhnlichen, jovialen (leutseligen) Weise fragte: »Was wollt Ihr von mir? Geld, Welt, Land, Sand, eine Ehrenstelle oder meine Seele? Wollt Ihr auf Erden ein Minister werden oder gar ein Hofnarr?« Da sagte er: »Ich bin der Gott Merkur und leiste große Wunderdinge! Wollt Ihr Gold? Es steht in meinem Sold! Wollt Ihr Perlen und Edelgestein, wollt Ihr Ambra und feinsten Wein? Wollt Ihr den Mond auf Erden? Es soll nach Wunsch Euch werden! Wollt Eure Feind Ihr sehen? Vor Euch sie sollen stehen! Wollt Frieden oder Krieg? Ich gebe Euch den Sieg!« - Daraus schwieg er, und ich sagte zu ihm: »Vor allem, Freund, ich muß es Euch gestehen, möcht ich allein nur meine Feinde sehen und wissen auch nach altem Brauch, was Ihr von mir verlangt dafür?« - Da sprach er: "Ihr seid der Herr, und Euer ist das Land! Gebt bloß den Glauben mir zum Lohn und Pfand!" 05b] Ich reichte ihm die Hand und sprach: »Wird Euch das Werk gelingen, und ich die Feinde bezwingen, dann soll an Euch den Glauben kein Wesen mir mehr rauben!« - Und er bat mich darauf, daß ich in einen großen Spiegel hineinsehen möchte. Ich tat es, und sieh, merkwürdig, übermerkwürdig! Ich ersah aus der Stelle ganz klar und deutlich eine große, mir wohlbekannte Menge derselben Menschen, die mir bekanntermaßen abhold waren und im geheimen fortwährend gegen mich wühlten. Und ich sah aber auch unter denen, die mich haßten, noch andere, die ich sonst für meine besten Freunde hielt! Das war mir doch etwas zu arg, und ich sagte darauf in großer Erregtheit meines Gemütes: »Wenn dir, mein Freund Merkur, schon wirklich irgendein göttlicher Funke innewohnt und du im Ernste daraus deine Macht ziehest, so schaffe mir diese Feinde vom Halse! Und was nur immer in meiner Macht steht, will ich dir darum tun.« 05c] Da sprach er: "Das soll geschehen, doch nicht auf eine übernatürliche Weise, sondern auf die natürlichste und zugleich angenehmste Weise von der Welt. Ihr veranstaltet ein großes Fest, aber lasset an der Decke Eures größten Speisesaales eine starke Öffnung machen und sehet, daß die Türen und Fenster wohl zu versperren sind. Lasset die Tafeln mit Speisen und Getränken bester Art reichlichst besetzen und vergesset nicht die Spieler, Gaukler und Pfeifer wie auch die Sänger und Harfner. Solange Ihr an der Tafel bei diesen Gästen sein werdet, soll die vollste Heiterkeit herrschen; aber nach ein paar Stunden lasset Ihr die Harfner, Spieler, Gaukler und Sänger abtreten. - Darauf entfernet auch Ihr Euch! - Lasset darauf die Saaldecke öffnen und vorerst einen Sphärengesang durch die Öffnung ertönen, darauf aber sogleich große Massen der allerwohlriechendsten Blüten wie Rosen und Hyazinthen durch die Öffnung über die Gäste ausschütten, dann diese Öffnung sowie alle Türen wohl schließen, und in einer Stunde werden die Feinde im Dufte dieser Blumenblüten ersticken.« 05d Darauf fragte ich den Merkur: »Und was verlangst du für diesen Rat?« - Und er sprach wieder: »Nichts als deinen Glauben!« - Ich aber sagte: »Was soll ich denn so ganz eigentlich von dir glauben?« - Und er erwiderte: »Daß ich in aller Wahrheit der Gott Merkur bin, dem du einen Tempel bauen sollst in großer Pracht! An Gold und andern Schätzen sollst du keinen Mangel haben; denn ich verstehe mich darauf, Schätze der ganzen Erde aus einen Punkt zusammenzubringen.« Ich aber sagte: »Du bist ein närrischer Kauz! Ziehe mir den Mond herab, wie du es sagtest, und ich will dir dein Verlangen erfüllen!« Da zog er einen runden Spiegel hervor, stellte ihn auf einen Tisch, der an einem offenen Fenster stand, durch das gerade der Mond hereinzuscheinen begann, da es schon sehr Abend geworden war. Er stellte mich in eine gewisse Entfernung vor den Spiegel, und - bei Gott und allen Heiligen! - ich sah den Mond, wie er ist, frei schwebend in meinem Audienzsaale, so natürlich wie er am Firmamente zu sehen ist. 5e] Und ich sagte darauf zu ihm: »Daß du etwas mehr bist als ein gewöhnlicher Mensch, das sehe ich nun schon ein und glaube fast, daß du so ein von Gott begabter Weiser bist, wie sie zu Zeiten die Erde getragen hatte; aber für einen vollkommenen Gott kann ich dich darum nicht halten, weil du dich bisher, um etwas zu bewirken, äußerer Mittel bedient hast. Sieh, ein Gott muß aus nichts eine Welt erschaffen können, ansonst er kein Gott ist! Du hast aber auch gesagt, daß du Gold und Edelsteine mir schaffen könnest, soviel als ich wolle. Also schaffe mir zum Beweise deiner Göttlichkeit aus nichts - Gold und Edelgestein!« - Da sagte aber der Merkur: »Meine Gottheit kannst du nicht schauen und danebst dein Leben behalten; darum darf ich vor dir denn auch kein unmittelbares Wunderwerk verrichten, da es dich töten würde. Mit den leichten äußerlichen, sozusagen nur bloßen Scheinmitteln aber verhülle ich meine Gottheit vor deinen sterblichen Augen. Ich will dir Gold und Edelgestein geben in aller Hülle und Fülle; aber dafür schaffe du mir her Eisen, guten Kalk und viel Kohle!" 05f] Ich ließ das alles sogleich herbeischaffen. - Er aber nahm alsdann aus einer Tasche ein Fläschchen und benetzte das Eisen mit einigen Tropfen von der Flüssigkeit, die er im Fläschchen hatte. Und siehe, das Eisen ward zu blankem Golde. Darauf legte er Kalk und Kohle in ein ziemlich großes Gefäß und begoß es mit einer andern Flüssigkeit aus einer andern großen Flasche; und es fing an zu zischen und zu brausen im Gefäße, und ein sonderbarer Geruch erfüllte bald den großen Saal. Er aber sagte: »Dieser Geruch sei unschädlich und ich möge nur eine halbe Stunde Geduld zu Hilfe nehmen.« - Ich tat seinem Verlangen Genüge, ging aber unterdessen dennoch in ein Nebenzimmer, da mir der Geruch doch etwas unangenehm war. Nach einer halben Stunde aber rief er mich; ich kam und sah im Ernste die schönsten Diamanten im Gefäße, darin früher Kalk und Kohle gelegt ward. Vom Kalke und von der Kohle aber war keine Spur mehr zu entdecken, und der Saal war vom besten Geruche erfüllt. 05g] Ich ließ sogleich meinen Hofjuwelier kommen und das Gold und die Edelsteine untersuchen. Und der Juwelier fand zu seinem größten Erstaunen alles echt. Das machte mich stutzen, und ich sagte bei mir selbst: Wahrlich, so dieser Wundermann nicht mehr ist als ein gewöhnlicher Mensch nur, so wird das sehr viel sein; denn so was ist mir noch nie vorgekommen! - Alle meine Hofchemiker und Apotheker machten große Augen und wußten sich die Sache nicht zu erklären und drangen in den Wundermann, daß er ihnen das Geheimnis kundtäte! Er aber sprach: »Das Geheimnis besteht in dem, daß ich ein Gott bin, ihr aber nur blinde, schwache und sterbliche Menschen!« - Da zuckten die Apotheker und die Chemiker mit den Achseln und sagten: »Ob du ein Gott oder ein Mensch seist, wäre nicht so schwer zu entscheiden. Man solle ihn töten wie einen Verbrecher, und der Tod würde da ein ganz unparteischer Richter sein. Stürbe er, so sei er auch (sicher) ein ganz gewöhnlicher Mensch; könnte man ihm aber den Tod nicht geben, dann wäre er offenbar ein Gott.« 05h] Er aber sagte: »Ersparet euch diese Probe an mir! Bedenket, daß es mit Göttern nicht gut ist, zu hadern oder zu scherzen! Denn ehe ihr es euch versehen möchtet, würdet ihr auch schon verwandelt sein in Asche und Staub!« - Da wollten ihn die Leute ergreifen; er aber verstieß sie wie Mücklein von sich und entschwand plötzlich aus dem Saale und ward nachher nicht mehr gesehen. 05i] Freund, das war doch eine sehr seltene Erscheinung! Und dennoch blieb ich, was ich war, und mein Glaube nahm keinen Zwang an. Ich dachte mir, es ist wohl möglich, daß du etwas mehr bist als ein gewöhnlicher Mensch; aber es ist auch möglich, daß du auf Kosten irgendeiner geheimen Wissenschaft, die uns fremd ist, dich als Gott uns aufdrängen willst, um auf diese Art dann ein Herrscher über die Herrscher zu werden - was dir dann freilich eine bessere Rechnung trüge, als so ich dich für deine Wundertaten noch so kaiserlich belohnen möchte. - Und so konnte ich diesen Gott recht gut ansehen samt seinen Wundern und dennoch dabei leben. - Warum nicht auch bei dir, mein geehrtester Freund?

210. Kapitel: Jesus über Wunder und ihre Wirkung. Der Dynast erkennt Jesu Weisheit. Sein Christusbekenntnis und seine Vorbehalte. Die Dynasten beraten sich. (Am 29. Juni 1850)

01 Rede Ich: "Freund, was ein Wunder auf dich für einen Eindruck machen würde, das weiß wohl nur Ich am besten; daher soll dir auch keines erzeiget werden! - Daß übrigens die gesamte materielle Weltschöpfung, die Erhaltung und Führung derselben allerdings ein bleibend großes Wunderwerk göttlicher Macht und Weisheit ist, das die Bewohner der Erde tagtäglich schauen und bewundern können, das ist in jedem Falle wahr und richtig. Aber weil die Bewohner der Erde wie aller anderen Weltkörper eben solche Wunder schauen, die daselbst freilich wohl die Sprechendsten Gotteszeugen sind, so müssen sie aber auch in diesen Wundern sterben dem Fleische nach, das eben auch ein gleiches Wunder ist.

02 Jedes Wunder ist für die dasselbe beschauende Seele ein Gericht, von dem die Seele nur durch die Macht der möglichst größten Selbstverleugnung wieder befreit werden kann. Nun aber kann diese nur in dem bestehen, daß der Seele alles, was nur immer nach einer Nötigung den leisesten Geruch hat, hinwegenommem wird. Diese Hinwegnahme aber ist eben das, was ihr das Sterben oder den Tod des Leibes oder der Materie nennet.

03 Es muß aus der Seele alles hinaus- und hinwegsterben, was nicht des Geistes ist. Denn solange irgendeine äußere Nötigung die Seele noch in einigen Lebensfibern gefangenhält, kann der freie Gottesgeist sich nicht in ihr völlig ausbreiten und die Seele frei machen von jeglichem Gerichte.

04 Die Gottheit kann an und für sich, um eine Seele zur Überzeugung zu bringen, freilich wohl Wunder wirken; aber diese Wunder, da sie nur von außen her auf die Seele einwirken können, binden und knebeln dann die Seele auch derart, daß diese sich an eine freie Bewegung, die doch die alleinige Bedingung des Lebens vor Gott ist, gar nicht mehr erinnern kann. Daher muß dann die Seele in einen solchen Zustand kommen, in welchem sie aller Äußerlichkeit ledig wird, auf daß in ihr jenes gottgleiche Wesen, das da ist der Geist, sich ausbreiten und der Seele vor Gott ewige Beständigkeit verleihen kann. Denn Gott gegenüber kann nichts bestehen als nur das, was selbst ,Gott' ist.

05 Verstehst du nun, warum Ich dir Wunder vorenthalte? - Sieh, wenn Gott in die schon vernünftige und einsichtige Seele nicht den Geist gelegt hätte, so könnte sie keinen Augenblick bestehen als ein freies Wesen; es würde ihr ergehen wie einem Wassertropfen auf weißglühendem Eisen. Die Tiere aber müssen eben darum ganz dumm und nahezu ohne alle Erkenntnis einhergehen, weil sonst ihr Bestehen eine Unmöglichkeit wäre. - Verstehst du solches?"

06 Sagt der Dynast: "Ja, Freund, mir kommt es vor, als sollte ich's verstehen, und doch verstehe ich es nicht. Denn derartige Dinge zu begreifen, dazu gehört mehr, als daß man einige Jahre auf der Erde die Krone und den Szepter getragen hat. - Übrigens aber sehe ich das nun sehr wohl ein, auf was für einem Grunde du der eigentlich erste deiner kleinen Gesellschaft bist; denn du bist bei weitem der Weiseste unter ihnen. Du kennst die Natur dieser Geister- und der Materiewelt aus dem Salze und siehst die wechselseitigen Beziehungen wohl bestens ein, das muß man offen gestehen! Ob aber deshalb du auch schon Christus, der Herr Selbst bist - das ist leider freilich wohl eine wieder ganz andere Frage!"

Anm.: die Verse 07 bis 10] sind in der 1. Auflage nicht enthalten!

07 Weißt du nicht, daß man als ein rechter Christ etwas behutsam sein muß mit der Annahme, daß da ein jeder, der irgend weise ist und im Notfalle vielleicht auch einige Wunderzeichen gleich meinem Gott Merkurius zuwegebringt - Christus sei?! Heißt es doch in der Schrift: »Es werden aber in der Zeit viele falsche Propheten aufstehen und werden Zeichen tun und sagen: ,Sieh, hier ist Christus, oder dort ist Er!'- so glaubet es aber nicht! Denn des Menschensohnes Ankunft wird sein also wie ein Blitz, der da vom Aufgange bis zum Niedergange fährt. Auch wird die Ankunft des Herrn sein also wie die eines Diebes zur Nachtzeit!« - die freilich etwas fatal sein möchte. Denn ein Dieb tut nichts Gutes, so er geheim in ein Haus kommt!

08 Und so, mein Freund, mußt du uns allen schon etwas zugute halten, so wir mit der Annahme, daß du Christus seist, etwas zaudern. Übrigens haben wir alle gegen die wahrlich große, ja übergroße Weisheit und Schärfe deines Geistes nicht das geringste einzuwenden. Mit den Wundern wird es sich schon also verhalten, wie du es gesagt hast, und ebenso auch mit der Materie der Außenwelt. Aber daß du deshalb auch schon Christus bist, weil du das alles also einsiehst und uns erklären kannst - das anzunehmen wäre, wie gesagt, von uns etwas sehr Gewagtes. - Petrus, Paulus, Johannes, Jakobus - das geht alles an; aber Christus?! - Freund, da hört aller Scherz auf und der vollste Ernst nimmt seinen Anfang!"

09 Rede Ich: "Ich verlange das im Grunde aber auch gar nicht, da es völlig genügt, so ihr Christum als Gott und Herrn aller Welten und aller Himmel bekennet. - Aber ihr müßt euch darüber untereinander beraten und fest bestimmen - erstens: ob alle Christum als Gott, Herrn und Vater in ihrem Herzen anerkennen und ob alle, die hier in dieser Gruft rasten, uns folgen wollen, um Christi des Herrn willen!? - Denn die andern alle, die ihr hier sehet, sind uns darob gefolget, und sie werden darum ihr Heil finden. Tuet ihr sonach desgleichen, und ihr sollet darob auch das eurige finden!"

10 Sagt der Dynast: "Gut, das wollen wir sogleich in Vollzug bringen! Geht es, so ist's gut, und geht es nicht vollkommen, so wird es doch unvollkommen gehen!"

11 Hierauf wendet sich der Dynast an die gesamten Familiengruftbewohner und sagt: "Ihr alle habt es vernommen, was dieser Freund hier geredet hat, und ich brauche es euch deshalb nicht zu wiederholen. Ich aber bin der Meinung, da wir hier in diesem unserem Zustande wahrhaftig je länger desto weniger etwas zu gewinnen und noch um vieles weniger zu verlieren haben, so sollten wir gutgläubig den Antrag annehmen. Beratet euch deshalb und gebet mit eurer gesamten Einstimmung mir euren Willen und Entschluß kund; und wir werden dann entweder diesen Ort auf immer verlassen, oder aber auch, was sehr traurig wäre, Gott weiß es wie lange noch in diesem wahrlich nicht angenehnmen Orte verbleiben.

12 Ich war und bin noch jetzt ein fester Christ, und meine Losung war stets: »Christus! oder alles ist verloren!« - und so glaube ich denn auch jetzt: Christum müssen wir um jeden Preis des Lebens uns zu erringen streben! Denn ist der nicht unser, oder sollte er nach der Meinung etlicher aus euch bloß nur eine Fabel sein - dann sind wir die allerunglücklichsten Wesen; denn wer ist dann Gott, und wie, wann und wo?! - Wenn aber Christus Gott ist und ein Herr Himmels und aller Welt, so haben wir an Ihm einen sichtbaren, ewigen Vater voll Liebe, Güte und Erbarmung, der Seine Kinder nicht so leicht verstößt wie ein irgendwo seiender, allmächtiger, gerechtester Gott allein, in dem wohl die höchste Weisheit sein müßte, aber keine Vaterliebe und keine Erbarmung.

13 Ich, der erste aus Habsburg, aber denke so und habe bei mir stets so gedacht: Wer in sich selbst voll Stolz und Hochmut ist, der will auch einen allerhöchst stolzen und hochmütigsten und allerunzugänglichsten Gott - eine Sünde des Stolzen, die manchmal auch meine Seele beschlichen hat. Aber dieser weiseste Freund hat mir ehedem begreiflich gemacht, worin die Unzugänglichkeit des Lichtes besteht, in welchem Gott wohne, nämlich in der Demut und unbegreiflich tiefen Herablassung Gottes, die dem Stolzen ein Greuel ist. - Und ich sage nun nach meiner eigenen Denkweise: "Mea culpa, mea maxima culpa (meine Schuld, meine höchsteigene Schuld!) - Ich war einst als Kaiser auch in der Werktat so, obschon ich immer den Hauptgedanken hatte, daß nur der Stolze und Hochmütige sich Gott also denkt. Aber nun ist der Gedanke in mir zur Wahrheit geworden, und ich mache euch allen meinen irdischen Kindern den Antrag, diesem guten Freunde zu folgen! Er sagt von sich selbst auch, daß er Christus sei. Allein das lassen wir unterdessen noch (auf sich beruhen). Möglich ist alles. Aber des Evangeliums wegen, das in dieser Hinsicht die möglich größte Behutsamkeit anratet, wollen wir diese Sache noch sehr scharf prüfen. - Also was dünket euch, ihr meine lieben Freunde und irdischen Kinder - was werdet ihr tun?"

14 Sagt einer aus der Mitte: "Ich und wir alle wissen es, daß du, Rudolf von Habsburg, des Namens und der Würde der Erste bist; aber dein Höchstadlings-Palast ist nicht hier, sondern woanders. Du bist hier nur ein Einwohner und sollst daher hier nicht das Haupt- und Vorwort führen! Uns vielen behagt es hier. Wir sind gerecht, sind auch Christen! Daher werden wir denn auch bleiben, bis uns die Posaune zum Jüngsten Gericht hinausrufen wird, allwo uns der liebe Herrgott gnädig und barmherzig sein wolle! - Wir waren zwar nach unserem Gewissen und nach der Möglichkeit der Sachen und Dinge, die wir schlichteten, gerecht und strenge gegen jedermann, der gegen uns gesündigt hatte; aber wir übten auch sehr oft Gnade für Recht. Und so möge uns auch der liebe Herrgott Gnade für Recht ergehen lassen am Jüngsten Tage - bis wohin wir in aller Ruhe verharren wollen!"

15 Sagt der Dynast Rudolf: "Warum seid ihr aber dann mit uns ausgezogen, als wir diesen sechsen entgegengezogen sind?" - Sagen einige Hauptthronisten: "Das taten wir allein nur der Parade wegen und auch aus etwas Furcht ob der damischen Prophezeiung des feurigen Reiters! - Allein da wir nun sehen, daß da an der ganzen Sache nichts ist, so bleiben wir wieder in diesem unserm Höchstadlings-Palaste! - Verstanden?! Wir bleiben hier fest!"

211. Kapitel: Maria Theresia und einige andere Dynasten stimmen dem Stammvater Rudolf bei. Jesu gutes Zeugnis über Rudolf. (Am 3. Juli 1850)

01 Sagt darauf der Dynast Rudolf: "Ich hoffe, daß da unter euch vielen Narren doch einige Gescheite sein werden und mir nachfolgen! Es ist übrigens wahr, es geht in diesem Höchstadlings-Palaste niemanden etwas ab, außer eine gewisse Lebensfreiheit und Lebenslust, da dies Leben so ganz eigentlich einem Brutleben gleicht. Aber ich für mich bedanke mich für ein solches Schlaraffenleben! Lieber wäre ich ein Schafhalter (Hirte) als solch ein stummer Einwohner eines solchen dummen Hochadlings-Palastes! - Ihr drei edlen letzten Lothringer und du auch, meine Tochter Theresia, was ist denn mit euch?! Werdet auch ihr hier verbleiben bis zum wahrscheinlich nie erfolgenden Jüngsten Gerichtstage?"

02 Sagt die Theresia: "Lieber Urgroßohm! Ich werde dir folgen und meine Söhne auch! Auch wir sind satt geworden dieses Maulwurslebens - werde aus uns, was da wolle! Nur einmal eine Veränderung, sonst werden wir noch zu lauter Statuen!" - Sagt Joseph: "Bin auch vollkommen dieser Meinung! Man muß den Augenblick sich zunutze werden lassen! Wer diesen versäumt, der hat Krone und Zepter von sich geworfen, und keine Zeit bringt sie ihm je wieder zurück! - Und so will ich denn nun auch nicht der Letzte sein, diesen günstigen Augenblick zu ergreifen und ihn treu zu benützen!" - Sagt darauf Leopold: "Bin auch so gestimmt! Einmal muß es ja doch anders werden; denn mit dieser Hockerei und mit diesem Blinde-Maus-Fangen heißt es nichts! Auf der Erd' ein Sündenbock und hier ein ewiger Stock ohne Hemd und Rock, das wird öd und fad! Darum bin auch ich so frei und schließe mich der Auswanderung bei!"

03 Sagt dazu auch Franz: "Das werden auch wir machen, und mögen die andern lachen, soviel sie immer wollen, wir werden uns dennoch davontrollen! - Auf der Welt ging mir's schlecht; meine Jugend bestand aus Krieg, Verfolgung, Ärger, Furcht und Zorn und mein Alter aus Mühseligkeiten aller Art, aus Krankheiten und endlich aus einem herben Leibestode. Hier in der Geisterwelt, eigentlich in diesem Höchstadlings-Elysium, verzehrt einen die tödlichste Langeweile. - Daher hinaus aus diesem Langweiligkeitsloche! Und das je eher desto lieber! Ich möchte nun schon lieber fliegen als gehen von hier."

04 Sagt daraus Rudolf zu Mir: "Freund, wir sind beisammen die wir mit dir hinauswollen! Einige wenige Verwandte werden sich noch anschließen. Und so könnten wir, so es dir genehm ist, uns schon auf der Weg machen."

05 Rede Ich: "Gleich wird es werden, Mein nun wie allezeit recht schätzbarer Freund! - Ich sage es dir, daß du Mir stets ein lieber Mann warst und dir nie eine Ungerechtigkeit je hast zu Schulden kommen lassen. Denn du hattest eine große Liebe zu Gott, Jesu dem Herrn. Darum du denn auch gesalbet warst zum Leiter der Völker und hast von der Gotteskraft das Erbrecht für deine Nachkommen erwirkt und erhalten, so daß nun nach etlich hundert Jahren noch immer deine Nachkommen, wenigstens mütterlicherseits, auf dem dir von der Gotteskraft verliehenen Throne sitzen und die Völker leiten gut, recht und schlecht, je nach dem Tun der Völker.

06 Weil du Mir denn aber schon stets ein lieber, gerechter Mann warst und die Völker gut, recht und schlecht, je nach ihrem Tun und Lassen geleitet hast, so soll dir denn aber nun auch der Lohn dafür werden, auf den du nun schon etliche Hunderte von Jahren gewartet hast. - Es erscheint ein solch langes Harren als eine Art Ungerechtigkeit von Seite Gottes des Herrn; allein es ist dem nicht also. Ein jeder Herrscher, wenn noch so gerecht, kann auf der Welt unmöglich das Hohe seines Standes in den Staub der Demut herabziehen. Er muß wie ein Gott sich ehren und förmlich anbeten lassen, ansonst er kein rechter Herrscher wäre. Das Reich Gottes aber kann nur von denen in Besitz genommen werden, die sich bis in die letzte und kleinste Lebensfiber herab gedemütigt haben.

07 Wer auf der Welt eine höchst geringe Stellung einnahm, dem ist es auch ein leichtes, in der Demut Tiefe hinabzusteigen; aber nicht so für den, der notwendig den höchsten Gipfel der menschlichen Würde und Größe in der Welt eingenommen hat. Die gelehrten Menschen auf der Welt haben z.B. das Meer für die am niedersten stehende Fläche der Erde angenommen und haben jede Gebirgshöhe von dem Meeresspiegel aus bemessen und ziemlich genau bestimmt, und Ich sage dir, daß sie da den Nagel auf den Kopf getroffen haben. Wer nun am Meere wohnt, der hat wenige Schritte nur und er befindet sich am Ufer der Segnungen des niedern Meeres. Aber wer sich zu gleicher Zeit noch auf einer höchsten Bergspitze der Erde befindet, der wird schon bedeutend länger brauchen, bis er zu den Segnungen des Meeres hinabgelangen wird.

08 Die Herrscher aber befinden sich geistig auf solchen Höhen, und es braucht da mehr, um ans Meer zu kommen, als bei denen, die schon am Meere wohnen. Sieh, David war ein König ganz nach dem Herzen Gottes; er war vollkommen gut, recht und schlecht; und doch mußte er in der Geisterwelt mehrere hundert Jahre harren, bis zu ihm die volle Erlösung kam. Und so mußt auch du es nehmen - so wirst du darin die vollste Rechtfertigung der göttlichen Gerechtigkeit, Gnade, Liebe und Weisheit finden zu deiner vollsten Beruhigung.

09 Das aber, was Ich nun dir gesagt habe, gilt allen, die auf der Erde die Krone über Meine Völker getragen haben. Wer von euch sich darein finden will, der finde sich bald und folge Mir! Wer aber nicht will, der bleibe! Leider gibt es noch manche hier, die sich noch lange nicht finden werden, weil sie sich eigentlich gar nicht finden wollen. - Ich aber will nun noch, bevor wir diesen Ort verlassen, durch den Paulus, der da ist Mein Rüstzeug, über diesen Schlaf der Blinden eine Erweckungsstimme erklingen lassen; vielleicht werden davon doch noch einige erwecket. Ihr Wille ist frei wie ihr Geist; darum kann und darf Ich Selbst nicht bestimmen und sagen: »Diese und so viele!« - denn Ich will hier nicht vor-sondern bloß nur nachsehen und mild sein und voll Erbarmung. Denn denen Ich viel zu tragen gab, muß Ich auch eine große Nachsicht erweisen - da sie sehr müde und schläfrig geworden sind unter ihrer großen Bürde.

10 Darum Paulus! Erhebe dich und erwecke sie, die sich wollen erwecken lassen!"

212. Kapitel: Erweckungsrede des Paulus an die noch schlummersüchtigen Dynasten. Der Apostel zeigt ihnen ihre Regierungs-Untaten und verheißt Jesu Nachsicht und Gnade. Erfolg der Rede.

01 Hier erhebt sich Paulus und richtet folgende Worte an die Höchstadelinge, sagend: "Meine geliebten Freunde und Brüder in Gott Jesu, dem Herrn!"

02 Hier wird er sogleich vom Vater der Theresia unterbrochen, der ihm bitter höhnisch vorhält: "Wann haben denn wir schon Schweine miteinander gehütet, daß Er, als ein gemeiner Judensohn, sich erfrecht, mich nur so gleich mir und dir nichts als Bruder anzureden?! Weiß Er denn nicht, wer wir sind? - Also mehr Art, Er hundsgemeiner Judenpatzen, sonst wird man Ihm zeigen, wer da ein Kaiser ist!"

03 Paulus aber achtet nicht darauf, sondern fährt mit seiner Rede fort und sagt: "Es stehet geschrieben: »Denen wenig anvertrauet ward, die werden über weniges Rechnung zu geben haben; denen aber vieles anvertrauet ward, die werden über sehr vieles Rechnung zu legen haben!« - Ihr aber gehöret allesamt zu denjenigen, denen Gott, der Herr, sehr vieles anvertraut hat, und so habt ihr nun auch eine übergroße Rechnung vor Gott dem Herrn zu legen! Denn ich, Paulus, sage es euch, die ihr da noch voll alten, verrosteten, höchstadeligen Starrsinnes seid, daß für euch alle nun ein eigentlichster Jüngster Tag herbeigekommen ist, an dem man von euch die strengste Rechnung fordern wird, so ihr von eurem Starrsinne nicht lassen werdet. Denn Gott Jesus, unser Herr und Vater, obwohl die höchste Liebe, Sanftmut und Geduld, läßt mit Sich nicht spassen, da Er allzeit und ewig nur das allerbeste Seiner Kinder will. Und dieser Jesus, der uns alle durch Seinen Kreuzestod der Macht des Satans entwunden hat, stehet hier vor euch, zwar noch immer so geduldig und sanft wie ein Lamm; aber Seine Sanftmut und Geduld ist nicht ohne Grenzen. Wehe euch, so Er einmal mit euch wird zu rechten anfangen! Nicht eins werdet ihm Ihm auf tausend antworten können; denn ihr seid allesamt große Sünder vor Ihm!

04 Wie viele habt ihr bloß eures überschwenglichen Hochmutes wegen hinrichten lassen, nicht selten auf eine grausame Weise! Wie hart habt ihr stets einen erleuchteten Geist verfolgt! Welch schonungslosester Grausamkeiten habt ihr euch gegen die evangelischen Brüder bedienet! Welchen namenlosen Jammer habt ihr nicht selten in tausendmal tausend Familien gebracht! Wie habt ihr in dem dreißigjährigen Religionskriege gegen die reine Lehre Jesu gewütet! Und wie viele andere Ungerechtigkeiten habt ihr auf eurem Gewissen! Wie sehr habt ihr stets darnach gestrebt, euren Glanz zu erhöhen aus Kosten des Lebens und Blutes von Millionen, die ebensogut Gottes Kinder sind und waren wie ihr! Wie viele Tausende schmachteten in den Kerkern schuldlos - durch die Trägheit und Ungeschicklichkeit eurer Richter, die es sich unter eurem Schutze gut gehen ließen, während eure und ihre armen Brüder - sage noch einmal - häufig schuldlos in den finstersten Kerkern verschmachten und verzweifeln mußten! - Sehet, solche und noch tausend andere allergröbste Sünden habt ihr auf eurem Gewissen! Ströme ungerecht vergossenen Blutes schreien um Rache wider euch zu Gott. Und der Herr, so Er ausschließlich nach der Gerechtigkeit richten wollte, müßte euch für jede Ungerechtigkeit und herrscherische Grausamkeit, die ihr begangen habt und begehen habt lassen, im Feuer der Hölle eine Ewigkeit um die andere allerschärfst büßen lassen.

05 Aber Er hat bei Sich beschlossen, nun allen Gnade für Recht angedeihen zu lassen, da Er keine Freude hat an den obschon wohlverdienten Qualen der Sünder. Er betrachtet euch als sehr Kranke und will euch helfen und kam daher (als Heiland) Selbst hierher zu euch, was hält euch, ihr Blinden, denn nun ab, daß ihr Seinem Rufe nicht folgen wollet? Was habt ihr hier? Nichts, als was euch eure alte, herrscherische Einbildung schafft! Und dennoch wollt ihr dem Beispiele jener eurer wahrhaft hohen Brüder nicht folgen, die, wohl wissend, daß vor Gott alle irdische Größe ein purstes Nichts ist, sich an den Herrn sogleich angeschlossen haben, obgleich sie Ihn noch nicht ganz erkennen!

06 Sehet an einen Rudolf, der da war ein Regent nach dem Herzen Gottes, die Theresia, den biedern Joseph, den herzlichen Leopold und den leutseligen Franz und noch einige ihrer Brüder und Schwestern - sie haben auch, wie einst ein David, manches begangen, das da nicht in der Ordnung der Gottesliebe war; aber Gott der Herr erwog ihre Bürde, die sie zu tragen hatten, erließ ihnen wie einem David jegliche Schuld und hat sie nun schon in Sein Reich aufgenommen. Denn die bei Ihm sind, die sind auch in Seinem Reiche. Der Herr aber will auch euch allen gnädig sein. Warum wollet ihr Seine endlos große Gnade denn nicht annehmen? Ist es denn nicht besser, dem Gnadenrufe des Herrn zu folgen, als sich langsam durch einen unbeugsamen Starrsinn für die Hölle völlig reif zu machen?"

07 Durch diese Rede werden bis auf einen alle erschüttert und fangen an nachzudenken. Nur der eine sagt: "Ich bleibe ein Kaiser ewig! Auch vor Gott ein Kaiser ewig!"

213. Kapitel: Ein hartnäckiger Kaiser. Rede des Paulus an ihn und Widerspruch des Starrsinnigen.

01 Sagt daraus Paulus: "Mein Freund, du magst mit deinem ,Kaiser' einen noch viel höheren Begriff verbinden, als wie du ihn schon ohnehin verbunden hast. Sage es dir aber selbst, was ein Kaiser ist - ohne Land, Volk und Macht!? Ich sage dir, nichts anderes als ein Tor! - Ist denn ein Kaiser je aus seinen eigenen Gnaden Kaiser geworden, oder aus Gottes Gnaden? Wer gibt denn dem Menschen Macht, zu herrschen, und den Völkern den Willen, daß sie ihm gehorchen? Siehe, das tut Gott, der allein der ewige Herr ist aller Macht und Kraft. - Wer machte dich zum Kaiser, du dich selbst oder Gott? So dich aber Gott zum Kaiser machte, als der alleinige Herr der Unendlichkeit, was pochst du denn hernach auf deine Kaiserwürde, als hättest du dich selbst zum Kaiser gemacht?!

02 Siehe, wenn es so leicht wäre, ohne göttliche Kraft und Macht ein Kaiser zu werden, da gäbe es eine große Menge Kaiser auf der Erde; das wäre aber vor Gott ein Greuel der Greuel. Deshalb setzt Er über viele Länder nur einen Kaiser und versieht ihn mit Macht, Kraft und großem Ansehen - aber nur auf seine herrschensfähige Lebensdauer!

03 Nach dem Leibestode hört der Kaiser für ewig auf, und der Mensch, der da auf Erden ein Kaiser war, wird gleich einem seiner geringsten Untertanen. Er kann aber im Reiche Gottes wieder etwas werden durch die Demut und durch große Liebe vor allem zu Gott dem Herrn und dann zu allen Brüdern und Schwestern. - Aber solch starres Beharren auf dem, was jemand auf Erden war, bringt nicht Leben und die Wirkung des Lebens, sondern den wirklichen Tod nur und die Wirkung des Todes! - Ich sage dir daher: Bedenke dir's wohl, was du tun wirst! Denn siehe, das Tor der besondern Gnade und Erbarmung des Herrn ist nicht in einemfort offen, wie es auf Erden auch nicht immer Tag und Sommer ist. Im Sommer kannst du den Samen in die Furche der Erde legen, und er wird dir aufgehen und viele Frucht bringen; im Winter aber magst du säen, wie du willst, so wird der Same nicht aufgehen und wird dir auch keine Frucht bringen. Denn im Winter ist für einen Teil der Erde das Tor der besondern Gnade verschlossen, und erst im Frühjahre wird es wieder eröffnet. Aus der Erde geschieht dies Schließen und Öffnen zwar regelmäßig, weil der Herr alldort die Natur also eingerichtet hat; aber nicht so allhier, wo alles frei ist und am freiesten sicher der Wille Gottes. Da kann niemand zum voraus sagen: »Sieh, nun kommt bald das Frühjahr und dann der Gnadensommer!«, sondern das liegt im Herrn verborgen! Wann Er will, so ist es da. Er allein schließt und öffnet, wie und wann Er will.

04 Nun ist es offen da vor euch allen! Darum ergreifet und benützet es! Es wird aber wieder verschlossen werden, da wird dann wieder niemand etwas zu ergreifen und zu benützen bekommen. - Glaubst du denn, daß der Herr Tag für Tag körperlich von Seinen allerhöchsten Himmeln auf die Erde herabkommt und lehrt, heilt und begnadigt Seine Geschöpfe und macht aus ihnen Seine Kinder?! O sieh, das tut der Herr nicht! Und Er weiß es allein, warum Er so etwas tut oder nicht tut. Er ist zwar stets die Liebe und Erbarmung Selbst; aber Seine besondere Gnade gibt Er nicht allzeit gleich und nicht jedem gleich!

05 Sieh, ich war einst der größte und wütendste Verfolger, und Er erwies mir dennoch die höchste Gnade und stärkte mich zu einem Weltapostel - während Er Seine andern Apostel zuallermeist nur für die Juden bestellt hat. Und andere, gar viel, ja tausendfach bessere und edlere Menschen hat Er irgendeiner besonderen Gnade nicht gewürdigt. Den Weisen enthielt Er es vor und den unmündigen Kindern offenbarte Er Sein Reich und Seine besondere Gnade!

06 Aus dem aber gehet abermals hervor, daß der Herr nach Seiner innersten Weisheit tut, was Er will. Er gibt niemals in großer Überfülle und entzieht es ein anderes Mal ganz und gar. Wer sich am sichersten wähnt ist oft von tausend Gefahren umringt; und der Furchtsame, der jeden Augenblick fürchtet, von tausend Gefahren verschlungen zu werden, den beschützt der Herr nicht selten derart, daß ihm auch dann nichts geschehen würde, so die ganze Erde in kleine Splitter gerissen würde. Also tut der Herr, was Er will, und bedarf nie eines Menschen Rat. Es ist aber dann auch die größte und unverzeihlichste Torheit, die Gnadengeschenke aus Seiner höchstheiligen, eigenen Hand nicht anzunehmen, so Er sie jemanden freiwillig verabreicht.

07 Lasse also nun fahren deinen Kaiser und nehme dafür hin des Herrn Gnade, so wirst du leben - sonst aber sterben in deinem Wahne!"

08 Sagt der Starrsinnige: "Du redest wohl recht weise wie ein Minister; aber welch ein Unterschied ist dennoch zwischen einem Minister und einem Kaiser! - Führe mir den Herrn selbst vor; ich will ihn in Gnaden anhören und ihm ausnahmsweise ein längere Audienz erteilen!"

09 Spricht Paulus: "Und hast du sonst keine Schmerzen?! Ah, das ist wirklich auch schon alles über alles, was man von deiner Gnade erwarten kann! Du wolltest also sogar dem Herrn eine Audienz erteilen, so ich Ihn dir vorführte!? O du unsinniger Tor du! Gott, deinem Herrn - im Gnadenwege noch dazu - eine Audienz erteilen! Nein, Freund, das geht etwas zu weit! Ich, ein Paulus, erbebe vor diesem Gedanken! Und du kannst ihn denken und solches verlangen?! - Nein, das kann unmöglich dein Werk sondern nur ein Werk des Satans sein! Ermanne dich daher und stehe ab von deiner zu ungeheuer großen Torheit! Ich bitte dich, werde ein Mensch vor Gott!"

10 Spricht der Starrsinnige: "Ein Regent spricht nach seiner gewohnten Weise und ein Apostel nach der seinen! Ich verstehe aber unter einer Audienz nicht gar so etwas Himmelschreiendes wie Er. Und ich meine, daß das unmöglich gar so hoch gefehlt sein kann, so ich den Herrn zu mir bitten lasse! Denn auf der Erde schickt man ja auch um einen Geistlichen, daß er dann komme mit Christo dem Herrn, wenn man selbst als ein Kranker nicht zu ihm kommen kann. Mache daher keinen solchen Lärm, als ob deshalb schon Himmel und Erde eingestürzt wären!

11 So du schon ein weiser Lehrer bist, so bedenke dabei, daß zwischen einem Kaiser, der freilich auch nur ein Mensch ist, und einem gewöhnlichen Menschen doch immer ein himmelhoher Unterschied obwalten muß. In welcher Sphäre jemand lebt, im der bildet sich auch sein Leben zu seiner eigentlichen Natur aus. Der Adler horstet ganz heimisch und gemütlich auf den schwindelndsten Höhen; trage aber eine Haushenne hinauf auf eine Felsenspitze, deren Höhestand über die Wolken hinaufragt, und sie wird nimmer lebendig ins tiefe Tal hinabkommen. Dem Fische ist das Wasser sein Lebenselement, einem Erdtiere ist es der Tod. Was aber leiblich unter den Tieren sich bewährt, das findet auch geistig unter den Menschen statt. So ich also hier vor dir meiner hohen Seelennatur nach rede, da wird das doch nicht so weit gefehlt sein können, als wenn ein anderer, gewöhnlicher Mensch sich also zu reden unterfangen würde!

12 Ich war einmal ein Kaiser, das kann mir kein Gott nehmen, solange er mir die Rückerinnerung beläßt. Und sonach bleibe ich denn ewig ein Kaiser auch vor Gott - in meiner Erinnerung. Daß ich aber hier weiter nichts mehr zu gebieten habe, das weiß ich schon lange so (gut) wie Er, mein polternder Freund! Ich brauche daher aber auch nichts weiteres mehr von Ihm. Ich werde mich schon selbst weiter fortbringen. Ich habe von jeher nichts weniger leiden können als irgend jemanden, der mir etwas, und wenn es selbst das Beste gewesen wäre, hat aufdringen wollen. Und so bin ich noch immer ein abgesagter Feind von allem Aufgedrungenen. - Wolle mir also gar nichts aufdringen, so werde ich das Gute und Wahre von selbst aufnehmen und darnach tun und handeln; sonst aber bleibe ich wie ich bin, ob gut oder schlecht, das ist eines. - Verstanden, Er Polterpatron!?"

13 Sagt Paulus: "O ja, sehr gut! Bemerke aber bloß ganz einfach nur hinzu, solange dein Ego (dein Ich) als maßgebend und vorwaltend dir zu einem Richter dienen wird, solange wird das Ego des Herrn nicht Wohnung nehmen in deinem Herzen! - Die äußeren Lebensverhältnisse und Unterschiede allein für sich berücksichtigend, hast du recht in allem, was du, wenn auch gegen meine Person sehr anzüglich, in deiner dich entschuldigenden Rede mir vorgesagt hast; aber die inneren Lebensverhältnisse sind von einer ganz andern Art! Diese, weil sie dir ganz fremd sind, mußt du dir vorerst aufdringen lassen, sonst kommst du in der Geisterwelt, deren Einwohner du nun schon nahezu ein paar hundert Erdjahre bist, nimmer auf ein grünes Plätzchen. Ich bin ja dein Feind nicht, wenn ich dir nach der Beheißung des Herrn die volle Wahrheit offenbare. So ich aber dein Feind nicht bin, warum behandelst du mich, als so ich dein Feind wäre!?"

14 Sagt der Harte: "Ich behandle dich nicht als Feind; aber du gefällst mir nicht! Darum will und muß ich einen andern haben und hören, auf daß ich recht weiß, was ich zu tun habe!"

214. Kapitel: Lebenszeitrechnung im Jenseits. Ein weltgeschichtliches Verlangen. Gleichnis vom Taschenspieler. Der wahre Hofglanz. (7. Juli 1850)

01 Spricht Paulus: "Du wirst auch einen andern erhalten - aber jetzt noch nicht, wo du in all deinem Denken, Sinnen und Trachten noch beinahe wie ein Stein materiell bist. Ich, Paulus, aber bin darum ein Paulus, der winzige Apostel - weil ich zuerst von den Kindern das Grobmaterielle hinwegrasple und von ihnen den ersten Unrat schaffe gleich einer Hebamme und taufe die schwachen Kinder gewisserart schon im Mutterleibe, auf daß sie dann desto eher fähig werden möchten, die mächtige Taufe des Geistes zu empfangen. Solange du nicht deine allzu materievollen Gedanken und Begierden gegen geistige vertauschest, wirst du des Paulus daher nicht los! Denn wie gesagt, das ist des Paulus Geschäft, daß er zuvor den Platz reinigt, auf daß hernach die rechten Bauleute das Gebäude ausführen können, welches dann vom großen Baumeister eigenhändig die entfprechenden Verzierungen und allerlei herrliche innere Einrichtungen erhält.

02 Sei du daher anfänglich nur zufrieden mit mir; denn wer einmal den Paulus annimmt, der kommt dann auch zum Petrus, zum Johannes und endlich zum Herrn selbst. Aber jeder, der da anfängt, der fange mit Paulus an, sonst kommt er nimmer an den Petrus und noch weniger an den Johannes. Wer aber nicht an den Johannes kommt, der kommt auch nicht an den Herrn! Denn Johannes ist gleich der Liebe des Herrn zu seinen Kindern."

03 Sagt der Harte: "Ganz wohl, aber du bist nicht getreu in deinen Angaben, und so kann ich mich auf dich nicht verlassen! Denn »Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht und wenn er gleich die Wahrheit spricht!« - Du sagtest, daß ich mich schon seit nahe zweihundert Jahren nach irdischer Rechnung hier in der Geisterwelt aufhalte. Und siehe, das ist vollkommen erlogen, denn ich bin erst kaum 110 Jahre hier, und es fehlen sonach noch 90 zu deiner Angabe! Sollten denn Geister deiner Art nicht genau anzugeben imstande sein, wie lange irgendein Geist als ganz bestimmt hier wohnt? Putze dich nun aus dieser Tunke, so du's kannst, und ich will dich behalten!"

04 Sagt Paulus: "Das ist eine Schafswoll-Locke, um die du hier mit mir rechten möchtest! Aber es soll dir ein solcher Streit sehr schwer fallen! Denn wisse, der Paulus ist ein gewaschener und kein ungewaschener Jude, und mit denen ist nicht gut Kirschen essen; denn da bekommt der in der Wette Mitessende sehr leicht alle Stengel und Steine ins Gesicht. - Sage mir, du ausgehöhlter Hohlbohrer der hohlsten Materie, wann du in der Geisterwelt das Rechnen gelernt hast, da du mich einer Lüge beschuldigen willst!? - Siehe, du Tor, wir rechnen hier in der Geisterwelt also: von dem Augenblicke an, als deiner Seele vom Herrn der Geist eingelegt ward (was sobald geschieht, als die Seele eines Kindes des ersten Gedankens fähig wird, was bei manchen Kindern schon im ersten Jahre der Geburt der Fall ist) - von dieser Zeit der Einlegung des Geistes in die Seele an ist jeder Mensch auch schon ein Bewohner der Geisterwelt und lebt und webt stets die halbe Lebenszeit völlig in der Geisterwelt, was ihm seine Träume nur zu klar sagen. Nur die naturwache Tageszeit ist er zum größten Teile seines Wesens in der Materiewelt, obschon mancher durch geistige Gedanken, Betrachtungen, Gebete, Liebe zu Gott und edle Handlungen sich auch am hellsten Tage rein in der reinen Geisterwelt befindet. Und sieh, von da an beginnt auch die Rechnung, wie wir hier zu rechnen pflegen. Und so du das hinzuzählst du deinen 110 Jahren, so wirst du die Annäherung an die 200 Jahre wohl doch sicher nicht gar so lügenhaft finden, als wie du es mir, deinem Freunde, keck und grob genug ins Gesicht sagtest"! [Es handelt sich um den am 1. Oktober 1685 geborenen und am 20. Oktober 1740 gestorbenen deutschen Kaiser Karl VI., Sohn Leopolds I. und Vater der Maria Theresia. - Zeit dieser Kundgabe: Juli 1850., d. Ed.]

05 Sagt darauf der Harte: "Das habe ich aber nicht gewußt, daß man hier also rechnet! Hättest du mir davon früher eine Anweisung gegeben, so hätte ich dich keinen Lügner genannt und du mich auch nicht einen ausgehöhlten Hohlbohrer der hohlsten Materie, was auch kein Kompliment ist. Und weil du grob wardst, da ich grob war, so glaube ich, daß wir uns gegenseitig quittiert haben und sind demnach einander nichts mehr schuldig. Ich bin nun gut; bist du es auch?"

06 Sagt Paulus: "Ganz vollkommen! Aber jetzt mußt du dir von mir dafür aber schon noch einige Worte gefallen lassen" - Sagt der nun etwas weichere: "Rede nur, soviel du magst und kannst! Ich will dich anhören. - Sage mir aber auch, wie es nun in der Welt aussieht, und was da meine Nachkommen machen und wie es ihnen ergeht. Ich habe vernommen, daß es in Österreich große Bewegungen gegeben habe. Sage mir auch darüber noch etwas Näheres, so du das kannst!"

07 Sagt Paulus: "Wir sind nun erscheinlicherweise in Wien selbst und werden in dieser Stadt noch manches zu schlichten bekonmmen und bei dieser Gelegenheit auch so manches erfahren, wie es nun auf der materiellen Außenwelt aussieht. Vorderhand aber heißt es, sich mit dem befassen, was uns viel näher liegt als die Materiewelt. Du bist noch ganz von der spanischen, zumeist durch den damals höchst und reichst gestellten Priesterstand gepflegten Hofgrandezza der dortigen Herrscher durchdrungen und meinst, daß alles Hohe nur durch einen möglichst erhöhten Glanz, der im Golde und allerlei eitlen Zeremonien bestehet, aller Welt imponieren kann, um das gemeine Gesindel zum blinden Gehorsame zu nötigen. Ich aber sage dir, daß es auf der ganzen Welt nichts Grundfalscheres und Irrigeres geben kann als eben diese über alle Maßen dumme Annahme!

08 Siehe, ein Taschenspieler unterhält seine geblendeten Zuseher nur so lange, als diese nicht hinter das Nichtige seiner Kunst gelangen; werden sie aber von einem Sachkundigen aufgeklärt, dann kann der falsche Zauberer schauen, wie er ein Loch zum Durchgehen findet, sonst werden ihm die Zuschauer etwas erzählen und sich bei ihm auf eine sicher sehr energische Weise zu bedanken wissen, darum, daß er ihnen eine falsche für eine wirkliche Zauberei verkauft hat. Ah, klar und gewiß etwas anderes ist's, so ein Falschmagier sich auch als ein solcher ankündigt! Da wird ein jeder Zuschauer es wissen, daß diese Zauberei eine rein natürliche ist und wird ganz vergnügt, den Falschkünstler sogar ehrend und lobend, den Schauplatz verlassen und wird sich auch um die Art und Weise nicht viel kümmern, wie der Falschzauberer ein oder das andere Zauberstück hervorgebracht hat; denn der Zuschauer weiß es ja, daß das Ganze nur ein recht fein und pfiffig ausgedachter Sinnentrug und keine Realität ist. Aber so der Falschkünstler ankündigte, daß er eine wirklich altägyptische Zauberei ohne alle Apparate zum besten geben werde, und man entdeckt aber dann bei der Vorführung dennoch allerlei Behelfe und ersieht in dem angekündigten ,wirklichen' Zauberer nur einen ganz gewöhnlichen sogenannten Hokuspokuskünstler, da wird dieser einen schweren Stand haben, sich vor seinen betrogenen Zuschauern zu behaupten.

09 Und siehe, ebenso verhält es sich auch mit dem Hofglanze. Dieser kann ein wirklicher und auch ein falscher sein. Wehe aber dem Regenten, der da durch einen falschen Hofglanz seine Untertanen hat täuschen wollen! So sie dahinter kommen, wie es in Spanien und Frankreich und in vielen andern Staaten schon gar oft der Fall war, da wird es solch einem Falschglänzer schlecht und übel ergehen.

10 Der wahre Hofglanz aber besteht vor allem in der Weisheit und Herzensgüte des Regenten, in einem gut verteilten und zweckmäßigen Wohlstande der Untertanen, in einer festen und guten Disziplin eines nicht unnötig, bloß der Parade wegen, großzählig gehaltenen Wehrstandes und in allerlei weisen Staatseinrichtungen, vor denen die ganze Welt einen tiefen Respekt bekommen muß; und erst nachher auch in dem, daß der Regent seiner Würde nach in seiner Wohnung als das erscheint, was er eigentlich ist, nämlich ein weiser Regent eines wahrhaft glücklichen, großen Volkes.

11 Was nützt es aber einem Regenten, in goldenen Staatswagen umherzufahren, so sein Volk in dürftigste Lumpen gehüllt, traurig, matt und hungrig seufzet, weinet, klaget und von einer Verzweiflung in die andere dahinschmachtet?! Was nützt es, den Schwachen alle Bürden aufzulegen, von denen sie erdrückt werden, selbst aber als ein stolzer Aar in hohen Lüften, der armen Menschheit am harten Erdboden spottend, herumzuschweben und sich zu ergötzen am Elende der schreienden Armut!? Die Armut wird sich in ihrem Todeskampfe entsetzlich rächen an solch einem Regenten, der füglicher ein Volksvampir als ein Volksregent genannt zu werden verdiente.

12 Siehe solch stolze Herrscher an, wie da Spanien, Frankreich und England schon einige getragen haben! Sie fielen endlich als traurige Opfer einer entfesselten Volkswut! - Du bist aber im eigentlichsten Sinne noch ganz befangen von dieser Hofgrandezza, die weder vor den Menschen und noch viel weniger vor Gott einen Wert hat. Lasse sie fahren, denn sie hat dir nie einen Segen gebracht und wird dir noch weniger für die Ewigkeit je einen bringen! Siehe, wäre deine Tochter [Maria Theresia, gest. 1780, Gemahlin des Deutschen Kaisers Franz I. Stephan von Lothringen, gest. 1765, d. Ed.] nicht von einem ganz anderen Geiste als von dem deinen durchdrungen gewesen, da bestände schon lange kein Österreich mehr! Von allen Seiten wären sie darüber hergefallen, wie die Raben über ein Aas, und hätten es zerrissen nach allen Seiten, wie sich's hernach auch unter dem Sohne [Joseph II., Sohn der Maria Theresia, gest. 1790, d. Ed.] deiner Tochter, unter dem Leopold [Leopold II., Sohn der Maria Theresia, gest. 1792, d. Ed.] und Franz [Franz II.,, Sohn Leopolds II., gest. 1835, d. Ed.] praktisch zum Teil gezeigt hat. - Und siehe, zu all diesen Übeln hast du den Samen gelegt! Und solange die nachfolgenden Regenten in deinen Goldwagen fahren werden, werden sie von Prüfungen mancher trüben Art nicht befreit sein. Der Herr kann es zwar ändern und kann die veränderten Wagen segnen; aber leicht geht das nicht, besonders wo ein solches Geräte zu sehr aus den Tränen geheim weinender Völker geschaffen ward!

13 O Karl, du warst ein harter Regent! Werde daher nun weich vor Gott, deinem Herrn, auf daß du jene Wunden heilen magst, die dein übertriebener Hochmut den Völkern geschlagen hat. Warst du auch gerade kein böser Regent, so warst du aber dennoch ein harter. Und darum werde nun weich vor Gott und ein Balsam allen, die unter dir, stark verwundet, in eine krasse Nacht gelanget sind; denn es schmachten ihrer noch viele hier im Geisterreiche, die unter dir geblendet worden sind! Gehe daher nun hin vor den Herrn, deinen Gott und unser aller Gott und Vater, lege deine große Schuldenlast zu den Füßen Jesu des Herrn, auf daß Er dich stärke und gesund mache in allem, worin du als höchst krank vor Ihm erscheinst! Denn bei Ihm sind alle Dinge möglich."

215. Kapitel: Der stolze Kaiser Karl in Verlegenheit. Sein Lebensbericht. Paulus rüttelt den Hochmütigen. Regenten vor Gott. Zwiegespräch Karls mit Jesus. Endlich Gnadenbitte und Verlassen der Gruft! (Am 9. Juli 1850)

01 Spricht Karl: "Wo ist der Je- Je- Je- no, no,no, jetzt bringe ich den Namen nicht heraus! Wie, wie heißt er denn noch anders?" Spricht Paulus: "Jesus Christus, das heißt der Heiland, der Gesalbte! - Du kannst diesen Namen nur deshalb nicht aussprechen, weil nichts von Ihm in deinem Herzen ist. Du brauchst aber nicht zu fragen und stolz zu sagen: »Wo ist denn Jesus, zu dem ich hingehen solle?« - Denn Er stehet ja ohnehin hier knapp bei mir und ist mir stets der Allernächste! Du brauchst nicht einmal einen Schritt zu tun, sondern dich bloß nur an Ihn zu wenden, und du bist dann schon bei Ihm, so gut als es dir möglich ist, in diesem deinem Zustande dich Ihm zu nahen. Sage wenigstens in deinem Herzen: »Herr, sei mir großem Sünder gnädig und barmherzig! Nicht wert bin ich, meine Augen zu Dir emporzuheben!« - Und der Herr wird dir tun, was da des Rechtes und der milden Gerechtigkeit ist".

02 Sagt Karl: "Also dieser ganz ordinäre Jude soll der Herr sein?!" - Sagt Paulus: "Ja, dieser ist es, und das einzig und alleinig!"

03 Hier fängt Karl an, sich hinter den Ohren zu kratzen, und sagt bei sich so mehr in seinen Gedanken: "Also das soll der Herr und der Schöpfer Himmels und der Erde sein?! Nun, nun, das geht gut! Also so sähe der Herr aus! Nicht übel, gar nicht übel! Dem hätte ich ja gleich wie einem gemeinsten Bettler etwas geschenkt! Und das soll - soll - soll wirklich Gott der Herr sein?! Zwar manchmal reisen ja auch die hohen Regenten der Erde im strengsten Inkognito. Warum sollte so etwas Gott unmöglich sein? Nicht auf meine, sondern auf dieses Paulus Verantwortung will ich es aber dennoch gleichwohl annehmen, obschon mir diese Annahme äußerst fade vorkommt, wie mir auch auf der Welt überhaupt jeder gemeine Kerl unendlich fad vorgekommen ist. Ich habe deshalb auch nur einer Messe beiwohnen können, die mit dem höchsten Pomp aufgeführt worden ist, und wo kein Plebs in die Kirche eingelassen wurde, sondern allein nur der höchste und glänzendste Adel und die höchsten Staatsbeamten in den glänzendsten Staatskleidern. Ich erteilte darum dem gemeinen Volke des Jahres auch nur eine bis höchstens vier Audienzen, weil mir dies gemeine Gesindel über alles fade war. Ich errichtete darum auch stehende Heere, damit ich nicht mit dem gemeinen Trosse des Volkes, das gewöhnlich meine Adelinge im Notfalle zusammenrafften, in einem oder dem andern Gefechte in Berührung kam. Ich verlieh darum auch dem Hofe den größten Glanz, um mich vor der unerträglichen Fadheit zu verwahren. So war mir der eheliche Beischlaf das Unerträglichste, weil ich darauf von einem allermarterlichsten Fadheitsgefühle gequält worden bin. Und nun soll ich dennoch wieder in die Fadheit mich hineinwerfen gleichwie ein Schwein in eine gemeinste Froschlache?! In Gottes Namen denn! So ich mich schon der Fadheit ergeben muß, so sei es denn! - O du entsetzliche Fadheit! dieser gemeine Jude - überhaupt ein Jude, das ist mir schon das Allerunerträgliche! Ich hätte als Kaiser alle Juden können hinrichten lassen, und jetzt soll ich einen gemeinen Juden als Gott den Herrn anerkennen und anbeten und lieben?! O du entsetzliche, furchtbarste Fadheit aller Fadheiten!"

04 Sagt Paulus: "Siehe zu, daß dir am Ende nicht etwas anderes fade wird! Meinst denn du, der Herr ist etwa auch ein solcher Erzaristokrat wie du und findet alles fade, was sich nicht als hochadelig legitimieren kann?! Ich aber sage dir etwas anderes: "Siehe zu, daß du dem Herrn nicht fade und unerträglich wirst; denn so der Fall eintreten würde, da wärest du das unglücklichste Wesen unter den zahllosen! Denn wer Gottes Einrichtungen und Anordnungen fade findet, der ist ein Kind des Hochmutes und des Stolzes und also ein Greuel vor Gott, dem Herrn! - Der Herr ist stets dem Kleinen zugewendet; und wer da nicht wird wie das Kind eines gemeinsten Bettlers, wird nie einen Teil an dem Reiche Gottes haben!

05 Meinst denn du, der Herr liebe die Regenten der Erde? - O da irrst du dich sehr! Sieh, der Herr duldet sie wohl als ein Übel der Völker, die selbst übel und böse sind; aber Seine Liebe sind sie nicht, sondern Sein gerechter Zorn! Denn Er Selbst sprach durch den Mund eines Propheten, als das jüdische Volk auch einen König von Gott verlangte: »Zu allen Sünden, die dieses Volk vor Mir beging, tut es auch diese hinzu, daß es einen König verlangt. Ich werde ihm auch einen König geben in Meinem Zorne!« - Sieh, nicht in der Liebe, sondern im Zorne gab Gott den törichten Juden, die auch durch eines Königs Glanz ein großes Volk sein wollten, einen König, der sie hernach knechtete und zu lauter gemeinen Dienern und Sklaven machte. Daraus aber gehet hervor, daß die Könige dem Volke nicht so sehr ein Segen, als vielmehr eine Strafe sind, weil die Menschen noch immer die Welt mehr als Gott lieben.

06 Da es aber also ist, was bildest denn du dir hernach gar so viel ein auf das, daß du auf der Erde ein Regent warst?! - Gott allein ist Regent! Alle Menschen aber sind Brüder und Schwestern! - Gehe hin und bekenne vor Gott deine Schuld, sonst sieht es schlimm aus mit dir!"

07 Sagt Karl: "Warum sollte es übel mit mir aussehen?! Ich habe als Regent so gelebt und gehandelt, daß mir alle Weltgeschichte ein rühmendstes Zeugnis vor Gott und den Menschen geben muß. Was soll ich deshalb zu fürchten haben?! Besaß ich nicht die Liebe meiner Völker, und zwar in dem Maße, daß ich sie buchstäblich mit ins Grab nehmen konnte?! Und wurden meine Anordnungen nicht pünktlich befolgt?! Was Arges habe ich denn hernach angestellt, daß ich ein Übel zu erwarten haben solle?!"

08 Sagt Paulus: "Was deine Regentschaft betrifft, so war sie, wie jede andere, eine von Gott zur Züchtigung eines stark entarteten Volkes zugelassene, und wir wollen darüber keine weitere Kritik anstellen; denn es handelt sich hier weniger darum, was du deinen Untertanen gegenüber, als vielmehr, was du dir und deinem innersten Leben selbst warst! Sagst du: »Ich habe geherrscht aus meiner Macht!« - dann war deine ganze Herrschaft schlecht. - Sagst du aber: Gottes Kraft und Macht hat mich so und nicht anders zu herrschen bestimmt!« - dann hat die Sache sogleich ein anderes Gesicht, denn der Herr sieht nie auf die Handlung allein, sondern hauptsächlich auf den Grund und auf die Absicht der Handlung.

09 Mag eine Handlung an und für sich noch so gerecht sein, der Vollführer derselben aber verrichtet sie auf seine eigene Ehre und nicht auf die Ehre Gottes, so ist sie schlecht für den Vollführer. Denn der Herr Selbst sagt es: »Und so ihr alles getan habt, so saget: wir sind unnütze und faule Knechte gewesen!« - So der Herr Selbst aber ein solches Bekenntnis von uns verlangt, was können wir Ihm dawider entgegnen? - So du sagst: »Ich war ein Regent!« - da handelst du schon wider Gott und gibst dir selbst ein arges Zeugnis wider dich. Sagst du aber: »Ich war nur ein schlechtes Werkzeug in der Hand Gottes, und der Herr war der Regent durch meinen Willen und machte aus meinem schlechten Samen eine gute Frucht!« - dann bist du gerechtfertigt vor Gott wie ein David, der aus sich auch schlecht und allein nur durch Gott recht und gerecht war. Sieh, du hast durch deine mehrjährigen Kriege nicht soviel Menschen geschlachtet wie David oft an einem Tage; und doch war David ein Mann nach dem Herzen Gottes, du aber nicht, weil du aus deiner eigenen Kraft und Macht zu handeln wähntest, während David sich solch eines Vergehens nur ein einziges Mal zu Schulden hatte kommen lassen, wegen des Urias Weibe, wofür er aber dann auch viel Buße tat.

10 Du besaßest wohl deines Volkes Gunst, besonders des hochadeligen; aber es wäre besser gewesen, so du die Gunst und Liebe des Herrn besessen hättest! Also Freund, nicht wir, sondern der Herr allein ist alles in allem, und ganz und gar nichts sind alle Menschen vor Ihm! Dies fasse in deinem Herzen und wende dich also an den Herrn, so wird es mit dir vorwärtsgehen! - Ich habe nun geredet. Der Herr sei mit dir!"

11 Karl, durch diese Worte sehr zum Denken getrieben, wendet sich nach einer Weile zu Mir und sagt: "Du wärest nach der Aussage dieses Paulus also wirklich Christus, der Herr, der einst zu Jerusalem gekreuzigt wurde von den bösen Juden, die deshalb noch fortwährend mir im höchsten Grade zuwider sind, und zwar derart, daß es mir noch jetzt leid tut, diese Brut wenigstens in Meinem Reiche nicht vertilgt zuhaben!?" - Sage Ich: "Ja (der bin Ich)! - Hast du aber dagegen etwas einzuwenden, so rede und sage, was Mir noch abgeht, um vor dir, du großer Herr, würdig als Christus auftreten zu können!"

12 Sagt Karl: "Das ist eine sehr sonderbare Frage, die einem Menschen wohl kaum in einem Traume einfallen könnte! - Nach meiner irdischen Art zu urteilen, ginge dir wohl gar vieles ab, um vor mir würdig als Christus, ein Herr Himmels und der Erde, auftreten zu können und von mir als solcher auch anerkannt zu werden. Aber hier bin ich nun nicht mehr gar so delikat und nehme bald irgendeinen Prügel für ein Zepter und eine Schlafmütze für eine Krone an - warum denn nicht auch dich für Christum, den Herrn!? So lange, bis mir irgendein besserer vorkommt, bin ich mit dir ganz vollkommen zufrieden; kommt mir aber irgendwann ein anderer und Tüchtigerer vor, nun, so läßt sich die Sache dann ja auch sehr leicht ändern; der Rechte wird angenommen und der Falsche sitzengelassen werden! - Übrigens muß ich dir aber sagen, daß du mir unterdessen als Christus recht gut gefällst, wenigstens verstehst du so recht gut, die Rolle desselben zu spielen! Dein gewisser leutseliger Ernst und dein recht majestätisch schöner Kopf mit großen blauen Augen macht sich sehr gut, und du bist somit ein recht würdiger Repräsentant dessen, was du hier vorstellest, ob du nun auch möglicherweise wirklich das bist, was du vorstellest, das zu bestimmen und zu behaupten vermag ich nimmer; aber auf die Gefahr dessen, der dich mir als den wirklichen Christus anzeigte, will ich auch das annehmen und falle daher als der größte gewesene Kaiser des römisch-deutschen Reiches Dir zu Füßen und sage: »Herr, sei mir Sünder vor Dir gnädig und barmherzig!«"

13 Sage Ich: "Freund, Ich bin zufrieden, daß es nun mit dir so weit gekommen ist und wir uns nun aus dieser Gruft der Toten hinaus ins Freie begeben können; denn hier, wo die Toten hausen, kann man nicht viel vom Leben sprechen. - Draußen, wo ein reineres Licht das endlose All der Geisterwelt durchdringet, läßt sich auch reiner schauen und wahrnehmen und empfinden wer Der ist, der hier nun mit dir redet! - Und so verlassen wir denn nun diesen Ort und begeben uns ins Freie!"

14 Rufen nun alle: "Heil Dir, o Herr, daß Du solches an uns tust! Denn nun fangen wir erst an einzusehen, wo wir waren und wie es uns ergangen ist! - Du allein bist unser Erlöser! Dir ganz allein daher auch alle unsere Liebe, Ehre und Anbetung! Denn Du allein bist es würdig, dieses alles von uns allen zu empfangen und allergnädigst hinzunehmen!" - Sagt Karl, sich nun vom Boden wieder erhebend: "Herr, bei diesem Gruße bin auch ich vollkommen dabei, und das nun wirklich aus Vollem Herzen! - Aber wohin wirst Du uns nun führen?"

15 Sage Ich: "Nun hinaus in die Gassen Wiens, und da wird es sich dann schon zeigen, wo wir etwa einkehren werden. Robert, gehe du nun mit der Helena wieder voran!"

216. Kapitel: Geldgierige Bettelmönche am Gruftausgang. Hohe Kleriker im Stephansdom.

01 Robert geht nun voran. - Am Eingange der Gruft aber stehen zwei Mönche mit einer tüchtigen Geldbüchse und reden den Robert um ein Trinkgeld für die armen Seelen im Fegfeuer an. - Robert entschuldigt sich und sagt, daß er kein Geld habe. - Die Mönche schmunzeln und sagen ganz heimlich: "Ja, ja, holt wieder an Schmutzpack mehr auf der Welt!" - Kommen nun die Dynasten an den Ausgang und werden ebenfalls angesprochen; sie geben den Mönchen aber auch nichts, natürlich aus dem Grunde, weil sie nichts haben. - Und die Mönche sagen: "Ja, ja! Bei diesen muß man holt allzeit bittschriftli einkummen, und nochher kriegt man erst noch nix als höchstens an obweislichen allergnädigsten Bescheid um a paar Jahrln später! No, dös kennen wir schon! - Aber hiezt kummen die vier ganz Fremden! Vielleicht lossn die a bisserl einige Hoar!"

02 Komme nun Ich mit Paulus, Petrus und Johannes, und auch wir werden sogleich um einen Beitrag für die armen Seelen im Fegfeuer angeredet. - Paulus aber fragt die Mönche, wo denn das Fegfeuer für die armen Seelen wäre. - Und ein Mönch sagt ganz gravitätisch: "Zweihundert Meilen tief unter der Erd'! Und noch um hundert Meilen tiefer kummt dann d' Höll mit den Verdammten, die dort ewig brennen, weil sie nie für die armen Seelen im Fegfeuer was tun wollten!"

03 Sagt Paulus darauf: "Und gelt, da habt ihr wohl eine rechte Freude darüber!?" - Sagen die beiden Mönche: "O ja, das wohl sicherli, und wann wir ihne a helfen kunnten, so tatn wir's dennoch nit; denn die schmutzgen harten Luder sollen nur ewig brennen! Wir möchten ja ka Vaterunser beten für sie." - Sagt Paulus: "Aber ihr seid eben nicht gar sehr barmherzig, wie ich sehe! Wie wäre es denn, so ihr in der vierhundert Meilen tiefen Hölle unter der Erde wäret? Wäre es euch angenehm, so jemand gar so unbarmherzig mit euch umginge? Möchtet ihr euch ewig so sieden und braten sehen?" - Sagt der eine: "I bitt ihnen, euer Gnodn, das war aber a dumme Frag! Wie kann ma aber so wos frogn, wos nit gschehen kann?! A Mönch kimmt jo nit so leicht in d' Höll, wie an anderer Mensch - denn den schützen schon die vielen heiligen Messn, die er für die armen Seeln glesn hat! Verstandn, euer Gnodn!?"

04 Sagt Paulus notgedrungen etwas scherzhaft: "Ah, das ja, das ist freilich etwas ganz anderes! Richtig, richtig, an die heiligen Messen habe ich gar nicht gedacht! Ja, ja, die mögen wohl freilich für alles mögliche gut sein! - Habt ihr beiden schon so recht viele heilige Messen gelesen, und das mehr bezahlte oder mehr unbezahlte?"

05 Sagen die Mönche: "Dos is schon wieder ani ung'schickte, dumme Frog! Wer wird denn in Wean ani ungezohlte Meß lesen!? Ma, wird mit de zohlten nit ferti, nocher soll mer etwa a noch un'zohlte lesen!? Waß der gnäd'ge Herr dos nit, daß sich die Reichn n' Himmel kaufen müssen und nur die armen Teufel werdn umsonst hineingloss'n!? Jo mein lieber gnädger Herr! D' reich'n Ludern solln nur zohln, wann's a in Himmel hineinkummen wolln, sonst wird wohl a Kamel eher durch a Nadelloch schlüpfen, als a Reicher ins Himmelreich! Wer den Himmel auf der Erd hot, dem gebührt in d'r and'rn Welt die Höll. Und wann er scho a dort den Himmel hobn will, so muß er'n sich kaufen, und dös mit etwa wohlfeil, sondern so teuer als nur immer mögli ist, und wir Priester Gottes hobn's Recht, den Himmel aufz'tan oder zuz'mochn. Doß wir ihn aber für d' Reichn nit umsonst austun werdn, dös werdn die gnäd'gen Herrn doch etwa begreifn!? Die schmutzgen Luder solln zohln, doß ihne d' Augn übergeahn, bevor sie in den Himml hineinglossen werdn. Jo, dös tun wir, und wir hobn's Recht dazu!"

06 Sagt Paulus: "Und wer hat euch denn das Recht gegeben?" - Sagt der Mönch: "Na, es aber dos wieder a Frog! Wer wird's denn geben hobn? Der Papst, als der Stellvertreter Christi auf Erdn! Und der hot's Recht von Gott! Das werdn's jo etwa doch wissn, wenn's ka Erzketzer san!"

07 Sagt Paulus: "Nun gut, gut, wir verstehen uns schon und benötigen deshalb keines Lärmes. - Aber das einzige saget mir noch, ob ihr das wisset, daß ihr euch nun nicht mehr auf der Erde, sondern rein nur in der Geisterwelt befindet!?" - Sagen die Mönche laut lachend: "Uns scheint's, doß beim gnäd'gen Herrn, wie wir so ordinärweg sag'n, es z'rappln anfangt! Wenn wir in der Geisterwelt wärn, so wärn wir entweder im Himmel oder im Fegfeuer oder gor in der Höll und täten wir nimmer a heil'ge Meß lesn. Do aber sieht der gnä' Herr ja doch, daß mer hiezt in aner Kirchn san und sonst nirgends! Und do ist kane Geisterwelt! - Hat der gnä' Herr dos verstanden?!"

08 Sagt Paulus: "Ja, ich habe euch verstanden und eingesehen, daß ihr noch für lange Zeit unheilbar seid! Daher wir euch auch so belassen wollen, wie wir euch gefunden haben. - Ich bin zwar Paulus, der weltbekannte Apostel des Herrn, die zwei hinter mir sind Petrus und Johannes, und in ihrer Mitte ist Christus, der Herr Selbst, der euch helfen wollte; aber ihr seid dafür noch viel zu blind. Euch wird nur das Loch des äußersten Abends heilen, wo Heulen und Zähneknirschen sein wird. Gehabt euch wohl! In einigen hundert Erdjahren werden wir uns wieder sehen!"

09 Paulus geht nun. - Und als Ich mit Petrus und Johannes zu den Mönchen komme, so reden sie auch Mich um ein Almosen für die armen Seelen im Fegfeuer an. Ich aber gebe ihnen keine Antwort und schenke ihnen auch kein Almosen, wie auch Meine Begleiter ihnen nichts geben. Da fangen die beiden Mönche an, uns in die Hölle zu verwünschen, und heißen uns schmutzige Luder hin und her und auf und ab. - Da kommen aber alle die Wiener nach, die wir schon früher gewonnen haben, packen die beiden Mönche und wollen sie recht wacker durchprügeln. - Ich aber sage zu ihnen: "Lasset sie! Diese sind geschlagen zur Genüge! Alle ihre Mühe, sowohl auf Erden als wie besonders hier im Geisterreiche, ist von nun an eine vergebliche. Sie werden langsam verdorren wie ein gemähtes Gras und werden zu Futter für die Tiere aufgespeichert werden im äußersten Abende. - Gehen wir nun hinaus! Ich sehe noch einige fruchtbare Gärten, in denen müssen wir noch eine Ernte machen!"

217. Kapitel: Vor dem Stephansdom. Bittrede der erlösten Dynasten zum Heile ihrer kirchlichen Amtsgenossen. Jesus über die schwierige Heilung geistlichen Hochmuts.

01 Wir gehen nun vorwärts und befinden uns in kurzem vor dem sogenannten Stephansdome.

02 Da treten einige Dynasten zu Mir und sagen: "Herr, da es Dir schon wohlgefallen hat, diese unsere Residenzstadt zu besuchen und die in ihr noch vielfach hausenden und herumirrenden blinden Geister zu beleben mit Deiner Liebe, Gnade und Erbarmung und sie zu befreien aus der Nacht des Todes - oh, so wolle Du denn nun auch noch dieser Armen gedenken, die hier unter diesem Bethause in den Katakomben leiblich und geistig begraben liegen! Wir sehen es jetzt schon nur zu klar ein, daß bei Dir alles, was auf der Welt niedrig gestellt war, einen leichten Vorzug hat. Denn aller niedergestellten Menschen Vergehen liegen zumeist in dem Mangel an einer rechten, zweckmäßigen Erziehung. Aber bei den Hochgestellten rühren ihre Sünden sicher nicht von einer verwahrlosten Erziehung, sondern wohl lediglich von ihrem Hochmute und schnöden Eigennutze her und sind daher auch sicher hartnäckiger als bei den Niederen; daher bedarf es hier aber auch ausschließend eines Arztes, wie Du, o Herr, Selbst es bist, damit solchen Schwerkranken geholfen werde. - Besuche daher auch diese Armen hier unter den Katakomben! Dir, o Herr, ist ja nichts unmöglich, vielleicht werden auch hier einige sich erwecken lassen!"

03 Sage Ich: "Meine recht sehr lieben Freunde, die ihr auf der Welt sehr vielfach nach Meinem Herzen gelebt und gehandelt habt! Von euch freuet es Mich ungemein, daß ihr euch dieser Toten hier erinnert, und Ich werde auch sogleich dem schönsten Wunsche eures Herzens nachkommen. Aber das sage Ich im voraus: In diesem Garten werden wir eine sehr magere Ernte halten! Denn nichts ist schwerer aus einer Seele zu bringen, ohne ihr zu schaden, oder sie ganz zu vernichten, als der sogenannte theosophische Hochmut.

04 Ein Kaiser, ein König, ein Fürst dünkt sich wohl unter den Menschen der Höchste und Unantastbarste zu sein; das aber liegt seinem Stande auch natürlich höchst nahe, der von ihm das zu sein auch naturgerecht und pflichtgemäß verlangt. - Aber ganz anders ist es bei diesen da unten! Das sind zumeist alte, eingefleischte Hierarchen aus den finstersten Zeiten. Diese halten sich fortwährend für Wesen, denen die Gottheit Selbt gehorchen muß. Zu dieser wahnsinnigsten Idee kamen sie zumeist durch die Irrlehre Roms, die jeden Priester zweimal höher stellt als die Mutter Maria und diese wiederum an Macht zweimal über Mich Selbst, und das also, daß Ich nur durch sie zu etwas zu bewegen sei. Dazu kommen ihre Messen, in denen sie mit Mir gewisserart machen können, was sie wollen, und dabei wie ein Papst Alexander ausrufen: »Wer kann es wagen, mit mir zu rechten?! Die ganze Erde, die ich trete, erbebt unter meiner Sohle! Und Gott habe ich in meiner Rechten!«

05 Ihr könnet aus dem leicht begreifen, wie schwer es ist, solche Geister zur rechten Demut zurückzuführen, die sich selbst nicht nur als Selbst-Götter, sondern als barste Gebieter über Gott halten. Und eben solche hausen recht viele da unten. Es wird daher recht schwer gehen, bei ihnen etwas auszurichten. Vielleicht ein paar dürften etwas sanfter sein; aber die andern - da werdet ihr alle Wunder der Hartnäckigkeit sehen!- Aber ärgern dürft ihr euch nicht, sondern euch gerade so benehmen, als ob ihr in einem Irrenhaufe unter lauter Irrsinnigen euch befändet. Auch dürfet ihr in keine Furcht geraten; denn sie werden auch Zeichen tun durch Fixierungen ihrer Phantasie. Aber ihr müsset das alles als ein Trugwerk ansehen, das da völlig nichts ist und keine Realität hat und haben kann. - Und so denn, da ihr das wisset, wollen wir uns ganz ruhig da hinab begeben! Es sei!"

06 Wir gehen nun hinab in die finstern Katakomben und lassen nur so viel Licht in denselben entstehen, als es nötig ist für die neuaufgenommenen Dynasten, auf daß sie die Einwohner dieser unterirdischen Gewölbe sehen können.

07 Als wir nun alle im Zentrum der Gewölbe uns befinden, kommt Robert mit der Helena zu Mir und sagt: "Herr, Du unser aller heiliger, liebevollster Vater! Erlaube uns nun, ganz nahe bei Dir zu sein; denn ich muß Dir bei meiner unbegrenzten Liebe zu gestehen: weder je auf der Erde noch in der Geisterwelt, die doch schon in so manchen Schattierungen durchgekostet habe, hat mich so eine Furcht angewandelt, wie hier in diesen Gewölben! - Ich sehe noch niemanden; nur hie und da grinst uns irgendein halbverfaulter Totenschädel aus einem zerfallenen Sarge an, und ein höchst unangenehmer Moderduft beschleicht unsere Nüstern - und doch durchrieselt ein sonderbares Bangen mein ganzes Wesen. Sogar die Haare am Haupte kommen in eine gewisse bergansteigende Bewegung. Das ist wahrlich höchst sonderbar! Als ich vor ein paar Erdjahren von Fürst Windischirätz zum Tode verurteilt worden bin, habe ich keine solche Angst empfunden wie nun. Nun, da wird es gut werden! - Du, lieber Vater, erlaubst es wohl, daß wir uns bei dieser Expedition in Deiner nächsten Nähe befinden dürfen!?"

08 Sage Ich: "Ganz in der Ordnung, mein lieber Sohn Robert! Denn das will Ich ja stets, daß da ein jeder zu Mir komme, der irgendwo belastet ist, auf daß er bei Mir erquicket werde! Bleibe also nur hier, denn der Haupttanz wird bald angehen!,.

218. Kapitel: Kaiser Joseph über seine Erfahrungen mit dem kath. Klerus. Grund des frühen Todes dieses Kaisers, welcher nun als Engel des Gerichts gegen das Papsttum bestellt wird.

01 Hier tritt der Kaiser Joseph*) hin zu Mir und sagt: "Herr, sei mir Sünder gnädig! Ich sollte zwar nicht über andere etwas reden, denn ich bin selbst noch voll von allerlei Schulden; aber da es sich hier um den römischen hohen Klerus handelt, so kann ich - Herr, vergib mir alle meine Sünden! - unmöglich schweigen. Ich habe diese Brut kennengelernt wie keiner vor und nicht leicht einer nach mir. Sie ist aber von mir auch auf eine Art gesalbt worden, die ihr in ewigem Andenken bleiben dürfte. O Herr, es ist mir vor Dir nahe unmöglich, alles zu beschreiben, was ich als Kaiser mit diesen Wesen erlebt habe! Die Schändlichkeit und barste Gewissenlosigkeit erreicht bei dieser Kaste einen solchen Grad, daß man, um sie zu beschreiben, wahrlich keine Worte finden kann. Denn ihre Betrügereien auf Kosten Deines allerheiligsten Namens sind wahrlich von der Art, daß sie bisher noch mit keinem tauglichen Namen bezeichnet werden konnten.

[* Josef II., geb. 13. März 1741, gest. 20. Febr. 1790, römischer-deutscher Kaiser aus dem Hause Habsburg-Lothringen, Sohn der Maria Theresia von Habsburg und des Franz Stephan von Lothringen, regierte von 1780-1790 und führte in dieser Zeit viele bedeutende Neuerungen im Sinne geistiger Aufklärung in seinen Ländern ein - sog. Josephinsche Reformen. d. Ed.]

02 Wahrlich, so ich hätte tun können und dürfen, wie ich es als höchst nötig ansehen mußte, da es mir als Bekenner Deiner reinen Lehre, in der ich wohl bewandert war, nur zu grell einleuchtete, welch ein Unterschied zwischen der Lehre Roms und Deiner reinsten (Himmelswahrheit) hervortrat - so hätte ich der allerfalschesten Römerin für alle Zeiten den Garaus gemacht. Und wäre es mir vergönnt gewesen, nur noch zehn Jahre auf der Erde zu leben - bei Deimen heiligsten Namen, da hätte ich's auch getan! - Aber eben diese Luder, denen ich zum ärgsten Steine des bittersten Anstoßes geworden bin, haben gewußt, sich wie ein böses Krebsgewürm hinter meinen irdischen Lebensfaden zu schleichen und ihn vor der Zeit zu durchnagen. Und so mußte mein Vorhaben unterm Wege verbleiben.

03 Aber es freuet mich dennoch, daß ich wenigstens den Weg zu ihrem Verfalle gebahnt habe und dieser Anfang gute Folgen hat. Denn so oft ich nur in dieser Welt von der Erde Kunde erhalte, so heißt es allzeit, daß die Hure Babels an der unheilbarsten Abzehrung leide. Und das ist für mich eine Wonne, ja ein völliger Himmel! O Herr, segne Du meine Arbeit, auf daß sie auf Deiner Erde gute Früchte trage! Es wird meine größte Freude sein, so Du mir sagst, daß ich Dir auf der Erde kein ganz unnützer Knecht war!"

04 Sage Ich: "Mein liebster Bruder Joseph! Ich kann dir vorderhand nichts anderes sagen als: Du Warst Mir ein Knecht wie wenige vor dir und wie bisher keiner mehr nach dir! Du handeltest ganz nach Meinem Herzen und warst treu in dem dir anvertrauten Haushalte! Daß ich es zuließ, daß du nur eine kurze Zeit auf der Erde zu dienen hattest, das hatte seinen Grund darin, weil die Menschheit deiner nicht wert war. Sie war zu schlecht. Darum habe Ich sie aber dann auch durch Kriege und allerlei andere Nöte und Trübsale heimgesucht, wodurch sie durch die Bank, hoch und niedrig, gedemütigt ward wie nicht leichtlich irgendwann vorher. Und diese Demütigungen sollen fortdauern, bis der letzte böse Same von der Erde vertilgt wird.

05 Dir aber werde Ich erst jetzt ein rechtes Schwert geben, mit dem du der Hure Babels ganz anders wirst zusetzen können, als du es auf der Erde je hättest zu tun vermocht; denn du bist Mir ein rechter Kämpfer für diese allerwichtigste Sache! Was aber Babel und dessen schwarze, scharlach- und purpurrote Knechte alles für Greuel getrieben haben, brauchst du Mir gar nicht hier wieder zu erzählen; denn alles das weiß Ich am allerbesten, darum aber nun auch die Zeit des Gerichtes über sie gekommen ist.

06 Jetzt aber gebe acht! Dort aus einem überaus finsteren Gewölbe trabt ein Erzbischof aus deiner Zeit zu uns hervor! Du wirst ihn sogleich erkennen, auch er dich! Dem gebe eine gemessene Antwort, wie Ich sie dir in den Mund legen werde."

219. Kapitel: Jesus über das wahre Wesen des Erzbischofs Migatzi. Zwiegespräch zwischen letzterem und Joseph. Blick in tiefste Priesternacht. Römische Geistesschlaf-Politik. (Am 16. Juli 1850)

01 Spricht Joseph: "Ja,ja, ich erkenne ihn an seinem Gange,er ist es! O Herr, wie sieht der aus! Das ist ja eine wahre Schreckensgestalt! Über ein förmliches Totengerippe hängt ein alter sogenannter Vespermantel. Und auf einem Totenschädel klappert eine Bischofsmütze voll Schmutz und Unflat. So trabt diese Schreckensgestalt langsamen und sichtlich überaus wankenden Schrittes auf uns zu. - Nun, nun, da bin ich denn doch neugierig, was dieses Monstrum vor uns tun wird!"

02 Sage Ich: "Es wird dir genug zu schaffen geben! Nur aber mußt du dich über nichts ärgern! Denn alle diese Wesen sind mehr oder weniger als Irrsinnige anzusehen."

03 Spricht Joseph: "Aber was mich bei diesem Menschen wundert, ist, daß er auf der Welt gerade einer von den hellsten Köpfen und mit mir mehr als alle anderen Bischöfe meines irdischen Regierungsreiches einverstanden war. Mir haben die Erzbischöfe von Salzburg, Prag, Olmütz, Gran, Erlau, Agram, Triest, Venedig, Triest und Mailand bei weitem mehr Mucken gemacht als mein Wiener. Ja, ich muß es offen gestehen, daß er mir in mancher Hinsicht bei meiner Reinigungsarbeit viele gute Dienste geleistet hat. Und ich kann eben deshalb schwer begreifen, wie dieser Mann in einen so jammervollen Zustand geraten ist."

04 Sage Ich: "Mein lieber Bruder, dieser Erzbischof Migatzi war einer, der es am meisten verstand, den Mantel nach dem Winde zu drehen. Er sah sich die Prügel wohl an und beurteilte scharf, ob sie übers Knie zu brechen wären oder nicht. War ihm einer zu massiv und stark, so legte er ihn ja nicht aufs Knie, sondern ließ ihn als ganzen - vergolden, damit fürs erste ja keine Seele merken solle, daß so ein gewaltiger Prügel auch zu der Zahl derjenigen gehörte, die ihm unter die Füße geworfen wurden; und zweitens, damit dann beim Anblicke solch eines gewaltigen, vergoldeten Prügels jedermann nur eine neue Macht in seinen Händen ersehen und erkennen möchte. Denn wer auf der Erde mit einem gewaltigen Kaiser Hand in Hand einhergehet, vor dem hat jedermann schon beinahe ebensoviel Respekt wie vor dem Kaiser selbst.

05 Unser Erzbischof Migatzi sah es recht gut ein, daß man unter deiner Regierung sich nur lächerlich machen würde, so man mit dem Papste, der damals sehr von Österreich abhing und beispielloserweise dir auch selbst persönlich noch einen fürs zeitliche Wohl der Hierarchie wohlberechneten Besuch abstattete, zu sehr Hand in Hand ginge; daher schloß er sich lieber an dich an und wurde geheim ein Gesetzgeber des Papstes! Denn er korrespondierte fleißig mit dem Stuhle und sagte diesem, was er zu tun habe, um sich gegenüber deiner Macht und Erkenntnis aufrecht zu erhalten. Weil aber der Papst sich darnach richten mußte, so war das unseres Erzbischofs Migatzi größter Triumph, daß er also gewisserart ein Papst über dem Papst war. Und er hatte seine größte Freude daran, daß endlich einmal einer in Rom tanzen mußte, wie ein Erzbischos Migatzi in Wien pfiff.

06 Sieh, das war der Grund, warum Wiens Erzbischof Migatzi es mit dir hielt! Die Prügel, die du ihm legtest, wußte er sehr gut aufzuklauben und sie allesamt zu vergolden und machte sie dann zu lauter Zeptern, die ihm große Zinsen trugen und eine große Macht und großes Ansehen verliehen. Aber so du meinen würdest, daß er auch innerlich also gesinnt gewesen sei, wie er sich äußerlich zeigte, da wärest du in einer großen Irre. Denn da war er mehr Papst als der Papst selbst und bei weitem mehr ultramontan (römisch gesinnt) als alle seine Kollegen. Ja, Ich sage dir, daß er dich insgeheim haßte, mehr als den Tod. Aber weil er durch dich gewisserart ein Gesetzgeber dem Papste geworden ist, so hielt er es mit dir und unterstützte dich in deinen Unternehmungen. - Kennst du nun den Mann, der mit dir auf der Erde Hand in Hand ging?"

07 Spricht Joseph: "Ah, so stehen die Aktien!? O du verschmitzter Kerl! Nein, da hätte ich mir doch eher alles, als so etwas von diesem Manne eingebildet! Ja, ja, der die sogenannte schwarze Politik erlernen und darinnen ein Meister werden will, der gehe zu den Schwarzen und Scharlachroten und zu all den Purpurmäntlern - da findet er sie sicher in einem so hohen Grade ausgebildet, wie sie kaum im Kopfe des Satans zu Hause sein dürfte. - Nun, warte, du Schwarzpolitiker, du sollst an mir einen sehr harten Knochen zum Abnagen bekommen!"

08 Sage Ich: "Gebe aber ja wohl acht darauf, daß er dir nicht um vieles härter wird, als du ihm! Denn Ich sage dir, daß dies einer ist, der sich mit allen Salben gesalbt hat, und daß es für jeden noch so erleuchteten Geist wahrlich keine geringe Ausgabe ist, einen also Gesalbten aus einen rechten Weg zu bringen. Fasse dich aber nun, er kommt uns schon sehr nahe. Sogleich wird er deiner und auch unser ansichtig werden."

09 Joseph faßt sich. Der Erzbischos Migatzi wird nun seiner ansichtig, tritt rascher zu ihm hin und sagt mit einer stark kreischenden Stimme: "Ich grüße dich, Bruder Joseph! Aber wie kommst denn du hieher in dies elende Loch?!" - Sagt Joseph: "Um dich zu besuchen, Bruder!" - Sagt der Erzbischof Migatzi: "Das ist sehr schön von dir! Aber wenn du noch also ein Erzketzer bist, wie du es auf der Erde warst, da wirst du hier ganz verdammt übel aufgenommen werden!"

10 Spricht Joseph: "Das macht einem Joseph nichts! Denn du weißt es ja, daß sich ein Joseph überall eine gute Aufnahme zu verschaffen versteht. Du magst mir sagen, was du willst, und ich werde dir stets jene Antwort geben, die ich dem Patriarchen von Venedig gab, als er mir ein Gemälde zeigte, das da die merkwürdige Szene vorstellte, so der Papst über den Nacken eines schwachgewordenen Kaisers auf sein Maultier steigt und den Kaiser mit dem stolzesten Gesichte verächtlich anblickt." - Fragt der Erzbischof Migatzi: "Und wie lautete diese Antwort?" - Sagt Joseph: "»Tempi passati! - Das heißt: das sind vergangene Zeiten! Jetzt diskutiert man anders!« Und solch eine Antwort wirst auch du von mir erhalten, so du mir mit etwas kommen solltest, was mir nicht munden sollte. Denn weißt du, ich habe dir gegenüber noch nicht aufgehört, ein Kaiser zu sein. - Sage mir aber nun, wie es dir hier geht und was du hier machst".

11 Spricht der Erzbischof Migatzi: "Eine talkete (törichte) Frage, wie's unsereinem hier gehe und was man mache! - Siehe mein Gesicht an, das bis zu den Knochen herabgemagert ist, und dir muß die Antwort doch von selbst werden! Meine Arbeit aber siehst du doch an meiner Kleidung! Mundus vult decipi, ergo decipiartur! (Die Welt will betrogen sein, also betrüge man sie!) das ist unser Geschäft von jeher gewesen und ist es daher auch noch jetzt! Die Menschheit will vom größten Wunder in ihr, das da ist die göttliche Vernunst und der ihr gleichkommende göttliche Verstand, keinen Gebrauch machen. Ein noch so dumm angestelltes Spektakel ist ihr lieber, sie will nicht denken, ist lange zu träge dazu. Sie will einen durch Wunder hineingezauberten Glauben, damit sie dabei das mühsamere Denken entbehren kann. Also ist es ja klar, daß sie betrogen sein will. Volenti autem non fit injuria (Dem Selbstwollenden geschieht kein Unrecht). Also sei sie denn auch betrogen! Lasse du Musiker, Maler, Dichter und Schauspieler bester Art in einem Saale spielen, malen, dichten und deklamieren, in einem andern Saale aber vom berühmten Magier Philadelphus Zaubereien aus dem Gebiete der ganz natürlichen Magie produzieren - ich versichere dich, der Zauberer wird das allermeiste und größe Auditorium (Publikum, Zuhörerschaft) haben, während die wahren Verstandes- und Gemütskünstler ihr Publikum sehr leicht werden überzählen können.

12 Jedes Stück des Magiers ist ein Trug, aber das macht dem dummen Menschen nichts, wenn er nur etwas Wunderähnliches angaffen kann, so geschieht es ihm schon leichter. Wie ein Ochse tritt er die Großwunder Gottes leichtsinnig mit seinen schmutzigen Füßen. Die (wahren Werke Gottes) aber machen auf ihn nahe gar keinen Eindruck. Die Sonne, der Mond, die Sterne, die herrliche Erde mit ihren Wundern ohne Zahl und Maß, das ist dem ochsigen Menschen rein Pomade! Aber in einen scheinbar leeren Becher eine Kugel hineinwerfen und hernach a la Hokuspokus drei herausholen - das ist Wunder über Wunder! Und siehe, so war die Menschheit, so ist sie jetzt und so wird sie sein so lange auf der Erde Menschen existieren werden! Daher ist der Grundsatz der Jesuiten das Beste, was je die menschliche Vernunft erfunden hat; denn er ist aus der eigentlichsten Natur der Menschheit entnommen.

13 Die weisen Ägypter haben eine der besten Religionen aufgestellt, die rein auf Mysterien und Zaubereien aller Art begründet war. Sie hielt sich aber deshalb auch über zweitausend Jahre. Als aber gewisse Volkssfeunde unter dem Volke aufstanden und dasselbe über den Betrug ihrer heiligst gehaltenen Religion aufzuklären anfingen, da gab es dann nur zu bald auch eine Masse Feinde der Priester und ihrer Religion. Die Tempel wurden zerstört und die Priester häufig getötet oder im besten Falle aus dem Lande vertrieben. Frage: was aber hat das Volk dabei gewonnen? Nichts als Not, Elend, Trostlosigkeit, Verzweiflung und am Ende den völligen Verfall seiner Nationalität und seiner uralten, nahezu göttlichen Berühmtheit! - Wäre es denn nicht besser, so diese unzeitigen Volksbeglücker mit ihrer Verstandesschärfe unter dem ägyptischen Volke nie aufgestanden wären?! Das Volk wäre bei seinen wunderreichen Festen in seiner Dummheit glücklich geblieben. Und die Priesterschaft, die eigentlich allein weiß, das der Mensch nichts ist und auch ewig nichts zu erwarten hat, hätte dafür - daß sie die Sicherheit und das traurige Gefühl der jeden Menschen nach dem Tode erwartenden ewigen Vernichtung für sich allein in die Verwahrung nimmt, aber dabei doch unermüdlich bestrebt ist, bei dem blinden Volke den Glauben an einen Gott und an die unsterblichkeit durch jedes taugliche Mittel aufrecht zu erhalten und ihm dadurch eine recht hoffnungsreiche und fröhliche Existenz zu sichern - wohl ihre Einkünfte ungestört genießen können, da sie von dem Volke denn doch die größte Last aus ihren höchsteigenen Nacken nimmt und allein mit jedem Tage und mit jeder Minute der ewigen Vernichtung entgegensieht.

14 Lasset beim Volke die Einsicht lebendig und überzeugend aufkommen, daß es nach dem Tode kein Leben mehr gibt, und ihr werdet dann das Volk sogleich in alle erdenklichen Entartungen übergehen sehen! Ja, in wenigen Augenblicken werden viele aus dem Volke zu Tigern und Hyänen! - Der Priesterstand nimmt das alles auf seine Haut. Er allein sieht der ewigen Vernichtung mutig entgegen, weil er allein den großen Vorteil des Nichtseins vor dem Sein allerklarst einsieht. Und sonach ist es wohl der größte Undank gegen diese größten Wohltäter der Menschheit, so sie von gewissen Volksaufklärern entlarvt und als offenbare Betrüger dem Volke angeschuldigt werden. Sie sind es allerdings, aber nicht zum Nachteile, sondern nur zum entschiedensten Wohle der Völker!

15 Warum sind die Chinesen und hauptsächlich die Japanesen nahezu die glücklichsten Völker der Erde? Weil sie in ihrer Dummheit noch nie gestört worden sind, indem ihre weisen Regenten dafür eine Hauptsorge tragen, daß ihre Völker ja nie zu irgendeiner Aufklärung gelangen. Einige wenige, die es wagten, diesen Völkern ein sogenanntes Lichtlein anzuzünden, wurden arg bedient. Und so haben sich denn doch nicht so leicht wieder andere eingefunden, die es gewagt hätten, dem Volke ein Licht anzuzünden.

16 Du selbst, mein sonst überaus schätzbarer Freund, hast aber als Regent, statt mit der Priesterschaft ungestört Hand in Hand zu gehen, ihr eine Wunde geschlagen, die ihr schwerlich je eine Zeit wieder verheilen wird. Was soll da ein wahrer Erzbischof von dir urteilen?! Ja, was die ganze vernünftigere Menschheit?! - Du nahmst ihr das eine und gabst ihr nichts Besseres dafür!

17 Wenn ein Mensch in seiner Dummheit glücklich ist, warum ihn aufwecken, auf daß er unglücklich werde?! Alle Menschen sind zum Tode ausgesetzte Delinquenten (Übeltäter). Wenn der Delinquent aber schläft, so ist er glücklich in seinem Traume. Wird er aber wach, was dann? Sieh, da faßt ihn der Todesgedanke, und er ist sogleich unaussprechlich unglücklich! - Sage, hat der dem Delinquenten eine Wohltat erwiesen, der ihn aus dem Schlafe gerüttelt hat?

18 Nicht umsonst nennt sich die Kirche eine Mutter. Denn sie ist den Völkern wirklich das, was die Mutter ihren Kindern ist. Sie gibt den Völkern allerlei sanft zum Schlafe reizende Speisen und Getränke, auf daß sie der Welt gräßlichen Jammer nie fühlen und schmecken sollen. Und wer fest an der Kirche hängt und ihre Mittel gebraucht, der wird denn auch wahrlich den eigentlichen Todesschmerz nie empfinden. Wehe aber jedem Volksaufklärer! Der Tod wird sich schrecklich rächen an ihm! Was bedünket dich nun? Wirst du mir da auch mit deinem törichten »tempi passati!« kommen können?"

220. Kapitel: Kaiser Josephs Beispiel von der Stecknadel. Er verweist den Erzbischof Migatzi an Jesus. Migatzi erklärt das Jenseits für Trug und Joseph für geisteskrank. Joseph über die Ursache seines Todes. (Am 18. Juli 1850)

01 Sagt Joseph fortfahrend: "Schaue, Freund, wie dumm und gänzlich gehaltlos deine Gründe sind, mit denen du deine Kirche - natürlich nur mir gegenüber beschönigen willst, erhellt allein schon zur Übergenüge, daß wir beide dem Leibe nach gottlob schon vor sechzig Erdjahren gestorben sind und nun, nach diesem Leibestode, hier ganz wohlerhalten, frisch und gesund fortleben! - Würde das Volk im wahren, lichten Glauben unterwiesen sein, so würde es sich auch leichter leiten lassen und wäre mutiger in allen seinen Unternehmungen und emsiger in allem Guten, wahren und Schönen. Da es aber, statt zu wachen und alle Dinge in ihrer Wirklichkeit zu schauen, nur schläft und sich von einem Traume in den andern hineinschnarcht, so ist bei solch einem Volke an einen wahren geistigen Fortschritt gar nicht zu denken. Wie schnell erblühten in England die zweckmäßigsten Erfindungen aller Art, als der Geist dieses Volkes nur zu einiger Freiheit gelangt war! Was aber haben wir in Österreich unter der Regierung meiner Mutter aufzuweisen? Nichts und noch tausendmal nichts! Wir können nichts als schlechte Taschenveitel fabrizieren. Mein erster Minister fragte mich einmal, nachdem er eine Zeitlang eine Stecknadel betrachtet hatte, ganz im Vertrauen, wie etwa doch diese beknöpften Stifte verfertigt würden. Und, so wahr ich dastehe, ich konnte ihm selbst keine Antwort geben! Denn sogar ich als Kaiser hatte davon wirklich keinen Begriff, dachte aber bei mir: mit der Aufklärung meines großen Staates muß es verdammt schlecht stehen, da sogar ich als Kaiser nicht weiß, wie eine wahrlich lausige Stecknadel geschaffen wird!

02 Zudem habe ich auch noch in die Erfahrung gebracht, wie ein Kapuziner gegen den Gebrauch der Stecknadeln mit höllischem Mord und Brand auf der Kanzel geeifert hatte, da er sie als eine reine Zauberei ansah. Der hat doch sicher auch keinen Begriff gehabt, wie die Stecknadeln verfertigt werden. Er habe es selbst einmal versucht und habe eine ganze Woche sich die unsäglichste Mühe gegeben, eine solche Nadel zu verfertigen, sei aber um alle Welt nicht imstande gewesen, auch nur eine zuwege zu bringen; aber in seiner törichten Mühe sei der leibhaftige Gottseibeiuns zu ihm gekommen und habe gesagt: »Verschreib, mir deine Seel', und ich will dich die Kunst lehren, Stecknadeln tausendweise zu machen.« Darüber habe er sich so gewaltig erschreckt, daß er vor Angst umgesunken sei. Und wäre ihm nicht die allerseligste »Maria auf der Stiege«, die er stets am meisten verehrt habe, zu Hilfe gekommen, so wäre er offenbar verloren gewesen.

03 Wenn nun das arme Volk solchen ungeheuren Ochsen von Geistlichen überlassen ist, frage ich: welche Früchte lassen sich von solch einem Volke erwarten? Und siehe, dieser und zehntausend ähnliche Anlässe sind mir zu Ohren gekommen und bestimmten mich denn auch notwendig, solchem krassen Unfug für alle Zeiten ein Ende zu machen. Und, gottlob, der Herr hat meine Mühe gesegnet und sie mir zu keiner Sünde gerechnet! Der Papst bekommt nun eine Ohrfeige um die andere von der lieben Welt und hat bei Millionen bereits gottlob alles Ansehen weidlichst verloren. Ja ein Prinz Schnudi und Piripinker stehen in einem größeren Respekte als der Papst mit all seinem Anhange. Und dazu habe ich den ersten Hauptgrundstein gelegt, den freilich früher ein Luther, Calvin, Huß und Melanchthon schon behauen haben. Ich bin dafür von Rom aus freilich wohl etliche Millionen Male bis in die unterste Hölle verdammt worden; aber, gottlob, es brachte mir das keinen Schaden. Denn da sieh her, Der hier fest neben mir stehet, ist Christus, der Herr Himmels und der Erde Selbst! Und ich glaube, wer so, wie ich, bei Ihm ist, der wird ja etwa doch wohl so ein bißchen selig sein!"

04 Sagt nun der Erzbischof ganz aufgeregt: "Du warst schon im Mutterleibe ein Ketzer und wirst als solcher auch in der Hölle verbleiben in Ewigkeit! - Du meinst, daß wir schon gestorben sind!? O du Narr! Für die Welt, politisch genommen, sind wir freilich gestorben, weil wir uns in den Ruhestand zurückgezogen haben; aber nicht so in der Wirklichkeit, da wir doch noch alle in dem sichtbaren Wien leben und herumgehen und -fahren, so wir eine Gelegenheit bekommen. Bin ich doch erst unlängst in Hietzing*) gewesen und habe mir dort recht wohl geschehen lassen! Und das wird doch nicht etwa in der Geisterwelt - so du es mir erlaubst zusagen - gewesen sein!? Oder gibt es etwa auch in der Geisterwelt ein natürliches ,Wien', ein ,Hietzing', einen ,Heurigen' und ,geback'ne Hend'l, mit einem delikaten ,Häuptelsalat'? - Geh, laß dich nicht auslachen! Ich als ein Erzbischof werde es doch besser wissen, was es mit der Geisterwelt für eine Bewandtnis haben müßte, so es eine gäbe! Aber da es nach dem Tode kein Leben mehr gibt und geben kann, so fällt die ganze Geisterwelt ja von selbst ins rein Blaue hinein. - Und mit der Gottheit Christi wird's etwa doch auch den allerallmächtigsten Faden haben! Wie weit aber mußt du es in deiner Narrheit gebracht haben, daß du einen echt polnischen Binkeljuden für den Nazarener hältst, der am Kreuze lange gut gestorben ist und in alle Ewigkeit nimmer lebendig wird! Es ist wirklich viel, daß du dich nicht selbst schon lange für Christum gehalten hast; denn ein Narr zur Genüge wärst du schon lange dazu gewesen!

[* Sehr schönes Dorf in der Nähe Wiens, fast nur aus Villen, Landhäusern und Gasthäusern bestehend; beliebter Ausflugsort der Wiener, d. Ed.]

05 Weißt du denn nicht, und hat dein traurig-leidender Zustand dir denn dein Erinnerungsvermögen so ganz und gar verstört, daß du nun dich nimmer entsinnen kannst, daß du ein Narr geworden und als solcher in die geheime k. k. Irrenanstalt gekommen bist!? Sieh, dies Ereignis wird dir das Gefühl gemacht haben, als seiest du gestorben! Aber dem ist nicht also! Du bist nur irrsinnig geworden, was du noch mehr oder weniger bist, und das erzeugt in dir das Gefühl des schon Gestorbenseins. - So du aber wolltest, da könnte ich dich bald heilen, auf daß du dann wieder des Lebens goldne Freiheit genießen könntest. Du weißt es ja, so dir noch irgendeine Erinnerung geblieben ist, daß ich nie ein sogenannter Zelote war, am wenigsten dir gegenüber. Geh, biederer Freund, und laß dich kurieren!"

06 Spricht Joseph: "Mein Freund, du behauptest Dinge hier, die einem Spinoza, den doch die Kirche selbst, nachdem er schon mehrere Jahre begraben war, wieder ausgraben, öffentlich verdammen und dann verbrennen ließ, wahrlich keine Schande gemacht hätten! Ich, ein Narr!? Nein, das ist alles, was man sagen kann! Das ist dir gelungen! Schau, ich habe doch schon so manches über mich lügen gehört, aber so etwas ist mir noch nicht vorgekommen. Daß du an die Unsterblichkeit und an Christum nicht glaubst und - salve venai! (mit Erlaubnis) - auch nie geglaubt hast, das geniert mich eigentlich gar nicht und ich will mir da auch keine Mühe geben, dich in diesen Glauben einzuführen; aber daß du behauptest, Ich sei auf der Welt irrsinnig geworden, das geniert mich, indem ich nur zu bestimmt weiß, wie und aus welche Weise ich so ganz eigentlich das Zeitliche mit dem Ewigen vertauscht habe.

07 Siehe, durch nur zu gewisse Sorge von eurer kirchlichen Seite habe ich höchst wahrscheinlich nach dem Beriechen eines seltenen Blumenbuketts oder einer Prise Spaniols ein Übel in meinem Kopfe wahrzunehmen angefangen, das sich wie ein starker Kopfkatarrh zu äußern begann. Ich achtete dieser Sache nicht und dachte, dieser Schnupfen wird so vergehen, wie sonst bei mir noch jeder vergangen ist. Aber dem war es nicht so. Als der Schnupfen mir zu lange andauerte und, statt besser, nur von Tag zu Tag schlimmer ward, ließ ich natürlich meinen Hofarzt kommen, der aber auch nichts anderes sah als ich, nämlich einen recht hartnäckigen Kopfkatarrh. Ich mußte ins Bett, mußte schwitzen und Thee saufen und allerlei Dunst in die Nase ziehen. Es ward mir daraus wohl etwas besser; aber einen gewissen Druck gerade wie aufs Gehirn im Oberhaupte verspürte ich von Tag zu Tag fühlbarer, den ich aber anfangs auch zu wenig achtete - bis sich nahe an derselben Stelle auch äußerlich ein Tuberkulum malum (bösartiges Geschwür), wie es meine Hofärzte nannten, zu entwickeln begann, das trotz aller ärztlichen Mühe und emsigster Behandlung von Tag zu Tag schlimmer ward.

08 Man tröstete mich, so gut man konnte, berief aber endlich doch ein Ärztekonzil zusammen. Das Konzil erkannte an meinem Kopfabszesse nichts gefährliches, bis auf einen gewissen schlichten Arzt namens Quarin. Dieser schüttelte hinter der Türe mit seinem Kopfe verneinend, wurde von mir im gegenüberhängenden Spiegel entdeckt und sogleich hervorgerufen und gefragt, ob das Übel zu heilen sei. Und Quarin sagte entschieden: "Nein!? - wofür er von mir geadelt und bestens dotiert ward. Von da an ward es mit meinem Leibe von Stunde zu Stunde schlechter. Und ich starb bald darnach bei meinem vollsten Bewußtsein, ohne die geringste Furcht vor dem sicheren Tode. Als ich starb, da kam es mir vor, als ob ich ganz süß eingeschlafen wäre; erwachte aber bald daraus, nur, gottlob, nicht mehr in der materiellen, sondern in der geistigen Welt, in der ich noch zu sein und ewig zu verbleiben die Ehre habe.

09 Ich meine, aus dem dürfte dir denn doch klar sein, daß mein Erinnerungsvermögen nicht so ganz und gar futsch ist, als wie du es soeben behauptet hast, - He, was meinst du da? Rede nun!"

221. Kapitel: Migatzi gibt für die Todeskrankheit Josephs eine andere Erklärung. Er beharrt bei der Behauptung, noch im Leibesleben zu sein und verlangt Beweise über Jesus. Joseph über den Geist der Liebe als einzigen Gotteszeugen. (Am 20. Juli 1850)

01 Spricht der Erzbischof Migatzi: Mein lieber guter Freund! Du kannst zwar reden, was du willst und magst und kannst - das macht mir nichts! Denn ich war keiner von jenen Pfaffen, die dir bei deinen kirchlichen Reinigungsarbeiten je irgend in den Weg getreten wären, obschon ich als Erzbischof und Kardinal zugleich es hätte tun können. Kurz, alles, was du mir hier gesagt hast, beleidigt mich nicht; aber daß du mich so gewisserart eines Attentats aus deine Person beschuldigst, das ärgert mich. Denn ich meine, daß ich wohl dein intimster Freund und, ganz im strengsten Inkognito, ebensogut ein Freimaurer war, wie du es warst, und daher auch wohl wußte, warum ich auf der Welt mit deinen Neuerungen einverstanden war. Ich erkläre es dir daher als ein allzeitig helldenkender Ehrenmann, daß du mit deinem Attentatsglauben rein auf dem Holzwege bist!

02 Sieh, das ganze Wesen deines Übels war fürs erste schon ein angeborener Organfehler, bestehend in einer Art Kopf-Skrofeln, die aber dir so lange gerade keine besondern Anstände machten, als du hinsichtlich der Venus dich mehr zurückhaltend benahmst. Als du aber dieser sehr zu huldigen angefangen hast und in letzter Zeit auch von einer gewissen Reizendsten so comme il faut angesteckt worden bist, da hat dein Kopfübel von diesem Gifte etwas eingesogen. Du achtetest die Sache zu wenig, und die Ärzte haben wie gewöhnlich das Übel nicht erkannt und dich ganz falsch behandelt; und so war es denn auch nicht anders möglich, als daß du am Ende ein Opfer deines Übels werden mußtest. Also du selbst und niemand anders war schuld an deinem entweder eingetretenen Irrsinne oder, so du schon gestorben sein willst, an deines Leibes Tode! Beschuldige also fortan die Kirche nicht mehr! Denn sie ist ganz unschuldig an deinem Übel, das dich so oder so zugrunde gerichtet hätte.

03 Mir wäre es im höchsten Grade angenehm gewesen, wenn wir noch viele Jahre miteinander Österreichs Völker hätten leiten können. Aber ein Fatum hat es so gewollt, daß du und ich samt dir vom großen Schauplatze unseres Wirkens haben abtreten müssen. Wir können die Gesetze der Unendlichkeit und ihrer Zeiten nicht verändern, und so sind wir beide entweder, wie du behauptest, gestorben, oder, nach meinem richtigeren Dafürhalten, pensioniert und in eine geheime Irrenanstalt gebracht worden, aus der wir im strengsten Inkognito alle Jahre ein paar Male ins Freie hinaus einen Spaziergang machen und allda etwas genießen dürfen. - Joseph, sei gescheit, und halte diese Juden doch nicht für mehr als sie sind! Sollte dies aber wirklich die Geisterwelt sein und auch an Christo etwas gelegen sein - so wird sich dieser gegenüber einem Kaiser und einem Kardinale doch anders präsentieren als wie ein gemeinster Binkeljude? - Was für Beweise hast denn du für deine Behauptung? - Christus, ein Binkeljude! Aber ich bitte dich!"

04 Spricht Joseph: "Aber ich bitte dich auch, dich eben in der allerhöchsten, persönlichen Gegenwart Jesu, des Herrn, ein wenig anders zu benehmen, sonst wird es mit deiner Kardinalschaft bald aus sein! Die Geduld des Herrn muß zwar unergründlich groß sein, daß Er so gelassen solch einen Unsinn, wie er zwischen uns beiden zum Vorscheine kommt, anhören mag und kann. Aber ob sie gerade ohne alle Grenzen ist, das möchte ich wohl äußerst stark bezweifeln. Denn so oft Menschen und Geister zu lange, zu grell und zu hartnäckig zu sündigen anfangen und von ihren törichten Bosheiten sich nimmer abwenden wollen, dann, glaube ich, wird Er solche Späße Sich nicht gar zu lange gefallen lassen. Hätte z.B. ich selbst auf der Erde den Anreizungen der Venus ein paar Jahre früher schon kein Gehör gegeben, als der gute himmlische Vater mich durch allerlei Vorkommnisse meines Lebens davor wohl zu österen Malen deutlich hatte mahnen lassen - so hätte ich vielleicht trotz aller Nachstellungen meiner Feinde um etliche zehn bis zwanzig Jahre länger leben und die Völker im Namen Gottes bestens regieren können. Aber da ich diese heilsamsten Mahnungen des Herrn nur zu leicht in den Wind schlug, so ist dem Herrn über mich die Geduld nur so um ein ganz geringes ausgegangen, und ich mußte ohne Gnade und Pardon dem Leibe nach ins Gras beißen, und das schmerzlich und bitter genug. Also, Freund, setze die Geduld des Herrn nicht auf eine zu lange Probe! Verstehst Du!?"

05 Sagt der Erzbischof Migatzi: "Aber lieber Freund, das mag ja alles sein, aber bevor ich mich vor ihm als Christo dem Herrn gehörig zusammennehmen kann, muß ich ja doch erst einsehen, daß er es wirklich ist! Was nützt mir dein Reden? Beweise mir zuvor, daß er es wirklich ist, dann werde ich gleich anders zu denken und zu reden anfangen. Ich habe dich ja nur um den Beweis gebeten; nicht aber, daß ich von dir erführe, wie kurz oder wie lang etwa die Geduld des Herrn ist. - Gebe mir Beweise, und es soll sich dann zeigen, ob ich da auch noch so dumm in den Tag hinein reden werde, wie nun."

06 Spricht Joseph: "Solange es dir dein eigenes Herz durch den Geist der Liebe nicht sagen wird: Dieser ist es! - so lange nützen dir auch alle Beweise nichts! Wird es dir aber dein Herz sagen: Dieser ist es - dann bedarfst du auch keines andern Beweises. Denn wer Jesum erkennen will, der muß Ihn lieben. Wer aber Jesum liebt, der hat Ihn auch lebendig in sich, und das ist eben der alleinige Beweis, durch den jedermann Christum am ersten und am ungezweifeltsten erkennen kann und muß. - Liebe Christum in diesem dir so sehr gering vorkommenden Juden zuvor aus allen deinen Lebenskräften, und es wird sich dann zeigen, ob hinter diesem Juden bloß ein Jude oder vielleicht denn doch etwas mehr steckt."

07 Sagt der Erzbischof Migatzi: "Du bist aber doch ein närrischer Kauz! Wie kann denn ich in diesem Juden Christum zu lieben anfangen, bevor ich es weiß, daß er es wirklich ist!? Hieße denn das nicht die Gottheit Christi, so er schon wirklich also Gott ist, wie es die alte Myhthe uns überliefert, tiefst herabsetzen und entheiligen, so man gleich ohne alles weitere Forschen und Denken in jedem nächst-besten Juden Christum den Herrn zu lieben und zu verehren anfinge?! Christum unter jenen Gestalten des Brotes und Weines zu lieben, zu verehren und anzubeten, das tut sich, da Er Selbst diese Gestalten an Seiner Stelle als gleichwertig eingesetzt hat. Aber Christum in einem ganz gewöhnlichen Menschen und Juden noch dazu zu lieben, zu verehren und anzubeten, das Freund, hieße mit der Liebe zu Christo wahrhaftigst Schindluder treiben! Das werde ich wenigstens nicht tun! Denn ist Christus entweder bloß nur eine fromme Volksfabel, so ist das eine wie das andere eine Dummheit. Ist aber Christus im Ernste das, was uns die Mythe von ihm überliefert hat, so wäre ein Nachkommen deiner Aufforderung doch offenbar die gräßlichste Gotteslästerung, die mit der untersten Hölle bestraft werden müßte."

08 Spricht Joseph: "So!? - Wäre nicht übel! - Was lehrt denn Christus Selbst? Sieh, du echter Pharisäer Roms, Er sagt: »So aber jemand ein armes Kind oder einen armen Bruder aufnimmt in Meinem Namen, wahrlich, Ich sage es euch, der nimmt Mich auf. Wer aber Mich aufnimmt, der nimmt auch Den auf, der Mich gesandt hat!« - So aber also der Herr Selbst Sich mit unsern armen Brüdern gleichstellt, was sollten denn hernach wir eines andern Sinnes sein?! Ich sage es dir, nichts als unser Hochmut ist es, der einen allerglänzendsten und allergrößt-erhabenen Gott sich einbildet und Christum in einer niedrigeren Bekleidung fahren läßt, weil des Menschen hochmütige Seele nichts niederes und demütig Aussehendes ertragen kann! Der Hochmütige nur wünscht sich einen Gott mit Krone und Zepter; der Demütige aber also, daß auch Er sich's getrauen könnte, die Augen zu seinem freundlich und mehr ihm gleich aussehenden Gott zu erheben und zu sagen: »O Herr! Wohl kommst Du im Kleide der herzlichsten Demut zu mir armem Sünder; aber dennoch bin ich ewig nicht wert, meine Augen zu Dir emporzuheben.« - Was meinst du wohl, welcher von beiden dürfte Christo dem Herrn der bei weitem Angenehmere sein?"

222. Kapitel: Selbstgespräch und stille Beichte Migatzis. Er ersieht sein Nichts, möchte sich zum Herrn bekennen, fürchtet aber seine Amtsgenossen. Kaiser Joseph, in treuer Bruderliebe, hilft ihm zurecht.

01 Sagt der Erzbischof Migatzi: "Warte ein wenig, da muß ich ein wenig nachdenken, um dir eine würdige Antwort geben zu können!" - Hieraus legt der Erzbischof drei Finger der rechten Hand auf seine Stirne, reibt diese recht tüchtig auf und ab und hin und her und sagt in sich zu sich selbst: "Bei meinem armseligsten Leben, dieser Joseph ist am Ende orthodoxer als ich, der ich doch ein Erzbischof und Kardinal zugleich bin! Und so ich mich nicht genierte, wäre ich beinahe genötigt, anzunehmen, was er mir von diesem Juden vorsagte. Wenn ich allein wäre, so wäre es auch schon geschehen. Aber meine sehr zahlreichen Kollegen, die hier mit mir diesen Vatikan bewohnen, würden über mich ja alle Teufel aus der Hölle heraufbeschwören, wenn ich so was täte. Hm, hm, hm! Wenn ich nur wüßte, was da des Rechtens zu machen wäre! Meine Kollegen, die ohnehin immer einen Spitz auf mich haben, bewachen mich mit Argusaugen und behorchen mich mit Midasohren. Ich dürfte nur eine Miene machen, mich an diese Gesellschaft anzuschließen, so würden die Kerls sogleich also über mich herfallen, wie die hungrigsten Hunde über einen schweißenden Hasen. - O Joseph, du hast ganz recht in allem, was du über Rom gesagt! Es ist also und nicht anders, das weiß ich am besten! Aber was kann einer machen, der eben auch zu ihrem Gremium (Körperschaft, Gemeinschaft) gehört?

02 Man muß dem Volke einen großartigen blauen Dunst vor die Augen machen, Handlungen verrichten, die einem zum Speien fade und dumm sind, und dem Volke etwas glauben machen, was man selbst doch um alle Schätze der Welt nicht glauben könnte. Man nuß sich ferner mit einem gottähnlichen Nimbus umgeben, während man im Grunde bei weitem unter dem Werte eines Schweinehalters steht. Denn was ist man denn als ein Erzbischof und Kardinal?! Nichts, gar nichts! Man kann nichts, man weiß fast nichts mehr von all dem, was man in den Studien gelernt hat. Und auf der erzbischöflichen Höhe lernt man auch nichts mehr als höchstens seine Finanzen in der sehr interessierten Ordnung zu erhalten und sein hochkirchliches Regiment mit einer alles zermalmenden Hochwürde zu versehen und die Hölle stets offener zu halten als den Himmel. Das ist das hohe Amt eines Erzbischofs! Man stellt einen Apostelissimus (Oberapostel) vor, dem vor dem blinden Volke schon sozusagen die Gottheit Selbst gehorchen müsse, und ist aber in und bei sich selbst in re vera (in Wahrheit) im Grunde des Grundes gar nichts, ja ein diplomiertes Nichts, das vor allem Volke in den höchsten, gottähnlichen Ehren dasteht, vor sich selbst sich aber doch offenbar insgeheim ärger schämen muß als ein Bettpisser, indem man sich doch bei nur irgendeinem Gewissen alle Tage hundert Male ins Ohr raunen muß: ,Du bist nichts! Denn das was du vorstellst, ist an und für sich nichts! Ohne Schuster und Schneider könnten die Menschen schwer bestehen, aber ohne einen Erzbischof unendlich leicht!' Das ist eine unbestreitbare Wahrheit; aber wer dürfte es wagen, sie offen auszusprechen?! Darin liegt eben der große Höllenhund begraben, daß selbst des redlichsten Priesters Mühe dahin gerichtet sein muß, das Nichts als ungeheuer Großes aufrecht zu erhalten und es stets für großes Geld an das dumme Volk zu verkaufen! Wahrlich, ein schönes Geschäft für einen Ehrenmann!

03 O Joseph, du hast recht! Aber ich darf dir nicht recht geben! Denn gebe ich dir recht, so werden sie über mich herfallen von allen Seiten und Winkeln und mir den Mund gehörig zu stopfen verstehen. Hm, hm, hm, wenn ich nur wüßte, wie ich mich aus den Schlingen dieser meiner Lauskollegen losmachen könnte! Mit dem größten Vergnügen täte ich's. Nicht nur diesen recht ehrlich aussehenden Juden, der, neben Joseph stehend, sich mit einem Mann und einem Weibe bespricht, sondern einen jeden Schusterjungen möchte ich als einen Halbgott mir gegenüber verehren und anbeten, der ich im Grunde gar nichts bin. Aber meine allerfinstersten und bösesten Kollegen! O Gott, wie würde mir's da ergehen?! - Ich weiß, mein lieber Freund Joseph, so gut wie du, daß ich dem Leibe nach gestorben bin und mich schon bei sechzig Jahren und vielleicht schon darüber hier in der Geisterwelt befinde, obschon ich auf der Welt nicht daran geglaubt habe, daß so etwas möglich wäre. Aber wehe mir, wenn ich vor meinen Kollegen so etwas fallen ließe! Ich glaube, die Kerls würden mich vor Wut und Grimm in Stücke zerreißen, weil sie noch immer in der vollen Idee leben, daß sie noch Erzbischöfe und Kardinäle auf der Erde sind.

04 O Joseph, helfe mir von meinen Kollegen, und du sollst deinen Migatzi gleich in einem andern Lichte erblicken! - Migatzi war in seinem Herzen nie ein Freund Roms, mußte aber äußerlich tun, als wäre er es. Auch du, guter Joseph, kanntest deinen Migatzi nicht. Aber dein Migatzi kannte dich und bot dir auch stets, so viel es möglich war, die hilfreiche Hand. Aber es ist traurig, daß ich mit dir anders reden muß, als ich denke und so ganz eigentlich mit dir reden möchte. Du kennest Rom wohl; aber ich kenne es besser. Du kennst nur, was du gesehen und gehört hast; aber ich kenne den Grund, auf dem Rom steht; den kannst du nicht kennen - und siehe, eben darin liegt der große Höllenhund begraben. Solange über den nicht ein Herkules kommt und ihn um seine Köpfe kürzer macht, wird es nie vollends Tag auf der lieben Erde werden!"

05 Aus dies Selbstgespräch macht der Erzbischof einen Seufzer und sagt zu Joseph: "Lieber Freund, ich habe dich auf eine würdige Antwort ein wenig zu warten geheißen. Du hast darauf auch ganz geduldig gewartet. Aber ich kann dir dennoch trotz all meines Denkens keine Antwort geben. Denn es gibt Dinge zwischen dem Monde und der Sonne, von denen sich noch keine menschliche Weisheit etwas hat träumen lassen. Ich hoffe, du wirst mich verstehen!?"

06 Sagt Joseph: "Ja, ja, ich verstehe dich, und in diesen Räumen gibt es noch eine große Menge Erzpfaffen, vor denen du eine unsägliche Furcht hast, die aber ebenso eitel und leer ist wie deine erzbischöfliche Hochwürde. Siehe, der Herr hat mir das Ohr meines Herzens aufgetan und ich vernahm deine Gedankenrede, weshalb du mir nun denn auch keine Antwort mehr zu geben brauchst, da ich die Antwort schon habe. - Von nun an aber bist du auch ganz mein liebster Freund, und der Herr hier wird das an dir gutmachen, was dir noch fehlet. Lasse aber ab von der törichten Furcht vor deinen finstern Kollegen. Sie werden dir nichts tun; dafür stehe ich dir! Ihretwegen sind wir auch nicht hierher gekommen, sondern deinetwegen, weil ich dich kenne. Bist du unser, dann sind wir hier auch schon fertig! - Wende dich aber nun an den Herrn! Er wird dich mit einem Worte ganz gesund machen! - Gehe und tue das!"

07 Spricht der Erzbischof: "Lieber Freund Joseph! Du weißt, daß ich mit dir in allem, was du als recht, gut und wahr erkennst, in meinem Innersten vollkommen einverstanden bin; nur mit dem, daß dieser dein sonst überaus bieder aussehender Abrahamssohn - Jesus, der göttliche Meister aus Nazareth sei, kann ich mich noch nicht ganz einverstehen! Jesus, der Herr, sollte denn doch etwas von der Herrlichkeit Seines himmlischen Vaters durchblicken lassen. Aber bei diesem da schaut doch ebensowenig irgend etwas Göttliches heraus wie bei sonst einem ganz gewöhnlichen Menschen!

08 Aber sei ihm nun, wie ihm wolle, Christus, der Gesalbte Gottes, der wahre Hohe-Priester in Ewigkeit, ist die Liebe Gottes zu den Menschen. So Er mir armem Sünder vor Ihm die Liebe erweisen wird, so ist Er dann aber auch um alles, was du haben willst, mein Christus und mein Heiland in Ewigkeit, und wäre er auch im Gewande eines Schusterjungen vor mir! Erweist Er mir aber keine Liebe und wird Er mit mir verfahren wie ein römischer Pfaffe, dann gebe ich michts für Ihn.

09 Leider war ich selbst auch ein römischer Hoch-Pfaffe und mußte auch von der alleinseligmachenden Kirche predigen und alles verdammen, was nicht vor der Tiara die Knie beugte. Aber gottlob, wie du immer sagst, mir war es bei solchen Verdammungen wohl ebensowenig Ernst als wie bei einem Vater, der auch zu seinen Kindern äußerlich hindonnert: »Wenn ihr nicht brav sein werdet, so werde ich den schwarzen Juden kommen lassen; der wird euch mit Ketten binden und euch in einen finstern Wald bringen und daselbst umbringen!« - So ungefähr war es mir bei solch einer Verdammungspredigt zumute. Denn fürs erste glaubte ich doch mein ganzes Leben hindurch nie an ein Fegfeuer und noch weniger an eine Hölle, weil ich weder das eine und noch weniger das andere mit der göttlichen Liebe und Weisheit in Übereinstimmung bringen konnte. Und fürs zweite liebte ich die Menschen zu sehr, als daß es mir je Ernst sein konnte, auch den bösesten von ihnen auf ewig zu verdammen.

10 Denn auch der Böseste kann nur eine gewisse Zeit hindurch böse sein und besaß (im Anfang) höchst wahrscheinlich ein solches Naturell, nicht anders handeln zu können. Wird ein solcher Bösewicht nach genauer Durchsuchung seiner Natur, seiner Erziehung, der Handlungsbeweggründe, der Umstände, in denen er sich befand, entweder auf der Erde schon oder nach dem Abfalle des Fleisches hier, im Reiche der Geister, zu einer zweckmäßigen Strafe zeitlich auf so lange verurteilt, bis er sich völlig bessert - dann ist eine Strafe gut und gerecht. Aber eine ewige Strafe für ein zeitliches Vergehen kann doch unmöglich je angenommen und noch viel weniger von der höchsten Weisheit und Liebe Gottes angeordnet sein! Denn so etwas ziemete wohl einem Erztyrannen, aber einem Gott der Liebe ewig nimmer!

11 Du siehst hieraus, daß ich in mir durchaus kein eigentlicher Pfaffe war; denn davor bewahrten mich meine durch und durch menschenfreundlichen Grundsätze. Finde ich nun Christum, wie Er ist und nicht wie Ihn Rom predigt, so ist Er (mir) Christus auch im Gewande eines Schusterjungen. Ist Er aber Christus nach römischer Art, dann sei uns gnädig und barmherzig, wer da wolle! Denn dann ist unser Los entschieden - die ewig lichterloh brennende Hölle, aus der natürlich ewig kein Ausweg mehr zugelassen wird! Guten Appetit, wem solch eine Gerechtigkeitskost schmeckt! Ich für meinen Teil halte ewig nichts davon und wünsche mit dem vollsten Ernste aller Geisterwelt mit solch einem Christus ewig nicht zusammenzukommen; denn der kann mir, wie die lustigen Wiener sagen, mit Haut und Haaren gestohlen werden."

12 Sagt Joseph: "Bin ganz deiner Ansicht und deines Verlangens! Aber bei eben diesem Christus hier wirst du das finden, was du finden willst - einen Herrn, der dir wie uns allen völlig ans Herz gewachsen ist! Kurz, einen weiseren und besseren Christus kannst du dir in Ewigkeit nicht denken und noch viel weniger wünschen, als wie dieser allein wahre und einzige es ist! - Daß aber auch ich keinen rachesüchtigen Strafegott mir je habe denken können, sondern nur einen weisen und milden Vater voll ernster Liebe, beweist ja mein mildes Strafgesetz, da ich die entsetzliche Todestrafe gänzlich aufhob und selbst die gröbsten Verbrecher nur mit solchen Strafen belegte, durch die sie wieder zu Menschen werden konnten. Die Todesstrafe ließ ich bloß im Anfange an ein paar gar zu teuflisch-mutwilligen, allergräßlichst bösen Verbrechern vollführen. Der eine hatte sein Weib oder seine Geliebte, was sie sein mochte, bloß aus Mutwillen bei lebendigem Leibe zerstückelt und die Leibesteile dann zur nächtlichen Weile auf den Gassen herumgestreut. Und der andere war ein Herzblutsauger, ein Vampyr in optima forma. Bei diesen beiden mußte ein Beispiel statuiert werden. Und dennoch gereuete es mich nachderhand. Hätte ich sie zum Galeerenzuge gegeben, so hätten sie vielleicht auch noch zu Menschen umgewandelt werden können. Aber nicht so sehr ich, als vielnmehr das Volk verlangte die Hinrichtung dieser Ungeheuer, und so dachte ich: Vox populi, vox dei (Die Stimme des Volkes ist Gottes Stimme.) und ließ sie exemplarisch (zum abschreckenden Beispiel) töten. Ob ich da völlig recht gehandelt habe, weiß ich kaum. Aber das weiß ich, daß ich dabei durchaus keinen argen und rachesüchtigen Willen hatte. Du siehst also hieraus - ".

13 Hier unterbricht der Erzbischof den Joseph und sagt: "Ja, ja, ja, ich sehe, daß du ein vollkommen edler Regent warst und ein echter Mensch nach dem Willen Gottes! Und so nehme ich denn auch diesen deinen Freund als Christum an, und möge mir nun schon geschehen, was da nur immer wolle! Meine Kollegen werden nun bald ein Zetergeschrei erheben und wie die Teufel über mich herfallen. Aber Migatzi wird bleiben bei dem, was er nun angenommen hat! - Ich höre, sie schon kommen! Nun, das wird eine saubere Mette werden!"

223. Kapitel: Migatzis Amtsbrüder. Der eselhafte Präsident. Migatzis feuriges Bekenntnis zu Jesus. Jesu Urteil über das Papsttum. Antwort der Bischöfe.

01 Es stürzen nun auf einmal bei hundert skelettartige Wesen in sehr zerfetzten Vespermänteln und zerquetschten Bischofsmützen aus allen Winkeln hervor, erheben in größter Aufregung ein Zetergeschrei; und einer, mit einem mehr einem Esel als einem Menschen ähnlichen Gesichte, der ihr Präsident ist, tut sich besonders hervor. Er ist zwar der dümmste von allen, aber das macht dort nichts. Denn sie ernennen deshalb immer den Dümmsten, damit sie selbst desto unumschränkter tun können, was sie wollen - wie es auch bei der Wahl der Päpste noch stets der Fall war, wo die pfiffigen Kardinäle sich auch allzeit den schwächsten und borniertesten Ultramontanisten herausgestochen haben. - Also solch einer springt hastig zu Migatzi hin, macht ein ernstes Gesicht, das aber in solch einer Position erst recht am allerdümmsten auszusehen anfängt, so daß darob die ganze andere Gesellschaft (d.h. die Gesellschaft des Herrn) in ein helles Lachen ausbricht. Als der hervortretende Präsident dies ersieht, wird sein Gesicht noch ernster und daher auch noch lächerlich dümmer anzusehen, so daß die Gesellschaft des Herrn wirklich aus vollem Halse zu lachen anfängt.

02 Aber nun ist es völlig aus beim Präsidenten. Er reißt das Maul gut eine halbe Spanne weit auf und strengt sich an, einen so recht römisch-apostolisch kräftigen Fluch herauszustoßen. Aber Ich mache ihm einen kleinen Strich durch die Rechnung. Und der Herr Präsident bringt nichts als ein sehr heißer knurrendes "J-a, J-a, J-a" heraus. - Helena und Robert ersticken fast vor Lachen. Sogar Petrus, Paulus und Johannes können sich des Lachens nicht ganz enthalten. Die Monarchen lachen auch über Hals und Kopf. Und Joseph macht die Bemerkung, daß ihm sein ganzes Leben hindurch nie eine lächerlichere Visage (Fratze) untergekommen sei, als die dieses zornvollen Präsidenten.

03 Auch Robert sagt zu Mir: "Herr, ich begreife nur das nicht, wie ich mich beim Eintritt in diese Gruft gar so scheußlich habe fürchtem können! Und nun muß ich fast zum Zerbersten lachen über diese unendlich dumme Physiognomie und über das ganz vollkommen allerechteste Eselsgeplärr! Das ist aber in der Entsprechung auch so höchst wahr bezeichnend, daß man sich schon nichts Treffenderes vorstellen kann! Wie mächtig hat Rom geschrien vor Grimm und Wut zu Luthers Zeiten, und wie mächtig schreit es nun den Rongeanern (Anhänger Ronges, des Begründers einer von Rom unabhängigen "neukatholischen" Richtung.) gegenüber! Aber das Geschrei ist immer gleichfort nichts als das ganz unveränderte Eselsgeplärr und dieser Präsident, ein so gelungenes und getreuestes Bild des Papsttums, wie man sich nichts Gelungeneres und Getreueres vorstellen könnte!"

04 Sage Ich: "Das wird auch der Erfolg der gegenwärtigen Mühe und des Eifers des Papsttums sein! Die Menschen werden die Diener weidlichst zu belachen anfangen, und je mehr sich diese ärgern, desto mehr werden sie verlacht werden, bis sie am Ende ihr eigener Grimm verzehren wird. Was du hier siehst im kleinen, das wird auf der Erde geschehen im großen! Die Diener Bileams werden alles aufbieten, werden Wundermagie treiben und schreien und plärren wie dieser hier - das Volk aber wird sich erbauen, wie diese unsere Gesellschaft nun hier im Angesichte dieses »J-a« plärrenden Esels. Und diese Demütigung wird das beste Heilmittel für diese Narren sein.

05 Aber du wirst es nun auch bald sehen, warum du dich ehedem gar so gefürchtet hast. Es wird nun bald das Innere dieser Pfaffen heraustreten, und du wirst dich hoch erstaunen über die Trugkünste, die dir diese Wesen produzieren werden. - Ich aber werde die Gesellschaft dahin beleben, daß sie sich gegenüber solchen Trugkünsten wie ein mutwilliges Publikum in einer schlechten, mißlungenen Komödie benehmen wird. Und das wird von gutem Erfolge sein."

06 Hier tritt Migatzi vor Mich hin und sagt: "Herr Jesus, Du bist es wahrhaftig! Nun erst erkenne ich Dich vollkommen! Ehre sei Dir alleine ewig!" - Ich aber fasse ihn bei der Hand und sage: "Bruder, werde vollkommen!" - Und Migatzi bekommt sogleich ein recht gutes und gesundes Aussehen.

07 Als Migatzi sich nun also in einem bessern Aussehen befindet, da wird es ihm auch überaus wohl. Er fühlt sich ganz leicht und gestärkt, und heller und heller wird sein Auge. Nur das Gewand bleibt noch dasselbe sehr zerlumpte erzbischöfliche, was ihn sichtlich stets mehr und mehr stört. Er beschaut sich und sagt nach einer Weile zu Mir von der innigsten Liebe und des festesten Vertrauens: "Herr Jesus, Du wahrhaftigster Gott und ewiger Sohn Deines ewigen Vaters! Da Du mir schon ohne alle Verdienste um Deine Ehre und um Deinen allerheiligsten Namen so gnädig bist und hast mich erlöst auf diesem wahrhaftigen Pfuhle des Verderbens, so erlöse mich auch von dem Reste, der einen widerlichen Anblick meinen Augen und einen ekeligen Geruch meinen Nüstern bereitet! Siehe, dies mich im höchsten Grade anwidernde Gewand, ein Gewand des Hochmutes und des Truges - befreie mich davon und gib mir dafür ein allergemeinstes Bettlergewand und ich werde mich darinnen ganz selig fühlen!".

08 Sage Ich: "Sieh, mein lieber Bruder, dies Gewand ist ein Gewand des Hochmuts und des Trugs zwar gewesen für den, der es hochmütig und übellüstig trug; du aber hast es nicht in dieser Art getragen, sondern nur des vorgeschriebenen Ritus wegen, weil es die römisch-kirchliche Regel also vorschreibt. Und so war es für dich ein wahres Ehrenkleid und somit nicht verächtlich, wie du es meinst.

09 Denn sieh, gar alles ist nicht schlecht an der Römerin! Nur das ist ein Greuel, so sie des irdischen Mammons wegen Mittel ergreift, die rein höllischer Natur sind - als da sind: falsche Wunder, falsche Heilmittel, Ablässe, Reliquien und Bilderdienst, Amuletts, frömmlich klingende Zaubersprüche, allerlei blinde Zeremonien, Gnadenwallfahrtsorte, Kirchenschätze bloß für leeren kirchlichen Luxus, hohe Ämter und Ehrenstellen, die ausgedehnteste Herrschsucht und die hartnäckigste Alleinrechthaberei. Ich will von ihren Meßopfern nichts sagen, nichts von ihrer Ohrenbeichte, nichts von ihren Tempeln, Glocken und Orgeln, nichts von würdigen Kunstwerken, nichts von der Heilighaltung ihrer Bethäuser und nichts von den pomphaften Begräbniszeremonien für die Verstorbenen; denn dies alles im reinen Sinne würdig benützt ist eben nicht untauglich, das menschliche Gemüt zu erheben und zu veredeln. Aber daß die Römerin diese an und für sich reinen Dinge dazu gebraucht, das menschliche Herz zu verdummen und blind glauben zu machen, daß man durch den sorgfältigen Gebrauch alles dessen zum Leben in den Himmeln und nur durch sie zu Meiner Gnade gelangen könne - das ist schlecht! Denn dadurch werde Ich bei den Kindern als Vater zu einem Tyrannen gemacht, den die Dummheit wohl fürchtet, aber nie liebt. Die Verständigen und Gelehrten und Weltläufigen aber fangen dann an, Meiner sich zu schämen und wollen oft von einem solchen Erlöser, wie Ihn die Römerin schildert, nichts mehr hören und wissen und verwerfen so dann das Kind samt dem Bade. Und siehe, das bewirkt die römische Kirche durch ihre eigenmächtigen Lehren, Satzungen, Zugeständnisse und Privilegien, die sie als von Mir empfangen vorgibt, und durch allerlei geduldeten und gepredigten Aberglauben. Und das ist es aber auch, wodurch sie selbst sich zugrunde richtet und eigentlich schon zugrunde gerichtet ist.

10 Das alles aber liegt nicht am Kleide, sondern am gewaltigen Mißbrauche desselben! Daher behalte du nur unterdessen dein Gewand! - So wir bald von diesem Wien uns hinwegbegeben und unterwegs noch einem Orte geistig einen kleinen Besuch abgestattet haben werden, da wird sich dein Kleid schon in ein anderes umgestalten!" Damit gibt sich Migatzi auch ganz zufrieden und dankt Mir sehr über diese ihn über alle Maßen tröstende Belehrung.

11 Zugleich aber ertönt aus den finstern Winkeln ein gellend Geschrei: "Hinaus mit diesen Ketzern, mit diesen Gottesleugnern, mit diesen Vermaledeiten in Ewigkeit!" - Migatzi fällt in eine förmliche Ohnmacht und sagt ganz bebend: "Aber, o Herr, um Deines allerheiligsten Namens willen, kannst du das anhören, ohne sie alle mit Feuer und Schwefel zu vernichten?! - O um Deines allerheiligsten Namens willen - was wird daraus werden!?"

12 Sage Ich: "Gar nichts! Denn sieh, Ich bin ja nicht wie ein Mensch, der gleich alles mit Feuer und Schwert verheeren möchte, so ihm etwas in die Quere kommt. - Was für Menschen und Geister trägt die Erde?! Und dennoch lasse ich täglich die Sonne auf- und niedergehen und beleuchten und erwärmen die Erde an allen ihren Punkten nach dem Maße der natürlichen Notwendigkeit! - Siehe, in der Geduld und Liebe liegt die größte Kraft! Wer diese nie aus den Augen läßt, wird große Dinge erreichen! - Und so müssen denn auch wir Geduld und Liebe haben mit allem, was schwach ist, so wird unsere Mühe stets der beste Erfolg lohnen! - Lassen wir sie schreien! Sie werden schon aufhören, so sie genug sich ausgeschrien haben. - Und somit keine Furcht und keinen Ärger mehr!"

13 In diesem Augenblick, als Ich das letzte Wort dem Migatzi sage, fängt es im Hintergrund zu blitzen und ganz gewaltig zu donnern an. Glühende Riesenschlangen beginnen aus verschiedenen Winkeln hervorzukriechen und wütende Krümmungen zu machen. Feurige Totengerippe klappern und Nachteulen und Fledermäuse fehlen nicht. Und im Hintergrunde ist ein gräßlichst aussehender riesiger Rachen mit furchtbar großen und nahezu weißglühenden Hauzähnen zu erschauen. Aus dem Rachen schlagen fortwährend Rauch und Flammen empor. Und auf der Stirne dieses Höllendrachen stehet es mit rotglühender Schrift geschrieben: "Ich bin der ewige Höllendrache, zu verschlingen alle frechen Ketzer! Alle Lutheraner, alle Calviner, alle Melanchthoniten, alle Hussiten, alle nicht-unierten Griechen, alle Herrnhuter, alle Quäker, alle Mährischen Brüder, alle verfluchten Freimaurer und andere ketzerischen Pietisten, alle fluchwürdigen Puritaner und Anglikaner, sowie auch alle Sophisten und Gelehrten, die auf die römische, alleinseligmachende Kirche nichts halten und ihre heiligen fünf Gebote belachen und sich darüber lustig machen, dann alle Neukatholiken, Hegelianer und Straußianer, alle Mathematiker, Mechaniker und Astronomen werden von mir aus ewig gefressen!«

14 Über solche Inschrift geschieht schon eine gewaltige Lache. Und sogar die anfangs sehr furchtsame Helena fängt zu lachen an und sagt: "Diese Szene würde im Prater, und zwar im Affentheater, recht viel Aufsehen machen! - Aber der Stephansdom steht ja auf einem recht schönen Grund! - Nein, wenn ich davon auf der Welt aber nur eine schwache Ahnung gehabt hätte, so wäre ich doch, bei Deinem heiligsten Namen, die erste gewesen, die so einen Tempel mit einer brennenden Fackel heimgesucht hätte! Da schaue man einmal diese Kerls an, was die alles treiben, um arme und schwache Geister in ihre hab- und herrschsüchtigsten Netze zu treiben! - Ah, ah, da kommen sie nun in einer großen Schar in ihren erzbischöflichen Ornaten und eine große Menge Dienerschaft mit ihnen! - Was sie etwa nun tun werden!?" Sage Ich: "Sei ruhig, meine Tochter, und horch und sieh!"

224. Kapitel: Ohnmächtige Wut der römischen Kleriker. Ihre Unbarmherzigkeit, Habgier und Schwindelei. Donnerworte des 'Ketzerkaisers' vertreiben sie in ihre Winkel.

01 Hier weicht auch der vielbelachte J-a-Schreier von uns zurück. - Alle machen vor ihm eine tiefe Reverenz und sagen: "Allerhochwürdigster apostolischer Nuntius (Gesandter) des Heiligen Vaters aus Rom! Wie kannst du mit diesen Ketzern noch zaudern?! Verfluche sie und treibe sie alle in die Hölle ohne Gnad und Erbarmen!"

02 Sagt jener J-a-Schreier mit einer häßlich kreischenden Stimme: "Ich hab's ja schon getan, was ihr wollt und wonach ihr fraget; aber die Teufel sind euch ganz entsetlich hartnäckig und wollen nicht tun, was ich ihnen gebiete, sondern lachen mich obendrauf noch recht brav und tüchtig aus! - Oh, das sind harte Teufel!" - Auch vor unseren Blitzen und Donnern wie auch vor unserer Hölle haben sie keine Furcht, sondern schauen sich diese doch allerschrecklichsten Dinge so ganz gleichgültig an, als wenn gar nichts daran wäre! - Oh, oh, das sind schlimme, harte und unverbesserliche Teufel!

03 Und einen haben sie uns doch weggefischt! O du armer Teufel, wie bist du jetzt auf ewig verloren! Wenn du dich auch jetzt eine Zeitlang wehrest vor der Hölle, was dir nichts nützt, so wirst du aber mit der Zeit dennoch ohne Gnade und Barmherzigkeit samt diesen deinen Gesellen hinein müssen auf ewig! Ja, ja, hinein, hinein werden die alle müssen! Da ist keine Gnade und kein Erbarmen mehr!"

04 Hier tritt Kaiser Joseph vor und sagt: "Hört, meine Hochwürdigen! Wäre es denn nicht genug, so ihr uns bloß nur so auf einige Erdentage lang ins Fegfeuer werfen möchtet? Denn sehet, uns sogleich mir und dir nichts in die Hölle hineinverdammen, von der ewig kein Auskommen mehr sein soll, ist denn doch von euch allen zu hart! Habt daher Gnade und Erbarmen für uns! Bedenket doch, wie einem armen Teufel das höllische Feuer gar unbeschreiblich schreckliche Schmerzen bereitet! Es geht einer armen Seele im Fegfeuer zwar auch durchaus nicht gut, aber von da heraus ist doch eine Erlösung zu erhoffen. Aus der Hölle aber ewig keine! Darum erbarmet euch unser und befreiet uns von der Hölle!"

05 Schreien daraus alle: "Nichts da, ihr Vermaledeiten! Nur hinein mit euch in die Hölle, und das in die allerunterste, wo vor lauter Hitze der Diamant und das weiße Gold (Platin, härtestes Metall) schmilzt. Bei uns ist kein Erbarmen mehr für euch Teufel! Wir werden euch schon lehren, was es heißt, die heilige römische, alleinseligmachende Kirche verspotten und verlachen! Darum nur geschwind hinein mit euch allen!" - Spricht Joseph: "So wir für uns aber, sage ,zehntausend allerkräftigste sogenannte Hundert- Dukaten-Messen zahleten - saget, ginge da die Geschichte auch nicht mit der Höllenbefreiung?" - Schreien alle: "Das ist viel zuwenig, um von der Hölle befreit zu werden! Da müßtet ihr gerade zehnmal soviele Papstmessen lesen lassen! Da wäre vielleicht noch etwas zu machen! Aber wohlfeiler auch um keinen roten Heller! Denn das wissen wir, was es heißt, einen Teufel aus der Hölle zu erlösen!"

06 Spricht Joseph: "Was müßten denn unterdessen wir tun, bis die hunderttausend Hundert-Dukaten-Messen könnten gelesen werden? - Etwa hier verbleiben?" - Schreien wieder alle: "Dummer Teufel! Wenn ihr derweil da verbliebet und nicht in die Hölle hineinginget, wie könnten wir euch denn da aus der Hölle erlösen, wenn ihr nicht in der Höll wäret? Wenn ihr aus der Hölle erlöst werden wollt, so müßt ihr zuvor darin sein! - Zahlet also zuerst die hunderttausend kräftigsten Papstmessen und gehet dann geschwind in die Hölle - sonst könnt ihr nicht erlöst werden!"

07 Spricht Joseph: "Aber wie lange wird es denn hergehen, bis die hunderttausend Messen gelesen werden?" - Schreien die Erzbischöfe und die andern ihnen dienenden Pfaffen alle: "Von solchen allerheiligsten Messen können nur drei, und zwar unmittelbar vom Heiligen Vater selbst, in einem Jahre gelesen werden! Nur er allein hat da das ausschließende Recht und die Macht dazu. Jetzt rechnet es selber zusammen, wie lang es da hergehn kann! Unter dreißigtausend Jahren ist gar keine Rede! Denn die Hölle ist und bleibt Hölle! Wer einmal drinnen ist, der kommt nicht so leicht wieder heraus!"

08 Sagt Joseph: "Nun, nun, nun, jetzt bin ich schon im klaren mit euch und den hunderttausend Messen! Nur den Grund möchte ich noch wissen, warum denn gerade die drei Papstmessen von einer so ungeheueren Kraft sind!? Denn man sollte ja doch glauben, daß da, was die Würde und den Wert eines Messopfers betrifft, eine Messe so gut ist wie eine andere." - Sagt nun der frühere J-a Plärrpfaffe: "Das ist so - und das weiß nur ein Nuntius: Bei der Messenlesung durch die anderen Geistlichen, welcher Würde sie auch sein mögen, opfert sich nur allein der Gottsohn Seinem himmlischen Gottvater auf für die armen Seelen im Fegfeuer und für bußfertige Sünder auf Erden. Da ist in der Hostie nur Gottsohn ganz allein gegenwärtig. Bei der Papstmesse aber tritt die ganze allerheiligste Dreifaltigkeit in die Hostie, und darin liegt dann die ungeheure Kraft einer Papstmesse, bei welcher nur die Erzengel ministrieren dürfen, und zwar nur dann, wenn sie von der allerseligsten Jungfrau Maria zu diesem allerheiligsten Dienste auserkoren werden! - Also darin liegt es, und daher können in einem Jahre als eigentlich gültig nur drei solche Messen gelesen werden! - So ist es! Hat mich der Herr Kaiser verstanden?!"

09 Sagt Joseph: "Beinahe - aber doch noch nicht ganz! Und darum möchte ich denn auch noch das wissen, warum denn ein Papst nicht mehr als drei Messen lesen darf, und das eigentlich nicht ganz, da er eigentlich nicht selbst die Messe liest, sondern nur bei derselben, die entweder von einem Kardinal oder von einem kardinalisierten Erzbischofe gelesen wird, glorificaliter affistiere (der Verherrlichung wegen beiwohnt). - Das möchte ich noch so recht klar von dir erfahren!" - Sagt der Nuntius: "Ist aber das eine verfluchte ketzerische Frage! Aus der Welt könnte ich Ihm darauf gar keine Antwort geben! Aber hier, wo Er schon ohnehin mit Haut und Haaren dem Teufel zugehört und sich im nächsten Augenblick in der Hölle befinden wird, da kann Ihm so was schon gesagt werden, damit Er dadurch desto tiefer in die Hölle kommen kann. Und so merke sich der Herr Kaiser! - Der Papst kann deswegen nicht mehr als drei Messen lesen, weil dadurch die allerheiligste Dreifaltigkeit als lebendig für alle Zeiten der Zeiten auf der Erde in der alleinseligmachenden Kirche dargestellt und erhalten wird. Daß aber der Papst nicht ganz unmittelbar selbst die allerheiligste Dreifaltigkeits-Messe liest, sondern dabei pontifiziert, glorisiziert und assistiert, kommt daher, weil er ein Knecht der Knechte Gottes und der Stellvertreter Jesu Christi auf Erden ist, der allen dient und sich nicht darf bedienen lassen. So ist die Sache! - Jetzt wird Er's doch verstehen!?"

10 Sagt Joseph: "Ja, jetzt bin ich im klaren und weiß nun vollkommen, was ich vom Papsttume zu halten habe!" - Sagt der Nuntius: "Nun, und was hält man denn nun vom Papste?" - Sagt Joseph: "Nichts anderes, als daß gerade er der vollkommene Antichrist ist und ihr alle seine getreuesten Helfershelfer seid! - Denn wäret ihr Christen, so wie es sich gebührt und nun auch gottlob ich einer bin, so würdet ihr Christum den Herrn, Der hier fest neben mir stehet, sicher sogleich erkannt haben. Aber da ihr in aller Fülle die vollendetsten Antichristen seid, so verdammet ihr uns samt Christum in die Hölle, während ihr selbst euch schon sehr lange mit Haut und Haaren darin befindet.

11 O ihr elenden Schurken! Ihr habt Christum, der als die ewige, reine Liebe, als Gott und Schöpfer in die Welt, die Er gemacht hat, kam, um allen Blinden die Augen zu öffnen, nach eurem eigenen Urteile zu einem Teufel umgestaltet und habt Ihn, den Rechten, verflucht! Denn euer Christus, den ihr ehret und begehret, heißt Gold und Silber! Der wahre aber, der am Kreuze für alle Menschen blutend Seine göttlichen Arme ausgestreckt hat und allen Seinen Feinden vergab und den ewigen Vater in Ihm Selbst um Vergebung für sie bat - ist euch zum Ekel geworden derart, daß ihr, die ihr euch frechst und gewissenlosest Seine Diener nennt, alle, die Ihm und nicht euch anhangen, ohne alles Bedenken mordet, senget und brennet und am Ende noch in die unterste Hölle verdammet! O ihr Schlangen und Otterngezüchte! Welcher Teufel hat euch denn gezeuget?! - Wahrlich, wäre der Herr nicht von einer endlosen Geduld, Sanftmut und Liebe, welche Hölle gäbe es denn, die schlecht genug wäre, euch aufzunehmen!?

12 Ich will und darf euch kein Richter sein; der Herr tue euch nach euren schändlichen Verdiensten! Würde ich euch aber richten, wahrlich, ich sage es hier laut im Angesichte Gottes, ich würde über euern Nacken eine Züchtigung verhängen, daß sich darüber die ganze Unendlichkeit Gottes verwundern sollte! - Bei Deinem allmächtigsten Namen, o Herr, Du kennst mich, ich habe allzeit alle Geduld und Nachsicht gehabt mit den Schwächen meiner mir untergebenen Brüder; aber bei dieser Brut der Hölle, bei diesem Auswurfe Deiner Schöpfung erschaudere ich, und alle meine Geduld und Nachsicht hat da ihr entschiedenes Ende gefunden!

13 Schon auf der Erde, wo sich diese Brut maskierte, wo sich diese reißenden Wehrwölfe in Schafspelze verkrochen und nur ganz im geheimen ihr schnödes Unwesen trieben, habe ich sie von einer Seite kennen gelernt, die ganz vollkommen der untersten Hölle glich. Ich habe selbst mit eigener Hand ein Kruzifix, das ums teure Geld Blut schwitzte, und ein anderes, das sich immer den Bart wachsen liß, zerstört. Denn es war doch zu heillos, zu sehen, wie diese besoldeten Knechte des Antichristen den armen blinden Menschen den letzten Kreuzer aus dem Sacke herauspreßten durch allerlei Lug und Trug! Ich tat dagegen mein Möglichstes. - Auf der Erde aber sah nach der Zurechtweisung doch bei manchem Pfaffen noch so ein Stückchen Mensch heraus, und man hatte mit ihm denn auch eine gerechte Geduld. Hier aber zeigt sich diese Brut in ihrer wahren Gestalt, ist gräßlich anzuschauen und noch gräßlicher anzuhören. - Herr, Dein Wille geschehe, aber meine Geduld ist da zu Ende!"

14 Sage Ich: "Mein Bruder, sei nur ruhig und ärgere dich nicht! Denn sieh, es muß alles so kommen, sonst wären Daniel und Jesajas ja Lügner. Diese haben von ihnen geweissagt, und ihre Weissagung muß erfüllt werden! In der Folge wirst du einsehen, warum alles dies also kam und kommen mußte! Nun aber gebe nur weiter acht, denn es wird nun gleich eine andere Szene zum Vorscheine kommen, von der du recht viel lernen wirst! Aber ärgern darfst du dich fürder nicht!"

15 Auf obige energische Rede Josephs haben sich die Pfaffen alle samt ihren unteren und viel minderen klerikalischen Helfershelfern in ihre Winkel zurückgezogen, um allda über die ihnen angetane Beleidigung sich zu beraten - mit welch einer ausführbaren Rache sie uns für den ihnen angetanen Frevel bedienen sollten und wie sie uns wirksam in ihre vermeintliche Hölle hineinbringen könnten.

225. Kapitel: Magische Maßnahmen der Kirchenhäupter. Jesus über Glaubenserweckung. Niederlagen als Arznei gegen Hochmut. Josephs Ärger muß sich Luft machen.

01 Nach einer Weile vernehmen wir Orgeltöne, und zwar die Melodie des sogenannten Tedeum laudamus. - Joseph fragt Mich, sagend: "Herr, Du bester, heiligster Vater, was soll denn das bedeuten? Welchen Gott loben denn diese Deine offenbarsten Widersacher? Denn von Dir kann da doch ewig keine Rede sein! Welchen Gott also haben sie denn?"

02 Sage Ich: "Ja du, Mein lieber Bruder, meinst denn du, daß sich die je um irgendeinen Gott bekümmert haben? Sieh, Gott ist ihnen etwas ganz Gleichgültiges. Dies Loblied gehört zu ihrer leeren Zeremonie und hat für sie als Sache selbst gar keinen Wert, außer daß es ihnen, so es nicht im gewöhnlichen Gottesdienst geschieht, Geld, und das nicht wenig, trägt. Hier aber soll es bloß als ein Schreckmittel Dienste tun, um uns als vermeinte Teufel in die Flucht zu treiben, da sie der Meinung sind, daß die Teufel überaus dumm seien und sich auch schon durch scheinbar frömmliche Dinge sogleich in die Flucht treiben lassen. Aus diese Dinge halten zwar die meisten Pfaffen bei sich selbst nichts; aber sie üben sie dennoch deshalb aus, um damit die Dummheit noch breiter zu machen, als sie ohnehin schon ist. Also das ist denn auch nun der Grund - daß wir bei solchen geweihten Tönen sogleich davonlaufen sollen!"

03 Sagt Joseph: "Nicht übel, nicht übel! Aber gibt es denn nichts, um diesen Kerlen einen so recht derben Schabernack entgegenzusenden, so daß sie vor Angst speien möchten? Vielleicht könnte so etwas diese Wesen auf andere Gesinnungen bringen."

04 Sage Ich: "Das darf aus zwei Hauptgründen nicht geschehen! Erstens, um sie nicht in ihrer Freiheit zu stören - da kein gebundener Geist mehr irgend etwas zu seiner Besserung leisten kann und an und für sich so gut wie tot ist, und zweitens könnte man diese Geister, die selbst an gar kein Wunder glauben, obschon sie das Volk durch lauter Wunder blenden möchten, auch durch ein noch so reines Wunderwerk nie zu irgendeinem Glauben bringen. Denn sie würden die großartigsten Wunder geradeso ansehen, als wie zu Meiner Zeit auf der Erde die Priester und Schriftgelehrten alle Meine Wundertaten aufgenommen und angesehen haben.

05 Siehe, bei Meinem Tode zerriß der Vorhang im Tempel von oben bis unten in zwei Teile; die Bundeslade verschwand und ward hernach nicht mehr irgendwo gesehen; Sonne und Mond verloren ihr Licht; die Gräber öffneten sich und die Verstorbenen kamen aus den Gräbern und verkündigten vielen Meine Ehre. Viele Heiden schlugen sich an die Brust und sagten: »Dies war wahrhaftig ein Gott!« und glaubten darauf fest an Meinen Namen. Aber die Priester und Schriftgelehrten wurden darauf nur noch härter und verfolgten mit aller Energie Meine Schüler und Meine Lehre. Mehr kann man denn doch nicht tun, als einen Lazarus, der bereits vier Tage im Grabe gemodert hatte, vom doch gewiß sichersten Leibestode erwecken und ihn frisch und gesund den Seinen wieder geben. Welchen Erfolg aber hat diese gewiß keinem Menschen mögliche Tat bei den Priestern, Pharisäern und Schriftgelehrten zuwege gebracht? Nichts anderes, als daß sie hernach desto energischer zu beraten anfingen, Mich aus der Welt zu schaffen! - Aus dem kannst du, Mein lieber Bruder, schon ersehen, wie wenig bei diesen Wesen, die noch zehnmal ärger sind als die jüdischen Priester, Schriftgelehrten und Pharisäer zu Jerusalem, ein wie immer geartetes Wunder wirken würde. - Eine gute, wahrheitsvolle Rede ist und bleibt noch immer das beste und allerunschuldigste Mittel, um solche Wesen auf einen bessern Weg zu bringen, obschon vorderhand bei diesen hier nicht viel zu erhoffen sein wird."

06 Sagt Joseph: "Ja, das ist gewiß und wahr, bei diesen wird sich wenig machen lassen! Neugierig aber bin ich doch, was die Kerls nun machen werden und womit sie zum Vorscheine kommen!" - Sage Ich: "Siehe nur dort hin, wo noch der Höllenrachen in künstlicher Glut sich befindet! Von dort aus wird nach plötzlicher Verwandlung dieser höllischen Spektakelszene die neue Prozedur beginnen! Aber nur mußt du dich nicht ärgern! Denn diese legen es geflissentlich darauf an, daß wir uns wohl recht in die Haut hinein ärgern sollen; und so wir uns darob wirklich ärgern würden, so würde das für sie gerade ein Triumph sein. Diesen aber ersparen wir ihnen, so wir uns auch nicht im geringsten ärgern und dafür den Ärger zu ihnen selbst zurückkehren lassen, der ihnen dann am ersten ihre volle Ohnmacht zeigt und sie zu demütigen beginnt.

07 Einen stolzen Geist kann man durch nichts eher zur Demut bringen, als wenn man ihm von allen seinen Plänen aber auch nicht einen gelingen läßt. Siehe die stolzen Feldherren an! Welch eine ungeheure Meinung haben sie von sich, wenn sie irgendwo über den Feind einen Sieg erfochten haben! Trete wer zu ihnen und sage es, daß der Sieg nur ein zufälliger war und durch ein glückliches Ungefähr herbeigeführt wurde - von Mir darf da freilich schon gar keine Erwähnung geschehen - nun, wer einem Feldherrn so etwas sagen würde, dem möchte es doch nicht am besten ergehen! Ich aber lasse so einen Feldherrn hernach eine Niederlage um die andere überkommen, und der große Mann sitzt dann bald irgendwo ganz ruhig und verzehrt ganz gemächlich seinen Ruhegehalt, vergißt am Ende alle seine Heldentaten und wird oft ein recht lieber und artiger Mensch, und so wollen wir es auch nun mit diesen Pfaffen wie mit allen auf der Erde machen! Und du wirst sehen, das wird die möglichst beste Kur für sie sein. - Darum denn nur keinen Ärger über sie, lieber Freund und Bruder!"

08 Spricht Joseph: "O Herr, ich sehe es nun klarst ein, daß Du allein ganz vollkommen in allen Punkten recht hast! Ja, so ist es am besten, und so allein nur kann es gehen! Aber wegen dem Sich-Ärgern oder Nicht-Ärgern, da hat es seine geweisten Wege. Wenn Du, o Herr und Vater, nicht jemandes Herz ganz mit Deiner Sanftmut erfüllst, der kann tun, was er will, mag und kann, und denken, so viel es ihm nur immer möglich ist, so wird er sich vor dem Ärger dennoch nicht völlig enthalten können, wenn er diese Wesen so schmähliche Dinge durch lauter selbstsüchtigen Trug und die eigennützigste Lüge zuwege bringen sieht. Habe ich doch auf der natürlichen Erde viele Hunderte der miserabelsten Gelegenheiten gehabt, wie eben die Pfaffen von oben bis unten mir am meisten mit ihren Gesuchen und Rekursen in den Ohren gelegen sind und mir aus den selbstsüchtigsten Gründen, die man von weitem erkennen mußte, derart lästig geworden sind, daß ich sie alle hätte totschießen mögen. Jeder andere Mensch hatte vor mir, als einem Kaiser, seinen gemessenen Respekt und die möglichst höchste Achtung; aber diese Brut, besonders so es etwas Kirchliches galt, woraus für ihren Sack ein bedeutender Vorteil heraussah, war doch so dreist als wie eine Sommerfliege und gab eher keine Ruhe, als bis sie, so es nimmer gerade gehen konnte, auf den allerverschmitztesten Kriech- Schleich- und Krummwegen am Ende dennoch das erreichte, was sie hatte erreichen wollen. Und so ich dann hinter so etwas kam, ja da mußte ich mich denn doch wieder ärgern bis zum Grün- und Gelbwerden! Hier in dieser Welt aber kommt das noch viel ärgerlicher heraus, da man sogleich bei jeder geringsten Bewegung nur zu klar einsieht, welch eine allerniedrigste Absicht diese geistigen Lumpen und Spitzbuben mit jeder ihrer Handlungen, ja mit jeder ihrer Mienen verbinden.

09 Sie spielen die Frommen, um das zahlende Vertrauen ihrer Schafe zu wecken. Sie gehen barfuß einher, um den Schafen glauben zu machen, daß sie demütig seien und daß ihre Demut sehr viel Geld wert sei. Sie beten öffentlich mit andachtsvollen Mienen, um die Goldminen ihrer gläubigen Schafe locker und beweglich zu machen. Sie machen bei ihren Messen ganz entsetzlich tiefe Reverenzen und beugen ihr Haupt nahe bis zur Erde, um den Schafen zu zeigen, von welch einer allerunbegrenztesten Hochachtung und Ehrfurcht sie vor dem Tische Gottes durchdrungen seien. Aber bei sich selbst glauben sie nichts und tun das nur, um desto mehr Messezahler anzulocken; denn die Blindschafe meinen, daß eine Messe, mit solch einer sichtlichen Andacht gelesen, schon für alle Übel, die nur immer auf der Erde gang und gäbe sind, gut sein müßte. - So sind die schönen und gewöhnlich auch neueren sogenannten Kirchengewänder viel stärker geweiht, ja haben die geheime doppelte Weihe, weil sie »angerührt« sind; deshalb kosten sie aber auch mehr als die alten schon mehr zerlumpten und beschmutzten.

10 O Herr, eine zahllose Menge solcher Dinge gibt es bei dieser echten Gespensterkaste, über die, so man auf ihren Grund gekommen, man sich über alle Maßen ärgern muß! Aber was kann man dabei tun?! Nichts als eine Zeitlang zusehen, und wenn's einem am Ende zu arg wird, dreinschlagen wie ein ägyptisches Donnerwetter! Es ist richtig, daß diese Lumpen es darauf anlegen werden, uns zu ärgern, und daß wir uns aber dennoch nicht ärgern sollen, um ihnen keinen Sieg über uns einzuräumen. Aber der Kuckuck halte es aus! So ich nur einen sehe, da dreht sich bei mir schon alles festweg um und um! - Wie gesagt, Herr und Vater, so Du mich nicht besonders hältst, kann ich nicht gutstehen, ob ich mich nicht ärgern werde!

11 Aha, aha! Nun ist die Hölle schon ganz verschwunden und wir stehen nun auf einmal ganz in optima forma inmitten des Stephansdomes, der noch ganz so aussieht, wie er bei meinen Lebzeiten ausgesehen hat. Jetzt kommen die rotbemäntelten Kirchendiener, um Kerzen anzuzünden! Sie zünden alle Kerzen an und decken den Hochaltar ab. Nun, am Ende werden sie uns gar mit einem levitierten Amte hinausheizen wollen! Die Geschichte wird ja recht lustig und possierlich! - Freund Migatzi, wie kommt denn dir diese Geschichte vor?"

12 Sagt Migatzi: "Wie sollte sie mir wohl je anders als dumm, überdumm vorkommen!? Aber ärgern kann ich mich wahrlich nimmer darüber, weil die Sache zu ungeheuer dumm ist! Aber lachen, ja, soviel du nur immer willst! Denn darüber kann sich kein Mensch mehr ärgern, so diese allerborniertesten römischen Dummköpfe sich auch als Geister nicht wollen kurieren lassen. Lassen wir das alles unserm lieben guten Herrn und Vater über und seien wir guten Mutes und guter Dinge! Diese Wesen aber lassen wir ungestört machen, was sie wollen; das wird für sie auch sicher die beste Kur sein! - Was nützt uns da all das Aufzählen der allerungebührlichsten Sachen und Dinge, von all den Lügen und Betrügereien, von all den Filoustückeln und Grausamkeiten dieser Wesen und ihrer Konsorten?! Sie sind darum dennoch, wie sie waren und wie sie auch höchstwahrscheinlich verbleiben werden! Denn wir zwei werden nichts ändern an ihnen."

13 Sagt Joseph: "Da hast du allerdings recht! Denn an diesen ist im buchstäblichen Sinne des Wortes und der Bedeutung nach die Taufe und das Chrisam lange total verdorben, und es wird an ihnen darum auch schwerlich je etwas zu bessern sein. Aber ich selbst bin von der Art, daß es mir gerade leichter (zu Mut) wird, wenn ich mich so ein wenig meines Ärgers dadurch entledige, daß ich hier vor dem Herrn und eben auch vor den Ohren jener Weltlumpen ihnen ihre Hauptstückchen ins Gedächtnis zurückrufe, auf daß an ihnen erfüllt werde, was der Herr Selbst auf der Welt allen solchen Hauptlumpen verheißen hat, da Er ganz ausdrücklich sagte: »Von den Dächern herab wird man's euch laut verkündigen, was ihr im geheimen Arges getan habt!« - Sie halten nun ein gespenstisches Hochamt. Bis sie fertig werden, kann ich mich noch von so manchem entledigen, was mich drückt."

226. Kapitel: Jesus über das katholische Meßopfer und über die angeblich ewige Verdammnis.

01 Sagt Joseph fortfahrend: "Herr, Du bester Vater aller Menschengeister, sage es mir doch, so Du mich irgend als dafür Wert findest, ob denn an dem sogenannten Meßopfer, von dem einem Petrus doch sicher nie etwas geträumt hat und in keiner Heiligen Schrift etwas stehet, denn doch etwas daran sei? Denn es könnte vielleicht, wie ich es mir oft auf der Erde gedacht habe, doch wohl etwas daran sein, besonders wenn so recht stillen Orts ein recht herzlich guter Priester, gläubig und in der besten Meinung von der Welt, Dir, Gott dem Herrn, ein wahrhaft andächtiges, stilles Meßopfer darbringt, und zwar umsonst, da sich ganze Monate lang kein Zahlender einfindet, der Priester auch überhaupt von dem Schrote und Korne ist, sich kein Meßopfer zahlen zu lassen, weil er es wirklich als zu heilig erachtet und seinen lieben Heiland um keine Silberlinge mehr verkaufen will. Ich meine, so ein Meßopfer dürfte bei Dir, o Herr, denn doch nicht ganz ohne Wert sein!"

02 Sage Ich: "Mein liebster Freund! Was kann bei Mir wohl ohne Wert sein, so es im rechten Sinne verrichtet wird!? So Ich dir einen jeden Becher frischen Wassers, den du einem Durstigen reichtest, so er unvermögend war, sich selbst ein Wasser an irgendeiner Quelle zu schöpfen, hundertfach belohnen will - um wieviel mehr werde Ich ein andächtig verrichtetes Meßopfer eines wirklich frommen und edelherzigen Priesters, deren es aber freilich leider nur sehr wenige gibt, mit dem wohlgefälligsten Herzen ansehen und werde segnen, den Priester wie sein Opfer! Denn Ich sehe ja nur allzeit aufs Herz und nie aus die Form! Und durch ein liebevolles und gerechtes Herz wird jede äußere Form, wie sie auch immer beschaffen sein möge, gerecht und gut vor Mir - obschon an der Form, möge sie was immer für ein Gesicht haben, gar nichts liegt und sie auch keinen Wert hat und haben kann, weder äußerlich noch innerlich.

03 Ich habe nur einmal, und das für alle Menschen gleich, Mich Dem geopfert, der in Mir ein heiliger Vater von Ewigkeit ist. Von diesem einigen und einzigen Opfer an gibt es für ewig kein zweites, diesem ähnliches mehr. Aber so irgend gute und wahrhaft fromme Kinderchen eines großen Helden nach ihrer Erkenntnis und Fähigkeit eine größte Heldentat ihres Vaters in eine entsprechende Szene bringen und sie dem Vater mit wonnetrunkenen Augen vorführen, sage selbst, ob so etwas den Vater freuen wird oder nicht! Sieh, er wird sicher eine recht große Freude daran haben, obschon durch diese Aufführung kein gedrücktes Volk mehr vom harten Joche eines Tyrannen befreiet wird. Und sieh, gerade also ist es auch bei Mir. Durchs Meßopfer wird nichts zuwege gebracht, aber durch das edle Herz dessen, der es verrichtet, sehr vieles! Denn da wird es von Mir wahrhaft gesegnet, nicht aber etwa als ein Opfer, sondern als Szene Meines Erdenlebens. Denn ein Opfer kann es nimmer geben, weil, wie gesagt, dieses schon einmal als für ewig gültig vollbracht wurde, weshalb Ich auch am Kreuze zum letzten Male ausrief: »Es ist vollbracht!« Was aber einmal vollbracht und vollendet ist für alle Zeiten der Zeiten, das kann dann nie wieder noch einmal vollbracht und vollendet werden.

04 Ist aber ein an und für sich rechtschaffener Priester vermöge des erhaltenen Unterrichts dennoch der Meinung, daß er ein gleiches Opfer in seiner Messe verrichte, wie Ich es verrichtet habe am Kreuze, nun, so werden wir ihm das wohl zu keiner Sünde anrechnen, sondern zu ihm sagen: »Es sei dir vergeben; denn du wußtest es ja nicht, was du getan hast!« - Wohl aber soll es jenen angerechnet werden, die bei sich übers ganze Opfer lachten und sagten: »Mundus vult decip, ergo decipiatur!« (Die Welt will betrogen sein, so werde sie denn betrogen.) Denn wer jemanden des eigenen Vorteils wegen etwas unter Hölle, Mord und Brand glauben machen will, worüber er bei sich selbst lacht, der ist kein Priester, sondern wahrhaft ein Teufel! Dessen Lohn aber wird gleich sein seiner falschen Mühe und seinem falschen Eifer! - Hast du das alles wohl verstanden, Mein lieber Bruder Joseph?"

05 Spricht Joseph: "Ja, mein Herr und Vater, wie sollte ich das auch nicht verstanden haben, nachdem Du die Sache mir nahe auf ein Haar also gezeigt hast, wie ich mir sie oft vorgestellt habe! Also ist es und es kann unmöglich je anders sein! - O ich danke Dir, daß Du Deine Ordnung gerade also eingerichtet hast, wie ich sie bei meinen irdischen Lebzeiten gar oft gedacht und mir vorgestellt habe!

06 Nur eines geht mir noch ab zur vollen Ruhe meines Herzens, und das ist eine Aufhellung über den fast in allen christlichen Religionssekten vorkommenden Begriff von einer sogenannten ewigen Strafe. Gibt es eine solche, oder gibt es keine? Denn so man für die irdischen Minuten ehrlichen und rechtlichen Lebenswandels eine ewige Belohnung erhält, so kann man nicht leichtlich umhin, auch anzunehmen, daß es gegenüber einer ewigen Belohnung auch füglicherweise eine ewige Strafe geben müsse. Denn gebührt hier im Reiche der Geister einer kurzen edlen Tat ein ewiger Lohn, so gebührt dem gegenüber auch für eine kurz dauernde böse Tat ein ewiger Strafzustand in der Hölle oder wo immer. Ich finde diese Annahme ganz logisch richtig."

07 Sage Ich: "Du schon, aber Ich nicht - weil Ich mit all dem, was Ich geschaffen habe, doch unmöglich mehr als nur einen Zweck vor Augen haben konnte! Da Ich Selbst das ewigste Leben bin, so kann Ich ja doch nie Wesen für den ewigen Tod erschaffen haben! Eine sogenannte Strafe, wo sie auch immer vorkommen mag, kann daher (stets) nur ein Mittel zur Erreichung des einen Grund- und Hauptzweckes, ewig nie aber eines gleichsam feindseligsten Gegenhauptzweckes sein! Daher denn auch von einer ewigen Strafe nie die Rede sein kann! - Verstehst du, lieber Bruder, nun dieses?"

08 Spricht Joseph: "Ja, Dir, o Herr, ewig Dank, Liebe, Lob und Ehre, das verstehe ich nun ganz! Und es wäre mir nun nahe unmöglich, es nicht zu verstehen. Aber in der Schrift, und zwar (in Worten) aus Deinem allerheiligsten Munde selbst stehet es nur zu deutlich geschrieben von einem ewigen Feuer, das nimmerdar erlischt, von einem Wurme, der nimmer stirbt! Ja, es stehet geschrieben: »Weichet von Mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das dem Teufel und seinen Dienern bereitet ist!« Ja Herr, ich kenne eine Menge Texte, wo der Hölle und ihres ewigen Feuers sehr handgreiflich gedacht wird. So es denn nun aber keine ewige Strafe gibt, ja, so es sogar von dem Sträfling selbst abhängt, in derselben zu verbleiben, so lange er mag und will - da sehe ich denn durchaus nicht ein, wie da von einem ewigen Feuer, das nimmer erlischt, und von einem Wurme, der nimmer stirbt, in der Schrift die Rede sein kann."

09 Rede Ich: Mein liebster Freund und Bruder! Es steht wohl geschrieben von einem ewigen Tode, welcher da ist ein ewig festes Gericht, und dieses Gericht gehet hervor aus Meiner ewig unwandelbaren Ordnung. Diese aber ist das sogenannte Zorn- oder besser Eiferfeuer Meines Willens, der ganz natürlich für ewig also unwandelbar verbleiben muß, ansonst es mit allem Geschaffenen auf einmal völlig aus wäre.

10 Wer sich nun von der Welt und ihrer Materie hinreißen läßt (die doch notwendig gerichtet sein und bleiben muß, ansonst sie keine ,Welt' wäre), der ist freilich so lange als verloren und tot zu betrachten, als er sich von der gerichteten Materie nicht trennen will. Es muß also der Geschaffenen wegen wohl ein ewiges Gericht, ein ewiges Feuer und einen ewigen Tod geben. Aber darin liegt nicht die Folge, daß ein im Gericht gefangener Geist so lange gefangen verbleiben muß, als dieses Gericht an und für sich dauern kann - so wenig wie auf Erden, so du ein allerfestestes Gefängnis erbaut hättest, das gleich einer ägyptischen Pyramide Jahrtausenden trotzen mag, die Gefangenen deshalb (nun auch) auf die ganze mögliche Dauer des Gefängnisses verurteilt werden sollen.

11 Ist denn nicht ,Gefängnis' und ,Gefangenschaft' für jedermann ersichtlich - zweierlei?! Das Gefängnis ist und bleibt freilich ewig und das Feuer Meines Eifers darf nimmer erlöschen; aber die Gefangenen bleiben nur so lange im Gefängnisse, bis sie sich bekehrt und gebessert haben.

12 Übrigens steht in der ganzen Schrift aber auch nicht eine Silbe irgendwo von einer ewigen Verwerfung oder Verdammnis eines Geistes, sondern nur von einer ewigen Verdammnis der Nichtordnung gegenüber Meiner ewigen Ordnung, die notwendig ist, weil sonst nichts bestehen könnte. Das Laster als Unordnung oder Widerordnung ist wahrlich ewig verdammt, aber der Lasterhafte nur so lange, als er sich im Laster befindet! Also gibt es auch in aller Wahrheit eine ewige Hölle, aber keinen Geist, der seiner Laster wegen ewig zur Hölle verdammt wäre, sondern nur bis zu seiner Besserung! - Ich habe wohl zu den Pharisäern gesagt: »Darunm werdet ihr desto mehr oder eine desto längere Verdammnis überkonmmen!« - aber nie: »Darum werdet ihr auf ewig verdammt werden!« - Verstehst du nun deine so gefährlich aussehenden Schrifttexte? Oder verstehst du etwas noch nicht?"

227. Kapitel: Trostvolle Aufklärungsrede Jesu über die 'unübersteigliche Kluft' und über die Vergebung von 'Todsünden'. (Am 5. Aug. 1850)

01 Spricht Joseph: "O Herr, was du nun geredet hast, habe ich wieder ganz vollkommen verstanden. Aber noch einen einzigen kleinen Punkt in der Schrift verstehe ich nicht ganz, wie man ihn eigentlich verstehen solle. Und das ist die »unübersteigliche Kluft« in der Gleichniserzählung vom reichen Prasser, den Du, o Herr, vor den Augen der Welt in die Hölle gestellt hast (Lukas. 16,19 ff). Das ist eben dieser fragliche Punkt! So zwischen denen, die im Schoße Abrahams, Isaaks und Jakobs im Himmel sich befinden und denen, deren schreckliches Los die Hölle ist, eine ewig nimmer übersteigbare Kluft sich befindet, darüber niemand mehr weder hin- noch herkommen kann - wie wird dann wohl eine Erlösung aus der Hölle möglich sein? Daß aber aus der Hölle schwerlich je eine Erlösung stattfinden dürfte, leuchtet auch noch aus einem andern Lehrtexte der Schrift hervor, wo nämlich den sogenannten Sündern gegen Deinen Heiligen Geist (Markus.03,29; Matthäus.12,31; Lukas.12,10; Hebräer.06,02 ff, Hebräer.10,26 ff) entweder eine nur sehr schwere oder auch gar keine Erlösung zugesichert ist, und das, o Herr, aus Deinem heiligsten, höchsteigenen Munde! Was hat es sonach mit der unübersteiglichen Kluft und mit den Sündern gegen Deinen Heiligen Geist für eine Bewandtnis?"

02 Sage Ich: "Dasselbe, wie da die sogenannten Rechtsgelehrten in der Welt sagen: Volenti non fit injuria! Wer es selbst also will, dem geschieht kein Unrecht! - Die Kluft aber bedeutet wieder den nie übersteigbaren Unterschied zwischen Meiner freiesten Ordnung in den Himmeln und der ihr in allem schnurgerade widerstrebenden Unordnung in der Hölle. Dieser Text bezeichnet also nur die Unvereinbarkeit der Ordnung und der Unordnung, nicht aber gleichsam eine ewige Torsperre für denjenigen, der sich darin befindet.

03 Daß aber einer, der schon so schlecht ist, daß er in sich selbst schon vollkommen zur Hölle wird vermöge seines freiwilligen Übergehens aus Meiner freiesten Ordnung in die notwendig für ewig gerichtete Widerordnung - daß ein solcher eben nicht gar zu bald und gar zu leicht aus der Hölle kommen wird, das versteht sich von selbst, da es dir nur zu bekannt sein muß, wie schwer und hart es einem Bösestolzen und in allem Herrschsuchts-Hochmute Gefangenen ankommt, in die Sanftmut und Demut der Himmel überzugehen. Es ist so etwas gerade wohl keine Unmöglichkeit, aber dennoch eine große Schwierigkeit. Du wirst in der Zukunft es nur gar zu oft noch erfahren, wie schwer es hergeht, jemanden völlig aus der Hölle zu heben. Der Stolze kehrt immer wieder zum Stolze zurück, der Unkeusche zur Unkeuschheit, der Träge zur Trägheit, der Neider zum Neid, der Geizhals zum Geize, der Lügner zur Lüge, der Prasser und Schwelger zum Prassen und Schwelgen, der Dieb zum Stehlen, der Räuber zum Raube, der Mörder zum Morde, der Rohe zur Roheit, der Wollüstling zur Wollust usw. Wenn man ihnen die unordentlichen Eigenschaften auch tausendmal rügt, so verfallen sie immer wieder in die gleichen sündigen Leidenschaften, sobald ihnen zu ihrer nötigen Sichselbstrichtung die fürs ewige, freie Leben bedungene Freiheit gegeben wird. Und je öfter sie wieder in einen Rückfall kommen, desto schwächer werden sie stets und desto schwerer es wird es ihnen auch, sich aus den bösen Leidenschaften zu erheben und als lautere Geister in Meine wahre, ewige, göttliche Freiheit überzugehen.

04 Aber bei den Menschen-Geistern ist wohl gar vieles unmöglich, was Mir am Ende dennoch gar wohl möglich ist und sein wird. Denn bei Mir sind alle Dinge möglich! - Verstehst du dieses?"

05 Spricht Joseph: "Ja, mein Herr, mein Gott, mein heiliger Vater! Jetzt sind mir alle jene Texte klar, die ich auf der Erde wohl geglaubt habe; aber sie haben auf mich nie einen wohltätigen Eindruck gemacht, obschon ich, als ein irdisch vollmächtiger Kaiser, selbst alles auf die gewissenhafteste Gerechtigkeit halten mußte und nicht Gnade üben durfte, wo mir irgendein harter Sünder unterkam.

06 Merkwürdig aber war das doch stets in meinem Gemüte, daß ich keinen harten und strengen Richter leiden konnte. Wer von meinen vielen Amtsrichtern die in seinem Bezirke vorkommenden Sünder zu scharf richtete, dem war meine Gunst ferne. Wer aber die Sünder nach ihren Vergehungen also richtete, daß er dem Sünder wohl die Größe und Schwere seiner Sünde recht genau zeigte, ihm auch aus dem Strafgesetzbuche zeigte, welcher Strafe er verfallen war, darauf aber bei den Reuigen auf meinen Namen hin den Akt der Gnade übte und dem Sünder statt fünf Jahre schweren Kerkers nur ein Jahr im milderen und leichteren Kerker als Besserungsstrafe gab, der wurde bei mir im weißen Buche vorgemerkt und hatte an mir seinen sicheren Freund.

07 Und so war es denn auch, wenn ich das Evangelium las! Wenn ich die Verse durchging vom verlorenen Sohne, vom guten Hirten, wenn ich die Ehebrecherin im Tempel vor Dir betrachtete, wenn ich Dich den Zachäus vom Baume herabrufen hörte, den gerechtfertigten Zöllner im Tempel vernahm: »O Herr, ich bin nicht wert, meine Augen zu Dir emporzuheben!« - und Dich, o Herr, mit dem samaritanischen Weibe am Jakobsbrunnen allerbedeutungsvollste, heilige Worte tauschen vernahm, da konnte ich mich nie der Tränen erwehren. O welch ein Gefühl hat Dein Wort am Kreuze: »Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!« in mir stets rege gemacht! - Aber die Stellen, wo Du, wennschon gerechtestermaßen, die Sünder mit scharfen Fluch-Sentenzen zur Hölle wiesest und wo ich überhaupt von Deiner Seite (Herr, vergib mir, daß ich so frei vor Dir mir zu reden getraue!) eine gewisse Unversöhnbarkeit entnahm, machten auf mein Gemüt wahrlich keinen guten Eindruck. Ich sah darin wohl einen gerechten, allmächtigen Gott walten, aber Ihm gegenüber nichts als allerohnmächtigste Wesen, die sich die endlose Machtschwere ihres Schöpfers und ewigen Richters gefallen lassen müssen.

08 Ich zwang mein Herz, diesen allmächtigen Gott wohl aus allen Kräften zu lieben und stellte mir auch die schrecklichsten Folgen so recht lebendig vor, so mein Herz Gott nicht über alles liebete; aber ich muß zu meiner Schande und meinem Ärger gestehen, mein Herz wollte sich in dieser Liebe nicht finden. Und so ich ein hübsches, gemütliches Mädchen vor mir sah und mein Herz emsiger pulsen vernahm, so fragte ich mich gleich wieder: Wie sieht es nun mit deiner Liebe zu Gott aus? Ist sie stärker oder schwächer als die zu diesem Mädchen? Und das zartfühlende Herz, ich muß es offen gestehen, fand in dem holden, sanften Mädchen unwillkürlich mehr Anziehendes als in der die schärfste Gerechtigkeit donnernden Gottheit. Ich wurde durch solche Selbstprüfungen und Vergleiche denn auch ein Freimaurer, um da zur tieferen Kenntnis Gottes zu gelangen. Ich habe dabei wohl recht viel gewonnen, aber der allmächtige, scharf-gerichteste Richter wollte um keinen Preis mir ein sanfteres Gesicht zeigen. Ich las viel von der reinen Liebe zu und in Gott; aber der ewig unerbittliche Richter wollte durchaus nicht untergehen und die Hölle nicht verlöschen.

09 So stellte ich mir auch oft recht lebendig Dein Leiden und Sterben vor und wie Du, der Du aus Liebe zu den Menschen so viel leiden wolltest, um sie glücklich zu machen, eine gerechteste Ursache haben magst, mit den Sündern unbarmherzig zu sein und ihre Sünden, die ein Grund Deiner Leiden waren, unerbittlich strenge zu ahnden. Aber mein dummes Herz wollte sich alles dessen ungeachtet in die allerhöchste Liebe zu Dir dennoch nie ganz finden."

228. Kapitel: Der große 'Exorzismus' und die säumende Hilfe der 'Schmerzhaftesten'. Missionswerk des einfachen Kirchendieners. (Am 8. Aug. 1850)

01 Joseph fortfahrend: "Aber nun, o Herr - Dir allein alle Liebe, alles Lob! - bin ich erst auf dem rechten Wege! Jetzt verstehe ich Dein heiliges Wort, und Du, o Herr, bist mir nun erst die Liebe aller Liebe! Kurz, ich bin nun ganz geheilt und wollte, daß alle Menschen es also wären. Aber nun geht das Meßopfer dieser Pfaffen auch zu Ende. Was wird darauf etwa nun geschehen?"

02 Sage Ich: "Mein lieber Bruder, du wirst es sogleich sehen, wie sie nun einen sogenannten Exorzismus (Teufelsaustreibung) an uns ausüben wollen. Aber wir werden ihn nicht annehmen und dafür an ihnen einen sonderbaren Gegenexorzismus in Anwendung bringen. Und da wirst du deine Wunder sehen, was da alles zum Vorscheine kommen wird! - Aber, wie gesagt, nur keinen Ärger dabei! Grundbedingung, ohne die wir wenig oder nichts ausrichten würden; denn bei diesen bedarf es einer scharfen Feile!"

03 Nun ist der letze Monstranzensegen-mit seinem nichtssagenden "Genitori, Genitoque" zu Ende, und wir als die vermeintlichen bösen Gister sind nicht geflohen. Das ärgert nun die Pfaffen ganz entsetzlich und ihre reichliche und zahlreiche Dienerschaft fängt an, gegen dies gehaltene Hochamt verschiedene Verdächtigungen zu erheben. Einige meinen, daß das heilige Geschirr von ungeweihten Händen angerührt worden sei und daß deshalb das ganze Amt vor Gott keinen Wert und somit auch keine Kraft haben könne. Ein anderer sagt, vielleicht habe etwa eine Hure oder eine Ehebrecherin oder gar eine Lutheranerin die heilige Wäsche gewaschen und dadurch das heilige Meßgerät tiefst entheiligt, und da könne der Teufel freilich lachen, wenn er solch ein Meßopfer verrichten sehe. Ein anderer meint, der Hauptdienstbare habe zu wenig tiefe Reverenzen gemacht und sich dadurch der allerheiligsten Himmelskönigin mißfällig erwiesen; sie habe darum ihre Gnade nicht hinzugegeben, und so sei das Meßopfer ohne Kraft und Wirkung gewesen. Man solle nur noch ein Amt halten, aber mit den allertiefsten Reverenzen, was der allerseligsten Himmelskönigin am besten gefiele, und er stehe dafür, daß bei einem solchen tiefst reverenzierten Amte die Teufel nicht gegenwärtig bleiben werden.

04 Ein anderer wieder will bemerkt haben, daß ein Ministrant beim "Confiteor" und namentlich beim "Mea culpa" zu wenig an die Brust geschlagen habe. Ja, einen Schlag habe er sich etwa eines teuflischen Flohes wegen auf den Bauch gegeben, und das zerstöre auch die Wirkung der Messe. Denn man solle es kann glauben, von welcher Kleinigkeit oft die Wirkung oder Nichtwirkung einer Messe abhänge. Ihm habe das einmal ein alter, frommer Kapuziner ganz haarklein auseinandergesetzt.

05 Einer bemerkt gar etwas Lächerliches und sagt: Das Epistelpolster sei beim Infundieren verkehrt worden, was er wohl bemerkt habe. Und wenn so etwas geschieht, so ist die Messe ohne Kraft; denn aufs Epistelpolster legt die glorreichste Mutter, so das heilige Meßbuch aus das Evangeliumspolster übertragen wird, das Christkindlein. Wird aber das Polster verkehrt, so nimmt sie das Christkindlein wieder weg und die Messe ist ohne Wirkung. Daher sei es auch notwendig, daß diese heiligen Polster, und zwar das linke mit dem Namenszeichen Jesu und das rechte mit dem der allerheiligsten Jungfrau Maria mit Goldstickung bezeichnet würden, auf daß da ja keine Verwechslungen und Verkehrungen statthaben können, weil so etwas dem Meßopfer einen entschiedenen Nachteil brächte.

06 Ein Ziremoniarius fragt, ob nicht etwa jemand die Stola verkehrt übers Kreuz mit dem Zingulum überbunden habe? Man untersucht und findet richtig bei einem bevespermantelten Assistenten, daß der linke Stolateil über dem rechten statt unter demselben liegt, und diesem Umstande wird nun die Mißwirkung der Messe zugeschrieben. Und dieser Assistent, so er nicht ein Kardinal wäre, hätte in jedem Falle eine Strafe erhalten. Aber einem Kardinale kann man so was denn doch nicht mehr antun. - Aber ein Kapuzinerprior sagt doch: "Ja, wenn man bei der heiligsten Handlung so unvorsichtig ist, da könnte sich unsereiner zu Tode ministrieren, so würde das aber dennoch nichts nützen. Nein, die Stola verkehren! Das ist ja schon was Altes, daß da sogleich alle Engel, die unsichtbar bei der heiligsten Handlung ministrieren, vom Altare zurücktreten und ihre heiligen Gesichter abwenden. Und die heiligste Mutter Gottes kann da gar nicht zum Altare kommen, weil durch eine solche Unvorsichtigkeit sie alle ihre sieben Schmerzen wieder empfindet."

07 Hier wird es Meinem lieben Joseph förmlich unwohl. Auch Robert und Helena können sich eines hellen Lachens kaum mehr enthalten. - Und der Kaiser Franz tritt zu Mir hin und sagt: "Herr, ich habe zwar nie viel auf die Pfaffen gehalten - nur um des blinden Volkes Willen mußte ich so manches tun, was diese Brut von Mir verlangte; denn ich kenne den Papst und seinen Stuhl besser als tausend andere. Aber hätte ich diese Dummheiten je auf der Erde gehört, wie hier nun, da hätte ich sicher das vollendet, was mein Onkel Joseph begonnen hat. Nein, aber so was wäre mir auch im Traume nie eingefallen!"

08 Sage Ich: "Seid nur ruhig, das ist alles noch nicht! Bei dem bald über uns ergehenden Exorzismus werdet ihr erst die großartigsten Wunder der Dummheit der Pfaffen kennenlernen! Denn von der römisch-katholischen Teufelsaustreiberei (besonders so nach ihren dümmsten Begriffen die Teufel irgendeinen sogenannten Gottestempel in den Besitz genommen haben) habt ihr alle keinen Begriff, gebet nur auf alles acht! Die Sache wird zwar von keiner langen Dauer sein, aber für euch alle dennoch sehr belehrend. Denn ihr Kaiser müsset das vorzugsweise sehen, weil ihr solche Dummheiten, die ihr leicht hättet abstellen können, für nichts und wieder nichts geduldet und hie und da sogar kräftigst befördert habet. - Gebet jetzt nur acht, der famose Exorzismus wird sogleich beginnen!"

09 Ein Levit entfernt sich nun und mit ihm einige Dienstbare. In wenigen Augenblicken bringt er ein schwarzes Buch, das auf beiden Deckeln äußerlich mit einem weißgrauen Totenkopfe geziert ist. Die Diener aber bringen eine Menge schwarzer sogenannter Requien- und Exequien-Gewänder. Die Gewänder werden nun unter einigen lateinischen Murmeleien gewechselt und in wenig Augenblicken steht die ganze Hohepriesterschaft ganz schwarz vor uns. Es wird auch ein sogenannter Katafalk aufgerichtet, aber verkehrt, und eine Menge schwarzer Kerzen werden auf schwarze Leuchter so unordentlich als nur möglich gesteckt. Ein schwarzes Rauchfaß und ein ebenso schwarzer Weihbronnkessel fehlt nicht samt einem ganz schwarzborstigen Sprengbartstocke.

10 Nun tritt der Hauptdienstbare vor und murmelt aus dem ihm ehrerbietigst vorgehaltenen Buche, und die andern sagen alle Augenblicke Amen dazwischen. Nach solcher ziemlich lange anhaltenden Murmelei wird die Hälfte der Kerzen angezündet, mit dem Rauchfasse beraucht und mit dem Weihwasser besprengt. Dies Murmeln, Rauchen und Besprengen geschieht noch zweimal. Darauf wird ein schwarzer Strick hingelegt. Der Hauptdienstbare tritt im Namen Mariä auf den Strick, andeutend, daß er nun der Schlange den Kopf zertritt. Darauf wird eine große schwarze Schüssel mit glühenden Kohlen von den Dienern herbeigeschafft. Das Feuer wird dreimal verflucht und der Strick wird daraus in dieses Feuer geworfen. Nach dieser Operation wird wieder aus dem Buche gemurmelt und daraus das Feuer mit dem verbrannten Stricke aus der Kirche geschafft. Nun aber werden eine Menge Knittel aus der Sakristei gebracht; ein jeder nimmt einen solchen in die Hand. Bei dieser Gelegenheit wird auch die andere Hälfte der Kerzen angezündet, aber dafür die schon brennende, zuerst angezündete Hälfte ausgelöscht. Nach diesem Akte werden die Knittel geweiht, beräuchert, besprengt und angerührt. Als dies beendet ist, sagt der Hauptdienstbare: »Hiscum fustibus percutiantur omnia!« Das heißt: Mit diesen Stöcken muß jetzt alles zerschlagen werden, was die Teufel entheiligt haben. Aus dies Wort werden zuerst die Leuchter umgeschlagen. Darauf wird der Katafalk ganz zertrümmert und das Bahrtuch in Stücke zerrissen. Zugleich macht auch der Hauptdienstbare einen kleinen Riß in das weiße Unterkleid. Darauf beignnt ein wilder Lärm; ein jeder schreit was er nur kann, natürlich uns Quasiteufel aus der Kirche hinausverfluchend. Daneben wird mit diesen Knitteln auf allen Bänken herumgeschlagen, was nur immer möglich ist. Nur die Altäre und die Orgeln werden geschont. Aber die armen Bänke müssen bei dieser Operation viel aushalten. Solange die Knittel nicht ganz zerschlagen sind, wird mit dieser Agitation nicht innegehalten.

11 Aber als nach ein paar Stunden irdischer Zeitrechnung die Knittel zu Ende sind und wir denn doch noch fest dastehen und nicht um ein Haarbreit weichen wollen, beruft der Hauptdienstbare alle die Teufelsaustreiber zu sich und sagt: "Höret! Wir haben nun alles getan, mehr können wir nicht tun! Aber leider hat all unsere Mühe nichts gefruchtet: Ich bin daher der Meinung, daß wir noch die große lauretanische Litanei beten sollen, und zwar vor dem Bilde der allerschmerzhaftesten Mutter Gottes. Holet es aus der geheimen Kammer der Schätze Marias und stellet es gerade vor das Tabernakulum hin! Zündet nun alle Kerzen an, auf daß wir mit der Litanei sogleich beginnen können! Maria ist und bleibt unser letzter Schutz und Schirm und unsere letzte Zuflucht!"

12 Sagt einer aus der Mitte: "Wenn aber das etwa auch nichts nützen sollte, was werden wir dann tun? Denn so dieser Generalexorzismus nichts gefruchtet hat, der doch ganz auf den Namen der allerseligsten Jungfrau sich fußet, was wird dann das tote Bild der schmerzhaftesten und die große Litanei fruchten? - Ich bin gar nicht mehr dafür! Übrigens kommen mir diese Wesen auch gar nicht als Teufel vor! Man betrachte sie nur genauer und man wird sich bald überzeugen, daß da hinter ihnen gar nichts Teuflisches zu stecken scheint." - Sagt der Hauptdienstbare: "Teufel können auch Engelsgestalten annehmen! Darum heißt es hier alles versuchen und daraus das Gute behalten! Darum gehet nur ganz geschwinde und bringet mir die Allerschmerzhafteste herbei! Amen dico vobis!"

13 Ein paar Diener begeben sich nun sogleich nach dem Orte hin, wo sich das Bild der allerschmerzhaftesten Mutter befindet. Als sie das anscheinend hölzerne Bild herbeischaffen, da zeigt es sich, daß es ganz außerordentlich schadhaft ist. Es fehlen dem Bilde die sieben Schmerzen, die gewöhnlich durch sieben in den Leib der Maria hineingestoßene Schwerter ausgedrückt werden. Dann fehlt dem Bilde die Krone, der halbe Kopf, eine Hand und der ganze tote Heiland, den sie auf ihrem Schoße trägt. Von einer Farbe und Vergoldung ist keine Rede mehr. Dafür aber ist das, was noch von der Allerschmerzhaftesten da ist, desto wurmstichiger, und die ganze Figur wäre kaum mehr zur Beheizung eines kleinen Kamins zu gebrauchen.

14 Als der Großdienstbare dies zerstörte Bild ansieht, sagt er ganz verdrießlich: "Aber um des Himmels willen! Was ist denn mit diesem glorreichen, außerordentlich mirakulösen Gnadenbilde geschehen?! Das sieht ja doch so jämmerlich aus als wie die sieben teuren Zeiten von Ägypten. Mein Gott und mein Herr! Wie hast denn zu dies heilige Bild Deiner allerseligsten Mutter gar so zugrunde gehen lassen können?! Ei, ei, ei! Was wird nun da zu machen sein?! Saget mir, gibt es denn nirgends eine andere? Denn mit dieser ist es nichts mehr!"

15 Sagt ein Diener: "Eure Eminenz! Da unten in einer Seitenkapelle ist wohl noch eine ohnehin zur öffentlichen Verehrung Ausgestellte. Wie wäre es denn, so wir uns dahin begäben?" Sagt der Großdienstbare: "Das ist nichts! Es muß eine Übertragbare sein, damit man sie vors Tabernakulum stellen kann. Die Festangemachte auf einem Altare ist wohl für eine allgemeine Verehrung gut genug; aber für außerordentliche Gelegenheiten muß auch etwas Außerordentliches dasein, sonst macht es keine Wirkung. Traget dies Bild weg und sehet, daß ihr mir ein anderes herbeischaffet! Das wäre nicht übel wenn in dieser Kirche weiten Räumen nicht noch irgendeine besser erhaltene Schmerzhafteste sollte aufzufinden sein! - Gehet und durchsuchet mir alle Winkel!"

16 Die Diener tragen das zerstörte Bild wieder hinaus, kommen nach einer Weile mit ganz betrübten Gesichtern und vermelden allerehrfurchtvollst, daß sie alle Winkel durchsucht und nichts Schmerzhaftestes irgendwo haben antreffen können. - Darob wird der Großdienstbare ganz unwillig und schmäht die Dienerschaft aus, sagend: "So ist es, wenn man lauter Esel zu Kirchendienern hat! Wie die Ochsen rennen sie von einem Winkel zum andern und finden halt nichts! Dumme Tölpel! Gehe jemand anders suchen! Es muß doch noch was geben!"

229. Kapitel: Aufklärung und Wahrheitsrede des ketzerischen Kirchendieners.

01 Sagt einer von den Kirchendienern: "Ja, ja,sollen nur suchen gehen, werden halt auch einen D-k finden, so wie wir ihn gefunden haben! Da könnte einer ein ganzes Jahr in allen Winkeln und Löchern dieser großen Kirche herumsuchen und am Ende dennoch nichts finden! Ich finde das schon jetzt dumm, daß sich Seine Eminenz gerade auf so eine Mutter Gottes kaprizieren, als wenn zwischen der Maria und wieder ganz derselben Maria ein Unterschied wäre! Die Bilder können ja ohnehin keine Wunder wirken. Und der wirklichen Mutter Gottes wird es wohl vernünftigermaßen ganz gleich sein, durch welches Bild sie auch immer verehrt wird. Ich muß es hier offen gestehen, daß ich nie etwas besonderes auch selbst bei den besten Bildern gefunden habe.

02 Ein Bild ist wohl dazu gut, daß man durch dasselbe an so manches Würdige der heiligen Religion erinnert wird; aber den Bildern eine gewisse Wunderkraft zuzuschreiben, das ist heidnisch! Und da kann mir einer sagen, was er will, und wenn's der Papst auch selber mir ins Gesicht sagen möchte, daß die toten Bilder Wunder wirken können - so glaubete ich ihm nicht. Können die lebendigen Menschen kein Wunder wirken, wie hernach erst die toten Bilder?! Ich meine, daß das sogar ein Stockblinder einsehen müßte, um wieviel mehr so hochgelehrte und hochstudierte Herren! Was ist denn mehr, so ein (oft sehr schlecht) geschnitztes oder gemaltes Bild, oder ein Mensch?! Der Bilder wegen ist unser lieber Herrgott gewiß nicht auf die Welt gekommen, sondern bloß nur der Menschen wegen! Und darum müssen die Menschen doch mehr wert sein als so ein dummes, totes Heiligenbild.

03 In der Wirklichkeit ist mir ja eine Schmeißfliege lieber als das schönste Bild! Denn die erste hat Leben und ist wirklich ein wunderbares Werk der göttlichen Allmacht, Liebe und Weisheit; während ein Bild nichts ist als ein Werk der grellsten menschlichen Dummheit, die einen ewig lebendigen Gott und die das ewige Leben habenden reinen Geister durch völlig tote Bilder vorstellen will. - Das ist meine Ansicht und mein Glaube. Und die Herren können mit mir machen, was sie wollen; das ist mir gleich! Daß ich aber kein altes Bild mehr irgendwohin suchen gehen werde, darauf schwöre ich! Von nun an bleibe dumm, wer da will; ich aber werde niemanden mehr einen Narren machen."

04 Jetzt fahren alle über diesen Ketzer her und drohen, ihn auf das schauderhafteste zu züchtigen. - Und der Großdienstbare sagt in einem ganz prophetisch-pathetischen Tone: "So das am grünen Holz gschieht, was wird es mit dem Reisig werden?! Darum muß ein solcher Ketzer zum abschreckenden Beispiele gezüchtigt und sodann öffentlich den Teufeln zur ewigen Pein und Marter übergeben werden! Denn er hat die Heiligtümer der Kirche Gottes beschimpft und ist dadurch ein Sünder wider den Heiligen Geist geworden. Ein Sünder wider den Heiligen Geist aber hat weder hier noch jenseits eine Vergebung zu erwarten. Daher hinaus ins Gerichtshaus mit ihm! Von dort in die geheime Totenkammer und von dieser zu allen Teufeln mit ihm! - Fiat!"

05 Hier wird der Kirchendiener ganz entsetzlich rabiat, hebt einen tüchtigen Stock vom Boden und sagt in einem all den Pfaffen Respekt einflößenden Tone zum Großdienstbaren: "Heda! (mit dem keulenartigen Stocke drohend) wenn du böser Pfaffe es wagen solltest, mich anrühren zu lassen, so sollst du und jeder, der seine Hand an mich legt, mich von einer Seite kennenlernen, daß euch allen auf ewig das Hören und Sehen vergehen soll! O ihr vermaledeiten Lumpen und Spitzbuben der allerersten Klasse! Ihr alten Gott-, Kaiser- und Volksschänder! Mich wollt ihr in euer schmählichstes Richthaus schicken?! Mir den Tod und die Hölle geben deshalb, weil ich nun die Wahrheit vor Gott und aller Welt euch ins Gesicht gesagt habe?!

06 Wer seid ihr denn, ihr schlechten Kujons?! Meinet ihr denn, man hat eine Achtung vor euren Goldborden und heidnischen Bischofsmützen?! Ja, man achtet sie wohl, aber also wie einen wütenden Hund oder wie den Biß einer Klapperschlange! - Ihr wollet mich allen Teufeln übergeben?! Wer seid denn ihr?! Kann es noch irgend ärgere Teufel geben, als ihr es seid?! Ihr seid die reißenden Wölfe in Schafsfellen, ihr - ihr die verkleideten Teufel! Ihr wollt jene allerachtbarsten Menschen als Teufel aus dieser Kirche treiben, und ihr selbst seid die allerärgsten Teufel! Treibet euch selbst aus, dann werdet ihr des Rechtens handeln; aber nicht jene sichtlichsten Ehrenmänner, die hunderttausendmal eher verdienten als Heilige auf die Altäre gesetzt zu werden, als eure schlechten Götzenbilder!

07 Heißt denn das Gott, dem reinsten Geiste, dienen, so man vor geschnitzten Bildern die Knie beugt, um das Volk zu täuschen und ihm glauben zu machen, daß man als ein Gottesgelehrter selbst daran glaube, während man von der hochgeistlichen Seite doch nicht ein Jota glaubt von allem, was man dem Volke zu glauben aufbürdet. Ihr seid es, von denen Christus im Tempel sagte: »Ihr bürdet den Armen und Schwachen unerträgliche Lasten auf, aber ihr selbst wollet sie auch nicht mit einem Finger anrühren. Ihr schützet den armen Witwen und Waisen lange Gebete vor, auf daß sie könnten ins Himmelreich kommen, ein Reich, an das ihr noch nie geglaubt habt, und verzehret dafür ihre Häuser und ihr Vermögen! Ihr seid es, die da Mücken säugen und dafür Kamele verschlingen! Dafür soll aber auch desto mehr Verdammnis über euch kommen!«

08 Euer Gottesdienst ist und muß allzeit ein Greuel vor Gott gewesen sein, denn Christus Selbst hat ausdrücklich gesagt: "Was ihr den Armen tut, das tut ihr Mir!« So ich aber an einem Sonn- und Feiertage nicht in euren Gottesdienst ginge, besuchete aber dafür die Armen und täte ihnen Gutes nach meinen Kräften, beichtete aber hernach, so würdet ihr mich richten! Und doch kann nur das ein rechter Gottesdienst sein, wenn man den Armen dient im Namen Gottes des Herrn. - Wessen Diener aber seid ihr, so ihr den wahren, von Gott Selbst klar bestimmten Gottesdienst richtet und gleichwohl heuchlerisch saget, man solle das eine wohl tun, aber das andere darum nicht weglassen, weil eines ohne das andere keinen Wert hätte?! - O ihr Toren! Also redeten auch die Pharisäer! Was ist denn vor Gott besser, das tun, was Er Selbst angeordnet und geboten und gerühmt hat, oder Ihn mit den Lippen ehren, das Herz aber ferne halten von den Armen und Leidenden? - Ich habe mich selbst überzeugt wie man in der Stadt die Bettler mit Gerichtsknechten abfangen und ihnen Strafe geben ließ, so sie irgend während des sogenannten Gottesdienstes jemanden um ein Almosen anflehten. Und so hat man die wahren und lebendigen Gottesaltäre, an denen allein man den wahren Gottesdienst hätte verrichten sollen, zur Strafe eingesperrt und dann schmählich per Schub fortgeschickt und brachte dafür Götzen ein Opfer! Meint ihr wohl, daß an solch einem Opfer Gott je ein Wohlgefallen hat haben können? O ihr blindesten Toren! Wann habt ihr wohl Gott gedient, da ihr Sein Wort und Sein Gesetz noch nie angenommen habt? Ihr seid allezeit selbst- und herrschsüchtige blinde Blindenleiter gewesen und seid am Ende mit ihnen in die Grube gefallen.

09 Ihr habt an Christum nie geglaubt! Denn hättet ihr an Christus je geglaubt, so hättet ihr das getan, was Er gelehrt hat! Ihr aber hieltet nur auf eure Satzungen! Diese waren euch ein kostbares Bild, zu dem Christus bloß einen schlechten, abgeschabenen Rahmen abgeben durfte. O ihr schändlichen Volksbetrüger und Volksverführer! Ihr haltet euch Göttern gleich und verdammet alles, was da eurem großen Geldbeutel als gefährlich erscheint! Und so verdammet ihr auch das Wort Gottes selbst, so es nicht für euren Beutel taugt!

10 O ihr Heuchler! Warum enthaltet ihr denn das reine Wort Gottes den Gläubigen vor und verdammet den, der es lese?! Ihr saget wohl heuchlerisch genug, daß dies wegen der falschen Auslegung geschehe und nur der Priester es dem Volke vorzutragen habe. - O ihr Heuchler! Wisset ihr den Grund, warum ihr dem Volke das Gotteswort vorenthaltet? - Sehet, des Geldes wegen tut ihr das und aus Furcht, das Wort Gottes könnte dem Volke die Augen öffnen und euch entlarven vor ihm! Darum verbietet ihr es, und weil ihr selbst es nicht glaubet! - Aber darum kommt das Wort doch unters Volk. Und dieses kennt jetzt nur zu gut, wessen Geistes ihr seid!

11 Greifet mich, so ihr es euch getrauet! Ich werde mich gegen euch zu stellen wissen! Warum zaudert ihr denn nun? - Hat Seine Eminenz doch eher, als ich mich wider das gräßliche Bilderwesen ausgesprochen hatte, sogleich? - wahrscheinlich aus purer christlicher Nächstenliebe, wonach man dem Nächsten nichts wünschen und tun solle, was man sich selbst sicher nicht gewünscht und getan haben möchte - zu allen Teufeln haben wollen! Warum zaudert Sie denn jetzt? Ich werde es der Eminenz aber sagen, worin der Grund davon steckt! - Die Eminenz hat nun, da ich so frei war, Ihre Schande und Bosheit vor jenen Ehrenmännern, die die Eminenz als Teufel aus der Kirche hat exorzisieren wollen, aufzudecken, die sogenannte ganz eigentümliche Spitzbuben-Trema (Spitzbubenangst) bekommen und traut sich daher nichts mehr gegen einen Mann zu unternehmen, der ihr in allem, was Kraft und Verstand heißt, sehr überlegen ist! Die Eminenz wirft wohl Blicke auf mich wie so ein hungriges Krokodil und möchte mich gerne zerreißen. Aber es tut sich denn doch nicht mehr! - Ja, ja, die Diebe und Räuber sind auch von größter Wut beseelt, so sie verraten und ertappt werden! Aber das macht nichts; im Kerker werden sie hernach schon sanfter! -

12 Siehe die Eminenz! Warum hat Sie denn so ganz eigentlich diese mißlungene exorzistische Handlung gegen jene Ehrenmänner vorgenommen, die sie als Teufel deklariert hat? Sie wird es freilich nicht sagen; aber dafür werde ich so frei sein, es ihr gerade ins Gesicht zu sagen. - Sehe Sie, diese Ehrenmänner, die dort stehen und entweder die Kirche oder unsere unbegrenzte Dummheit in den Augenschein nehmen, hat Sie bei sich selbst durchaus nicht als Teufel angesehen, da Sie doch selbst nie an einen Teufel geglaubt hat, sondern für höchst weise und in allen Dingen wohlerfahrene Leute, denen es vor jeder Dummheit ekeln muß. Obschon eine lateinische Messe mit allerlei Zeremonie und Geplärr zwar für einen wahren und reinen Christen des Dummen schon so viel enthält, daß es ihm dabei übel werden muß, so er die Sache nur einigermaßen beim Lichte des helleren Verstandes betrachtet -

13 so hat aber diese Dummheit (da sie etwas Alltägliches und durch die Gewohnheit erträglich geworden ist) doch den von der Eminenz erwünschten Erfolg nicht gehabt. Die Ehrenmänner haben sie ganz geduldig angehört und ganz im stillen unter sich ihre Bemerkungen gemacht. Das machte die Eminenz beinahe schäumen vor Wut, und eine ungebührlich übers Kreuz gelegte Stola mußte am Ende den Sündenbock machen, obschon die Eminenz bei sich gar wohl gewußt hat, daß sich solche Männer nicht mehr vor einem Fetzenkrampus fürchten werden, wohl aber sich vor einer zu grellen Dummheit werden zurückziehen müssen. Die Eminenz suchte also nur durch ein Übermaß der Dummheit auf jene Ehrenschar so widrig als nur immer möglich einzuwirken, da sie früher durch alle die falschen Höllenspektakel nichts hat ausrichten können, weil diese Ehrenmänner die Pappendeckel-Hölle und die Kolophoniumflamme nur zu geschwinde gemerkt hatten. Aber mit der großen Plärrmesse ging es wie Figura zeigt, ,durchaus niche', sagen die Preußen! Es ward daher zum echt römisch-katholischen Exorzismus geschritten, der in seiner Art einzig als Krone aller menschlichen Dummheiten dasteht und als das auch auf jene weisesten Ehrenmänner einen entschieden alleranekelndsten Eindruck hätte machen sollen. Aber die Ehrenmänner müssen sich zum Grundsatze gemacht haben, auch vor der größten Dummheit nicht zu weichen, und so blieben sie denn auch so zu Seiner Eminenz größtem Ärgernisse hier. - Was blieb der Eminenz nun noch übrig?

230. Kapitel: Der Kirchendiener erteilt Roms Eminenz weitere herbe Wahrheiten.

01 Spricht ein dem Kardinal zunächst stehender Pfaffe: "Elender! Nur der unendlichen Sanftmut und Geduld der alleinheiligen und seligmachenden Kirche hast du es zu verdanken, die im stillen für dich, verlorenes Schaf, zu Gott betete, während du dich bemühtest, ihr tödliche Stiche beizubringen! Höre aber nun auf, die festlich geschmückte Braut Gottes zu verunglimpfen, sonst wird die Kirche dich in ihrem beständigen Gebete um dein Seelenheil fallen lassen! Dann wird sich der Erdboden unter deinen Füßen öffnen und dich auf ewig verschlingen!"

02 Hier fängt der Kirchendiener hell zu lachen an und sagt dann in einem ganz lakonischen (trockenen) Tone: "O du allersanftmütigstes Mutterl du! Oh, oh, oh! Gelt, wenn sich's mit der höllischesten Grausamkeit und, sollte diese nichts fruchten, darauf mit der Dummheit nichts ausrichtet, dann wird der Wolf sogleich wieder in das zarteste Lammfell eingenäht und muß ein so sanftes Gesicht machen, als wie die Naturgeschichte vom Kuckuck erzählt, daß er die Vögelein bloß durch seine Sanftmut vom Nestchen treibe, um dann ungestört ihre Eier austrinken und seine eigenen dafür einlegen zu können! O über so eine Sanftmut und Geduld geht doch wohl nichts!?

03 Wie sanft ist die Kirche geworden bei den berühmten Kreuzzügen?! Wie freudig hat sie die verlassenen Witwen und Waisen, deren Männer sie im Morgenlande durch die damals übermächtigen Sarazenen umbringen ließ, in wohlverwahrte Klöster aufgenommen, nachdem sie sich vorerst ihre Güter und Schätze schenken ließ, um keine Erbsteuer zahlen zu dürfen. O du göttliche Sanftmut, die du der heiligen Kirche ums bare Geld noch nie gemangelt hast! - Als ich noch auf der Welt gelebt habe (denn das werden die Herren doch hoffentlich wissen, daß wir alle schon lange nicht mehr auf der eigentlichen materiellen Erde im Fleische uns befinden)" -

04 Sagt ein Pfaffe dazwischen: "Das ist erlogen! Wir leben noch alle in der Welt, denn sonst müßten wir entweder in der Hölle oder im Fegfeuer oder gar im Himmel uns befinden!"

05 Spricht der Kirchendiener: "Das ist nungleich, wir sind einmal in der Geisterwelt, ob ihr es glaubet oder nicht. Und darum sage ich: Als ich noch auf der Welt war, da glaubte ich der Kirche auch so manches; aber als zu uns die Nachrichten von der heiligen spanischen Inquisition kamen, wie zart und sanft sie daselbst mit ihren verlorenen Lämmern umgehe - da habe ich von der heiligen Kirche sogleich ganz andere Begriffe bekommen! Was haben denn Hunderttausende verschuldet, daß sie so grausamst ad majorem Dei gloriam (zur höheren Ehre Gottes) verbrannt werden mußten?! So fragte ich ganz erstaunt um den Grund solch eines Attentates auf die Menschheit. Und die Antwort auf solch meine Frage lautete schroff und laut genug, um sie vom Nordpol bis zum Südpol der Erde klar vernehmen zu können: »Weil sie die Bibel gelesen haben und somit zu den allerverdammlichsten Ketzern geworden sind!« O Herr! rief ich in mir aus, ist es denn möglich, daß Menschen, die sich um Dein heiligstes Wort bewarben, von den römischen Bestialpfaffen solch einen Lohn auf dieser Welt finden müssen?! Herr! Hast Du kinen Schwefel, keine Blitze und keine Sündflut mehr, um Spanien und Rom zu vertilgen für ewig?

06 Die Antwort Gottes kam langsam aber sicher aus den hohen Himmeln! Ich erlebte sie auf der Erde zwar nicht mehr, aber dafür desto heller in dieser Geisterwelt. Wo ist nun das stolze, übermütige Rom? Was ist nun der Papst? Bis auf einige wenige stockblinde Esel und Ochsen, die ihm, dem stolzen Stellvertreter Gottes, noch anhängen, lacht man ihm ins Gesicht und hat vor ihm einen Respekt wie vor der schwarzen Pest und haßt und verachtet ihm allerorten. Dieser primo Padrone (oberster Herr) aus den Abruzzen (Gebirgslandschaft in Mittelitalien) kann nun die Sanftmut predigen wie er will; die wahren Vöglein des Himmels kennen jetzt nur zu gut ihren Kuckuck. Und wie er sich einem Nestchen nur nähert, so werden ihm sogleich eine Masse Federn von den kleinen aber scharfen Schnäbelchen ausgerupft, die ihm dann wohl nimmer wachsen dürften. Er wird dadurch von Tag zu Tag unfähiger, sich in die hohen Lüfte von neuem emporzuschwingen.

07 Schon fängt man selbst in Italien an, einen Erzbischof um den andern einzunähen, und das mit vollstem Rechte! Für die Herrscher aus Abruzzen gebührt sich nichts anderes; denn sie waren allezeit und sind noch immer die größten Feinde der Menschheit, aber dafür desto größere Freunde des Goldes und des Silbers und der kostbaren Perlen und Edelsteine.

08 Ein Petrus, als dessen Nachfolger sich ein jeder Papst ausposaunt, sagte einst zu einem armen Teufel, der - ich weiß es nicht recht genau - lahm oder blind war und den guten Petrus um ein Almosen anging: »Gold und Silber habe ich nicht; aber was ich habe, das gebe ich dir!« Könnte das wohl ein Papst, ohne bis zur kleinen Zehe schamrot zu werden, auch einem Armen sagen? Und er nennt sich einen Nachfolger Petri! O du verfluchte Nachfolgerschaft Petri! So ein sauberer Nachfolger Petri könnte nur sagen: "Ich habe zwar des Goldes und des Silbers im höchsten Überflusse, aber das gebe ich dir nicht, sondern meinen apostolischen Segen, der mich nichts kostet, den gebe ich dir! Und dann fahre hin im Frieden! So du unterwegs auch vor Hunger stirbst, so wird deine Seele aber dennoch nach einem dreitägigen Fegfeuer sogleich ins Paradies kommen, wo es ihr dann gut genug gehen wird!« - Und so ein Papst also sagen würde, so redete er einmal die einzige Wahrheit, die je über seine Lippen gekommen ist. Denn sonst darf ein jeder Papst die Wahrheit, die er vor dem Volke irgend geredet hätte, mit allen Laternen suchen gehen und er wird sie nicht finden, dafür stehe ich ihm.

09 Hat der große Paulus nicht geeifert wie ein Löwe wider die Feiertage und verbrämten Kleider sowie über jede Würde, die sich die Menschen nur gar zu gern beilegen? - Wann hat Christus, der Selbst sagte - »es kommt die Stunde, und sie ist schon da, wo man Gott weder im Tempel zu Jerusalem noch auf dem Berge Garizim anbeten wird; denn Gott ist ein Geist und muß daher im Geiste und in der Wahrheit angebetet werden« - anbefohlen, Tempel und Bethäuser um sündig teures Geld zu erbauen und dafür tausend Arme verhungern zu lassen?! Welcher Apostel hat die lateinische Sprache denn zur göttlichen erhoben, als ob Gott der Herr, der sicher alle Sprachen versteht, nur bloß an der lateinischen das größte Wohlgefallen hätte? Beweiset mir das aus der Schrift, dann will ich's euch glauben! Könnet ihr aber das nicht, wie ich's zu Gott hoffe - so seid ihr die leibhaftigen Antichristen, wie sie Daniel und der Apostel Johannes in seiner Offenbarung nur zu klar beschrieben hat."

10 Sagt darauf ein vor geheimer Wut stark schnaubender, sehr altaussehender Erzbischof: "Hat Christus der Herr nicht seiner Kirche, d.h. Petro und all dessen Nachfolgern, vor Seiner Aszension die ausschließende Macht, zu lösen und zu binden, gegeben?! Er hauchte Seine Apostel an und sprach: »Nehmet hin den Heiligen Geist! Denen ihr die Sünden erlassen werdet, denen sollen sie auch erlassen sein, denen ihr aber die Sünden vorenthalten werdet, denen sollen sie auch vorenthaltensein!« - Und ein anderes Mal sagt Jesus ebenfalls zu Seinen Aposteln: »Was ihr lösen oder binden werdet auf Erden, das soll auch im Himmel gelöset oder gebunden sein!« - Ich meine, darin liege des Beweises zur Genüge, daß es da der wahren Kirche von Gott aus ganz übervoll rechtlich zusteht, neue Gesetze zu geben, so sie es für nötig erachtet, und andere, selbst von Gott dem Herrn gegebene, aufzuheben, so sie sieht, daß sie unter gewissen Verhältnissen dem Heile der Seelen nicht gedeihlich sind.

11 Daß die Kirche aber in ihrem gottesdienstlichen Ritus sich der lateinischen Sprache bedient, hat einen höchst weisen Doppelgrund. Fürs erste ist das allezeit die ausgebildetste Sprache gewesen, somit auch die einstimmig würdigste, um Gott besonders damit zu ehren und anzubeten. Und fürs zweite ward die lateinische Sprache gegenüber dem gemeinsten und ungläubigsten Pöbel als eine Schutzwehr für die besonders heiligen Kraftgeheimnisse des Wortes Gottes aufgestellt, auf daß solche Kraftgeheimnisse vom Pöbel nicht könnten prosaniert (entweiht) werden. - Das sind die zwei Kardinalgründe! - Ein dritter aber besteht in der Plenipotenz (unbegrenzten Machtvollkommenheit) der Kirche, derzufolge sie auch gesetzlich die lateinische Sprache zur allgemeinen Ritualsprache fest und unabänderlich bestimmen kann. Ich meine, das wird etwa doch aus der Heiligen Schrift genug erwiesen sein, mein hochweiser Herr Kirchendiener!"

12 Sagt der Kirchendiener: "Aus der Heiligen Schrift waren die zwei angeführten Texte wohl; nur haben sie alles eher bewiesen als das, was Eure Eminenz damit gern bewiesen hätten. Hätte Christus, der Herr, auf die Art, wie Eure Eminenz es auffassen, der Kirche eine Plenipotenz erteilen wollen, da hätte Er wahrlich nicht nötig gehabt, drei volle Jahre und vielleicht auch schon bei früheren Gelegenheiten im Schweiße Seines Angesichtes die Apostel und noch gar viele andere Jünger das große Gesetz der Liebe, das Gesetz des Lebens und die großen Geheimnisse des Himmelreiches zu lehren; sondern da würde Er bloß Seinen Aposteln und Jüngern ohne vorhergehenden Unterricht die Plenipotenz in dem Maße erteilt haben, daß sie als von Ihm bloß Aufgenommene nun tun könnten, was sie wollen, wobei dem Vater im Himmel alles ganz vollkommen recht wäre. Sagen Eure Eminenz sich selbst, ob es wohl von einer Gottheit möglich du denken ist, daß Sie so eine unter aller Kritik elendeste Plenipotenz Ihren Jüngern je habe erteilen können in dem Sinne, wie Eure Eminenz es verstehen? Ich frage dabei bloß, zu was die Gottheit Selbst ehedem drei Jahre hindurch ein weisestes Lehramt ausgeübt habe, zu was eine heilige Lehre des Lebens den Menschen durch Ihren höchsteigenen Mund geoffenbart, so Sie, die Gottheit, hernach durch einen einzigen Text, der quasi eine unumschränkte Gewalt den Jüngern einräumt, alles dies über den Hausen würfe,

13 wie es sich auch bei der römischen Kirche buchstäblich zeigt, da eben in dieser Kirche außer dem Namen des Herrn und Seiner Jünger nichts mehr anzutreffen ist - keine Demut, keine Sanftmut, kein Funke von einer Geduld und noch weniger von einer Liebe zum Nächsten! Vom Glauben reden wir ohnehin keine Silbe mehr. Von einem Glauben an die Macht des Goldes und des Silbers ja, der steht noch fest; nur soll er jetzt auch schon sehr schwach geworden sein, weil die Menschen glauben sollen, daß das Papier auch Silber oder Gold sei. Auch der gegenwärtige Papst soll von einer gewissen Not gedrungen sein, sich solch einem papiernen Glauben in die Arme zu werfen. Und vielleicht ist so ein papiernes Glaubenspflaster gerade dazu gut, um den Papst einmal zu dem Glauben zu bringen, daß das Reich Gottes nicht in den großen Schätzen der Welt, sondern allein nur in denen eines reinen, demütigen, mit Liebe erfüllten Herzens besteht.

14 Die Plenipotenz, die der Herr Seinen Jüngern scheinbar erteilt hat, war und ist nur eine Plenipotenz des Heiligen Geistes Gottes im Menschen. Wer nach dem Worte Gottes lebt, durch das alle Dinge und Wesen gemacht worden sind, der überkommt auch den Geist Gottes. Denn Gottes Wort ist eben der Heilige Geist, aus dem Munde Gottes in alle Menschenherzen übergehend, die das Gotteswort werkttätig in sich ausnehmen. - Mit solchem Besitze des Gottesgeistes, der mein Herz zu einem Tempel der tiefsten Weisheit aus Gott macht, kann ich dann gleichwohl zu einem sündigen Bruder, so er Reue und Besserung zeigt, sagen: »Deine Sünde ist dir vergeben!« - Ist er aber hartnäckig und will nicht lassen von der Falschheit und Bosheit, die gewöhnlich eine Tochter der ersteren ist, so kann der vom Gottesgeiste Erfüllte auch sagen: »Freund, bei deiner bösen Beharrlichkeit kann dir die Sünde nicht erlassen werden!« - Aber zu glauben, man überkomme den Heiligen Geist durch eine gewisse sakramentliche Zeremonie, als da ist die nichtige, leere Wassertaufe, die Backenstreichfirmung und gar die allerläppischste, eine pure Zeremonie bildende Priesterweihe, nach welcher der Neugeweihte ebenso ein Strumpf bleibt, wie er ehedem war - das gehört doch auf den allermorschesten Holzweg und hat nichts als eine schmähliche und unerträgliche, rein ägyptische Kastenbildung zur Folge, von der der Heilige Geist bei weitem ferner ist, als Himmel und Erde voneinander abstehen. So ein neugebackener Alumnus (Stiftsschüler) hat ja noch nie aus eigenem Ernste auch nur einen einzigen Vers des Evangeliums, außer dem der vermeintlichen Plenipotenz, zu seiner Lebensrichtschnur gemacht und auch nicht machen können, da er fürs erste alles unter einem gewissen kirchlichen Kastenzwange hat studieren und tun müssen und fürs zweite noch gar nie eine volle Heilige Schrift zu Gesichte bekam, aus der er allein die Wege zum Empfange des Heiligen Geistes hätte ausfindig machen können.

15 Der Herr sagt: »Seid nicht eitel Hörer, sondern Täter Meiner Lehre, so werdet ihr in ihr erst die Kraft des Gottesgeistes erkennen lernen!« - Wie soll aber solch ein neugeweihter Alumnus je zu dieser heiligen Erkenntnis gelangen, so ihm das Lesen der Bibel sogar bei scharfer Ahndung untersagt ist?! - Er kann so, auch beim besten Willen, nicht einmal ein eitler Hörer, geschweige denn erst ein Täter des Wortes Gottes werden. So er aber dieser bedingenden, lauten Anforderung Christi nicht Folge leisten kann, sage, woher soll ihm dann jener mächtige Geist Gottes werden, ohne den man sich nur als ein Frevler alles Frevels eine göttliche Plenipotenz usurpatortisch (gewaltsam) anmaßen kann, während man in der Wirklichkeit von ihr unendlich weit entfernt ist und bleibt!?

16 O du meine liebe Eminenz! Denke nach, wie schlecht jene Texte auf die heidnische Kastenkirche in Rom passen, und sage: »Mea culpa, mea quam maxima culpa!« - Ich bin leider auch so ein recht bocksbeinfester Heiligen-Geistes-Usurpator gewesen! Herr vergib es mir, denn ich war stockblind von allerlei Anlockungen der Welt und des Teufels und wußte daher auch nicht, was ich tat! - Vielleicht erbarmt Sich der Herr deines armseligsten Menschtums, wennschon sicher nimmer deiner kardinalischen Eminenz; denn Eminenzen hat Christus der Herr wohl nie eingesetzt - auch der Petrus und der Paulus nicht!"

231. Kapitel: Der Kirchendiener über christliche Gleichheit und kirchliche Ungleichheit. Der Katholik verdammt den 'Ketzer' zur tiefsten Hölle.

01 Nach dieser Rede kratzt sich die Eminenz, aber nicht der Großdienstbare, bei den Ohren und sagt nach einer Weile zu seinen Kollegen: "Dieser Kirchendiener ist ein ganz verdammter Kerl! Bei meiner armen Seele, so ich kein Kardinal wäre, möchte ich ihm beinahe recht geben. Aber natürlich als Kardinal kann man sich denn doch nicht von einem Meßner belehren lassen!" - Spricht der Meßner: "O meine liebe Eminenz! Wir sind hier, so wahr ein Gott lebt, nicht mehr auf der Erde, sondern wie ich schon ehedem einmal erwähnt habe: wir sind samt und sämtlich mit Haut und Haaren in der Welt der Geister, was Eure Eminenz aus gar mancherlei Erscheinungen und Vorkommnissen gar leicht hätten merken können, so sie es hätten wollen."

02 Sagt die Eminenz: "Wie hätte ich denn das sollen merken können? Ich müßte ja doch aus einer wohl wahrnehmbaren Empfindung etwas davon verspürt haben, daß ich gestorben bin - was doch offenbar vorausgehen muß, ehe man in die Geisterwelt kommt! Und so man dann in einer Geisterwelt sich befindet, da würde man sich doch dort als ein Geist, nicht aber als ein rein materieller Mensch mit Haut, Haaren und Knochen befinden! Das alles trifft bei keinem von uns zu. Wie könnten wir uns dann in einer Geisterwelt befinden?! - Mein lieber, hochweiser Meßner! Wie es mir immer klarer wird, so ist Er ein Narr und gehört in ein Narrenhaus!"

03 Sagt der Meßner: "Das hat nicht not, denn solange ich mich unter euch befinde, bin ich in einem ganz vollkommen ausgebildeten Narrenkollegium und somit auch in optima forma in einem Narrenhause! Denn wenn sie das nicht einsehen, daß sie sich schon lange in der Geisterwelt befinden, so müssen die Eminenzen erstens stockblind und zweitens völlig begriffsunfähige Narren sein!

04 Sagen sie mir: Wieviel Erzbischöfe und Kardinäle waren denn auf der Welt auf einmal am Stefansdom zu Wien angestellt? Hier seid ihr als Hochgeistliche allein nahe an Hundert beisammen! Wann wären denn in Wien so viele Erzbischöfe und Kardinäle tatsächlich auf einmal angestellt gewesen? Ich weiß nur von einem auf einmal! Von mehreren auf einmal meldet keine Geschichte, auch die der römischen Kirche und Päpste, nicht eine Silbe! - So die Eminenzen aber hier nun schon eine geraume Weile von einigen hundert Erdjahren beisammenhocken wie die Frösche in ihrem Winterschlaf in irgendeinem Schlammwinkel einer zugefrorenen Pfütze - so wird so was ja etwa doch nicht auf der natürlichen Welt stattfinden können, sondern rein nur in der Geisterwelt!

05 Und da sage ich, als ein von Eurer Eminenz deklarierter Narr: Hier sind wir uns alle gleich, wenn auch die Narrheit der Welt uns auf der finstern Erde dem Stande nach außerordentlich hoch und weit geschieden hat - was freilich nach der reinen Lehre Jesu auch nie hätte geschehen dürfen. Denn Jesus der Herr hat Seinen Jüngern, als sie Ihn töricht genug angingen, wer da unter ihnen der Erste sein solle, ausdrücklich gesagt und geboten: »Wer unter euch der Geringste ist und euch dienet, der ist vor Mir der Erste. Wahrlich, Ich sage euch, wer in seiner Einbildung, Idee und handelnden Wirklichkeit nicht einem Kinde gleichen wird, wird keinen Teil am Reiche Gottes haben! Nur einer ist euer Herr! Ihr alle aber seid ganz gleiche und unterschiedslose Brüder! Daran aber wird man euch erkennen, daß ihr Meine Jünger seid, so ihr euch Untereinander als wahrhaft völlig gleiche Brüder liebet. Ein jeder aber, der den Nebenmenschen als Bruder liebt und sich über ihn nicht erhebt, außer allein in der Liebe zu ihm, der ist Mein Jünger und hat das Reich Gottes schon in sich!«

06 Meine Eminenzen, das sind Worte Christi des Herrn, in denen klar dargetan ist, daß es auf der Erde, besonders in geistigen Dingen, nie hätte Standesunterschiede geben sollen. Nie hat Christus der Herr von einer geistlichen Eminenz etwas gesagt, noch weniger je etwas von einem Papste! Alle sollen gleich sein vor Ihm, indem Er allein der Herr ist über die ganze Unendlichkeit materiell und geistig.

07 Woher und wie entstanden denn sonach in der sogenannten allein wahren Kirche so ungeheure Standesunterschiede, wie sonst in der ganzen Welt nirgends - während doch das offenbare Gebot des Herrn jeden Standesunterschied zwischen seinen Jüngern verbietet?! Sehen die Eminenzen! Das bewirkte die Hölle: - Der von oben kam, Der dienete allen und opferte Sich für alle. Und das war Gott Jesus, der Herr der Ewigkeit selbst! - Der aber als ein schroffster Gegner des heiligsten Ersten von unten heraufkam, der will von allen bedient sein und macht solcher Standesunterschiede so viele, damit sein Stand desto höher und desto unerreichbarer erscheine. Daß der Herr aus seinen Kindern die besten und weisesten zu Königen über Sein Volk mit aller Macht ausgestattet und gesalbt hat, das wissen wir. Und daher sind wir auch verpflichtet, diesen von Gott gesalbten Königen und Herren der Erde zu gehorchen, denn ihre Macht ist von oben her.

08 Aber die Macht, die sich die Päpste selbst usurpatorisch gegeben haben, ist nicht von oben, sondern von unten her! Denn sie sind eben die ersten, die die heiligsten Brudergesetze mit den Füßen zertreten. Denn wer kann, wer darf sich einem Papste gleichstellen?! Wer kann, wer darf zu ihm »Lieber Bruder!« sagen!? Muß nicht ein jeder Katholik den Namen des Papstes gleich wie den Gottesnamen mit der größten Hochachtung und Ehrfurcht aussprechen und, so er nach Rom käme, sich's zur allerhöchsten Gnade rechnen, zum Pantoffelkusse zugelassen zu werden? Fraget euch selbst, wo sind da die Gebote Christi: »Ihr alle seid Brüder, und nur Einer (Christus) ist euer Herr!«

09 Die Eminenzen werden daraus leicht ersehen, daß sie auf der Erde von der größten antichristlichen Torheit gefangen worden und in dieser Torheit denn auch Bürger der Geisterwelt geworden sind. Diese ihnen noch fest anklebende Torheit ist aber auch hauptsächlich der Grund, aus dem sie noch immer in dem Wahne leben, als wären sie nicht gestorben. Ich aber sage Ihnen, legen Sie diesen Wahn ab, welcher der heiligsten Absicht Christi, des Herrn, schnurgerade zuwider ist!

10 Sie werden dann auch leicht einsehen, daß ein schlichter Meßner ebensogut eine Eminenz belehren kann wie eine Eminenz einen Meßner. Und ich möchte behaupten, daß ein Meßner nach der heiligsten Lehre ein größeres Recht hat, einen Kardinal zu belehren, der so lange blind und dumm bleibt, als ihm an der großen Würde, die er widerchristlich auf der Welt begleitet hat, etwas gelegen ist. - Der Meßner hingegen ist gottlob tief genug unter der Würde eines Kardinals und daher auch der christlichen Anforderung näher als jeder noch so kleine Kaplan und um gar ungeheuer vieles näher als eine über alles hochmütige Eminenz."

11 Sagt die Eminenz: "Wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt werden! Das steht auch geschrieben! Versteht Er das, Er naseweiser Meßner, Er?" - Sagt der Meßner: "O ja, ich verstehe das sehr gut und habe es schon lange an mir selbst praktisch verstanden! Denn bei mir war von einer Erhöhung wohl nie die Rede. So ich aber Christum und Sein heilig Wort Eurer sehr unchristlichen Eminenz gegenüber rühme, so ist das doch sicher keine Erhebung meiner selbst, sondern eine Erhebung Christi vor euren Augen. Sie lassen sich noch immer Eminenz titulieren und wissen, daß Christus, der Herr, doch ewig nie eine Eminenz eingesetzt hat! Das ist eigenmächtige Selbsterhöhung und somit ein Greuel vor Gott! Aber ein allen Kirchenstaub schluckender Meßner ist und bleibt eine Null, und das ist viel christlicher als eine Eminenz,verstehen Sie das!?"

12 Spricht der Großdienstbare: "Ich bitte euch, meine lieben Brüder, die ihr samt mir auf der Erde schon auf den goldenen Thronen der Himmel Gottes sitzet, gleich den zwölf heiligen Aposteln, um zu richten die Geschlechter der Erde, lasset ab mit diesem Ketzer euch zu zanken! Ihr wisset ja, welche Macht ihr habt. Was nützt es dem Juden, so er uns höhnt und lästert? Wir verdammen ihn im Konklave, und er ist für ewig des Teufels. Was nützt es allen Protestanten, daß sie wider uns sind? Wir haben sie alle verdammt, und sie sind des Teufels zeitlich und ewig! Was hat nun Martin Luther davon, daß er sich einer Hure wegen von uns losgemacht und das Ketzertum gestiftet hat? Millionen, die seiner Lehre wegen gefallen sind, schreien fortwährend um Rache gegen ihn, und er sitzt in der ärgsten Hölle und verflucht fortwährend den Tag, an dem ihm das Dasein gegeben ward. Warum ist er in der Hölle? Weil wir ihn im heiligen Konklave für ewig in die Hölle verdammt haben! Kurz, was nützt es all unseren Widersachern, daß sie wider uns sind? Sie sind alle sämtlich von uns per Bausch und Bogen verdammt und können daher unmöglich je in das Himmelreich gelangen!

13 Also verdammen wir denn auch diesen alleranmaßendsten verfluchten Ketzer und er soll dann nur sehen, wie er in die Himmel Gottes kommen wird. Ich sage nun in eurer Mitte: Haeretice infamis! Esto maledictus per omnia saecula saeculorum! (Verfluchter Ketzer! Sei verdammt auf alle Zeiten der Zeiten") Und ihr habt dazu "Amen" gesagt, und er hat schon seinen Teil in der Hölle! - Sehet, so müssen wir handeln und nicht irdisch zanken, sondern sogleich von der uns von Gott verliehenen geistigen Waffe ohne alles Bedenken bei solchen Ketzern den vollsten Gebrauch machen! Dann werden wir am meisten ausrichten. Sie sollen gleichwohl auf der Welt noch herumlaufen wie herrenlose Hunde. In der anderen Welt aber werden sie in der Gesellschaft der Teufel schon zu verspüren anfangen, was die alleinseligmachende Kirche ihnen hätte nützen können, so sie ihr getreu geblieben wären, und welchen ewigen Schaden sie nun erleiden, so sie von allen Teufeln in die Hölle gezogen werden. Da werden sie dann ihre Hände nach uns ausstrecken, daß wir ihnen hülfen. Wir aber werden zu ihnen sagen: »Nichts da! Ihr habt uns auf der Welt nicht hören wollen, und nun hören wir euch auch nicht! Weichet von uns auf ewig, ihr Verfluchten!« Dann werden sie schreien: so helfet uns, ihr heiligen Päpste, Kardinäle, Erzbischöfe und Weihbischöfe und alle ihr heiligen Priester Gottes! Wir waren auf der Erde ja blind und wußten nicht, was wir an euch getan haben. Nun sehen wir erst ein, was heilig Großes ihr bei Gott seid und was für ein scheußliches und elendes Nichts wir vor euch sind. Gebet uns auf hunderttausend Jahre ins ärgste Fegfeuer, nur die Hölle, die ewig allerschrecklichste, erlasset uns!"

14 Aber dann werden wir zu ihnen sagen: »Wir haben euch auf der Welt belehrt und ermahnt genug! Wir sandten einen Hirtenbrief um den andern an euch, haben euch um kleine Opfer, die ihr allezeit leicht hättet erschwingen können, Ablässe in Hülle und Fülle und wiesen euch allerernstlichst zu den Beichtstühlen und zur Buße! Aber ihr habt uns nur ausgehöhnt, ausgelacht und beschimpft, denn ihr waret ja großenteils freie und große Herren und tatet, was ihr gewollt habt! Nun hier in der Geisterwelt vor Gott aber sind wir zu großen und allmächtigen Herren geworden und könnten euch helfen, so wir wollten. Aber wir wollen es nicht, und so will es auch Gott nicht! Und somit weichet von uns, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das den Teufeln und all seinen ketzerischen Dienern bereitet ist!« Da wird sich der Boden unter ihren Füßen öffnen und der ewige Abgrund wird sie samt den Teufeln verschlingen und ihrer Namen wird dann fürder ewig nicht mehr gedacht werden. Amen dico vobis! (wahrlich, ich sage euch!) - Sehet, das tun wir, das ist unser Schild! Und das haben wir auch bereits getan an diesem vermaledeiten Ketzer. Er soll nun schauen, wie er der Hölle entrinnen wird!"

15 Sagt darauf der Meßner: "Aber ein bißchen werdet ihr ja doch handeln lassen mit euch!? Ich nehme ja auch ein hunderttausendjähriges Fegfeuer anstatt der großen Hölle! Gebt mir also 's Fegfeuer anstatt der Hölle! Was wird's denn sein, ob so ein Lauskerl, wie da unsereins ist, mehr oder weniger in der Hölle siedet oder bratet!?" - Schreit der Großdienstbare: "Aha, bestia infamis infernalisque! (verdammte höllische Bestie!) Das Höllenfeuer fängt schon an seiner verdammten Seele zu lecken an, und das verspürt er und möchte nun eine Erlösung von uns! Aber nichts da! Fort mit ihm zur Hölle und zu allen Teufeln! "

232. Kapitel: Jesus nimmt den guten Meßner auf und beginnt eine gewaltige Flammenkur an seinen Verdammern. Wirkungsvoller Schluß dieser Szene im Stephansdom.

01 In diesem Augenblicke trete Ich zum Meßner hin, der Mich sogleich erkennt, und sage: "Mein lieber Bruder Johann! Es ist genug! Diesen ist nun alles gesagt worden durch deinen Mund; aber sie sind geblieben, wie sie allezeit waren. - Daher komme du zu Mir in Mein Reich! Diese aber sollen sich ihren Himmel und ihren Gott suchen und machen, wie es ihnen beliebt. Zu Mir werden sie schwerlich je kommen! Was sie aber dir vermeinten, das sollen sie eine Weile selbst genießen, auf daß sie es an sich Selbst erfahren, wie gut sie es mit ihren Brüdern meinen."

02 Hier zeige Ich Mich auch diesen harten Pfaffen nach ihrer Vorstellung als der Herr Himmels und der Erde und sage in einem geflissentlich sehr ernsten Tone: "Kennet ihr Mich nun?!"

03 Sie sagen alle bebend: "Ja, nun erkennen wir Dich erst. Du erschrecklicher Richter! Sei uns, Deinen Dienern, gnädig und barmherzig!"

04 Ich aber sage sehr ernst zu ihnen: "Habt ihr nie gelesen: »Seid barmherzig, so werdet auch ihr Barmherzigkeit erlangen!« - Wie sah es mit eurer Barmherzigkeit aus? Habt ihr je die Hungrigen gespeist, die Durstigen getränkt, die Nackten bekleidet, die Gefangenen erlöst und die Kleinmütigen getröstet? - Nein, das habt ihr nie getan! - Mit der Hölle ja! Und mit dem nicht viel besseren Fegfeuer diejenigen, die euch recht viele Opfer brachten! Ihr waret allezeit weidlichst wider Mich, tratet Meine Lehre mit Füßen und setztet dafür nur dümmstes Zeug auf den Altar! - Darum denn, weil ihr also hart und unverbesserlich seid, so geschehe euch, was ihr aus eurer unbegrenzten Herzenshärte diesem Meinem wirklichen Bruder gegeben habt! Und dazu sage Ich: Amen dico vobis!"

05 Hier öffnete sich plötzlich der Boden der Kirche, Flammen schlagen empor aus der weiten Kluft, mehrere dienstbare Geister erscheinen, die sogleich bei der Hand sind und die harten Pfaffen gegen die flammende Kluft langsam hindrängen. Diese fangen dabei ein allerjämmerlichstes Geheul an und bitten den Meßner Johann flehentlichst um Erbarmen und Fürbitte.

06 Der Meßner aber sagt: "Ihr habt doch immer gesagt, gelehrt und von allen Menschen verlangt, daß sie bei Strafe der sicheren, ewigen Verdammnis das von euch glauben sollen, daß ihr ganz allein die Schlüssel zum Himmelreiche und auch die zur Hölle habt! Sperret euch nun die Himmel auf und verschließet die offene Pforte der Hölle, die Christus, der Herr von Ewigkeit, vor euch aufgetan hat, damit sie euch aufnehme in ihren sanften, echt römisch-katholischen Schoß! Habt ihr mich doch erst vor wenigen Minuten für ewig in die Hölle verdammt - wie soll denn nun ich für euch einen Fürbitter bei Gott machen? Die Verdammten stehen ja doch nicht in eurer Fürbitterlitanei?! Der Herr tue mit euch nach Seinem heiligsten Willen und nach Seiner Liebe und Gerechtigkeit! Ich bin euch um ein besseres Los sicher nicht neidig, will auch nicht unbarmherzig sein gegen euch; aber Besseres als vom Herrn sollet ihr von mir ewig nimmer erwarten. Gott allein ist gut. Wir alle aber sind schlecht und können daher unmöglich Ihm in dem vorgreifen, wozu Ihm allein das ewige Recht zukommt, nämlich gut und barmherzig zu sein." - Daher wendet euch an Ihn! Er ganz allein kann euch helfen!"

07 Nun heulen die schon stark zur flammenden Kluft hingedrängten Pfaffen: "Lieber Johann! Bei Gott gibt es ja für die, so von Ihm verdammt worden sind, keine Erbarmung mehr! Wie könnten wir da an Ihn uns wenden?" - Sagt der Johann: "Ihr Narren! So ihr von Gott dem Herrn keine Erbarmung erwartet, wo soll ich sie dann hernehmen, da ja doch das höchst Wenige in mir rein nur aus Gott ist!?" - Heulen die Pfaffen: "Nein, nein, bei Gott kann keine Erbarmung jenseits des Grabes über eine Seele ausgegossen werden! Denn die Liebe Gottes dauert nur bis zum Grabe! Nachher nimmt Seine allerstrengste Gerechtigkeit den Platz der Liebe ein!"

08 Sagt Johann: "Ihr dummen Narren! Hat denn Gott der Herr zwei Herzen - ein kleines voll der höchsten Liebe und Erbarmung und ein großes dann voll Zorn und gerechter, ewiger, allerunerbittlichster Strafgier?! Habt ihr doch selbst gelehrt, daß Gott ewig unveränderlich ist! Wie könnt ihr Ihm dann, gleich daneben, solch eine allerentsetzlichste Veränderlichkeit beilegen!? Wie kann Gott, das allerurvollkommenste Wesen der Wesen, aus einem und demselben Herzen den höchsten, nie versöhnbaren Zorn und zugleich die allerhöchste Sanftmut und Liebe ausfließen lassen!? Wie kann Gott einen Geist nur so lange lieben, als derselbe im sündigen Fleische gefangen lebt und webt; nachher aber ihn ewig hassen wegen einiger Fehler, zu denen ihn sein Fleisch als die von Gott angeordnete Freiheitsprobenatur verleitet hat!?

09 Ich aber sage euch: Der Herr und Gott Jesus Christus von Ewigkeit, den wir hier dreimal überheilig vor mir und euch leibhaftig gegenwärtig erschauen, ist - zeitlich und noch mehr ewig - die reinste Liebe und die höchste Erbarmung Selbst! - Nur euer römisch-katholischer Dreipersonen-Gott ist so gesinnt, wie ihr es seid! Bei dem gibt es, wie bei euch, keine Gnade und keine Erbarmung. Wohl mir und allen meinesgleichen, daß solch ein Gott sonst nirgends als allein nur in eurem bösen und überharten Herzen zu Hause ist!"

10 Hiernach drängen die dienstbaren Geister die Pfaffen wieder etwas näher zu der stets stärker flammenden Kluft, und Ich lasse es zu, daß die sich sträubenden und über alle Maßen heulenden Pfaffen der Flammen mächtige Hitze zu verspüren anfangen. - Da schreien sie: "Jesus, Maria und Joseph! Jesus, Maria und Joseph! Ihr alle lieben Heiligen und Märtyrer Gottes, kommet uns zu Hilfe! Helfet uns armen Teufeln! Wie erschrecklich heiß ist doch das Feuer der Hölle, und wir sollen nun ewig darinnen brennen?! O Jesus, Maria und Joseph! O Jesus, Maria und Joseph! O Jesus, Maria und Joseph! O Christe Jesu! Erbarme Dich unser! 0 sancta Maria mataer alma, ora pro nobils!"

11 Hier gebe Ich den die Pfaffen drängenden Geistern einen Wink, sie nicht mehr zu drängen.- Und es tritt Petrus vor und sagt zu den Pfaffen: "Sehet mich an! Ich bin der leibhaftige, wirkliche Petrus, der Fels des Glaubens, den der Herr Himmels und aller Welten dazu erwählt und bistimmt hat. Ihr und euer Papst nennet euch meine Nachfolger. Wann aber habe ich euch ein Richteramt übertragen? Und wie hätte ich, als ein Fels im Glauben an das Wort Gottes, euch auch je ein Richteramt übertragen können da - da ich doch selbst nie eines vom Herrn überkommen habe und überkommen konnte! Hat doch uns allen der Herr das Richten bei - Strafe des Gerichts über uns selbst - verboten, indem Er ausdrücklich sagte: »Richtet nicht, auf daß ihr dereinst nicht gerichtet werdet!?« - So der Herr aber Selbst also lehrte und solches strenge von uns bei Ahndung eines Gegengerichts forderte, wie soll Er uns dann zu Richtern über unsere Brüder gemacht haben!? - So aber wir nie auch nur im Traume ein Richteramt ausgeübt haben, wie hätten wir es dann auf euch übertragen können!? - Ihr (behauptet ihr) wäret als meine Nachfolger so gut wie meine Erben! So ihr das seid, wie möchtet ihr denn von mir mehr geerbt haben, als ich euch hinterlassen konnte?

12 So aber der Herr Selbst von Sich aussagte, daß Er nicht gekommen sei, um die Welt zu richten, sondern selig zu machen alle, die nur immer durch den Glauben an Ihn selig werden wollen - woher habt denn hernach ihr euch das Recht genommen, eure schwachen Brüder zu richten und (kaum glaublich zu sagen!) für ewig in die Hölle zu verdamnmen!? - Sehet, das habt ihr euch selbst angemaßt aus Herrschsucht und unbegrenzter Geldgier! Und es tut denn nun auch der Herr an euch, was ihr allerwiderrechtlichstermaßen an euren armen Brüdern getan habt! Denn mit welchem Maße ihr ausgemessen habt, mit demselben Maße wird euch nun wieder eingemessen werden. Verstehet ihr das?"

13 Sagt der ehemalige Großdienstbare unter größter Angst und unter dem furchtbarsten Beben: "O heiligster Apostel Petrus! Du Fels Gottes! Bitte doch du den Herrn für uns arme Sünder, daß wir doch nicht in die Hölle, sondern dafür lieber auf eine ganze Million Jahre möchten ins Fegfeuer geworfen werden. Wir sehen es jetzt ja alle ein, daß wir alle greuelhaft gesündigt haben! Wir empfinden auch die tiefste Reue über unsere so große irdische Verblendung! Wir wissen es aber auch erst jetzt, daß wir dem Leibe nach wirklich gestorben sind. Hätten wir das eher gewußt und eingesehen, so hätten wir auch gewiß die ganze Weile in dieser Welt uns der allermächtigsten Reue und der strengsten Buße unterzogen. Aber wir wußten ja nichts anderes, als daß wir noch immer auf der Welt seien, und blieben daher auch bisher die alten, verstockten Sünder. Du siehst ja doch, daß wir alle hier nun voll der tiefsten Reue sind. Sei uns daher auch doch nur ein wenig gnädiger und barmherziger! Wir wollen ja alles tun, was nur immer der Herr von uns verlangen möchte, aber nur mit der Hölle möchte Er uns verschonen."

14 Sagt darauf Petrus: "Ja, ja, das wissen wir alle lange schon, was du nun geredet hast! Daß ihr eine brennende Reue empfindet, das muß ja so kommen! Denn eben die in Ewigkeit wachsende und stets brennender werdende Reue gehört ja - nach euern Dogmen - sogar mit zur Höllenqual. Sie meldet sich nun vor der Pforte der Hölle schon bei euch an und wird euch auch ewig nicht mehr verlassen. Und solch eine Reue, die da von der Furcht vor der Strafe erzeugt wird, hat ja ohnehin keinen Wert vor uns. Denn die vor uns gültige Reue muß der Liebe zu Gott, nicht aber der Furcht vor der Hölle entstammen!

15 Ebenso steht es auch mit der Buße! Vor uns hat nur die freie Buße, die da entspringt aus dem lebendigen Glauben und der wahren Liebe zu Gott und zu allen Menschen, einen Wert. Die von der Furcht vor der Hölle erzwungene ist völlig ohne Nutzen und Wert - und wäre sie um vieles ärger als all die erschrecklichen, ewigen Qualen und Martern der Hölle, die ihr, so Gott der Herr es will, bald werdet zu verkosten bekommen."

16 Durch diese wenig Trost einflößenden Worte Petri werden die Quasi-Anwärter der Hölle in eine solche Angst versetzt, daß sie allesamt zu Boden sinken und da nur stöhnend die Worte: »O Je-sus, Maaaarri-a- und Jo-seph! - Gna-de! - Gna-de!« - herausbringen.

17 Während sie da so in einer Betäubung am Boden liegen, lasse Ich die Erscheinlichkeit der flammenden Kluft verschwinden und an ihre Stelle einen großen Becher Wein hinstellen sowie sieben große Laibe des besten Brotes mit einer schriftlichen Anweisung, daß sie sich daran ohne Unterschied erlaben und stärken und sodann auf alle Zeiten der Zeiten diese Kirche verlassen sollen, deren irdische Großartigkeit bloß dazu diene, den Hochmut der in ihr fungierenden Pfaffen ins kaum Glaubliche zu erhöhen. So sie aber im Freien sein werden, da werde schon jemand zu ihnen kommen, der ihnen angebe, was sie zu tun haben, um den Strafen der Hölle zu entrinnen.

18 Nachdem dieses alles also bestellt ist, entfernen wir uns von dieser vor Angst halbtot darniederkauenden Pfaffenrotte und gehen ins Freie. Auch der Meßner Johann natürlich als ein von - Meiner Liebe und Weisheit durchglühter Bruder.

233. Kapitel: Weiteres über das Geschick der Domkleriker. Über das Wesen der Weisheitsgeister und ihre schwere Bekehrung zur Liebe. Die Militärpatrouille im Jenseits. Militär in der geistigen Welt. (Am 21. August 1850)

01 Als wir draußen auf dem sogenannten Stephansplatze uns befinden, zieht gerade eine Rotte Militär an uns vorüber.

02 Robert tritt zu Mir und sagt: "Lieber Vater, dies Militär sieht doch etwas sonderbar aus! Ist es aus einer früheren oder aus der jetzigen Zeit? Wahrlich, das wäre schwer zu bestimmen! - Aus meiner Erdenzeit ist es einmal nicht. Damals war die Adjustierung (Kleidung) eine ganz andere. Aus den älteren Zeiten scheint es auch nicht zu sein, da mir die Adjustierungen aus jener Zeit auf gar vielen Gemmälden und Zeichnungen nur zu bekannt sind. Es muß denn etwa doch aus der Jetztzeit sein, etwa so nach dem Geschmacke des jungen Kaisers, der jetzt in Österreich das Zepter führt."

03 Sage Ich: "Ja, ja, also ist es! In diesem Jahre sind viele vom Militärstande durch die Typhusseuche und durch die Cholera und noch durch eine Menge anderer Krankheiten aus ihren Leibern erlöst worden. Da sie aber einmal schon zum Militärstande gehörten, so bleiben sie nach der Ablegung des Leibes auch noch diesem Stande getreu und erscheinen hier als Soldaten. Sie wissen auch nichts davon, daß sie gestorben sind. Wohl wissen sie, daß sie als Kranke ins Spital kamen und daß sie sich vor dem Sterben gefürchtet haben. Aber sie glauben, auf eine gute Medizin seien sie in einen stärkenden Schlaf gekommen und hätten recht tüchtig geschwitzt und seien dann am Morgen so ganz frisch und gesund aufgestanden, als ob ihnen nie etwas gefehlt hätte.

04 Von dem aber, daß sie gestorben sind, wissen sie, wie gesagt, keine Silbe. Es ist auch gut also, daß sie es nicht wissen, weil das Wissen für sie ein Gericht wäre. Sie müssen erst, nachdem sie hier (scheinbar) ihren Dienstabschied erhalten haben, nach und nach ganz unvermerkt eingeleitet werden, und das anfangs nur durch Erscheinlichkeiten, durch die sie so gewisse "Stupser" bekommen, daß ihnen die Welt, in der sie nun leben, stets mehr und mehr befremdlich vorkommen muß. Das macht sie stutzen, und ihr Gemüt wird unruhiger und unruhiger. Sie kommen dann auch in allerlei Unannehmlichkeiten und scheinbare Gefahren, suchen dann Schutz und Hilfe und suchen sich oft vor scheinbaren Verfolgungen zu retten. Aber sie finden keinen rechten Zufluchtsort und sind dann nicht selten genötigt, sich an die Verfolger zu ergeben. Manchmal aber verlaufen sie sich in unabsehbare Wüsten, aus denen sie dann kaum ein Ende finden, und kommen sie schon zu irgendeinem Ende, so ist dieses gewöhnlich noch um vieles ärger als die Wüste selbst.- Kurz, alle diese noch ganz in der Naturmäßigkeit sich befindenden Seelen müssen noch eine Art förmlichen Todes durchmachen, bis ihr Geist in ihnen frei wird.

05 So hast du es ja nun auch bei diesen Pfaffen gesehen! Die Angst vor der Erscheinlichkeit der flammenden Höllenpforte hat sie beinahe wie ganz tot gemacht. Nach einer Weile werden sie wieder erwachen und sich zwar in der Kirche noch befinden, aber das Geschehene wird ihnen wie ein heller, schrecklicher Traum vorkommen. Sie werden da Wein und Brot antreffen und, da sie sehr hungrig und durstig sein werden (was stets der Fall ist, so der Geist in der Seele freier und wacher wird), so werden sie auch gierig darnach greifen und es verzehren. Die offene Schrift, die sie auch sogleich neben den Broten ersehen, wird ihnen schnell die Anweisung geben, was sie zu tun haben, um der Hölle zu entrinnen, vor der sie eine ganz entsetzliche Furcht haben, weil sie sich die Hölle ganz lebendig also vorstellen, wie sie sich dieselbe auf der Erde (gläubig oder auch ungläubig) vorgemalt haben. Denn ob einige bei ihren irdischen Lebzeiten an die Hölle auch nicht geglaubt haben, so blieb ihnen aber doch das Bild. Nun haben sie den geöffneten Rachen und die ihnen ganz entsetzlich vorkommenden Flammen aus demselben schlagen gesehen und somit ihr böses Bild in der Verwirklichung wahrgenommen. Dadurch ist ihr Unglauben an die Hölle wieder zum Vollglauben geworden. Darum aber werden sie nach der abgelesenen schriftlichen Anordnung sich auch keine Sekunde mehr in der Kirche aufhalten, sondern eiligst aufbrechen und sich ins weite Freie machen.

06 So sie aus der Kirche treten, werden sie auch sogleich keine Stadt irgendmehr ersehen, sondern bloß nur ein offenes, freies Land. Allda werden sie dann schon hie und da auf gewisse Reisende stoßen, die sie weiter zu ihren Bestimmungen leiten und führen werden in Meinem Namen. Um diese haben wir uns denn nun auch gar nicht mehr besonders zu kümmern. In einigen dreißig Jahren werden sie für den unteren Weisheitshimmel ganz geeignet sein. Höher hinauf aber werden sie wohl schwerlich je kommen, weil bei ihnen das Organ der Liebe (weil es nie geübt und gestärkt worden ist) zu unentwickelt und schwach ist.Dafür aber hat freilich das Organ der weitwendigen Weisheit eine viel zu große Ausdehnung und kann daher nie von der außerordentlich schwachen Liebe überwältigt werden. Denn so bei solchen die Liebe sozusagen um sieben Ellen wächst, so wächst die Weisheit daneben schon uns dreifache. Und es kann daher nie jenes Verhältnis zwischen Liebe und Weisheit hergestellt werden, welches notwendig ist, um in einen höheren Himmel aufsteigen zu können.

07 Es ist zwar wohl gerade keine absolute Unmöglichkeit, daß auch Geister des untersten Weisheitshimmels in einen höheren Himmel übergehen können; aber es geht so etwas immer sehr schwer, weil die Weisheit sich stets mehr in der Spekulation (Betrachtung) als in der wirklichen Tat gefällt. - Der Weise hat nur ein Wohlgefallen, so er vor andern seine tiefen Einsichten auskramen kann, während der eigentliche Liebegeist nur nach dem Guten und Wahren handeln will. - Der pure Weisheitsheld ist gewisserart das, was das Publikum in einem Theater ist. Er hört die Komödie an und betrachtet mit scharfem Kennerauge alles, was oben auf der Bühne vor sich geht. Er versteht auch (nach seiner Meinung) gewöhnlich alles besser, als der auf der Bühne handelnde Komödiant. Man stelle ihn aber nur einmal auf die Schaubühne und er wird kaum einen letzten sogenannten Statisten vorzustellen imstande sein. Da aber das Zuschauen, Betrachten und darnach Räsonieren viel leichter als das Handeln ist, so sind die Geister des untersten Himmels auch stets sehr schwer in einen höheren Himmel zu bringen; denn die meistens tatlose Bequemlichkeit ist ihnen lieber als die schönste und beste Handlung. Solche Geister können nur durch eine gewisse Einförmigkeit der ihnen vor die Augen gestellten Erscheinungen, dann aber auch durch erheiternde Handlungsexempel zur Tat angespornt werden. Sind sie einmal beim Handeln, wenn anfangs auch noch so spießig, so geht dann die Sache schon vorwärts. Nur im Anfange hapert es ganz entsetlich.

08 Und so, Mein lieber Robert, wird es auch mit diesen Pfaffen gehen - wenn es gut geht, wie man so sagt. Aber eher wird es also sein, wie Ich es ehedem dir gezeigt habe. Sie werden zwar noch manchen Brocken zum verschlucken bekommen, bis sie in den untersten Weisheitshimmel gelangen.

09 Mit dieser militärischen Rotte dagegen werden wir es viel leichter haben. Sie hat nun nach einigen Hinundherschwenkungen vor uns Halt gemacht, da wir ihr aufgefallen sind. Sie übt hier eine Art Patrouille aus und hat nun den Sinn gefaßt, uns zu fragen, was wir hier vorhätten, weil unsere Gesellschaft auf einem Flecke des Platzes ihr ein wenig zu stark vorkommt, besonders in einer Stadt, die sich leider noch im Belagerungszustande befindet. Bei der Gelegenheit ihrer Anfrage an uns werden wir ihr denn auch sogleich der Wahrheit getreuest kundtun, wer wir sind und was wir so ganz eigentlich hier wollen und werden sie dann auch sogleich einladen, uns zu folgen in das Reich des Lebens. - Aber da kommt, Mein lieber Robert, die Reihe wieder einmal an dich! Du mußt hier für uns alle den Wortführer machen! Daher nimm dich nur recht zusammen!"

234. Kapitel: Neue Aufgabe Roberts. Jesus über den Soldatenberuf. (Am 24. August 1850)

01 Spricht Robert: "O Herr! Das wird, wie ich es so im voraus betrachte, von meiner Seite aus eben nicht am besten gehen; denn der Soldatenstand ist meine Liebhaberei nie gewesen. Und wo ich nur immer einen Soldaten gesehen habe, da hat sich auch allezeit ein ganz eigener Ingrimm meines Herzens bemächtigt, dessen ich beim besten Willen nicht Meister werden konnte. Denselben Ingrimm empfinde ich auch jetzt noch, obschon ich mich durch Deine Gnade zu wenigstens halbvollendeten Geistern zählen darf. Soll ich nun diese Soldaten bekehren, so müßte ich irgendeine Liebe oder doch wenigstens einen gewissen Geschmack ihnen abgewinnen können. Das aber scheint mir, je mehr ich mich mit meinem Herzen beratschlage, eine reine Unmöglichkeit zu sein. Denn diese Art Menschen sind nichts als pure Maschinen, die sich wie abgerichtete Tiere nach einem gewissen Kommando bewegen. Was ihnen befohlen wird, das tun sie, ohne sich auch nur zu fragen, ob es recht war oder nicht. Nehmen wir den Belagerungszustand an! Jede Wache hat die Weisung, jedermann, ohne Ausnahme, der auf ein dreimaliges Anrufen keine Antwort gibt, sogleich niederzuschießen. Setzen wir aber den Fall, der sehr möglich ist und sich auch schon öfter wirklich ereignet hat, daß ein Taubstummer sich einem besonders heiklen Posten der Wache unwissend über die Gebühr nähert; die Wache ruft ihn nach Vorschrift dreimal an; der Angerufene kann ihr natürlich keine Antwort geben - was geschieht nun? Der Posten oder der Wachesoldat zielt und schießt den Taubstummen ohne weiteres Knall und Fall über den Haufen! Frage: Wie ist solch eine Handlung zu betrachten? Was für ein Herz gehört dazu, das nach der Hinrichtung eines armen Bruders so ganz mir und dir nichts seinen mechanischen Dienst weiter fort verrichten kann, als ob da gar nichts vorgefallen wäre?!

02 Ich weiß wohl, daß der Soldat gezwungen ist, also zu handeln; aber das entschuldigt die Sache bei mir durchaus nicht. Denn es ist schlecht, daß man Menschen als Hunde gebraucht, und ebenso schlecht ist es, daß sich Menschen als Hunde und reizende Wölfe gebrauchen lassen. Leider, daß da Millionen denselben Weg wandeln und bis jetzt noch keine Abänderung weder von der einen noch von der anderen Seite geschehen ist.

03 Du siehst also, wie Du es schon lange gesehen hast, daß ich unmöglich ein Freund des Soldatenstandes werden kann und somit auch mit dieser vor uns stehenden Truppe sicher sehr schlechte Geschäfte machen würde, so ich mit ihr belehrend zu unterhandeln anfinge. Darum bitte ich Dich, o Herr, übertrage dies Geschäft an irgend jemand Tauglicheren! Denn mein ganzes Gemüt sträubt sich ganz gewaltig dagegen, besonders hier in dieser Stadt, in der ich, wie Dir nur zu bekannt sein muß, den Soldatenstand von einer zu elenden und überschmählichen Seite habe kennenlernen müssen. Ich habe es ihnen wohl vergeben, die an mich die Hand gelegt haben; aber dem Stande selbst kann ich nimmer ein Freund werden."

04 Sage Ich: "Eben deshalb, weil dir dieser Stand noch gleichfort ein Dorn in den Augen ist - übertrage Ich dir dieses Geschäft. - Ich sage dir, Mein lieber Sohn, du könntest nicht wahrhaft eingehen in Mein Reich, so du disen Dorn nicht aus deinen Augen brächtest. - In Meinem Reiche herrscht nichts als nur die allerrinste Liebe, die völlig frei sein muß von allem, was auch den allerleisesten Schein nach irgendeiner Unversöhnlichkeit hat! Du mußt der Welt alles, was ihr angehört, bis auf den letzten Heller zurückerstatten, bevor du ein Bürger Meines Reiches in Hülle und Fülle werden kannst!

05 Hinweg also mit allem, was da nach irgendeiner Unversöhnlichkeit nur allerleisest riecht! In jeder Sekunde mußt du aus deinem ganzen Gemüte deine Arme für Millionen ausbreiten können! Dein Bruderkuß muß allen Wesen der ganzen Schöpfung gelten, ob sie dir genehm sind oder nicht! Ob Freunde oder Feinde, das muß dir völlig ein ganz Gleiches sein! Denn so es in Meinem reinsten Liebereiche auch gewisse bedenkliche Rücksichten gäbe, wie sähe es dann bald mit der Weltenregierung aus?!

06 Auf der Erde hast du oft sehen können, wie Ich Meine Sonne über Gute und Böse ohne den geringsten Unterschied habe scheinen lassen und den Regen goß auf das Feld Meiner Verächter ebensogut wie übers Feld Meiner innigsten Verehrer und Anbeter. Warum aber tat Ich das, was Ich auch recht gut hätte anders machen können? Weil Ich Selbst die allerreinste Liebe bin und in Mir ewig nie eine Rache oder auch nur der leiseste Schein irgendeiner Unversöhnlichkeit Platz greifen kann! Mein innerster Wunsch und Wille geht unverwandt dahin aus, alle Wesen so frei und so selig als nur immer möglich zu machen, und sollte dies, so es möglich wäre, auch auf Kosten Meiner höchsteigenen Seligkeit geschehen (wie es auch zeitweilig schon geschehen ist und noch geschieht)!

07 Ich gehe nun schon eine geraume Weile mit dir um, und du kannst nicht sagen, daß Ich Mich oft dir entzogen habe. Für Mich als das urvollkommenste Wesen der Wesen ist es sicher nicht so selig, unter unvollendeten Wesen, die Mich nur zu oft gar nicht erkennen und nicht erkennen wollen, zu weilen und sie mit aller Geduld und zartesten Sanftmut zu leiten, als so Ich Mich unter meinen vollendetsten Söhnen und Brüdern in Meinem Reiche der reinsten Liebe und des hellsten, aus dem Zentrum Meines Herzens strahlenden Lichtes befinde. Aber Ich tue es dennoch, weil Meine höchsteigene, reinste Liebe es Mir zur Pflicht auferlegt. Also mußt auch du dir so manches gefallen lassen und stets dahin trachten, Mir in allem völlig ähnlich zu werden!

08 Siehe, ein Soldat ist zwar an und für sich ein Feuer, welches verwüstet, zerstört und tötet. Aber denke dir ein Land, in dem es durchaus unmöglich wäre, ein Feuer zu entfachen und zu unterhalten. Könnte in solch einem Lande wohl jemand bestehen? Sicher nicht, denn wo kein Feuer bestehen kann, da gibt es auch keine Lebenslust und ohne diese kein tierisch-menschliches Leben. So es aber in einem großen Volksstaate keine Waffenleute gäbe, wo wäre da die Sicherheit des nötigen Eigentums, des Lebens und der Aufrechterhaltung der Ordnungsgesetze? Siehe, das, was dem Leben im Übermaße zwar gefährlich werden kann, das muß auch hauptsächlich das Leben erhalten! Und deshalb ist der Soldatenstand durchaus nicht so schlecht, wie du es meinst. Im Gegenteile ist der Soldatenstand für jeden Völkerstaat nur sehr nützlich und unentbehrlich, und daher mußt du ihn durchaus nicht mehr mit feindlichen Augen betrachten, sondern mit den Augen der reinen Liebe, der wahren Gerechtigkeit und Ordnung und dir dabei denken: Auch ein Soldat ist mein Bruder! - Daß er eine Maschine des Gesetzes ist, das geht dich nichts an und darf dich nichts angehen! Denn es muß ja Maschinen des Gesetzes geben, auf daß aus und unter dem Gesetze eine wahre und für ewig dauernde Freiheit erkeimen und erwachsen kann.

09 Muß von Mir aus nicht ein jeder Weltkörper eine Gesetzesmaschine sein, auf daß auf demselben freie Wesen ungestört zum wahren Leben heranreifen können?! Was wäre aber mit den Menschen, so die Weltkörper keine Gesetzesmaschinen wären?! Denke dir eine freischwebende Erde voll freien und unbeschränkten Willen? - Wie würde die mit ihren Schmarotzer-Einwohnern verfahren, so sie ihr fühlbar lästig werden würden?! - Also Freund! Bedenke das alles und du wirst dem Soldatenstande sicher geneigter werden, als du es bis jetzt warst, und wirst dich nun auch leichter an das dir anbefohlene Geschäft machen, was unumgänglich nötig ist zu deiner gänzlichen Vollendung, ohne die du in Mein Reich nicht eingehen könntest. Denn siehe, darin liegt eben der Hauptgrund, warum du noch einmal mit Mir Selbst nach Wien dich hast begeben müssen. Fasse dich und mache dich an das Geschäft! Ich sage dir, daß es besser gehen wird, als du es meinst! Denn Gesetzesmaschinen sind allezeit leichter zu leiten als jene, die da Gesetze geben.

235. Kapitel: Robert hält nach anfänglichem Zaudern eine Ansprache an die Truppe und sucht ihr Klarheit zu geben über das geistige Reich.

01 Robert etwas betroffen über solche Meine Zurechtweisung, dankt Mir zwar recht inbrünstig dafür; aber er hat dennoch keinen rechten Mut, mit den vor uns stehenden Soldaten ein Gespräch anzuknüpfen, bevor sie ihm dazu einen Anlaß geben würden. Die Soldaten aber merken das, denn sie haben Meine Worte vernommen, die ihnen gefielen, und sind darum stille und warten, bis Robert sie angehen würde. Und so schaut nun Robert die Soldaten an und die Soldaten den Robert; kein Teil will die Offensive ergreifen.

02 Nach einer Weile tritt die schöne Helena, die stets voll der innigsten Liebe zu Mir ist, hervor und sagt zu Robert: "Aber lieber Robert! Bist du ein Hasenfuß oder bist du keiner?! Wie könnte ich es aber auch nur eine Sekunde mit dem Vollzug des Willens des Herrn anstehen lassen?! Schau, hätte der Herr mir so einen Auftrag gegeben, ich wäre damit schon lange zu Ende. Du aber bringst erst eine lange Wurst von eitlen Entschuldigungen vor, obschon du weißt, daß der Herr niemals mit Sich handeln läßt und lassen kann; denn Sein mildestes Wort geht allezeit aus Seiner liebweisesten Ordnung hervor und muß erfüllt werden, ohne welche Erfüllung unmöglich je an ein Heil zu denken ist - wie es dir soeben der allgütigste Herr und Vater nur zu klar gezeigt hat! - So du aber das aus dem Munde Gottes Selbst vernimmst, was zauderst du denn hernach, den allerheiligsten Willen in Vollzug zu bringen?! Rühre dich doch, daß die achtbare Truppe es merke, daß du ein Leben hast! Es wäre mir sonst wirklich zum Ärger, so einen Mann zu haben! Denke bei solchen Gelegenheiten an den mutigsten Kado zurück, der selbst dem Satan seine Courage ganz kurios abgekauft hat. Damals hast du schon den schönen Dienst eines Schutzgeistes versehen, und nun hast du eine Trema (Angstzittern) vor dieser kaum hundert Mann zählenden Truppe! O das ziert den großen Namen Robert Blum wohl gar nicht!"

03 Als die Truppe den Namen "Blum" vernimmt, da tritt sie uns näher und sagt und fragt ganz barsch: "Was ist das für ein Blum? Doch nicht der große Staatsverbrecher, den der Fürst General von Windischgrätz hat erschießen lassen?!"

04 Diese Frage entzündet den Robert, und er tritt sogleich ganz keck vor die Truppe hin und sagt mit einer sehr lauten Stimme: "Ja, derselbe Blum steht vor euch; aber nicht mehr sterblich, sondern ewig unsterblich! Robert Blum aber war nie ein Staatsverbrecher. Das Zeugnis dafür gibt mir der Herr und das ganze Königreich Sachsen und das ganze bessere Deutschland! Aber der General, der mich hier in Wien hat erschießen lassen in seinem übertriebenen Hochmutseifer, ist wohl gar nicht lange darauf zu einem wirklichen Staatsverbrecher geworden. Nur sein alter hoher Adel und einige patriotische Vortaten haben ihn vor dem Kerker bewahrt. Wäre er kein Fürst Windischgrätz, so hätte er sein Vergehen in Ungarn gewiß auf eine härtere Art zu sühnen bekommen als so. Tausende hier in Wien können mir das Zeugnis geben, daß ich am Ende, als Wien ohnehin schon so gut wie verloren war, allen abgeraten habe, sich fernerhin über die nur zu sichtliche Übermacht zu erheben. Aber man schalt mich dafür einen Feigling. Da ergriff ich wieder das Schwert und sprach: »So ziehe denn mit mir, wer den sichern Tod nicht scheut!« Ist das bei euch ein Staatsverbrechen? Redet und glaubet nicht, daß Robert Blum je ein Feigling war!"

05 Auf diese scharfe Rede Blums tritt der Offizier zu ihm hin und sagt: "Mein Freund! Es hat sich zu der Zeit des Jahres 1848 die Sage verbreitet, daß Er nicht erschossen, sondern vom Fürsten heimlich in Freiheit gesetzt wurde und ein anderer Verbrecher in seinen Kleidern erschossen worden sei unter dem Namen Blum. Er aber sei dann in fremden Kleidern mit strengster Weisung über Berlin und Hamburg unter einem fremden Namen und zugleich rasiert und geschoren für ewige Zeiten nach Amerika transportiert worden. Sein Wiedererscheinen in dieser Stadt gibt für mich der Vermutung Raum, daß an dieser Mythe etwas Wahres sei. Sage Er mir genau, getreu und wahr, wie sich Sein sichtliches, unverkennbares Wiedererscheinen in dieser Stadt mit der Ihm nun kundgegebenen Mythe verhält! Rede Er mir aber die reine Wahrheit, sonst - !"

06 Spricht Robert: "Freund, diese Mythe ist nichts als ein leeres Geplausch alter, müßiger Weiber, besonders in Sachsen und Preußen! Ich bin so gut wie tausend andere im Angesichte von vielen Zuschauern, die mich gar wohl kannten, erschossen worden, worüber hoffentlich auch in ganz Europa und Amerika kein Zweifel mehr obwaltet. Das, was du nun aber hier vor dir siehst, ist kein irdisch Fleisch und Blut mehr, sondern das ist Robert Blums ewig lebender Geist, hier dazu von Gott dem Herrn berufen, wie du es ehedem selbst vernommen haben wirst, euch dahin zu belehren, daß auch ihr alle das seid, was ich nun bin - nämlich bloß unsterbliche Geister im großen Reiche der Ewigkeit!

07 Ich selbst konnte, nachdem mir das Leibesleben gewaltsam entrissen war, lange nicht innewerden, ob ich wohl gestorben sei oder nicht. Lange umgab mich eine dichteste Finsternis. Ich erinnere mich ihrer noch stets mit einem nicht unbedeutenden Grauen. Nur Gottes Allgüte und Erbarmung führte mich aus solcher Nacht zum heiligen Lichte alles Lebens empor. Und ich ward erst in solchem Lichte inne, daß und wie so ganz eigentlich und sicherlichst ich gestorben bin.

08 Derselbe Herr und Gott ist seit derselben Zeit noch immer beinahe unverwandt bei mir. Mehrere tausend von der Erde abgeschiedene Geister haben bei dieser Gelegenheit und unter diesem heiligsten Panier die vollste Freiheit des ewigen Lebens erreicht. Viele bewohnen schon die allerfreiesten Staaten der Himmel Gottes, die wahrlich keine Chimäre sind, wie wir es auf der Erde leider gedacht und am Ende für wahr gehalten haben. Nur eine geringste Anzahl ist in der beständigen Gegenwart Gottes des Herrn vor dem vollen Eingange in die freiesten Himmel hieher nachgekommen, um allen Guten die Erlösung zu bringen.

09 Die keineswegs geringe Gesellschaft, die ihr hier erschauet, sind schon lauter Erlöste dieser Stadt, in der manche, noch von irdischem Wahne belebt, schon einige Hunderte von Jahren traurig und elend genug zugebracht haben. Durch die alles durchleuchtende Kraft des göttlichen Wortes sind sie ihres Irrwahnes innegeworden, haben das wahre Licht des Lebens erkannt und sind dann freiwillig, durch ihre eigene Überzeugung gedrungen, Dem gefolgt, der allein ein Herr alles Lebens ist von Ewigkeit.

10 Tuet ihr desgleichen! Denn auf der Erde, die ihr noch zu bewohnen wähnet, ist ewig kein Heil mehr für euch, Glaubet es mir! Ich würde es euch sicher nicht sagen, wenn es nicht also wäre. Leget eure Waffen ab! Ihr werdet in der Art keine mehr gebrauchen! Denn in alle ewigen Zukünfte wird allein des Herrn Name euere mächtigste Waffe sein. - Brüder, bedenket euch kurz und folget mir! Ich habe euch die vollste Wahrheit gezeigt."

236. Kapitel: Anwort des ungläubigen Offiziers. Helena mischt sich auf lerchenfelderisch ein. (Am 27. Aug. 1850)

01 Spricht der Offizier: "Du bist zwar ein guter Mensch, aber dabei ein närrischer Kauz! Du sagtest, daß mir schon lange gestorben wären und nun hier nur als Geister herumwandeln. Aber schau, schau! Da steht der herrliche Stephansdom, wie er sozusagen leibt und lebt! Der hohe gotische Turm gerade so, wie er seit seiner notwendigen Restauration (baulichen Erneurung) ausgesehen hat! Nicht einmal ein Schwalbennest fehlt unter seinen vielen Gesimsen und durchbrochenen Verzierungen. Da - rings herum die von alters her nur zu bekannten Häuser! Dort der unverkennbare ,Stockameisen'! - Das alles müßte denn auch Seele und Geist haben und gestorben sein und auf der Welt gar nicht mehr vorhanden sein, um hier - also in deiner Geisterwelt - für ewig fortbestehen zu können! - Schau, schau, für so dumm mußt du unsereins denn doch nicht halten und verlangen, daß man dir so etwas sogleich mir und dir nichts glauben könne.

02 Ebenso schwärmtest du auch von Gott, daß Er Sich hier unter euch befinde und hier in Wien die altgebannten Geister aus ihrer Nacht befreie, um sie dann in die Himmel aufwärts zu führen. Aber wo tust du dich hin mit solch allerburleskesten Behauptungen?! Das gehört ja doch in einen siebenten Stock des allerersten Irrenhauses!

03 Gott, das unendliche, für kein endliches Geschöpf je begreifliche Wesen, ist eine heiligste Urkraft, die die ganze Unendlichkeit durchdringt - und soll hier in der höchst beschränkten Gestalt eines Menschen und noch dazu in einer sterblichen Umhüllung sich befinden?! - Mein Freund, so was zu glauben, wäre ja noch bei weitem über eine Mariazeller Wallfahrt ob irgendeiner Gnade. Du bist doch, so du im Ernste der berühmte Blum bist, kein Mensch eines echt römisch-katholischen Leicht- und Aberglaubens gewesen; denn du warst ein Deutschkatholik. Wie möglich kamst du, wahrscheinlich in Amerika oder England, dazu, solch ein Zilot zu werden? Haben dich denn etwa gar die Irländer, die wahrlich nicht umsonst diesen Namen tragen, dazu umgemodelt? - Haha, es ist wahrlich schon zum tollwerden! So etwas zu glauben!

04 Schau, Freund, ich könnte dich nun zwar samt deinem lieben Herrgott arretieren; aber ich unterlasse das, denn du bist mit deinen echt irländischen Ideen keinem Menschen mehr gefährlich. Sogar die Liguorianer und Jesuiten können mit dir Arm in Arm herumwandeln und haben von dir bei so bewandten, echt irischen Umständen nichts zu befürchten. Dein lieber Herrgott scheint auch ein wirklich ganz unschuldiges Lamm zu sein, sowie die ganze übrige, für eine Mariazeller Wallfahrt ganz reife Gesellschaft! Das Beste, nicht an dir, sondern bei dir, hörst du, wäre dein allerliebstes Weiberl. Beim Styx! Der zulieb machete ich am Ende noch selber eine Mariazeller Wallfahrt mit. Ist das etwa auch eine Irländerin? Sie wird es wahrscheinlich sein, sonst hätte sie bei ihren gewaltigen Schönheitsvorzügen unmöglich dich geheiratet, vorausgesetzt, daß ihr wirkich verheiratet seid. Sage mir doch, was sie für eine Landsmännin ist. Ist sie eine Inglismännin, oder was sonst?"

05 Sagt die Helena: "Ich heiße Helena und bin aus echt Oberlerchenfeld gebürtig, wann's was g'spürn! Das ist das gewöhnliche ,Irland' für die armen Wiener Sünder! Verstehn's mich?" - Sagt der Offizier: "O kotz Kreuz Bomben und alle Granaten! Potz Blitz und alle Elemente zu Wasser und zu Lande! Also eine Lerchenfelder Zirkassierin! - O verfluchte Geschichte! Aber wie kommt denn das, daß Sie nun sein Weib sein sollen, indem meines Wissens er ja ohnehin ein Weib und mit demselben auch mehrere Kinder in Sachsen hat?"

06 Sagt die Helena ganz echt wienerisch: "No wissen's denn das nicht, Sie Kreuzblitzer von an Offizier?! Solang man auf der Erd ist, hat man freilich ein gültigs Weib und soll von Rechts wegen ka zweite daneben haben, verstehen's mich?! Wenn man aber amal gstorben is und mit Gottes Gnad und Barmherzigkeit in den Himmel kommen is, da kriegt man nachher gleich an anders Weiberl, aber halt von der Erd ani. Denn im Himmel droben wachsen kani Madeln, wann's nit vorher auf der Erd geboren worden san. - Schaun's nur, daß a bald in Himmel einikommen, da wird sich vielleicht für Ihnen a no so a recht saubers Weiberl auftreiben lassen! Aber unsern allerliebsten Herrgott müssen's zuvor wohl über alles recht liebhaben, sonst es nix, mein lieber Herr Offizier!"

07 Sagt der Offizier: "Schade um das schöne Kind, daß sie eine gar so hundsgemeine Sprache spricht! Das ist ja ein schrecklicher Dialekt der edlen deutchen Sprache! - Sagen Sie, echte Lerchenfelderin, sprechen im Himmel alle Frauenzimmer so wie Sie? Wenn das der Fall wäre, da bliebe ich schon lieber in gebildeten Zirkeln auf der Erde. Nein, ist aber das doch eine Hundesprache, wie es nur immer irgendwo eine geben kann!"

08 Spricht die Helena: "No, ich bitt Sie, was meinen's denn, was Sie für a politiertes Deutsch sprechen?! Schaun's, a jede Sprach ist schön und gut, wann's nur aus an ehrlichen Herzen und Mund kommt! Aber wann a Sprach a noch so politiert ist und kommt aber aus an rechten Spitzbubenherzen, was es sie nachher wert?! Was wär Ihnen denn lieber, wann ich so recht hochdeutsch redete, Sie aber dann auch auf hochdeutsch anschmierete - oder wann ich so recht gemeinweg oberlerchenfelderisch red und es dabei mit Ihnen kreuzehrlich mein? Schaun's, a so a recht hochdeutsche Sprach, besonders hier in Wien, is gwöhnlich a Verstellung. Der eine redt hochdeutsch, weil er möcht die Leut von ihm meinen machen, daß er a Glehrter is, bei ihm selber aber is er an Esel in allen vier Elementen. Sagen's, is so was mit a rechte Spitzbüberei, wann man die Leut mehr von sich meinen machen will, als man is? - An anderer spricht hochdeutsch, um beim schönen Gschlecht Eroberungen zu machen, hat dabei aber gwöhnlich die schmutzigsten Absichten, wi ich's nur gar zu oft erfahren hab. Sagen's, is das nit wieder a recht grausliche Spitzbüberei?! - An anderer is bloß nur a Kommis in einer Zeughandlung; wann recht noble und schöne Mädchen und Damen hineinkommen, um was zu kaufen, so kegelt er sich völli den Mund vor lauter Hochdeutsch aus und lobt sei War auf echt sächsisch oder gar preußisch, um die Mädchen und Damen ja für sei War und vielleicht für noch was zu gwinnen. Sagen's, is dann so a Sprach nit schon wieder a recht hochdeutsche Spitzbüberei?! - So geht's auch in den Ämtern und Kanzleien zu. Diejenigen Beamten, die so recht hochdeutsch reden, sind gwöhnlich die gröbsten, stolzesten und dümmsten zugleich und wollen durch ihre hohe Sprach nix als ihre Fehler unsichtbar machen. Sagen's, is so was nit schon wider a rechte Spitzbüberei? - Und das heißen Sie a gebildete Sprach, die die Leut brauchen, um anander recht tüchtig anzuschmieren? Jetzt hören's mir nur bald auf, sonst wird's mir übel!"

09 Spricht der Offizier: "Nein, nein, mein liebes Kind, so meine ich es aber ja auch nicht! Sieh, ich meine es nur also, daß man in einer gebildeten guten Welt wenigstens also reden solle, wie man schreibt - aber nicht gar also provinzialistisch, was einem gebildeten Ohre geradeso unangenehm klingen muß wie schlechte und in Grund und Boden falsche Musik. Schau, du bist, je länger ich dich betrachte, ein so schönes Kind, daß ich wahrlich in meinem ganzen Leben noch nie ein schöneres Wesen gesehen habe, was doch gewiß sehr viel sagen will, da ich in der Art beinahe in ganz Europa sehr viel gesehen habe. Hättest du auch eine mehr gebildete Sprache dazu, so wärest du eine reine Göttin. Aber wenn du redest, dann streifst du den ganzen himmlischen Schönheitsnimbus herab, und man wird dadurch von der höchsten göttlichen Poesie in die alleralltäglichste Prosa versetzt. - Schau, du hast dich ehedem als eine Himmelsbewohnerin ausgegeben, was ich dir deiner Gestalt nach auch gar nicht in Abrede stellen möchte; denn diese ist schön genug, um auch in einem noch so phantastisch schönen Himmel Aufsehen zu erregen, schön genug, um in den goldenen Gärten der Hesperiden zu glänzen. Aber so du dann mit deiner hundsgemeinen Sprache kommst, so fällt dann ein hochlyrisch-poetisches Gemüt, wie das meine, ja gleich von einem siebenten Himmel in den schmutzigsten Patsch der Erde zurück. Daher, so du schon durchaus ein himmlisches Wesen sein willst, so mußt du auch wirklich durchaus himmlisch sein in der Sprache wie in der Gestalt, sonst glaubt dir's ewig kein Kuckuck, daß du eine Bewohnerin des Äthers menschlich-lyrischer Phantasie bist."

10 Spricht die Helena: "Ich bitt Ihnen, reden's nit gar so gschwollen und lahmlaket! Mit Ihren Komplimenten können's Ihnen a bald heimleuchten lassen! Meinen's denn, ich bin etwa a so eine, die sich mit so an Komplimentenköder fangen laßt? Sie, wann's das meinen, da sag i Ihnen glei: »Da schaut unser lieber Herrgott zum Fenster hinaus und sagt, es wird nix draus!« - Sie, i bin a Durchgwixte! Verstehen's mich? Auf der Simringer Heid gibt's Meißen gnug, die Sie fangen können; aber in Oberlerchenfeld muß man anders reden, wann man noch wo so an überbliebnes Ganserl fangen will! - Meinen's denn, ich kenn, etwa Ihre Begierden nit? Gehn's und schaun's, daß Sie mir mit g'stohlen werden! Ihnen g'fallt nur mein G'sichtl, mein Herz aber g'hört vor Ihren Augen der Katz' zu! - Das geniert Ihnen freili, daß ich nit so fein gesprächig bin wie so an aufputztes Stadtfräule, aber das es justament gut für unsereins; denn dadurch verschaff i mir a Ruh vor Ihnen. - Da reden's mit mein' Mann! Der kann schon besser hochdeutsch, als wie ich, Glauben's aber, was er Ihnen sagt, sonst werden's no lang kan Himmel zu sehen bekommen!"

11 Spricht der Offizier, sich die Ohren zuhaltend: "Gottlob, daß sie ausgeredet hat! Die treibt einen gebildeten Mann bei Gott zur Verzweiflung mit dieser Hundesprache! O du verzweifelter, allerechtester Lerchenfelder Rostbraten mit Knoblauch und echt böhmischem Rapunzelsalat! O Gott, o Gott! Mann! Robert! Freund! Bruder! Bist du taub? Was sagen deine Ohren zu solcher Ästhitik? Du feingebildeter Sachse, du Hofmann! Du kannst selig sein an der Seite dieses Rostbratens?! Gott verleihe dir die höchste Geduld dazu! Mich brächte so eine Ehehälfte in wenigen Stunden zur Verzweiflung! Nein, hörst du, diese Sprache! Und je länger sie spricht, desto hundsgemeiner! Hier könnte ich mit dem göttlichen Schiller ausrufen: »Das Leben ist der Güter höchstes nicht« - aber der Übel größtes ist ein dummes, ungebildetes Weib! - Sage, Freund, wie wird es dir denn, so sie mit dir spricht, obschon du ein ziemlich starker Irländer geworden bist? Wahrlich, so diese sonst überirdisch schönste Gestalt ganz stumm wäre und nur durch Zeichen und Gebärden redete, wäre sie bei weitem interessanter als so mit solch einer Hundesprache! Nein, hörst du, die ist fest assekuriert (gesichert) vor mir! Und du darfst dich durchaus nicht fürchten, daß die je jemand zu irgendeiner Untreue bereden wird; denn die ist zu ungeheuer dumm!"

12 Spricht Robert: "O da irrst du dich sehr! Die ist nur zu durchtrieben gescheit und hat dir einen Mut über zehn ganze Husarenregimenter! Sie redet auch nicht immer also, sondern nur, wenn sie will. O sie kann dir auch gar wunderschön reden, so es ihr am rechten Platze zu sein dünkt. Ergibt sich aber dann wieder eine sie etwas genierende Gelegenheit, da wird sie wieder ganz Lerchenfelderin. Füge du dich nur dem, was ich dir gesagt habe! Gehe hin und rede mit Gott, dem Herrn Jesus Christus Selbst! Überzeuge dich von allem selbst! Dann erst rede und handle nach deiner Überzeugung."

13 Spricht der Offizier: "Weißt du, das klingt alles wohl sehr närrisch und rätselhaft! - Aber führe mich dennoch hin! Ich will mich von allem überzeugen. Sollte es so sein, wie du mir sagtest, so sollet ihr an mir den wärmsten Teilnehmer finden. Im Gegenteile aber einen, der sich auch der Narren annehmen kann und wird."

237. Kapitel: Der Offizier als kräftiger Heilverkünder an die Menge. Er treibt ihre Zweifel aus und führt sie aus dem 'Tale Josaphat' zu Jesus. (Am 29. Aug. 1850)

01 Robert führt den Offizier zu Mir hin und sagt zu ihm: "Dieser ist es, von dem da zeugen die großen Schöpfungen, alle Propheten und sein eigenes, heiliges Wort - ein Wort aller Worte, das große Wort vom Vater, von der ewigsten, reinsten Liebe!"

02 Spricht der Offizier: "Aha, also dieser soll es sein?! Ja, ja, das ist ja derselbe, der ehedem den Soldatenstand, als du über denselben losgezogen hast, sehr lobend in den Schutz nahm! Ah, der Mann gefällt mir sehr wohl, auch ohne deshalb ein Gott sein zu müssen! Schau, Robert, wenn aus eines Mannes Brust Gerechtigkeit, richtige Beurteilung jedes Standes und jeder Sachlage, gute Gesinnung, Liebe für Ordnung und Recht und rechte Liebe zum Nächsten wie aus einem reichen Borne hervorquillt in stets gleicher ungeschwächter Kraft und Fülle durch Wort und Tat, so ist er, wenn auch gerade selbst kein Gott, aber dennoch sicher erfüllt von einem starken Geiste aus Gott und verdient daher die höchste Achtung und Liebe eines jeden rechtlich und bieder denkenden Mannes. Und diese zolle ich auch diesem Manne, bei dem ich ehedem solche Eigenschaften hocherfreulich entdeckt habe, aus allen Kräften meines Lebens.

03 He, Soldaten, habt acht! Präsentiert vor diesem Manne! Er trägt zwar kein goldenes Portepee auf dem Degengriffe, aber dafür ein zehnfaches in seinem Herzen. Und vor so einem Manne muß man dreimal »Gewehr heraus!« rufen, den Grenadiermarsch schlagen und dreimal präsentieren. Denn derlei Männer sind in der gegenwärtigen Zeit rar geworden. - Komm her an meine rauhe Soldatenbrust, du biederer Ehrenmann! Die Brust eines Kriegers ist zwar rauh anzufühlen; sie ist eine wahre Gesetzesmaschine. Aber hinter der Maschine schlägt ost ein Herz sehr warm für Gott, Kaiser, Vaterland, Recht und Ordnung. Und an so ein Herz in meiner Brust drücke ich denn auch dich, du Edelster der Edelsten!"

04 Hier umarmt er Mich, küßt Mich sozusagen klein ab und sagt darauf: "O du selten heiliger Genuß! Wahrlich, es gibt viel Schönes auf Gottes weiter Erde und viel, was so manches Herz oft mit Wonne, oft mit süßer Wehmut erfüllt. Aber das Herrlichste des Herrlichsten ist doch der erste warme Freundschaftskuß zweier sich wohl erkannt habenden Biedermänner! Darum sei du mir auch so warm als nur immer möglich gegrüßt! Denn deine früheren Worte an den Robert haben dich mir als einen Mann gezeigt, der Kopf und Herz am rechten Fleck hat. - He! Soldaten, noch einmal: - dreimal »Gewehr heraus«! Grenadiermarsch und präsentiert!"

05 Bei dieser etwas lärmenden Gelegenheit werden mehrere Menschen beiderlei Geschlechtes aus den Häusern gelockt, und die Neugierde treibt sie an, sich an Ort und Stelle zu begeben, um zu sehen, was da geschehe. Als wir so ziemlich von Zuschauern aller Art umlagert sind, will der Offizier den Soldaten befehlen, die gafflustige Menge auseinander zu treiben. - Ich aber sage zu ihm: "Freund, lasse das! Auch diese Müßigänger und Pflastertreter sollen sehen, wie da aussieht das Heil der Welt! Das sind halbtote Wesen, die niemanden etwas nützen, noch eben auch etwas schaden können. Lassen mir sie daher gaffen!"

06 Der Offizier befolgt Meinen Rat und sagt zu Mir: "Mein herrlichster Freund! Es tut mir sehr leid, daß ich dich verlassen muß. Aber du weißt, daß des Kriegers Zeit auf die Minute berechnet ist und ich daher mit meiner Truppe weiterziehen muß nach dem Orte unserer militärischen Bestimmung. Lebe daher wohl! Und meine größte Freude wird es sein, dich ehestens irgendwo wieder zu treffen!" - Hier umarmt Mich der Offizier noch einmal, küßt Mich mit tränenfeuchten Augen und will sich darauf mit sichtlich schwerem Herzen entfernen.

07 Ich aber sage zu ihm mit weitgeöffneten Armen: "Mein Sohn! Ich sage dir: Du bleibst hier! Denn du hast nicht umsonst solche Liebe zu Mir empfunden, die dich an Meine Brust gezogen hat. - Ich bin ja dein wahrer Vater von Ewigkeit! Die Binde, die deine Augen hinderte, Mich sogleich zu erkennen, sei dir für ewig genommen! Und der Vater freut Sich nun, einen so lieben Sohn an Seine Brust drücken zu können! Dies steht allezeit beim Sohne und nicht beim allmächtigen Vater. Der Sohn muß frei sein, sonst erträgt er nicht die Allmacht des Vaters! Du bist aber nun frei geworden, daher komme her an die lang ersehnte Brust deines ewigen, allmächtigen, allein wahren Vaters!"

08 Hier erkennt Mich der Offizier, stößt einen Schrei der höchsten Freude aus und fällt vor Mir auf den Boden und sagt: "O Du mein großer Gott! Ich bin ja ein Sünder, wie soll ich nun an Deine heiligste Brust kommen?!"

09 Ich aber sage: "Stehe auf, Mein Sohn, und komme! So Ich dich »Sohn« heiße, da bist du ohne Sünde. Denn wer so wie du in seinem Herzen Liebe trägt, der hat keine Sünde mehr! Und hätte er Sünden gehabt, so viel des Sandes ist im Meere und des Grases auf der Erde, so sind sie ihm alle vergeben darum, weil er die Liebe hat in seinem Herzen!"

10 Nach diesen Worten erhebt sich der Offizier vom Boden, sieht wie trunken nach Mir hin und sagt mit hoher Begeisterung: "Es ist ja dieselbe heilige Brust, die ich früher unwürdigsterweise als Blinder zweimal umarmt habe. Warum soll ich mich nun fürchten vor ihr, da ich sie erkenne?! O Du mein heiligster Vater! Du bist ja mein, mein, mein lieber, guter, heiligster Vater ewig!" Hier fällt er Mir wieder an die Brust und sagt: "O welch ein Glück, welch eine Seligkeit, den wahren Vater gefunden zu haben! O Vaterliebe, du heiligstes, größtes Wort! Was birgst du in deinen ewig unergründlichen, heiligen Tiefen!" - Hierauf weint er vor Liebe zum Vater. Ich aber stärke ihn, daß er Meine Liebe ertragen kann.

11 Nach einer Weile läßt der Offizier Mich wieder aus und sagt mit ganz verweinten Augen: "O lieber Vater! Du heilige, ewige Güte! Siehe, ich bin zwar nun so selig, als nur je ein Wesen selig sein kann. Ober da siehe gnädig hin auf meine recht brave Truppe! Nimm auch sie an! Denke nicht ihrer Gebrechen! Sei ihr, wie mir, gnädig und barmherzig!"

12 Sage Ich: "Mein geliebtester Sohn! Bist schon etwas zu spät gekommen mit deiner Bitte! Denn Ich habe sie schon alle angenommen. Du aber wirst auch in Meinem Reiche ihr Führer und Lehrer sein und wirst an diesen deinen Waffenbrüdern Freude haben für ewig. Sie haben viele Schätze in sich, die du erst wirst kennenlernen, so du sie von Stufe zu Stufe höher erheben wirst. Ich sage dir: Einer schon faßt mehr in sich, als alles, was dein irdisch Auge in Meinen Schöpfungen je geschaut hat!"

13 Der Offizier aber bemerkt auch, wie die herbeigeeilte, schaulustige Menge ganz gerührt diese Szene zwischen Sohn und dem wiedergefundenen Vater betrachtet (denn die Menge meint, dieser Offizier habe etwa seinen natürlichen Vater, den er schon lange nicht gesehen und gesprochen habe, gefunden und sei darob nun gar so gerührt). Der Offizier sagt daher zu Mir: "Vater, sieh hin! Die Halbtoten scheinen lebendiger werden zu wollen! Wie wäre es denn, so wir auch sie bei uns bleiben hießen? Mich dauern sie von ganzem Herzen. Ich möchte sie gleich auch alle zu mir nehmen. Ist auch irgendein etwas räudiges Schäflein darunter, das wird sich ja wohl etwa mit gerechten Mitteln reinigen lassen."

14 Sage Ich: "Mein geliebtester Sohn! Auch das ist schon geschehen, und du sollst sie alle unter dein Regiment bekommen und ihr Führer und ihr Lehrer sein! Ich ließ sie deshalb von dir ja nicht auseinandertreiben. Gehe hin und sage ihnen, was du nun gesehen und erfahren hast! Und sie werden dir folgen."

238. Kapitel: Zug des Herzens des Offiziers zu dem ihm noch unbekannten Jesus, der sich dem Liebenden offenbart. (Am 30. Aug. 1850)

01 Der Offizier verneigt sich tiefst vor Mir und all den anderen, geht unter die Menge und verkündet ihr das Heil auf eine sehr kräftige und enerigsche Weise, so daß darob alle ordentlich in eine Art Schwindel geraten und die Weiber zu schluchzen und zu weinen anfangen. Denn einige schwache meinen, es werde nun offenbar der Jüngste Tag kommen, an dem sie erweckt und gerichtet werden.

02 Aber der Offizier herrscht sie kräftig an und sagt: "O ihr albernen Weiber und Betschwestern übereinander! Wie fällt euch denn gar so etwas Dummes ein?! Glaubet ihr denn, daß der Jüngste Tag gerade so aussehen muß, wie die Pfaffen ihn euch vorgemalt haben? Es ist hier allerdings ein jüngster Tag für uns alle, weil wir bis jetzt in der stockfinstersten Nacht gelebt haben. Und Gott der Herr selbst hat uns aufgeweckt an diesem Tage - ansonst wir in der ewigen Nacht der Weltirrtümer geblieben wären. Und sehet, das ist ein rechter jüngster Tag, an dem uns Heil für ewig widerfahren ist. Es ist und gibt auch wohl ein Gericht zum Tode, in dem wir bis zur Stunde mit Haut und Haar gesteckt sind; aber das ist ein Gericht aus uns selbst und nicht aus Gott. Das Gotteswort selbst, durch das wir geworden sind, und die uns verliehene Willensfreiheit sind das, was uns richtet und richten muß, ansonst wir Steine ohne Leben wären. Haben wir uns aber aus unserem höchst freien Willen den Todesstoß gegeben und können uns dann im Tode von selbst nimmer helfen - so kommt der Vater von oben mit Seinen Engeln und hilft den Toten wieder zum Leben. Wenn die Toten im Geiste dann wieder erwachen im neuen Tage zum ewigen Leben in und bei Gott, so ist das für jeden Erwachten dann ein wahrhaft jüngster Tag - so wie auch für ein jedes neugeborene Kind jener Tag, an dem es in die Welt geboren ward, ein irdischer »jüngster Tag« ist, wie dieser für uns alle. Darum fürchtet euch nicht mehr so albern vor einem gewissen Schreckenstage, der wenigstens in dieser geistigen Welt ewig nimmer zum Vorscheine kommen wird und kann. Heißt es denn nicht in der Schrift, soviel ich mich derselben noch entsinne: "Und Ich, spricht der Herr, werde ihn am Jüngsten Tage erwecken!« - und nicht: »Ich werde ihn am Jüngsten Tage umbringen und verdammen!« - Schauet, schauet, wie albern ihr doch seid! Hätte Gott je gewollt, daß eine gewisse Art Wesen die Gräber der Toten und gleich daneben die Hölle bewohnen solle, so hätte Er diese Wesen auch sicher also eingerichtet, daß sie für Tod und Hölle ganz geeignet wären - so wie der Fisch fürs Wasser und der Vogel für die Luft.

03 Uns Menschen aber hat Gott der Herr fürs Licht erschaffen und nicht für eine ewige Todes- und Qualnacht. Und so erweckt Er selbst auch alle, die im Tode noch begraben darniederliegen. Seid daher weise und lasset euch belehren! Der Herr hat allen Menschen durch Seine göttliche Lehre das Beste vermeint. Daß sie die Menschen aus Torheit und noch mehr aus Habsucht grundfalsch ausgelegt haben, da kann der Herr nichts dafür, denn Er läßt jedem den freien Willen. - Also weg mit allen Skurpeln und folget mir zum Herrn hin! Er wird euch alle selig machen nach dem Maße der Fähigkeit eines jeden von euch."

04 Sagen die Weiber: "Aber lieber Freund, es steht ja ausdrücklich in der Heiligen Schrift, daß nach der Auferstehung alle im Tale Josaphat zusammengetrieben werden - von Adam an bis auf den letzten Menschen, der auf der Erde leben wird. Und dort werden sie den Sohn Gottes ankommen sehen in der Mitte Seiner heiligen Apostel, aller sonstigen Heiligen und Märtyrer, begleitet von zahllosen Engelscharen. Und da wird sich dann der erschreckliche Richter auf den Richterstuhl setzen und richten die Toten und die Lebendigen. Siehe, das steht auch in der Heiligen Schrift! Wie erklärst denn du dir solche Schreckensworte?"

05 Sagt der Offizier: "Meine lieben Weiber! Könnet ihr es glauben, daß unser lieber Gott und Vater eine viereckige Kugel erschaffen kann oder machen, daß ein Kinderröckchen, ohne größer zu werden, einem Riesen am Leibe schlottere? Ohne den Riesen so klein zu machen wie ein Kind oder das Kleid riesenhaft auszudehnen, wird es sich nicht tun! Was meinet ihr?" - "Ja, ja," sagen die Weiber und Männer, "das möchte sich freilich nicht tun! Und mit einer viereckigen Kugel möchte es doch auch etwas hart hergehen."

06 "Gut,"Sagt der Offizier weiter, "wir sind nun schon Geister in der Geisterwelt. Kommt ihr euch größer oder kleiner vor, als ihr auf der Welt waret?" Sagen alle: "Da finden wir gar keinen Unterschied, vorausgesetzt, daß wir denn in Gottes Namen schon wirklich gestorben sein sollen." - Sagt der Offizier: "Nun gut! Nur eine kleine Geduld! Jetzt werden wir bald dort sein, wo wir sein müssen, um das Tal Josaphat besser zu begreifen! - Daß wir gottlob alle wirklich in der Geisterwelt uns befinden, welche besser »die Welt der Wahrheit« heißen sollte, ist nun schon zu evident hell und klar und bedarf durchaus keines Beweises mehr. Aber ob wir auch wirklich so groß sind, wie wir auf der Welt waren, das muß sich ein wenig vergleichsweise erörtern lassen. Aber wie? Ich meine, das sollte eben nicht eine zu schwere Aufgabe sein! Versuchen wir die Geschichte!

07 Sehet, da steht der Stephansturm, der Dom, die Häuser alle noch gerade also vor uns, wie wir sie auf der Welt in unsern Leibern viele tausend Male gesehen haben; und wir stehen hinsichtlich unserer Größe im selben Verhältnisse zu ihnen, wie wir auf der Welt zu ihnen gestanden sind. Ich habe noch meine fünf Schuhe und etliche Striche, wie ich sie auf der Welt gehabt habe. Also bemerke ich auch bei euch die ganz natürliche Größe, wie ihr sie auf der Welt gehabt habet. Kurz und gut, wir sind hier der Gestalt nach eher größer als kleiner geworden. Der größte Beweis aber liegt darin, daß dort Gott der Herr Selbst. Dessen Gestalt sicher kein Trug ist, ebenso groß ist, wie wir es sind. Nun, auch über diesen Skrupel wären wir hinaus. Jetzt aber gebet acht, denn nun werden wir ein wenig rechnen!

08 Ich war noch als Kadett einmal bei einer Expedition in Asien und habe das gute Tal Josaphat gesehen. Es liegt eben nicht sehr ferne von Jerusalem, und ich dachte mir so meinen Teil dabei. Denn die Täler des Gelobten Landes sind durchaus schmal, ziemlich steinig und gar nicht lang. Ein Tal von mehreren Meilen Länge und etwa von einer halben Meile Breite gehört dort zu den größten Seltenheiten. Weiter über Damaskus hinaus, gegen Babylonien und gar Persien hin, gibt es dann schon sehr lange und breite Täler; aber im Gelobten Lande, Judäa und wie die einzelnen Striche alle heißen, findet man nur sehr schmale Schluchten und Gräben. Selbst das Tal am Jordan, eines der ansehnlichsten, ist durchaus nicht breit und eben auch gar nicht lang. Und so ist eben auch das Tal Josaphat.

09 Wenn ich in das Tal zweitausend Mann lege, so darf die Mannschaft sich schon um einen Platz umschauen, wo sie ihr Lager aufrichten wird. So ich aber erst eine ganze Armee von fünf- bis sechsmalhunderttausend Mann hineinlegete, so würden die Soldaten wie die Pöckelheringe beisammenstehen und das ganze Tal so ausfüllen, daß sich wegen des Gedränges kaum jemand würde umdrehen können. Eine Million Menschen im Tale Josaphat müßte vor lauter Gedränge Blut zu schwitzen anfangen. Nun denket euch aber hundert Millionen Menschen ins Tal Josaphat hinein! Frage, wo würden diese Platz finden? Seht, mit hundert Millionen Menschen bevölkere ich das ganze große Kaisertum Österreich so, daß es ob der Häuseranzahl nahezu einer einzigen Stadt gleichen wird. Wohin also mit hundert Millionen im Tälchen Josaphat? - Nun denket euch aber erst tausend Millionen Menschen, die fest aneinandergestellt wenigstens einen Flächenraum von sieben Quadratmeilen völlig bedecken würden! Wir rechnen aber jetzt wenigstens fünftausend Jahre, während welchem bedeutenden Zeitraume auf der Erde in runder Zahl genommen wenigstens zwei- bis dreimalhunderttausend Millionen Menschen gelebt haben - und wie viel noch darauf leben werden, das wird unser lieber Herrgott wohl am besten wissen - und diese erschreckliche Menschenmasse soll im Tälchen Josaphat am Jüngsten Gerichtstage natürlichermaßen Platz haben?!

10 Schaut, schaut, Leutchen! Und denket nur ein kleines bißchen nach, und euch muß ja doch die große Ungereimtheit auffallen! Wenn so etwas möglich sein soll, so müßte entweder die ganze Erde zum Tale Josaphat umgewandelt werden, oder die Menschen müßten in die Größe der Infusionstierchen zurückgedrängt werden, um im Tale Josaphat auf einmal Platz zu haben. Den lieben Engeln Gottes müßte aber dann geraten werden, sich ja mit den besten Himmelsmikroskopen zu versehen, um bei dem Absonderungsgeschäfte nach dem ergangenen erschrecklichsten Urteile die Guten von den Bösen zu scheiden. Und das wäre wirklich eine kurios saure Arbeit für die guten, lieben Engel Gottes. Würde aber die ganze Erde zum Tale Josaphat umgewandelt werden, da könnten ja dann nicht alle zugleich den allergestrengsten Richter sehen und das schreckliche Urteil auch nicht auf einmal vernehmen, sondern erst nach dem Ablaufe von vierundzwanzig Stunden. Und der Herr müßte da das Urteil wenigstens alle Sekunden einmal aussprechen und schon mit einer ungeheuer starken Stimme, denn die Erde macht in jeder Sekunde eine Umdrehungsbewegung von ungefähr fünf deutschen Meilen. Und es gehört, wenn man die ganze Schriftsache matemateriell auslegen will, so ein hübsches Kanonenstimmchen dazu, um auf nur wenigstens drei Meilen vernommen zu werden.

11 Ihr sehet nun leicht ein, welche Albernheiten da am Ende herauskommen müssen, wenn man das Wort Gottes, das doch nur den allerreinst Geistigen Sinn haben muß, ganz buchstäblich und somit materiell nimmt. Man muß das Wort Gottes, weil es durchgängig geistig ist, auch stets geistig nehmen, so man zur Wahrheit gelangen will, die allein erst das menschliche Gemüt von allen Albernheiten und unsinnigsten Dummheiten frei macht.

12 Sehet, das Tal Josaphat ist seiner besonderen Lage und Eigenart wegen und auch wegen der geringen Fruchtbarkeit häufig zu Begräbnissen von angesehenen Familien benützt worden. Und wie man bei uns sagt: »Am Friedhofe kommen am Ende alle zusammen, groß und klein, reich und arm, jung und alt und Freund und Feind!« - das gleiche besagte man auch mit dem »Tale Josaphat«. Auch bezeichnet im engeren Sinne dieses Tal wegen seiner Enge und Unwirtlichkeit das Grab selbst und im geistigen Sinne die Geisterwelt insoweit, als wir uns bis jetzt in derselben befunden haben. Denn auch die Geisterwelt ist so lange ein Totengrab für den Geist des Menschen, bis diesen Gott der Herr durch Seinen heiligen, allmächtigen Liebewillen (wie nun uns) daraus erweckt hat.

13 Wir waren also bis jetzt im eigentlichen Tale Josaphat. Nun kam aber der Herr mit aller Herrlichkeit Seiner unbegrenzten Liebe und Erbarmung und hat uns durch Seine Gnade eine lebendige Richtung gegeben. Daher sollen wir denn nun auch nicht mehr an das denken, was nichts ist, sondern daran, wie wir Ihm danken sollen für solche endlose Gnade. - Kommet daher nun mit mir und gebet den Herrn die Ehre, da Er euch nun aus dem Tale des Todes und Gerichtes erlöset hat!"

239. Kapitel: Allerlei Leute aus dem Volk stellen mit ihren Fragen und Anliegen die Geduld des Offiziers auf die Probe. (Am 1. Sept. 1850)

01 Tritt ein Mensch, mehr dem Landvolke als dem der Stadt angehörig, ziemlich ältlichen Aussehens und durchaus kein Genius, zum Offizier hin und sagt bäuerlich stotternd: "He, he, he, Sö san a gwaltig gscheiter Mann! Sö habn gsagt, daß unser lieber Herrgott da wär! He, he, he, sagn's mir, der welche war's denn? Bitt, um Verzeihung, Ener Gnoden!" Der Offizier kommt hier beinahe aus der Fassung vor Unterdrückung der Lache, die sich seiner hier bemächtigen will ob der komischen Frageweise dieses Landmannes. Aber er erholt sich bald und sagt darauf: "Mein lieber Freund! Da seht hin! Derselbe, der nun dort unter der Ecke des Hauses steht und Sich mit einem gewissen Robert Blum und gleich daneben auch mit dem seligen Kaiser Joseph bespricht und sehr schöne blonde Haare hat wie sonst kein anderer um Ihn herum! - Nun, wie gefällt Er euch denn?"

02 Sagt der Landmann: "He, he, he, was sogen Sö?! Das wär, unser liabr Herrgott?! Du mein Gott, du mein Gott! Hätt, mir Ihn a ganz anderst vorgstellt! Nix größer als unsereins und denno so allmächti dabei! Wahrhaftig, das is rar! So a klaner Herrgott, und doch so allmächti! Das es wirkli rar! Wer sähet' Ihm das an?! Aber nix für ungut, Euer Gnoden, i red, halt, wie i's verstehen tu!"

03 Sagt der Offizier: "Ja, ja, mein lieber Freund, so ist es denn! Man sieht es Ihm freilich nicht an, aber Er ist es dennoch! - Aber nun seid nur schön stille und begebet euch mit mir samt den andern hin zu Ihm! Ich werde euch alle Ihm vorführen, wie Er mir auch die Sendung an euch alle ausgegeben hat. Er Selbst wird euch am allerbesten und kürzesten belehren und euch eurer Bestimmung am schnellsten zuführen. Lasset Ihn aber ja nicht lange warten, weil Ihm sonst am Ende denn doch die Geduld ausgehen könnte, und das wäre dann wahrlich kein Spaß mehr für uns. Verstehet das wohl, meine lieben Freunde!"

04 Treten ein paar andere hinzu und sagen: "Wir haben nur zu Hause, wie wir da den Lärm gehört haben, alles in der Unordnung verlassen; die Unsrigen wußten nichts, wo wir hingekommen waren. Wenn wir nur noch einen Sprung nach Hause machen könnten, um den Unsrigen etwas davon zu sagen, sonst werden sie in großen Sorgen sein und nicht wissen, ob wir in die Luft oder ins Wasser gekommen sind."

05 Sagt der Offizier: "Ihr Toren! So ihr zu Gott dem Herrn kommen könnet, was kann euch wohl noch mächtiger am Herzen liegen? Euer ganzes Haus ist hier ja sowieso nichts anderes als eine eitel genug eingebildete, nichtige Chimäre. Die Wahrheit und Wirklichkeit fängt ja ohnehin erst hier an. Alles Bisherige war ja sonst nichts als ein eitel nichtiger Traum! Wollt ihr also den Traum pflegen und dafür die große, heilige Wirklichkeit aufs Spiel setzen?! Habt ihr denn nicht gelesen: "Wer zu der Zeit aus dem Hause ist, der kehre nicht zurück, seinen Rock zu holen! Wer auf dem Dache ist, der steige nicht herab u.s.w.!?« - Wenn Gott der Herr uns beruft, so müssen wir augenblicklich alles verlassen können und Ihm folgen, sonst sind wir Seiner ewig nicht wert. Versteht ihr dieses? Sehet, ich bin ein Offizier; wie oft habe ich mich in einer oder der andern Station, in der Meinung, da werde ich nun etwa ein paar Jahre verbleiben, ganz kavaliermäßig eingerichtet, um mir da recht gütlich tun zu können. In sechs Tagen in der Nacht kam der Befehl: Binnen drei Stunden muß alles marschfertig dastehen! - Was habe ich machen wollen? Ich mußte, ohne auf einen Ersatz rechnen zu dürfen, alles stante pede (stehenden Fußes) verlassen und meine Füße nach der Trommel zu rühren anfangen. Und was war am Ende der Grund von solch schneller Translozierung (Ortsveränderung)? Nichts als die Laune eines Kriegsministeriums-Praktikanten oder -Adjutanten! Und ich mußte mich zufriedenstellen.

06 Hier aber ruft Gott der Herr alles Lebens Selbst und will uns für all das Nichts, das wir je als etwas zu besitzen wähnten, Unaussprechliches für ewig geben! - Ihr Toren! Was könnet ihr wohl verlassen Gott zuliebe, das Er euch nicht tausendfältig wieder zu ersetzen imstande wäre!? Verstehet doch die Ordnung Gottes einmal! Lasset ab von euren Torheiten und erkennet, was falsch und was wahr ist! Fasset Liebe zu Gott in euer Herz und kommet mir mit keiner Torheit mehr, sondern folget mir zu Gott dem Herrn hin, sonst lasse ich euch stehen und sitzen in eurem Tale Josaphat!"

07 Sagt noch eine alte Dame, die ein Gebetbuch und einen Rosenkranz in der Hand hält: "Aber Sie, gnädiger Herr Offizier! Glauben Sie denn nicht, daß man unterwegs die dreißig Schritte zum wenigsten die heiligen Tagzeiten zu der allerseligsten Jungfrau Maria beten solle oder zum wenigsten einen halben Rosenkranz vom bitteren Leiden?"

08 Sagt der Offizier: "O Gott, verleih mir Geduld! Jetzt kommt die alte Betschwester auch noch mit ihren Anständen!" (Zu der Alten:) "Möchten's nicht auch noch etwa beichten und kommunizieren zuvor? Wenn der wirkliche Herr und Gott da vor uns steht, werden wir doch hoffentlich keinen gebackenen mehr brauchen! Schau, du alte Schlafhaube, ich bin nur ein bißchen gescheiter als du, und mir kommt dein Antrag schon sehr dumm und fade vor. Wie dumm und fade muß er erst vor unserem lieben und allerweisesten Herrn und Gott erscheinen?!

09 Werfet von euch alle die Geist und Seele tötenden Pfaffen-Instrumente und gehet mit uns zu Dem hin, der allein das Leben ist und das Leben gibt aus Sich! Der wird es euch sagen, was ihr fürderhin tun sollet. Glaubet ihr denn, der Herr habe eine Freude an solchen Dummheiten? Er hat mit den Torheiten der blinden Menschen wohl alle mögliche Geduld und Nachsicht, aber von einer Freude und einem Wohlgefallen kann da doch ewig keine Rede sein; denn in der Geduld, die eigentlich nichts als ein von der größten Liebe gesänfteter und unterdrückter Ärger ist, kann keine Freude stecken. Geduld kommt von Dulden her, und Dulden heißt Leiden aus Liebe, so der göttlichen Weisheit die zweckwidrigsten und dümmsten Sachen vorgebracht werden; und daran kann Gott ewig kein Wohlgefallen haben! Ich habe es euch aber schon früher gesagt, daß ihr mir mit keinen Dummheiten mehr kommen sollet, sonst lasse ich euch stehen. Nun sage ich's euch zum letzten Male, wenn mir jemand noch mit einer Dummheit kommt hier in diesem allerheiligsten und wichtigsten Momente für die Ewigkeit, der wird ohne weiteres von dieser Gesellschaft ausgewiesen werden und kann nach seiner Phantasiebehausung zurückkehren und sich für die ganze Ewigkeit Phantasie-Erdäpfel sieden und braten!"

10 Sagt die Alte: "No, no, no, bitt, um Verzeihung, Herr Offizier! Ich hab's ja nicht gewußt, daß das Beten gar so etwas Gefehltes wär'. Ich hab's in meiner Meinung ja nur gut gemeint! Ich weiß das wohl auch, daß das Beten gerade nichts Angenehmes ist und daß man damit keinem Menschen eine besondere Freude machen kann. Aber eben deswegen hab, ich gemeint, weil's Beten was Unangenehmes ist, daß man sich selbst verleugnen, das Kreuz des Betens auf sich nehmen und Christo dem Herrn nachfolgen soll. Die vermöglichen Stadtleut, haben sonst halt wohl kein anderes besonderes Kreuz als das liebe Beten; und wenn wir halt das auch nicht getragen hätten, da hätten wir dann ja gar kein Verdienst vor Gott! Und wann wir halt das Wegerl dahin auch noch so ein bissel von einem Kreuzerl getragen hätten, da hab, ich halt gemeint, hätten wir dann auch noch so ein kleines Verdiensterl dazu. Aber ich sehe jetztunder schon, daß der Herr Offizier die heiligen Sachen besser verstehen als unsereins. Und so tun wir denn auch das, was der Herr Offizier wollen!"

11 Sagt der Offizier: "Bleibet mir ewig mit dem ,Herr' weg! Denn nur Gott allein ist der Herr! Wir alle aber sind Brüder und Schwestern. O Herr! Wie entsetzlich dumm sind doch Deine Menschen geworden! Das Gebet, die über alles entzückende Erhebung des Herzens zu Dir, heiliger Vater, den himmlischesten Akt des armen Menschen auf Erden wie hier in der Welt der Geister, halten sie für eine Art Bußkasteiung, für ein drückendes Kreuz! Ah, das ist denn doch etwas zu stark! - Aber leider, ihre höchst geist- und sinnlose Art zu beten, wodurch der Geist nicht belebt, sondern nur getötet wird, ist auch im Grunde bei Gott nichts anderes. Die Leute urteilen wenigstens über ihr Beten ganz richtig. Diese Menschen meinen es nach ihrem freilich höchst beschränkten Verständnisse nicht schlecht, und so muß man mit ihnen ja Geduld haben. Aber so ein bißchen aufrütteln muß man sie denn doch, sonst würden sie schimmelig vor Dummheit. Herr, habe Geduld mit der Dummheit der Armen! Schlecht sind sie gerade nicht, aber dumm wie die Nacht! Das soll aber nichts machen, denn sie lassen sich ja belehren. Nur muß man oft wider Willen einen etwas festeren Rüttler über sie kommen lassen, dann lassen sie ihre Dummheit desto eher fahren. - Vielleicht kommen noch so ein paar alte Weiber her? Nun, ein bißchen rütteln; nachher tut es sich schon wieder."

12 Kaum hat der Offizier diese Worte so mehr vor sich hin ausgesprochen, so kommt schon wieder eine andere Alte mit einem silbernen Reliquienkreuze zu ihm und sagt: „Verzeihen Sie eine Frage! Das Kreuz da, vom Papste selbst dreimal geweiht und angerührt, hat mir ein hochwürdigster Pater Quardian der Kapuziner gegen dem verehrt, daß ich eine Schuld für's Kloster, es waren blos so bei 600 Gulden C. M., bezahlt habe; und in diesem Kreuze sind blos nur Reliquien von Christo dem HErrn drinnen. Was meinen Sie denn, könnte ich etwa dieses mein theures Kleinod nicht Christo dem HErrn nun als eine Art Präsent vermachen?" - Der Offizier springt hier förmlich auf vor Aerger, und sagt: „Nur zu so in der Dicke! O Gott, o Gott! sind diese Menschen aber doch so unbegreiflich dumm, wie man sich's aber schon nicht noch dummer vorstellen kann!" (Zum Weibe:) „Macht's nur immerhin euer Präsentl! In Gottes Namen! Nur so fort in der Dicke!"

240. Kapitel: Weitere Frauen stellen mit ihren Lebensgeschichten und allerlei Anständen eine weitere Geduldsprobe für den Offizier dar. Begegnung Mathildes mit dem Offizier Peter. (Am 3. Sept. 1850)

01 Es kommt aber auch sogleich ein drittes Weibsbild zum Offizier hin und sagt: "Sie, Herr Offizier!" - Der Offizier: "Was gibt es noch in Gottes Namen?"

02 Spricht das Weibsbild weiter: "Sehen Sie, ich bin halt richtig gestorben auf der Welt in meinem siebenundzwanzigsten Lebensjahr, und zwar im Kindbett. Aber ich war nicht verheiratet, sondern war nur Köchin und Stubenmädl in einer Person bei einem Witwer. Und stellen sie sich vor, bei der Nacht hab' ich dann dem Witwer auch müssen ein Weib abgeben. Und er hat mir immer gesagt, wenn ich ein Kind mit ihm bekäme, so tät er mich hernach gleich heiraten. Aber der alte Kerl, schon bei den Sechzig, hat nichts mehr vermocht. Er hat wohl alle Nacht mit mir herumg'frett, daß es schon eine helle Schand, war, aber es war rein alles umsonst. Ich hätt, aber den alten Schippel doch heiraten mögen, weil er viel Geld gehabt hat. Ich hab aber auch einen andern festen Liebhaber gehabt, den ich noch nie zugelassen hab', damit er von mir eine bessere Meinung haben soll. Weil ich aber jetzt den Alten hab' heiraten wollen, so ist mir am Gschatz (an der Wertschätzung) des Jungen nicht mehr so viel gelegen gewesen und ich hab' ihm halt das getan, was er lang schon gerne gehabt hätt'. Da bin ich denn hernach auch schwanger worden und hab' dann die Schuld auf den Alten geschoben, damit er mich heiraten soll. Aber bei der Geschicht, hab' ich mich selbst ganz abscheulich angeschmiert. Der alte Schippel hat's auch richtig geglaubt und hätt' mich auch geheiratet; aber da hat der liebe Herrgott uns beiden einen gewaltigen Strich durch die Rechnung gemacht. Ich bin im Kindbett gestorben, und der Alte hat sich nachher gewiß eine andere genommen.

03 Wie ich aber in diese Welt gekommen bin, da hat mir gleich eine andere gesagt: »Du, nimm dich zusammen! Denn du bist gestorben auf der Welt, und von nun an wirst du ewig nimmer auf diese materielle Welt zurückgesetzt werden, auf der du bis jetzt über sechsundzwanzig Erdjahre lang in jeder Hinsicht schlecht genug gelebt hast. Fasse, daß du nun für alle Ewigkeit eine arme Seele bist, voll Sünden groß und klein! Was wirst du nun tun?« -Nach dieser schrecklichen Frag, bin ich ohnmächtig geworden, daß ich eine Weile nichts von mir selber gewußt hab'. Aber nach einer Weil ist mir die Besinnung schon wieder gekommen. Die schreckliche Person, die mir eine solche Nachricht gegeben hat, war unterdessen verschwunden, und ich hab, mich wieder ganz gut auf der Erd', und zwar in Wien, wie jetzt, befunden. Nur das kam mir etwas spaßig vor, daß ich mein Quartier und meinen Dienstgeber noch bis zur Stunde nicht habe ausfindig machen können, wie auch meine Freundinnen nicht, mit denen ich doch immer den schönsten Umgang gehabt habe. - Ich war bis jetzt so halb hin, halb her. Ich weiß es, daß ich in der Geisterwelt bin, und doch weiß ich es wieder nicht! Denn manches hat mich immer befremdet; manches ist aber dagegen wieder ganz natürlich, Jetzt aber, mein bester Herr Offizier, kommt erst das Wahre!"

04 Sagt der Offizier: "Was?! Noch nicht gar? - Nun, so rede nur zu!" - Spricht sie: "Sehen Sie, mein bester Freund! Ich bin halt eine große Sünderin worden, und da hab, ich halt die Höll' verdient und den Himmel verscherzt! Denn ich hab' das Handwerk der schlechten Lieb' schon in meinem dreizehnten Jahr ganz heimlich ang'fangen und gleich von Anfang mit einem Soldaten von der Artillerie. Und das, wie oft ich allerlei Leut' in einem Jahr nur hab' bei mir schlafen lassen, das ging schon ins Unglaubliche. - Auf der Erd', wie ich g'storben bin, ist die Geschicht' aber halt gar so g'schwind gegangen, daß ich nicht einmal mit den Sterbesakramenten habe können versehen werden. Hier in dieser Welt bin ich nun schon in allen Kirchen, die aus- und inwendig noch ganz die alten sind, herumgerennt und hab' beichten und kommunizieren wollen; aber da ist nirgends ein Geistlicher anzutreffen gewesen. Bloß einen hab' ich gefunden, und der hat dafür so viel Geld verlangt, daß ich es wahrlich in Ewigkeit nicht hätt' zusammenbringen können. Und so bin ich halt noch voller Sünden da und trau' mir nicht zu uns'rem lieben Herrgott hin. Ich hab' wohl schon oft die lebendigste Reu' und Leid erweckt - aber was hilft das, wenn man halt nicht gebeichtet und kommuniziert hat und auch keine letzte Ölung hat kriegen können?! - O du mein Gott! O du mein Gott! Was wird jetzt aus mir werden?!

05 Das tut mich halt am meisten drucken, daß ich meinen guten Liebhaber, der es so gut mit mir gemeint hat, ganz hinterlistig hab' aufsitzen lassen wegen dem alten Schippel! Dieser alte Esel aber hätt' mich so gewiß nicht geheiratet, denn dem war's nur ums Schlechte zu tun! - Schaun's Herr Offizier! Ein arm's Madl ist und bleibt halt a dumm's Vieh bis an ihr letztes End'. Ich hätt's ja lang schon mit Händen greifen können, daß mich der alte Schippel nie heiraten wird, und wenn ich auch schon zehn Kinder mit ihm gehabt hätt'; aber dennoch hab' ich müssen versuchen, den alten Saumagen d'ranzukriegen! O ich arme Seel', wer wird mir jetzt helfen? Wann aber nur unser lieber Herrgott solch'n alten, gewissenlosen Saukerl'n doch schon auf der Erd' a rechte Straf schickete, daß sie leiden müßten wie ein schäbiger Hund, weil sie sich gar kein Gewissen daraus machen, ein armes Mädel mit ihrem tausendmal verfluchten Geld unglücklich zu machen.

06 Hätt dieser alte Saumagen mich denn nicht so heiraten können, ohne daß er zuvor eine Todsünd, als Bedingung hat setzen müssen?! Der hat recht wohl gewußt, daß Er nichts mehr machen kann, d'rum hat er eine solche Bedingung gesetzt, aus der nie was hat werden können. Wie ich nachher wirklich schwanger war, o da hat er schön sauber vom Heiraten kein Wort mehr gered't. Wenn ich ihn daran gemahnt hab', da hat er sich immer mit allerlei entschuldigt - wegen der Welt, wegen seiner Stellung, wegen seinen Verwandten, wegen seiner Tochter, die wo in Ungarn verheiratet war; und dann hätt' er einen Prozeß, den er noch eher gewinnen müß', was schon bei einer nächsten Tagsatzung hätt' ausgemacht werden sollen; aber diese nächste Tagsatzung ist halt immer überlegt worden. Und so bin ich denn eher gestorben, als bis die erlog'ne Tagsatzung gekommen is.

07 Ich sag' Ihnen, Herr Offizier, mich hat eigentlich so mehr die Gall' über dies'n alten Lumpen umgebracht, als das Kindbett! - Und glauben Sie, daß ihm etwa leid war um mich? O da sein Sie ruhig! - Er hat nur eine große Freude d'ran g'habt, daß er meiner auf so eine unschuldige Art los worden ist! Na, ich bin noch so giftig auf diesen Saukerl, daß ich ihn quintelweis zerreißen könnt', wenn ich ihn nur so wo erwischen könnt'. Wann ich ihn so bei den Haaren packen könnt, und mit ihm in die Höll fahren, ich machete mir aus der ganzen Höll, nichts draus!"

08 Sagt der Offizier schon ganz halbsteif vor Ungeduld und zugleich auch vor Ärger über den Alten, der dies Mädel so mißbraucht hatte: "Ich bitte Euch um Gott des Herrn Willen - höret einmal auf! Daß es Euch Unrecht ergangen ist, das ist ganz klar; aber ganz unschuldig seid Ihr denn bei dieser Geschichte doch auch nicht! Für Euren schlechten Teil seid Ihr bereits durch die gnädigste Zulassung Gottes gezüchtigt worden und habet sonach die Folgen Eures schlechten Anteils genossen. Und ihm, dem Alten, wird der Herr auch nicht ein Haar schuldig bleiben. - Daher sei du nur ruhig! Vergib dem Alten von ganzem Herzen und komme nun mit mir zu Gott dem Herrn hin! Er wird schon alles wieder gut machen. Denn Er Selbst spricht ja: »Kommet alle zu Mir, die ihr mühselig und beladen seid; Ich werde euch alle erquicken!« Aber Zorn dürfet ihr nicht haben in eueren Herzen, sondern Liebe sogar zu den größten Feinden! Dann werdet auch ihr volle Liebe beim Herrn unserem Gott finden."

09 Sagt das Mädchen: "Ja, ja, Sie, Herr Offizier, sind wohl ein recht guter und gescheiter Herr! Mit Ihnen könnt' ein ehrlich's Mädl schon a rechte Freud' haben! Schaun's, es ist halt doch gut, daß ich mich vor Ihnen so recht ausgered't hab', denn jetzt ist mir viel leichter um's Herz und ich hab' auf den dummen Alten auch gar keinen Zorn mehr. Unser lieber Herrgott wird schon wissen, was Er mit ihm tun wird. - Ich bedank, mich recht gehorsamst für die schöne Lehr, die Sie mir gegeben hab'n!" - Sagt der Offizier: "Ist schon gut, schon gut! Sehen wir jetzt nur, daß wir zum Herrn kommen! So ihr alle bereit seid, da gehen wir; denn ich stehe schon auf Nadeln vor Ungeduld!"

10 Es kommt aber noch eine vierte Alte hin zum Offizier und sagt: "Monsieur! Je vous prie! (Mein Herr, ich bitte Sie!) - Sagt der Offizier: "Nur deutsch und kein Wort französisch mehr! Wir sind nun in Wien und nicht in Paris!"

11 Sagt die Alte: "Ja, ja, Herr Offizier, es ist nur so meine Gewohnheit! Denn ich kann sowieso weiter kein Wort französisch mehr und verstehe sogar von den vier Wörtern nicht alle. Wir haben einmal so eine französische Amme gehabt, und die hat immer diese Worte gesagt, und da habe ich es mir denn so gemerkt. Aber jetzt ist's schon gut von dem, und daher nun von etwas anderem! - Sehen Sie, Herr Offizier, wie ich noch auf der Welt war, da habe ich ein kleines Hündchen gehabt, und das habe ich denn wahrlich ganz förmlich geliebt, weil es ein gar so rares Tierl war, und habe es im Winter sogar bei mir im Bette schlafen lassen. - Ich hätte es mir nie im Traume können einfallen lassen, daß so etwas eine Sünde sein solle. Aber da ist einmal ein Ligourianer zu mir gekommen und hat das Hunderl im Bette liegend gefunden. Na, hören Sie, da war's aus! Der Liguorianer hat darob über alle Maßen zu fulminieren (wettern) angefangen, und ich habe müssen das Hunderl gleich wegtun, beichten und kommunizieren und zehn schwere Messen zahlen. Ich habe das alles wohl getan und habe meine Sünd bereut, aber manchmal ist's mir denn doch um's Hunderl leid gewesen. Und da meine ich denn, daß dies, das Leidsein, eine Sünde wäre, und habe kein ruhiges Gewissen. - Sagen's mir, was ich da tun soll, um ein ruhiges Gewissen zu bekommen?"

12 Der Offizier springt hier vor Ungeduld völlig auf und sagt: "O Herr! Du hast wahrlich ganz kuriose Kostgänger! Nein, das ist für einen ehrlichen Menschen auf einmal zu viel! Eine Hundskomödie ist schon da; am Ende kommt auch noch eine Katzenmusik zum Vorschein! - Ich gehe! Machet ihr alten Weiber, was ihr wollt! - O du verzweifelte Hexengeschichte! Jetzt macht die sich ein Gewissen daraus, daß es ihr um ein Hündchen leid war, trotzdem daß sie gebeichtet und kommuniziert und wenigstens eine gute halbe Million Rosenkränze heruntergeschnattert hat! Denn die hat ein vollendetes Rosenkranzgesicht! O Herr, ich bitte Dich, lasse mich prügeln, aber nur kein Rosenkranzgesicht mehr; denn das ist für mich das allerfurchtbarste!" - (Zum Weibe:) "Gehet zum Plunder mit Eurem Finetterlgewissen und werdet gescheiter, sonst muß man einen Ekel vor Euch bekommen! - Jetzt gehen wir, sonst kommen wir richtig noch auf eine Katzengeschichte, denn da hinterher lugt schon wieder so eine Alte auf mich. Die könnte sehr leicht so eine Katzbalgerei zuwege und zum Vorschein bringen. - Wer mir folgen will, der folge mir; denn von nun an harre ich keine Sekunde mehr!"

13 Der Offizier schickt sich zum Gehen an, aber eine fünfte Alte vertritt ihm den Weg und bittet, nur sie noch gütigst anhören zu wollen; sie habe ihm etwas ganz Wichtiges anzuvertrauen.

241. Kapitel: Mathildes denkwürdige Lebensgeschichte interessiert den Offizier Peter. (Am 6. Sept. 1850)

01 Der Offizier bleibt stehen und fragt sie hastig und geflissentlich noch ungeduldiger scheinend, als er es im Grunde ist, was sie denn für ein sicher ebenso nichtiges Anliegen habe, wie die früheren viere es gehabt haben.

02 Sagt die Alte: "Mein bester Herr Offizier! Das Leben auf der Welt war für mich stets eine Sache des größten Ernstes, und ich habe in meinem Hauswesen gottlob alles also eingerichtet, daß da alles, was sich nur immer in meinem Hause dienstlich befand, das Leben also in der besten Ordnung voll Ernstes nehmen mußte, wie ich es selbst genommen habe. Die Dienstleute murrten zwar, besonders anfangs; aber wenn sie sich einmal in die Ordnung sozusagen hineingewöhnt und hineingelebt hatten, dann konnten sie es sonst nirgends so leicht aushalten wie eben bei mir.

03 Viele Leute hielten mich zwar für eine Pedantin, wo nicht gar für eine Halbnärrin; aber das machte auf mich gar keinen Eindruck, und ich blieb bei meiner Ordnung nagelfest und wich nicht um ein Haarbreit davon ab. Denn ich habe in meiner Jugend einen sehr weisen Lehrer gehabt, der die Fähigkeit hatte, sogar sich zu gewissen Zeiten in den Verkehr mit guten Geistern zu setzen, von denen er mir nicht selten Wunderdinge erzählte. Obwohl ich mich aber anfangs vor solch unheimlichen Gästen meines Lehrers sehr gescheut habe, so wußte er mir aber nach und nach dennoch so viel Mut und Begeisterung für die Bewohner der reinen Lichtsphären einzuflößen und schilderte mir ihre Schönheit, Anmut und Grazie derart anziehend, daß ich bald alle Furcht vor den Geistern verlor und in mir eine große Sehnsucht rege wurde, selbst mit den Bewohnern dem Lichtphären Gottes verkehren zu können.

04 Mein Lehrer, zwar ein Mann in den vierziger Jahren, doch wohlgestaltet, ward mir aber auch derart zu einem Bedürfnisse, daß ich ohne ihn mir das Leben für rein unmöglich vorzustellen begann, obschon ich damals erst vierzehn Frühlinge zählte. Für die eigentliche Welt taugte ich zwar durchaus nicht, was mir meine ziemlich weltlich gesinnten Eltern von Tag zu Tag mehr vorzustellen begannen. Aber das war mir gleichgültig, denn ich fand ja in jedem Worte aus dem schönen Munde meines heißgeliebten Lehrers den tausendfachen Ersatz für jeden eitlen Verlust der Welt, die mir gegen das, was mir mein Lehrer bot, so trocken und leer vorkam, als wie ein altes Faß, in dem über hundert Jahre kein Tropfen Wein mehr existiert hatte.

05 Wie aber auf der bösen Welt alles Erhabene, wahre, Große und Edle angefeindet und am Ende sogar womöglich gekreuzigt und getötet wird, so erging es denn auch nur zu bald mir und meinem, ich könnte sagen, beinahe heiligen Lehrer. - Meine sonst guten Eltern, freilich mehr von ihren superklugen Freunden aufgehetzt, fingen an einen bedeutenden Verdacht zu schöpfen, als würde sich zwischen mir und meinem Lehrer eine feste Liebe zu entfalten beginnen, beriefen heimlich, daß ich es nicht merken und hören sollte, den guten Lehrer auf ihr Zimmer und hielten ihm die Sache ganz ernstlich vor, was ich, in einem Nebenzimmer aufmerksamst und ängstlich lauschend, genau vernahm.

06 Der Vater, ein ziemlich barscher Mann, sagte: »Mein Freund! Sie sind zwar ein äußerst und wahrlich selten geschickter Mann, wohlunterrichtet in allen möglichen Künsten und Wissenschaften; aber eines scheint Ihnen zu mangeln, und das ist die Kenntnis der Welt und dessen, was sie von uns Menschen eines gewissen Standes zu fordern sogar berechtigt ist. Sie machen aus unserem schönen und guten Kinde zwar wohl eine ganz förmlich Gelehrte, aber leider in einer Art, wie sie für die hohe Welt, der wir angehören, am allerwenigsten taugt. Das Mädchen schwärmt nun schon wie eine Sapho (griechische Dichterin) in Gott weiß was für Regionen herum und stellt uns tausend Dinge auf, die sie des unsterblichen Menschen für unwürdig findet. Ja, sie lacht uns manchmal sogar aus, besonders so wir von den in aller Welt anerkannten historischen Vorzügen des Adels sprechen. Mein Freund, so Sie unserem Kinde solche Ideen beibringen, da können wir Sie in keinem Falle mehr brauchen.

07 Und zudem sind wir noch hinter ein anderes Geheimnis gekommen, was uns anfangs zwar unmöglich geschienen, da Sie ein Mann von etlichen vierzig Jahren sind und unsere Tochter erst ein Mädchen von vierzehneinviertel Jahren ist, schön und reizend wie ein Engel. Aber festere und anhaltende Beobachtungen haben dies Rätsel in ein völlig klares Licht gestellt, und zwar derart, daß das arme, von Ihnen im buchstäblichen Sinne verführte Mädchen in Sie mehr verliebt ist, als Sie in das Mädchen. Denn Sie verstehen es mehr aus alter Erfahrung, Ihre Liebe zu maskieren, und es scheint daher, daß Sie in das Mädchen weniger verliebt sind, als das Mädchen in Sie. Aber das entschuldigt Sie vor uns nicht, denn Sie müssen dem Kinde ganz kurios das Köpfchen verrückt zu machen gewußt haben, daß es nun bloß nur nach Ihnen seufzet und ohne Sie ihm die Welt zu einer Null wird.

08 Sie werden also einsehen, daß wir unter solchen nur zu klaren Umständen das Mädchen nicht mehr unter Ihrer Leitung belassen können, sondern es anderen Händen anvertrauen müssen, so wir das Mädchen in kurzer Zeit nicht zu einer barsten Närrin gemacht sehen wollen. Verlassen Sie daher heute noch unser Haus und empfangen Sie hier die Remuneration (Vergütung) für Ihre wahrlich nicht nach unserem Sinne angewandte Mühe an unserem Kinde. Hüten Sie sich aber, irgend auf Schleichwegen unserem Kinde sich zu nahen, denn eine solche Keckheit könnte Ihnen teuer zu stehen kommen! Für das Bisherige aber sei Ihnen hiermit volle Amnestie (Straferlassung) gewährt. - Hier ist Ihr Geld, und somit Gott befohlen!«

09 So ward mein Engel in meinem elterlichen Hause abgefertigt. Der göttliche Mann, von dem ein Hauch seines Mundes bei weitem mehr wog in der Schale der göttlichen Wahrheit und Gerechtigkeit als tausend Weltgecken, die bei meinen leider hochadeligen Eltern wie die Schmarotzersliegen aus- und ein liefen, wurde also, wie eine feile Dirne vom Tanze, aus meinem elterlichen Hause gejagt, und ich Arme bekam dann Lehrer und Meister, vor denen mir stets mehr ekelte und graute, je mehr ich sie nur zu bald kennenlernte!"

10 Spricht der Offizier: "Sagen sie mir, liebe Frau, hat denn Ihr Lehrer die Geschichte wohl so mir und dir nichts hingenommen? Erzählen Sie mir das umständlich, denn Ihre Sache fängt an, mich bedeutend zu interessieren."

11 Sagt die Frau: "Mein hochschätzenswertester Freund! Was hätte der Edelste wohl darauf sagen sollen? Er wußte ja nur zu gut, wie viel mit Aristokraten, besonders in solchen Dingen, zu reden ist. Das einzige, was ich mit dem gebrochensten Herzen vernehmen konnte, war, daß er sich für alles Gute, das er in diesem Hause genossen habe, weinend bedankte und am Ende hinzufügte: »Gnädigste Eltern des besten und edelsten Kindes! Ich habe es euch ja gleich anfangs gesagt, daß ich mit meinen der Welt leider völlig fremden Grundsätzen und Lehrmaximen für euch schwerlich taugen werde. Ich habe euer Haus, Gott weiß es, nie gesucht. Ihr habt mich vielmehr durch allerlei glänzende Versprechungen, und als diese bei mir kein Gehör fanden, durch andere, meinem Gemüte mehr zusagende Vorteile, sozusagen um jeden Preis für euch zu gewinnen gesucht und habet mich denn auch gewonnen. Als ich dann mit Sack und Pack in euer Haus kam, legte ich euch als ein ehrlicher Mann meine Erziehungsgrundsätze sonnenklar vor eure Augen, und ihr waret, bis zu Tränen gerührt, damit zufrieden und sagtet dann, mich an euer Herz drückend: »Freund, wir sind reich und haben Güter; Sie sind bei uns für Ihr ganzes Leben versorgt!«

12 Allein ich lebte nun kaum nur drei Jahre in Ihrem Hause und habe gemäß meinen Grundsätzen als Mensch und Lehrer vor Gott und der Welt nach meinem durch nichts befleckten Gewissen derart gehandelt, daß ich von meinen Grundsätzen auch nicht um ein Haar groß etwas wegnahm noch hinzufügte. Denn Wahrheit gibt es nur eine, die weder einen Zusatz noch eine Wegnahme duldet. Und nun werde ich unter einer gewiß höchst unliebsamen, weil höchst ungerechten Anschuldigung aus diesem Hause, das mir ein volles Jahr nachrannte, hinausversorgt! - Allein das macht mir nichts. Denn ungerecht dulden und leiden war in der Welt ja stets der Gerechten und Reinen Los. Und ich freue mich deshalb; denn das gibt mir ja wieder einen neuen Beweis, daß mich Christus, der Herr, in dem ich lebe und sterbe, für einen Seiner Jünger als würdig befunden hat. Er, der Herr der Unendlichkeit, hat ja Selbst den Lohn des schwärzesten Undankes von den Menschen geerntet, und Er vergab es ihnen, weil Er wohl wußte, daß sie nicht wußten, was sie taten. Warum soll ich, ein sündiger Mensch, es euch übelnehmen, so ihr an mir nun eine Handlung begehet, die mir auf der Welt zwar zum offenbaren Nachteile gereicht. Aber ich, der ich nie den Vorteilen der Welt nachgejagt habe, sondern allein denen, die mir mein Gott und mein Erlöser gezeigt hat, verschmerze das leicht, was ich ohnehin nie gesucht habe und auch künftighin nie suchen werde.

13 Daß Sie mir Ihr Haus verbieten, schmerzt mich wohl am meisten; denn ich habe mir an Ihrer Tochter eine wahre Freundin des inneren Lebens in Christo dem Herrn erzogen, ein Etwas, das in der gegenwärtigen Welt schwer irgendwo mehr zu bewerkstelligen ist, aber auch das macht nichts. Denn wer immer um des Herrn Willen etwas verliert, wird es zu seiner Zeit tausendfach wiedernehmen können.

14 Dies armselige Geld aber, auf das Ihr einen besonderen Wert leget, behaltet und tuet damit, was Ihr wollt! Denn das, was ich durch die Gnade Gottes Eurer Tochter gab, ist mehr wert als eine ganze Welt voll Goldes! Ihr kennet zwar den Wert nicht; aber eure liebste Tochter kennt ihn. Und so wahr ein Gott lebt, so sie auch alle Schätze dieser Welt verlöre, die ohnehin eine eitle Chimäre sind, so wird sie mit dem Schatze des Geistes, den sie von mir empfing, glücklicher sein als ein Krösus, der sich durch seine unermeßlichen Schätze goldene Paläste bauen könnte! - O Menschen, o Menschen! Wie blind und schwach seid ihr doch! Die Sonne glänzt euch zu mächtig und wärmet zu sehr das Feld der Gottessaat. Darum sehnt ihr euch nach den Irrlichtern der Nacht, denn diese blenden und wärmen nicht. - Leben Sie wohl! Vielleicht sehen wir uns in der andern Welt wieder!«

15 Der Vater, etwas ungehalten über diese rein himmlischen Worte meines göttlichen Lehrers, nahm das Geld, was ich aus dem Geklinge rückgefallener Münzen wahrnahm, und wollte es mit Gewalt dem guten Lehrer aufdringen. Dieser aber wies es zu meiner Freude entschieden zurück und ging zur Türe hinaus, das Haus für immer verlassend. So war die Endgeschichte mit meinem Lehrer, den ich dann leider nie wieder zu Gesichte bekam.

16 Wie ich aber schon früher bemerkt habe, so waren meine nachherigen Lehrer und Meister wirklich so dumm, so aufgebläht und dabei aber auch so höchst interessiert, daß es wahrlich eine allerbarste Schande war. Sie bewegten sich so gefühllos wie eine Maschine, und ich, ein Mädchen von der zartesten und weichsten Art, machte auf sie gerade so viel Eindruck, wie eine an eine Marmorwand geworfene Erbse in den harten Marmor. Ich war ihnen bloß ein Mittel, durch das sie recht viel Geld erwarben und sonst nichts. Ich lernte freilich bei ihnen auch darnach zur leidigen Galle meiner blinden Eltern. Aber dafür strebte ich, je älter ich wurde, desto inniger allen jenen Grundsätzen nach, um sie in mir zu verwirklichen, die mir mein himmlischer Lehrer und Meister auf eine wahrhaft allezeit himmlische Weise beigebracht hatte; denn seine Lehrstunden waren für mich ein wahres Sein in dem Paradiese Gottes gewesen.

17 In meiner späteren Zeit, als ich leider schon Witwe geworden war, habe ich in die Erfahrung gebracht, daß dieser mein göttlicher Lehrer durch eine besondere Verwendung als Offizier zum Generalkommando und von da als Hauptmann zur Armee gekommen ist, wohin aber und ob er noch lebe, konnte ich nicht mehr erfahren. Er hätte damals kaum etliche und sechzig Jahre alt sein können. Ich selbst hatte leider schon mit meinem achtzehnten Jahre heiraten müssen und ward aber auch bereits in meinem fünfundzwanzisten Jahre eine Witwe. O hätte ich da meinen Lehrer irgendwo finden können! Wie glücklich wäre ich dann geworden! - Aber Gott der Herr ließ es nicht zu. Ich blieb hernach unverheiratet mit einer Tochter, die so ziemlich in allem mein Ebenbild war, bis an mein irdisches Lebensende. Vor ein paar Jahren habe ich, das Zeitliche verlassend, diese ewige Welt betreten und erkundigte mich hier überall nach meinem Lehrer, ob er möglicherweise auch schon da wäre; konnte aber leider bisher noch keine Silbe von ihm erfahren. - Er hieß Peter und abermals Peter. Ob er noch irgendeinen anderen Namen hatte, konnte ich nie von ihm erfahren; auch meine Eltern nicht - die einzige Sonderbarkeit, die dieser Lehrer der Lehrer besaß. - Nun hier in der Geisterwelt, so es möglich wäre, möchte ich denn doch von diesem Lehrer etwas erfahren. Sie sind ein so weiser Mann, ganz wie mein Peter Peter; vielleicht könnten Sie mir von ihm eine Auskunft geben. O wenn ich nur mit diesem edelsten Geiste noch einmal zusammenkäme!"

18 Der Offizier wendet sich nun ein wenig ab von dem Weibe und sagt staunend zu sich selbst: "Wäre es denn möglich?! Dies gar armselig aussehende Weibsbild soll jene einst auf der Welt so herrliche Mathilde sein?! Die beinahe himmlische Tochter eines borniertesten, reichem Erzaristokraten, ein so gutes und edles geistvolles Kind, wie es in Wien sicher kein zweites gegeben hat?! Und hier in einem so miserablen Zustande!? - O Gott, du bester Vater aller Menschen und Engel! Was hat denn dieser Engel verbrochen, daß er hier gar so armseligst ankommen mußte?! Die Stimme und das Benehmen sind noch so ziemlich erkenntlich; aber die Gestalt! Was wären da die sieben mageren Kühe vom Traume Pharaos gegen diese entsetzliche Magerkeit? O das wären gemästete Ochsen dagegen! - O du arme Mathilde! Der Herr möge dir gnädig und barmherzig sein! Wahrscheinlich wird ihre für sie sicher allerungünstigste Ehe sie dahin gebracht haben!? Ärger, Unmut über nichtigste aristokratische Dummheiten, die unheilbar sind, eine unsanfte Behandlung, Untreue und Roheit von Seite ihres Gemahles mögen zu solch einer Abmagerung ihrer sonst so schönen Seele wohl das meiste beigetragen haben. Nun, bei Gott sind ja alle Dinge möglich! Sie gehört ja nur auch zu den vom Herrn Berufenen; Er wird sie schon wieder zurechttbringen!

19 So aber hier auch so ganz eigentlich ,himmlische Ehen' statthaben sollen, so werde ich sie auf jeden Fall vom Herrn Selbst zum Weibe erbitten, und sollte sich auch ihre Gestalt um gar nichts ändern. Denn ihr Geist ist noch ganz so voll hoher Ideen, wie er war zu den Zeiten, als sie meine Schülerin war. Ah, das war wahrlich wahr eine herrliche Zeit! Damals verkehrte ich mit den Geistern aus den Himmeln; ja mit Engeln führte ich Zwiesprache. Damals war auch sie ein Engel. Denn die Lehre der Engel strahlte erst dann ganz himmlisch, wenn ich sie in ihre unvergleichlich schöne Seele legte. O was war das für ein herrliches Strahlen und Widerstrahlen des Lichtes aus den Himmeln! Da empfand ich in solch seligen Momenten so ganz, was ein Engel empfinden kann, wenn er vom süßen Geschäfte der Liebe müde hinsinkt an des allmächtigen Vaters heilige Brust, und sich da neue Kräfte und neue, ungeahnte Seligkeiten zu holen! O heilige Augenblicke des Erdenwallens! - Die Himmel Gottes müssen zwar von unnennbarer Schönheit sein; aber auch die Erde Gottes ist schön für den, der in seinem Herzen ohne Falsch ist, der seinen Gott erkennt und Ihn aus allen seinen Kräften wahrhaft liebt. - O Mathilde! Was warst du auf der Erde?! Eine Sonne unter den holdesten Wesen deines Geschlechtes. Und was bist du nun?! Nichts als ein erbärmlicher Schatten einer dürren Distelstaude, vom Halblichte des letzten Mondviertels beschienen! - O Herr, o Herr! Wesen, die nach einem Jahrhunderte dem Grabe entsteigen, könnten doch unmöglich elender aussehen!"

20 Nach diesen Worten kehrt der Offizier sich wieder zur Mathilde und sagt laut: "Ich habe jetzt nachgedacht über dein Anliegen und bin dem gewissen Manne im Ernste auf die Spur gekommen. Er ist auch schon hier, und wir werden ihn sicher finden. Nur mußt du M- (leise zu sich: hätte mich bald verschnappt!) dir eine echt große Portion Geduld aneignen und alles, was nur immer nach einer Leidenschaft riecht, rein aus dir verbannen. Alles aber, was Liebe heißt, mußt du dem Herrn zuwenden und den Peter Peter ganz Peter Peter sein lassen. So wird dann schon der Herr dafür sorgen, daß du ganz glücklich wirst. Denn siehe, bei Gott sind ja alle Dinge möglich! Du hast einst Gott gefürchtet, und das war gut; denn Gottesfurcht ist die erste Stufe zur Weisheit. Nun mußt du aber Gott lieben über alles - und das wird dir geben die höchste Seligkeit und eine himmlische Schönheit für ewig!"

242. Kapitel: Mathildes Lebensgeschichte traurigster Art. Ihre herbe Seelenführung. (Am 6. Sept. 1850)

01 Spricht Mathilde, so wie in sich, etwas abgewendet vom Offizier: "Das sind ja ganz die Worte meines himmlischen Lehrers! »Bei Gott sind alle Dinge möglich!« Das war sein Wahlspruch! Dann der herrliche Satz: »Gottesfurcht ist die erste Stufe zur Weisheit. Gott über alles lieben aber ist der Weisheit Vollendung und somit die höchste Seligkeit!« ist ja wiederum ganz der meines Lehrers! Er sieht ihm auch so ziemlich ähnlich! Nur etwas zu jung kommt er mir vor, sonst wäre alles ganz auffallend übereinstimmend! So mag er ausgesehen haben, als er etliche und zwanzig Jahre alt war! -Ich möchte schon alles darauf setzen, daß er es ist. Aber nur stille, mein armes Herz! Du darfst ihn ja nicht merken lassen, als ahntest du, daß er es ist! Befolge aber seine göttliche Lehre und du wirst dann sicher die goldene Frucht ernten, die aus den vom himmlischen Lichte umstrahlten Ästen solcher Lehre, so sie befolgt wird, reichlichst hervorknospet. - Ach Gott, ach Gott! Das kann nur er sein! Nur in seinem engelreinsten Herzen können solche Lehren gleich den hellsten Sternen der Himmel Gottes emporkeimen und in seines Geistes Gotteslichte und Lebenswärme schnell heranreifen zur gesegnetsten Tat, zur heiligen Gottähnlichkeit!"

02 Der Offizier sagt bei sich, da er diese Worte in sich auch vernimmt: "O welch ein herrlicher Geist in dieser aber gar so entsetzlichen Seele! Wenn ich nur erfahren könnte, wo es denn bei der stecken muß! Wie kann ein solch herrlicher Geist voll Liebe, Wahrheit und Demut seine Seele denn gar so entsetzlich vernachlässigt haben?! Man sollte ja doch der Meinung sein, daß vor Gott, dem Herrn, ein reines Herz, ein Herz voll Liebe, Wahrheit, Duldsamkeit und Demut schon die vollste Vollendung der Seele zur Folge haben müßte. Aber wie der Augenschein zeigt, ist es hier durchaus nicht der Fall! Sonderbar, sonderbar! Es muß mit ihr in der späteren Zeit, die mir nicht mehr bekannt ist, etwas vorgefallen sein, sonst könnte ich mir die Sache unmöglich erklären. Nein, wenn ich so zurückdenke, wie dies Wesen in ihrem Fleische als Mädchen doch gar so strotzend üppig war! Sie hätte jeden Maler, dem die Aufgabe würde, die reizendste Schönheit in der blühendsten Fülle der Gesundheit zu malen, als ein bestes Modell dienen können; und jedem Engel als Gesellschafterin! Und nun hier, o Gott, o Gott, ist sie ein Bild des größten Elends und der größten Not! Dürftigste Lumpen bedecken ihre Skelettform, kaum hinreichend, ihre Scham zu verbergen. Mein Gott, mein Gott, sei doch diesem armen Wesen gnädig und barmherzig!"

03 Nach diesen Worten wendet sich der Offizier wieder ganz freundlich zu Mathilde und sagt: "Höre du, meine liebe Freundin! Möchtest du mir nicht so im vertrauen sagen, wie es denn doch wohl kommen konnte, daß du gar so in deiner Seele, wie man sagt, ganz rein auf den Hund gekommen bist? Denn ich erinnere mich, dich in der Blüte deiner irdischen Jahre hier in Wien irgendwo gesehen zu haben. Da warst du ja ein Muster weiblicher Fülle und Üppigkeit; und alles war glücklich, dich nur von ferne ansehen zu dürfen! Und nun?! Kurz, da ist gar nichts zu reden. Ich mache dich nur traurig, ja über die Maßen traurig, so ich dich daran erinnere. - Also, so es dich nicht etwa zu sehr beschämt, dann gib mir den Grund an, wie und warum du gar so herabgekommen bist in deiner Seele bei einem so herrlichen Geiste!?"

04 Sagt Mathilde: "Edler Freund, der du mit mir viel Mitleid zu haben scheinst, ich habe hier wohl keinen Grund mehr, mich irgendwie beschönigen zu wollen; denn das Elend ist der Tod der Schamhaftigkeit schon an und für sich, und hier in der Geisterwelt gar, wo einem von den Dächern verkündet wird, wie man auf der Erde im Fleische gelebt hat. - Es ist wahr, daß mein Geist gewiß einer von denjenigen war und ist, die wahrlich der schlechtesten Gattung nicht angehören. Aber diesem Geiste ward leider eine zu üppige Fleischmasse gegeben, die, je ausgebildeter sie wurde, auch desto sinnlich begehrender ward. Mein Stand erlaubte es aber nicht, mein Fleisch auf jene natürliche Weise zu befriedigen, aus welche tausend gemeine und feile Dirnen dem Begehren ihres Fleisches zu Hilfe kommen. Ich war teils durch einen verderblichen Umgang mit Mädchen meines Standes (Wesen, die schon frühzeitig die schlechte Pariserschule durchgemacht haben) und teils durch meine sehr sinnlich gewordene Natur auf Mittel gekommen, mich künstlich zu befriedigen. Das schadete aber meiner Natur derart, daß ich in kurzer Zeit darauf die sogenannte Bleichsucht über alle Maßen bekam. Die Eltern wußten sich nicht zu helfen noch zu raten. Ein Arzt um den andern ward geholt und gefragt. Da regnete es Rezepte und Medizinen, durch die meine Natur noch aufgeregter ward als sonst und ich desto anhaltender mit der künstlichen Selbstbefriedigung, deren ich mich heimlich bedienen mußte, um nicht zu verzweifeln.

05 So wahr ich lebe, zweimal war ich daran, mir das Leben zu nehmen! Schon in meinem siebzehnten Jahre hatte mein Fleisch einen solchen Grad der Sinnlichkeit erreicht, daß ich mit einer unbeschreiblichen Wollust mir selbst hätte mögen ein Stück Fleisch um das andere vom Leibe schneiden. Wenn ich mir dann und wann mit einer Hundspeitsche auf die nackte Haut nur einige Schläge, die mich zwar sehr schmerzten, habe versetzen können, so geschah mir sogleich leichter. Kurz, wenn ich nicht nach dem Rate eines vernünftigen Arztes noch im selben Jahre geheiratet hätte, so wäre ich im nächsten Jahre darauf sicher als eine verstümmelte Leiche irgendwo aufgefunden worden.

06 Es ist merkwürdig! Mein Geist blieb dabei stets hell und voll der besten Vorsätze, aber sie waren leider zu ohnmächtig, um den Stürmen des Fleisches Widerstand zu leisten, wenn dieselben zu toben und zu wüten begannen. Ich weinte oft im geheimen wie ein Kind über meine Unnatur. Aber das half alles nichts! Es mußte ein Mann mir werden, sonst gab es keine Ruh und keine Rast in meinem Fleische. - Wie schon gesagt, ich bekam zum Glücke meines Fleisches einen sehr sinnlichen Mann. Der heilte zwar mein Fleisch mit dem, daß er mich im ersten Jahre schwängerte und somit aus meinem entarteten Fleische die letzte, doch noch übrigebliebene Frucht sich holte - und in kurzer Zeit darauf den Tod:

07 Ich ward darauf zwar nüchternen Fleisches und bekam auch wieder ein recht gutes Aussehen, aber in meiner Seele gewahrte ich dennoch fort und fort ein gewisses ganz unbehagliches Siechen, das sich durch eine gewisse Unlust zu allem Schönen, Guten und Wahren nur zu fühlbar aussprach. Ich besuchte Gesellschaften, Theater, Konzerte, reiste im Sommer von einem Bade zum andern, versammelte im Winter um mich einen Kreis der geistreichsten Damen und Männer. Aber es war umsonst, meiner Seele Zehrfieber war nimmer zu verscheuchen.

08 Nur der geheime Gedanke an meinen einstigen Lehrer vermochte allein meine Seele auf Augenblicke in eine bessere Stimmung zu bringen - aber leider nur auf Augenblicke, die sehr jenen wärmlichen, sonnigen Mittagsstunden des Novembers glichen, auf die nur zu bald Frost und Kälte und der starre Winter folgen. Mein Geist wahr wohl der gleiche, voll des besten Willens; aber das Fleisch der Seele war ganz entsetzlich schwach geworden. Und ich konnte mich trotz des besten Willens nicht mehr erholen, weder auf der Erde und noch weniger diesseits in der Geisterwelt, die zwar bis jetzt der Naturwelt beinahe so gleichgesehen hat wie ein Auge dem andern, aber nichts weniger als eine Naturwelt ist, weil es denn doch nebst dem, daß die Formen ihr Aussehen behalten, recht viele und manchmal nur zu handgreifliche Unterschiede gibt zwischen den Erscheinungen dieser und jenen der früheren Naturwelt.

09 Nun wissen Sie alles. Und ich meine, Sie werden nun leicht den Grund einsehen, warum ich zu dieser elenden Gestalt gekommen bin. - Wäre mein Lehrer nie von meiner Seite gekommen, da stünde es um mich nun sicher anders. Aber Gott dem Herrn gefiel es wahrscheinlich nicht, einen Engel in einem Hause des Hochmutes und des Stolzes zugrunde gehen zu lassen; daher nahm Er dem Hause den Schutzengel. Und das Haus verfiel daraus bald in allerlei Laster der Großen und der Toren, und ich, dessen einzige Tochter, mit. - Ich bin zwar nun hier - so elend als möglich, wo aber meine Eltern sich etwa befinden und wie es ihnen und auch meinem Gemahle ergeht - das wird der Vater im Himmel sicher besser wissen als ich arme, elende Seele. Ich wünsche zwar allen ein besseres Sein als das meinige; aber leider, mein Gefühl sagt es mir, wird es ihnen wohl kaum besser ergehen als mir. Wenn sie nur samt und sämtlich nicht irgend ganz und gar verloren sind!"

10 Sagt der Offizier: "Meine Liebste! Da hat es mit dir leider eine schlimme Bewandtnis gehabt! Aber verzweifle deshalb nicht, sondern gehe nun sogleich mit mir zum Herrn hin, der hier ist, um allen zu helfen, die Seinen Namen anrufen und sich an Ihn wenden. Folge mir ohne Furcht und Scheu, denn niemand kann dir helfen, als Gott der Herr allein! Nur bei Ihm sind alle Dinge möglich. Darum also folge mir!"

11 Der Offizier eilt nun mit Mathilde schnell zu Mir hin und sagt: "Herr, Du allerheiligster, bester Vater! Ich brauche Dir sicher nicht kundzutun, was diesem Wesen fehlt. Denn Du, dem alle Dinge, Sachen und Verhältnisse schon von Ewigkeit her bekannt sind, weißt es am besten. Ich kann darum auch hier nichts anderes tun, als Dich, o Herr, kniefälligst mit dem teilnehmendsten Herzen bitten, daß Du diesem Wesen, diesem armen Weibe, gnädig und barmherzig sein wollest! Dein heiligster Vaterwille geschehe!"

12 Sage Ich: "Weib, was willst du denn, daß Ich dir tun solle? -Rede!" - Sagt Mathilde: "Herr! Du allmächtiger, ewiger Gott, Schöpfer aller Kreatur und heiligster Vater aller Menschen und Engel! Du siehst hier eine große geheime Sünderin vor Dir. Du wirst am besten wissen, welche Geister, ja welche Teufel mein Fleisch und mit diesem auch die Seele so übel zugerichtet haben. Ich war es nicht; denn mein Wille war nach meiner reinen Erkenntnis stets dagegen, und ich warnte jeden Menschen vor dem großen Übel der Selbstbefriedigung. Und doch war aber ich gerade wie ausersehen für dies fürchterliche Übel! Ich - im Geiste die größte Feindin davon - mußte dem Drachen des Fleisches geradewegs zum Opfer werden!

13 O Herr, das ist hart; das ist sehr hart! Wer pflanzte denn solch einen verderblichen Stachel in mein Fleisch? Ich selbst unmöglich! Ich war ja nur das höchst leidige Opfer dieses Stachels. Ich ward getrieben wie mit glühenden Ruten! Und gerade wenn ich mir oft die ernstesten Vorsätze gemacht hatte, dies Übel um Deines heiligsten Namens Willen nicht mehr zu begehen - da erst erwachte bald die Gier des Fleisches mit zehnfacher Heftigkeit, und ich unterlag dem Drange ärger denn irgendein früheres mal. Nach solch satanisch stummer Befriedigung kam dann freilich allezeit die Reue, diese höchst stiefmütterliche Elegie armer unglücklicher Herzen, über mich und zerfleischte jede Regung in mir, die mein Innerstes auch nur mit dem leisesten Strahle einer besseren Hoffnung hätte emporrichten können. - O Herr, o heiliger Vater! Warum, warum mußte denn gerade ich gar so unglücklich werden?

14 Ich war ja doch bis beinahe in mein sechzehntes Jahr eine so reine Unschuld, wie es deren wenige geben dürfte. Warum mußte ich meinen wahren Schutzgeist von einem Lehrer verlieren? Warum durfte denn der Satan gerade gegen den Mann, der ein Engel war, in der aristokratischen Brust meiner blinden Eltern Verdacht und Haß erregen und hernach an des Engels Statt und Stelle mir Geister aus der Hölle zu Lehrern geben?! - O Gott, o Gott, Du Barmherziger! Warum mußte denn ich so unglücklich sein und werden zeitlich und vielleicht auch ewig?"

15 Rede Ich: "Ja, Meine liebe Tochter! Wie es mit dir steht und wie es mit dir gestanden hat, das habe Ich wohl gar lange schon gewußt. Und wie und warum und wodurch - auch! Ich fragte dich also nicht darum, sondern nur, was du willst, daß Ich dir tun solle! Und siehe, auf diese Frage hast du Mir noch keine Antwort gegeben! - Das also, Meine Liebe, rede zuvor! - Hernach wird sich in der Ewigkeit noch Zeit genug finden, wo du über alle deine irdischen Lebenserscheinungen ins klare kommen wirst!" - Sagt Mathilde: "O Herr, Du heiligster Vater! Du siehst es ja am besten, wo es mir fehlt! So es Dein heiligster Wille ist, so hilf mir da, wo es mir fehlt! Denn nur Dir allein, o heiligster Vater, sind alle Dinge möglich!"

16 Rede Ich: "Aber glaubst du es wohl, daß eben Ich der so ganz eigentlich Wahre, ewige Gott, Schöpfer und Vater bin, bei dem alle Dinge möglich sind? Denn siehe, Ich bin ja nur ein Mensch, wie du deren hier viele siehst! Wie kann denn ein Mensch Gott sein, oder ist denn Gott auch nur ein Mensch?!"

17 Sagt Mathilde: "Du bist Christus, genannt Jesus, der Heiland der Menschen, und jedes Wort aus Deinem Munde hat das Leben in sich, und wem Du Dein Wort gibst, der hat von Dir auch das ewige Leben empfangen. Denn Deine Worte sind nicht wie die Worte eines Menschen, die da tot sind und kein Leben haben. So aber Deine Worte das Leben in sich tragen und jedem, der sie aufnimmt, das ewige Leben geben - wie solltest Du hernach nicht Derjenige sein, den alle Engel, Sonnen und Welten als ihren alleinig wahren, ewigen, heiligen Vater, Gott, Schöpfer und Richter im Staube ihrer Nichtigkeit anbeten?! Denn ihr Sein bist ja nur Du durch dein allmächtiges Wort!

18 Als Du, o Herr und Vater, auf der Erde den Weg des Fleisches aus Deiner unendlichen Machtvollkommenheit, Weisheit und Liebe durchmachtest, da sagtest Du als auch nur ein Mensch: »Wer Mich sieht, der sieht auch den Vater! Denn Ich und der Vater sind eins.« - So Du, o Herr Jesus, damals im Fleische eins warst mit dem Vater - wie solltest Du es nun nicht sein? - Du allein bist es, und niemand mehr ist Dir gleich! Mein Herz sagt es mir, daß Du die ewige Liebe bist! - O so nimm mich in Deine Liebe gnädig auf. Du heiliger Vater!"

243. Kapitel: Jesu Gnade und Barmherzigkeit erquickt die Elenden. Zwei durch die Welt Getrennte dürfen sich selig wiederfinden vor Gott. Von der Wonne des höchsten Himmels. (Am 11. Sept. 1850)

01 Rede Ich: "O Weib! O Tochter! Dein Glaube ist groß, und viel Liebe wohnt in deinem Herzen! Dir geschehe nach deinem Glauben und nach der Macht deiner Liebe! - Meine liebe Tochter, du stehst nun hungrig, durstig und nackt vor Mir, denn das, mit dem du auf der Erde deine Seele gesättigt hast, war eine schlechte und magere Kost. Wärest du nicht in der ersten Zeit deines Erdenlebens im Geiste vorgenährt worden und wäre deine Seele in das Pfützen- und Kloakenleben des gemeinsten und ekelhaftesten Gewürmes mit ganz stummem Geiste übergegangen, so wärest du wohl verloren, und es wäre beinahe unmöglich geworden, dich je zu retten. - Denn so unmöglich es ist, einen Fisch außerhalb des Wassers in der freien Luft am Leben zu erhalten, ebenso unmöglich ist es auch, Seelen, die sich selbst zum Pfützen- und Kloakengeschmeiß hinab- und hineingelebt haben, in dem Lichtäther der Himmel am Leben zu erhalten. Denn wo der Drache lebt ein totes Leben, da lebt dem Tode auch sein Gewürm!

02 Aber du bist in deinem Geiste vorgenährt worden, und die nachträgliche Kloakenkost, die deiner Seele gereicht wurde, war nicht vermögend, deine Seele ganz zu verderben. Denn die Vornahrung deines Geistes würzte nach Möglichkeit und äußerst nötigem Bedarfe die elende Weltkost deiner Seele und benahm ihm das tötende Gift. - Daß aber deine Seele bei solcher Kost sich kein Fett sammeln konnte, das wirst du nun hoffentlich einsehen. - Nun aber will Ich dir wegen deines Glaubens und wegen deiner Liebe Nahrung aus den Himmeln und ein besseres Kleid geben. Und das wird dir dann schon zu einem besseren An- und Aussehen verhelfen. - Robert, schaffe Brot und Wein und ein neues Kleid her!"

03 Als Ich solches kaum ausspreche, ersieht Robert hinter sich eine Art Krämerbude mit Brot und Wein und einem Bündel, darinnen sich das verlangte Gewand befindet. Er bringt Brot und Wein und sein Weib Helena bringt das Bündel mit dem Gewand. - Ich segne Brot und Wein und lasse es der Mathilde und dem Offizier verabreichen. - Als sie mit unaussprechlichem Dankgefühle mit dem Offizier das Brot und den Wein verzehrt, wird sie augenblicklich voller und voller, bekommt ein wundervoll schönes, jugendliches Aussehen und weiß sich aus lauter Dank nicht mehr zu helfen. Nun bekommt sie auch ein schönes, azurblaues Kleid mit purpurroter Verbrämung, was sie sehr schön zieret.

04 Als Mathilde nun so versorgt dasteht, fängt sie an laut zu weinen vor Dankbarkeit, Liebe und Seligkeit. Sie fällt, nun schon so schön wie eine Blume der Himmel, vor Mir auf ihre Knie nieder, breitet die Hände weit aus und sagt schluchzend: "O Du heiliger Vater! Mein Herz kann es nur fühlen, aber die noch viel zu matte Zunge nimmer aussprechen, was ich nun für Dich, o Du heiligster Vater, fühle! Deine Liebe. Deine Gnade ist zu endlos groß, als daß sie eine geschaffene, endliche Zunge je auszusprechen vermöchte. So weit aber nun das Gefühl und die Empfindung dieses von Dir, o heiligster Vater, mir neu gegebenen und durch Deine Gnade neu erweckten Lebens reicht, fühle und empfinde ich nur Dich, Du heilige, ewige, reinste Liebe! O Vater, o Vater, o Du lieber, heiligster Vater! Dein heiligster Name Jesus werde geheiligt ewig, ewig, ewig!" - Bei diesen Worten übermannt sie ihre Liebe zu Mir so mächtig, daß sie vor Mir mit dem Gesichte ganz auf den Boden niedersinkt.

05 Aber auch der Offizier wird so von der Liebe übermannt, daß auch er zu weinen beginnt. - Aber Ich ermahne ihn, sagend: "Freund, ermanne dich! Denn die Beseligte wird bald deiner Kraft bedürfen. Du hast sie bis hierher gebracht und wirst daher ihr weiterer Führer sein! - Achte ihren Geist!"

06 Spricht der Offizier: "Ja, Du mein ewig bester Vater, Herr und Gott! Dein Wort, allezeit neue Seligkeit schaffend, soll ewig das alleinige Leben im Zentrum meines Herzens sein! Es ist zu viel Liebe und Gnade von Dir, o heiliger Vater, auf uns herniedergegangen, so daß wir in unserem Gemüte noch viel zu klein und schwach sind, solch eine Fülle von Seligkeit zu ertragen! Aber Deines ewigen Reiches heilige Zeit, eine Zeit, die kein Ende und auch keinen materiellen Anfang hat, wird uns mit Deiner übergroßen Liebe, Gnade und Huld schon vertrauter und kräftiger machen. Mein ganzes Wesen aber sei ein ewiger Dank für solche Liebe und Gnade von Dir an uns armen Sündern. Was können wir Dir anderes, o Du heiliger Vater, wohl tun, als Dir ewig danken und Dich lieben und loben und preisen über alles! Und so sei denn unser nun so überseliges Leben Dir, o lieber, heiliger Vater, ein ewiger Lobgesang! Große Weisheit wird zwar unsere Sache nicht sein, denn dazu hast Du, o heiliger Vater, dir Engel geschaffen aus der Flamme Deines Lichtes, von dem der Welten Sonnen ihren gebrochenen Schimmer borgen, daß sie die unendliche Majestät Deiner Werke befingen und allezeit lobpreisend sagen: »Heilig, heilig, heilig ist unser Herr und Gott-Zebaoth! Die Himmel sind Seiner Ehre voll! Darum ewig Ehre, Lob und Preis Ihm, ewig!« - Wir aber wollen Dich in aller Demut dafür über alles in unseren Herzen preisen! Denn Du allein bist all unsere Liebe und all unser Leben!" - Hierauf wendet er sich zu Mathilde und sagt: "Liebste Schwester Mathilde, stehe auf und schaue, wie gar so endlos gut, liebevoll, mild und sanft unser allein wahrer, heiliger Vater ist!"

07 Hierauf erhebt sich Mathilde, sieht ganz wonnetrunken um sich her und erkennt nun in dem Offiziere sogleich ihren Lehrer Peter-Peter. Noch auf ihren Knien am Boden ruhend, ruft sie: "O Gott, o Vater! Du bist denn doch wahrlich zu ungeheuer gut und liebvoll! Nicht nur, daß Du mich hier als eine unwürdigste Sünderin namenlos selig gemacht hast dadurch, daß Du mir ein unnennbares Übermaß Deiner Gnade, Liebe und Erbarmung hast zukommen lassen, sondern ich darf auch den Lehrer hier vor Deinem allerheiligsten Angesichte treffen, der mir schon auf der Erde zuerst die Wege zu mir gezeigt hat. Diesem Lehrer werde ich nun von Dir zur weiteren Ausbildung übergeben; o welch eine Wonne, welch eine Seligkeit! Wie Herrliches, Schönes und Erhabenes werde ich von ihm erfahren, reiner und reiner werden, um würdiger anzuschauen Dein allerheiligstes, allergöttlich-schönstes Angesicht! Noch bin ich zwar hier in der Stadt, in der ich geboren und leiblich wie auch seelisch unglücklich geworden bin; aber der Ort macht für mich nicht den Himmel aus, sondern Deine sichtbare allerheiligste Gegenwart. Wo Du bist, o Herr, da ist auch der höchste Himmel! Mein Herz, mein ganzes Wesen sei Dir, o heiligster Vater, allein geweiht! Dein heiligster Name Jesus werde geheiliget!"

08 Tritt aus dem Hintergrunde zu Mir hin der Erzbischof Migatzi und sagt: "Herr und Vater, heilig, überheilig! Dieses Wesen, nun so hold und schön wie ein schöner Stern Deiner Himmel, beschämt uns wirklich alle, wie wir da sind! Wie die Stöcke stehen wir hier, während diese nunmehrige Blume der Himmel in der würdigen Lobpreisung Deiner Person wahrlich einen David zu Schanden reden würde. Nein, das habe Ich noch nie gesehen und gehört! Diese Anmut, diese feierlichste Würde, dieser echt himmlische Anstand vor Dir! Diese heilige Reinheit in ihrer Sprache, diese engelhafte Wahl der Worte! Ihre unbegrenzte Liebe und Dankbarkeit! Kurz, in allen ihren nunmehrigen Gebärden liegt eine so wahrhaft magische Würde, daß wir alle ganz hingerissen sind. Sie lehrt uns alle Dich erst so ganz und recht erkennen! Ah, das ist ja ein rein himmlisches Wesen, an dem sich nun nichts Mangelhaftes mehr zeigt. - O Herr, Du ewige, reinste Liebe! Welch großen Dank sind wir Dir alle für diese Verklärung schuldig! - O du liebstes, holdestes, rein himmlisches Wesen! Und ihr Lehrer neben ihr nicht minder!"

09 Sage Ich zu Migatzi: Mein Freund und Bruder! Das gibt nicht die Weisheit, sondern allein nur die Liebe! Daher haltet euch alle an die Liebe, wollet ihr in den Himmeln bei mir sein! - Ihr werdet zwar in jedem der drei Haupthimmel bei Mir sein und leben und wandeln vor Meinem Angesichte - aber so wie hier nur in und durch die alleinige Liebe. Diese Mathilde aber hat den rechten Grad der Liebe und wird demnach auch, so wie hier, im den Himmeln bei Mir sein, allwohin wir nun bald gelangen werden. - Gehe aber hin und verkünde das allen, die hier sind!"

10 Migatzi dankt Mir inbrünstigst für diese Belehrung und geht sogleich hin zu der großen Menge und verkündet das allen.

11 Der Offizier aber sagt zu Mir in seiner großen Liebe: "Herr, siehe wir sind nun so selig als nur immer möglich; aber dort stehen noch in Reih und Glied meine Soldaten! Was soll nun mit ihnen geschehen?" Sage Ich: "Gehe hin und lasse sie die Gewehre ablegen! Denn fortan werden sie diese Waffen nicht mehr gebrauchen. In meinem Reiche kämpft man ewig allein nur mit den Waffen der Liebe!"

244. Kapitel: Der jüdische Feldwebel, ein feuriger Messiasfreund und großer Redner im Geiste Davids.

01 Der Offizier geht nun sogleich hin zu den in Reih und Glied stehenden Kriegern und sagt: "Habet acht, Brüder! Bisher war ich noch immer euer Hauptmann und ihr gehorchtet mir, wie es biederen und rechtlichen Kriegern gebührt; denn der pünktlichste Gehorsam des Untergebenen gegen seinen Vorgesetzten ist die eigentliche Hauptmacht, mit der ein weiser Feldherr jeden Feind besiegen kann. Weil ihr aber eben in der Tugend des Gehorsams groß waret und ich über euch, die ihr hier stehet, nie eine Klage zu führen bekam, so hat es Gott dem Herrn also wohlgefallen, daß Er euch auch nach eures Leibes Tode in der Geisterwelt so lange unter meinem Kommando beließ, bis ihr durch meine oft an euch gerichteten Lehren und Ermahnungen auf den Punkt gebracht worden seid, von dem aus ihr einer anderen, freieren Lebensanschauung fähig wurdet. In dieser Anschauung habe ich euch, selbst nicht wissend wie und warum, auf diese Stelle gebracht, wo ihr noch stehet.

02 Wir waren alle mehr oder weniger noch von den Pflichtverhältnissen der Welt gefangen gehalten, obschon wir gar wohl wußten, daß wir uns in der geistigen Welt schon seit einer geraumen Zeit befanden. Wir dienten noch dem Kaiser, obschon wir keine Pflicht mehr gegen ihn zu beachten gehabt hätten. Und wir leisteten ihm sogar gute Dienste, denn die geheimsten Verschwörungen entdeckten doch nur wir zuerst und wirkten dann auf die noch auf der Welt lebenden Invigilanten (Amtspersonen) leicht also ein, daß diese dann alsbald auf die noch so heimlich gehaltenen Machenschaften bösgesinnter Gesetzes- und Ordnungsfeinde gewisserart mit der Nase stoßen mußten. Wir konnten dafür vom auf der Erde lebenden und herrschenden Kaiser freilich wohl keinen Sold mehr beziehen; aber dafür erhielten wir von unserem Gewissen den schönsten Lohn, und zwar in dem sicheren Bewußtsein, so manches sehr gräßliche Unheil von dem Staate, der uns geboren, ernährt und erzogen hatte, abgewendet zu haben. Und so übten wir denn noch als Geister für den irdischen Staat einen guten Dienst, bis zu diesem Zeitpunkte, in dem wir uns jetzt befinden.

03 Aber von nun an tritt für uns alle ein ganz anderes Lebensverhältnis ein. Der Weltdienst hört nun für ewig auf und ein rein geistiger im Namen Gottes des Herrn tritt an seine Stelle. Diese Waffen, wie ihr sie nun traget, werdet ihr fürder nimmer gebrauchen. Wir werden zwar fortan auch kämpfen im Reiche Gottes, aber nicht mehr mit den Waffen zum Tode, sondern mit den Waffen zum Leben. Und diese neuen, herrlichen und mächtigsten Waffen heißen: Die Liebe zu Gott dem Herrn und die Liebe zu unseren Brüdern und Schwestern, die noch irgendwo in großer Armut ihres Geistes stecken. - Leget daher nun diese Waffen ab! Sie sind ohnehin nichts als pure Gedankenstriche unserer noch von der Erde her mitgenommenen Einbildungskraft, und es liegt daher an ihrem scheinbaren Verluste um so weniger etwas, da sie an und für sich nichts sind.

04 Dort aber sehet hin! Ein herrlichst gestalteter Mann, der soeben Sich mit einer himmlischen Jungfrau bespricht, die, wie von der Wonne aller Himmel auf einmal durchglüht, so überselig vor Ihm steht - dieser Mann ist Jesus, der große Heiland der Welt, und ist zugleich in einer und derselben Person Gott, das allerhöchste Wesen Selbst, der alleinige Schöpfer aller Geister- und aller Materiewelten! - Dieser ewige und alleinige Herr der Unendlichkeit läßt euch nun durch mich zu Sich rufen, auf daß Er euch gebe das ewige Leben. Leget also nun sogleich diese Waffen ab und folget mir zu Gott, dem allmächtigen Vater und Schöpfer der Unendlichkeit!"

05 Auf diese wirklich kräftige und geistvolle Rede des Offziers legen alle die Waffen vor sich auf den Boden und begeben sich sogleich mit dem Offizier zu Mir hin. Als sie sich in einem ziemlich gedehnten Halbkreise um Mich gestellt befinden, segne Ich sie sogleich alle. Und alle loben Mich einstimmig mit den herrlichsten und rührendsten Lebemworten - ganz besonders aber ein Feldwebel, der bei dieser Gelegenheit einen glänzend vollendeten Vorredner und Vorsprecher macht.

06 Dieser Feldwebel war auf der Erde seinem Glaubensbekenntnisse nach ein Jude und hielt fest dafür, daß der Messias erst kommen werde und daß nach einer mystischen Berechnung der jüdischen Kabbala nun eben die Zeit da sei, in welcher der Messias ganz unfehlbar in der Welt erscheinen müsse, um Sein Volk, die Juden, wieder zusamnmenzubringen in das Gelobte Land und es da zum ersten und mächtigsten Volke der Erde zu erheben. - Mit solchem Glauben war also unser Feldwebel in die Geisterwelt hinübergegangen und wartete auch da sehnsüchtigst auf den großen Messias. - Als der Offizier aber der noch unter Waffen stehenden Mannschaft von Mir die Kunde sowie die Verufung in Mein Reich überbrachte, da meinte der Feldwebel anfangs, daß Ich der erwartete große Messias der Juden sei, nur machte ihn stutzig, das Ich auch die anderen berief, die da keine Juden waren.

07 Als aber der Offizier vor der Truppe Meinen Namen nannte, da ging dem Feldwebel ein mächtiges Licht auf und er sagte zu einem Kameraden, der auch ein Jude und ein eifriger Erwarter des Messias war: "Du! Mir scheint jetzt nur zu klar - wir haben Ihn denn doch verpaßt! Auf den Jesus trafen denn doch am meisten und am leichtesten die Weissagungen zu; aber die Dummheit: »Aus Galiläa steht kein Prophet auf!« hat Millionen geblendet. Es mag ja so sein, daß aus Galiläa kein Prophet erstehe; aber warum soll deshalb der Messias, der mit dem Prophetentume nichts gemein hat, nicht aus Galiläa gekommen sein?! Der Messias ist nach David Jehova Selbst und braucht nicht unter dem Mantel eines Propheten zu Seinem Volke zu kommen, sondern alsogleich als Jehova. Und dazu kann Er gerade Galiläa wählen, damit die Menschen, die dummen Menschen, nicht verleitet werden sollen, am Ende auch den Herrn aller Menschen und Propheten für einen Propheten zu halten, weil Er gerade von dort herkam, von woher nie ein Prophet kommen kann. Kurz und gut, Jesus aus Nazareth in Galiläa gebürtig, war der erwartete Messias! Aber wir haben Ihn allezeit verpaßt, und unsere Brüder werden Ihn noch gar oft verpassen. Wir beide aber werden Ihn nicht mehr verpassen! - So wir vor Ihn treten werden, da lasse mich reden! Ich werde Ihm unsere grobe Blindheit gehörig darstellen und dann für alle ein gebührlich Lob ganz nach Davids Art aussprechen."

08 Darnach machte dieser Feldwebel denn auch, wie schon erwähnt, (für die anderen Soldaten) den Hauptvorredner und ist nunmehr einer Meiner glühendsten Anbeter, so daß sich alles hoch verwundert über seine echt orientalisch-erhabene Wohlredenheit.

09 Der Offizier aber sagt nach einer Weile: "Ich war auf der Erde und auch hier in dieser Welt sein Vorgesetzter; und nun ist er in der Weisheit ein Seraph, und ich, bei all meiner auf der Erde erworbenen theosophischen Kenntnis, die dazu hier noch eine große Ausbildung bekam, ganz glattweg ein Esel! Seht nur diese herrlichen Bilder, diese Weichheit, Zartheit, dieser ungezwungenste Schmelz seiner so herrlich angebrachten historischen Episoden! Nein, so man ein Stein wäre, so müßte man bei solch einer Rede ätherweich werden! O wenn er diese Rede nur aufgeschrieben hätte! Wahrlich, ich könnte sie gerade tausendmal nacheinander lesen. Wie herrlich ist z.B. Der Satz:

10 Dorthin, Du ewiger Vater, wo der Sterne zahllose Myriaden von heiligem Schauer gedrungen ihr reines Angesicht mit dem dunklen Schleier der Nacht umhüllen, wo der lichte Aar und der glanzvolle Schwan an dem Gotteswege ewige Wache halten und ewig erstaunt in die nie gemessenen Tiefen Deiner Werke schauen - dorthin war auch oft mein mattes und von heiliger Wehmut tränenfeucht gewordenes Auge gerichtet und harrete also mit Adler und Schwan am großen Wege Jehovas, des großen Verheißenen!«

11 Das habe ich mir gemerkt und durchdachte nur so ganz flüchtig dies eine Bild und fand eine Größe, eine Tiefe und eine so hohe Weisheit und Wahrheit darinnen, daß es mich geradewegs zu schaudern begann! - O Herr, Du heiligster Vater! Wie kam denn dieser Jude nun auf einmal zu solch einer Weisheit und echt himmlischen Lyrik? - Nein, auch das Bild von der alten Zeder Libanons, von der Zinne Ararats, vom Euphrat und Ganges, von der Wiege Judas, von der Blume der Wüste - o Gott, was liegt da in solchen Bildern! - O Herr, gib mir auch nur etwas Weniges von der Weisheit meines früheren Feldwebels!"

245. Kapitel: Liebe als Grundquell aller wahren Weisheit und Ausdruckskraft. Dichtkunst des Verstandes und des Gemüts. Bitte des Offiziers um mehr Liebe und Jesu Antwort. Die Liebe als Grundkraft der Lebensvollendung.

01 Sage Ich: "Mein Freund! Hast du auf der Erde nie gemerkt, daß Menschen, die so recht kernfest in der Liebe stecken, die zartesten Dichter sind? Also ist die Liebe die eigentlichste und beinahe stets alleinige Mutter der wahren Lyrik. Ein David brannte vor Liebe zu Mir wie auch zu den Menschen und war darum auch einer der größten Lyriker, die je auf der Erde gelebt haben. Sein Sohn Salomon war, solange er liebte, auch weise dem wahren Sinn des Wortes und der Bedeutung nach; als er aber dann seine rechte Liebe in das Fleisch der Weiber versenkte, ward er bald dumm und schwach in Wort und Tat.

02 Betrachte Meinen Johannes! Dieser Apostel hatte die mächtigste Liebe zu Mir und darum auch die größte Glut in der Darstellung Meines Wortes. Und in seinen Worten liegt auch die größte Weisheit wie bei keinem andern Apostel. Ihm ward darum auch die tiefste Offenbarung gegeben. Und du kannst die ganze Geschichte der Erde durchgehen und wirst stets und unfehlbar bei jenen Menschen die wahre Lyrik und Weisheit antreffen, die das Herz, wie man, zu sagen pflegt, am rechten Flecke haben.

03 Es dichten wohl auch die Verstandesmenschen und machen ein Langes und Breites. Aber in dem Langen und Breiten steckt nichts als ein höchst mühevolles Suchen eines verlorenen Groschens in der Nacht ihres Herzens. Sie kommen wohl manchmal dem Groschen auf die Spur, so sie ihn aber ergreifen wollen, da gleiten sie aus, weil der Grund, auf dem sie stehen, ein höchst lockerer ist, und verlieren auf die Art auch nur zu bald alle Spur, wo etwa der verlorene Groschen liegen könnte.

04 Daher ist denn auch die sogenannte Weltweisheit eine größte Torheit vor Mir. Was der Mensch mit dem Verstande in hundert Jahren bei aller Mühe kaum erreicht, das gibt dir die rechte Liebe in einer Sekunde. Denn die Liebe bin Ich selbst im Menschen! Je vollkommener seine Liebe wird, desto entfalteter auch Mein Ebenbild in ihm.

05 Der Verstand aber ist nur ein Schrank, in dem die Liebe ihre erworbenen Schätze aufbewahrt. Was kann aber die Seele in dem Schranke finden, so das, was noch irgendeine vergangene oder erloschene Liebe in einer früheren und besseren Zeit hineingelegt hatte, in solch unerleuchteten Gemächern höchst zerstreut und verrostet daliegt, daß auch die mühevollste Arbeit der Seele nur höchst wenig oder auch wohl gar nichts ausrichten kann? - Gehe du in einen finstern Keller und suche darin einen verlorenen Groschen, und du wirst ihn nicht finden. So du aber ein gutes Licht anzündest, so wirst du den Groschen bald finden, so du recht suchest und eine rechte Geduld im Suchen hast:

06 Also siehe nun, Mein lieber Freund! Dieser Feldwebel hatte allezeit eine rechte Liebe zu Gott dem Herrn, den er nur also kannte, wie er Ihn aus der Schrift des Vorbundes kennen konnte. Er liebte also die Gottheit, ohne Sie zu kennen, schon über die Maßen. Wie groß muß dann erst seine Liebe zur Gottheit werden, so er mit Derselben volle persönliche Bekanntschaft macht, wie es nun der Fall ist?! Und diese Liebe gibt ihm eine solche lyrische Weisheit. Willst du aber auch solch eine Weisheit, so mußt auch du solch eine Liebe dir aneignen, dann wird es schon gehen. - Du liebst mich wohl sehr mächtig; aber der Feldwebel liebt Mich noch mehr. - Wie dies aber möglich ist, das alles wird dir die nächste Folge klar darstellen."

07 Sagt der Offizier: "Herr! Das verstehe ich wahrlich nicht, wie das möglich sein könnte, Dich noch mehr zu lieben. Denn bei Deinem heiligsten Namen, ich liebe Dich aus allen meinen Kräften über alles! Und ich könnte mich nun rein aus den Kopf stellen, so wäre es mir allerreinst unmöglich, Dich, o Herr und Vater, noch mehr über alles zu lieben. Mir käme eine solche Liebe so vor, als so ein Mensch eine Tausendzentnerlast mit der ihm verliehenen puren menschlichen Kraft weiterschaffen sollte. Herr, erweitere mein Herz und vermehre die Liebelebensflamme in selbem, dann werde ich auch in der Liebe zu Dir gleich einem Atlas werden, der nach der Fabel bestimmt war, den ganzen Himmel auf seinen Schultern zu tragen."

08 Sage Ich: "Mein lieber Freund! Das, was du von Mir willst, ist dir selbst anheimgestellt! Denn von nun an wirst du allein der Schöpfer und Umgestalter deines Wesens und deiner Liebe sein. Frage aber den Feldwebel: wie? - und er wird es dir sagen."

246. Kapitel: Der Feldwebel über die Quelle der höchsten Weisheit. Wink zur Sammlung des Himmelsschatzes - der Gottesliebe.

01 Der Offizier wendet sich nun an seinen ehemaligen Feldwebel und sagt zu ihm: "Höre du, mein allerschätzbarster Freund! Du warst einige Jahre bei meiner Kompagnie und versahest deinen Dienst stets zu meiner vollsten Zufriedenheit. Hätte uns im Felde der Tod nicht ereilt, so wärest du zufolge meiner Verwendung ohneweiters Offizier geworden. In dieser Welt aber, in der wir alle ex propriis (aus Eigenem, d.h. auf eigene Verantwortung) dienten, war natürlich schon nach der göttlichen Ordnung, die gleich beim ersten Eintritte in diese Welt überaus fühlbar vorzuwalten beginnt, an kein dienstliches Vorrücken eher zu gedenken, als bis derjenige Herr, dem alle Welt- und Himmelsämter der ganzen Unendlichkeit untergeordnet sind, uns zu einem solchen Vorrücken verhelfen wird.

02 Wir sind nun glücklich vor das allerheiligste Angesicht des großen Alleinbeherrschers der Unendlichkeit gelangt durch Seine alleinige Güte, Gnade und Barmherzigkeit. Wir haben Ihn kennengelernt von einer Seite, von der Ihn wohl die ganze Erde im allgemeinen wie im besonderen kaum kennen dürfte und haben Gnade ohne die geringsten Verdienste vor Ihm gefunden.

03 Du aber bist, wie es scheint, von uns allen sicher Ihm am nächsten gekommen. Denn als du mit Ihm in einer noch nie dagewesenen, allererhabensten Art ehedem geredet hast, habe ich selbst Tränen im allerheiligsten Auge Gottes entdeckt und, Freund, das ist etwas, was die ganze Unendlichkeit kaum je fassen wird!

04 Sage mir, wie du es denn angestellt hast, daß dir solch eine ungeheure Weisheit zuteil geworden ist. Hast du diese etwa schon gar auf der Welt besessen und ließest davon nie etwas merken, oder ist sie dir erst nach und nach in dieser Welt zuteil geworden durch den allmächtigen Einfluß Jesu Christi, des Herrn von Ewigkeit? Wohl weiß ich es auch aus dem allerheiligsten Munde Gottes Selbst, daß dir deine große Liebe zu Ihm zu solcher Weisheit verhalf, aber nun erst kommt die Hauptfrage:

05 Wie bist du zu solch einer mächtigsten Liebe gelangt, aus der in deinem Herzen eine solche Weisheit sprühet, wie sie kaum in der Flammenbrust des feurigsten Cherubs anzutreffen sein dürfte? - Der Herr Selbst hat mich in dieser Angelegenheit an dich gewiesen. Sei demnach so gut und gib mir dazu eine gehörige Anleitung! Denn ich liebe Jesum den Herrn wahrlich über alles aus allen meinen Kräften, und ich wüßte es wahrlich nicht, wie ich Ihn noch mehr lieben könnte. Du aber wirst es wohl wissen, weil dir der Herr Selbst darinnen das Zeugnis gibt. Weil du es aber weißt, so sage es mir, wie das mir bisher unmöglich Scheinende am Ende doch noch möglich sein kann."

06 Sagt der Feldwebel: "Mein Hauptmann, mein Freund! Dein eigener Wahlspruch: »Bei Gott sind alle Dinge möglich« sollte dir ja doch am ersten zeigen, daß die Liebe zu Gott dem Herrn ebensowenig zu begrenzen ist wie die Erkenntnisse über Gott, die ebenfalls ewig keine Grenzen haben können. Wie möglich kommst du zu solch einer Frage? Kannst du denn irgend mehr Sehen, als das Licht es dir gestattet? Und kann das Licht stärker sein als das, was das Licht erzeuget? So du aber ein Material hast, ein großes Gemach zu erleuchten, dessen allein du bedarfst zu deiner Arbeit, warum zerteilst du dann das Material, um auch andere Gemächer zu erleuchten, in denen du vorderhand nichts zu tun hast?

07 Sammle das Material nur allein für die Erleuchtung bloß des einen Gemaches! Und ist das einmal also erleuchtet, daß du darinnen alles wie am hellsten Tageslichte wahrnehmen kannst, dann öffne Türen und Fenster, und es wird aus dem einen Hauptgemache von selbst ein hinreichendes Licht in die Nebengemächer dringen und dieselben zur Genüge erleuchten. So du nicht sammelst, da zerstreust du schon deshalb, weil du nicht sammelst. Sammle also, auf daß dir ein reicher Schatz werde! Wer nicht sammelt und spart, kommt nie zum Reichtume. Du mußt also sammeln und sparen, so du zu einem großen Reichtume gelangen willst!

08 Die Liebe ist der Himmel größter Reichtum; nach der muß man geizen. Und hat man sie, da muß man sie nicht sogleich aller Welt preisgeben. Die Nächstenliebe ist zwar gleich der Gottesliebe; aber sie muß nur Gottes wegen in Werken bestehen, aber in der Flamme des Herzens nie unmittelbar, sondern stets allein nur durch Gott an den Nächsten selbst gerichtet werden, denn sonst schwächt das die Liebe zu Gott. - Siehe an deine schönste Mathilde! Siehe, siehe, die hat in deinem Herzen drei Viertel von dem, was der Herr allein haben sollte! Merkst du den Grund deiner Liebesschwäche?"

247. Kapitel: Liebe zu Gott und Weibern. Alle Liebe soll von der Gottesliebe ausgehen.

01 Sagt der Offizier: "Ich danke dir, lieber Bruder, für deine gar sehr herrliche Erklärung. Nun ist es mir schon klar, wo es bei mir steckt. Ja, ja, du hast ganz vollkommen recht, die geschöpfliche Liebe ist bei mir noch bei weitem stärker als die Liebe zu Gott dem Herrn, der doch der Urgrund aller Liebe ist! Die Weiber aber haben es auch mit der Liebe zu Gott dem Herrn viel leichter als wir rein männlichen Wesen, denn sie lieben in Gott wohl doch den endlos vollkommensten Mann - was sich ganz mit ihrer antimännlichen Polaritätsnatur sehr wohl verträgt -, aber bei uns Männern ist die Sache ein wenig anders. Wir können in ein noch so vollkommenes Mannswesen nie so ganz vollkommen verliebt werden wie in ein weibliches Wesen, weil das schon so in der Natur begründet ist.

02 Daher meine ich, obschon ich nun einsehe, wo es bei mir so ganz eigentlich steckt, daß da zwischen der Liebe zum Weibe und der zu Gott ein bedeutender Unterschied sein müsse? Man wird Gott, das höchste Urwesen, denn doch ganz anders lieben müssen als ein Weib. Und so glaube ich denn, daß eine höchst bescheidene Liebe zu einem wunderlieben Weibe gar wohl neben der allermächtigsten Liebe zu Gott bestehen kann. Die Liebe zu Gott muß von höchster Reinheit sein, während die Liebe zum Weibe immer etwas, wie man zu sagen pflegt, mehr schmutzig sein kann. Das heißt, die Liebe zum Weibe hängt größtenteils an der Form, also an etwas, was mehr den äußeren Sinnen entspricht, während die Liebe zu Gott eine rein allerinnerste Beschauung der unendlichen Vollkommenheiten der Gottheit ist, eine entzückte Bewunderung alles dessen, was die Gottheit aus Ihren Macht- und Weisheitsvollkommenheiten in das beschauliche Dasein aus Sich Selbst hervorrief, und ein erhabenstes Lob der reinsten Liebe und Güte der Gottheit! Ich meine, daß es im Grunde eine wahre Gottesbeleidigung wäre, so man Gott eben mit der Empfindung liebete, als wie man ein Weib liebt.

03 Ich bin daher auch der Meinung, daß die nun gerettete Mathilde mir in der Liebe zum Herrn nicht den geringsten Eintrag machen, im Gegenteile mir nur zu noch größerer Liebe zu Ihm verhelfen kann."

04 Spricht der Feldwebel: "Glauben und stark Meinen macht zwar auch selig; aber Ich halte es mit der Seligkeit der reinen Liebe zu Gott und in Gott ganz allein. Weil der Mensch nur ein Herz und somit auch nur eine rechte Liebe haben kann, aus der hernach, so die Hauptliebe reif geworden ist, alle anderen Seitenliebearten in der reinsten göttlichen Ordnung hervorgehen können, so bin ich der mir maßgeblichen Meinung, man müsse zuvor in der Liebe zu Gott völlig feststehen; dann erst läßt sich alles andere in der schönsten Ordnung ergreifen. Ist man aber in der Liebe zu Gott noch schwankend und weiß man es etwa kaum erst, wie man Gott mehr solle lieben können als ein schönst gestaltetes Weib - da, Freund, ist die rechte Weisheit des Geistes noch etwas fern und du wirst sie noch nicht so bald überkommen.

05 Siehe, das Herz hat nur eine Kammer für die Liebe, und diese muß gleich sein wie für Gott also auch für den Nächsten und ebenso auch umgekehrt. So du recht liebst, da kannst du Gott nicht anders als wie ein Weib lieben und ein rechtes Weib nicht anders lieben als wie Gott, weil das Herz des Menschen nur einer rechten Liebe fähig ist, was daneben ist, gehört dann schon zur Selbstliebe und taugt nicht in das Reich Gottes.

06 Siehe hin! Wie hat denn ein Johannes, ein Jakobus, ein Petrus, wie auch ein Paulus den Herrn geliebt? Wie liebte z.B. eine Magdalena und tausend andere mehr? Siehe, diese waren in den Herrn ganz vollkommen verliebt, ungefähr noch um einige Grade stärker wie du nun in deine allerholdeste Mathilde. Und siehe, eben solch ein förmliches Verliebtsein in den Herrn hat in diesen obbenannten Wesen, und zwar deutlich, den dir gezeigten Grund gebildet, daß sie als solche rechte Liebhaber des Herrn hernach auch ehestmöglich zu Seinen innigsten Freunden und zu Meistern in der rechten Liebe und Weisheit geworden sind. - Dort gleich hinter dem Herrn stehen ein Petrus, Paulus und Johannes! Gehe hin und frage sie, ob ich nur in einer Silbe unwahr geredet habe!"

07 Sagt der Offizier: "Was sagst du? Paulus Petrus und - Johannes, der die berühmte Offenbarung geschrieben hat, wären da!? Und zwar die drei ernsten Männer hinter dem Herrn!?" - Sagt der Feldwebel: "Ja, ja und noch einmal ja! Sie sind es, wie sie geleibt und gelebt haben." - Spricht der Offizier weiter: "Nun, da muß ich ihnen freilich sogleich mein Kompliment machen gehen! Ich halte zwar nichts aus die Komplimente; aber wo sie einen Grund haben, da sind sie auch ganz in der Ordnung und dürfen nicht ausbleiben. Ehre dem, dem sie gebührt!"

08 Sagt der Feldwebel: "Freund! Hier aber, soviel es mir mein Herz sagt, gibt es nur ein Kompliment - und das besteht für alle in der reinen Liebe! Hast du aber Liebe zu Gott dem Herrn, was allein ein ewig wahrstes und bestes Kompliment ist, so fassest du in dieser Liebe auch den Petrus, Paulus und Johannes wie auch alle Himmel mit ein. Mit den sonstigen, irdisch gearteten Komplimenten und Aufwartungen aber ist's hier nichts. Daher meine ich, daß du allein nur dem Herrn die Aufwartung zu machen hast, alles andere macht sich dann schon von selbst'"

09 Sagt der Offizier: "Ja, ja, du hast recht, du hast ganz vollkommen recht! Und du mußt auch in allem recht haben, weil du in der wahren Weisheit so tief eingeweiht bist, um alles, was hier recht heißt, bis auf den innersten Grund einzusehen. Aber schaden, glaube ich, könnte es denn doch gerade nicht, so man sich mit jenen drei ersten Aposteln des Herrn in ein freundlichstes Einvernehmen setzen würde. Denn das müssen wir denn doch immer annehmen, daß diese drei nach Gott dem Herrn die ersten Geister in der ganzen Unendlichkeit sind; daher es denn meiner Meinung nach sich denn doch schickete, ihnen eine Aufwartung zu machen, d.h. sich ihnen doch wenigstens vorzustellen und sie als die ersten Freunde des Herrn freundlichst zu begrüßen!"

10 Spricht der Feldwebel: "Tue du, was du willst! Ich habe dir nur gesagt, was hier ganz allein not tut. - Nun winkt dir aber der Herr Selbst! Gehe hin! Aus Seinem Munde allein strömt die höchste Weisheit in den klarsten, bescheidenen Bächlein. Fasse sie recht ins Herz und lebe darnach!"

248. Kapitel: Jesus belehrt den Offizier Peter über die rechte, ausschließliche Liebe zu Gott. Gleichnis vom engen Pförtchen und der großen Bürde. Ein himmlisches Vaterunser-Gebet.

01 Der Offizier begibt sich nun schnell zu Mir hin und sagt: "Heiligster, bester Vater! Du rufst mich, und ich stehe vor Dir in aller Liebe zu Dir und erwarte aus Deinem heiligsten Munde Deinen hochheiligsten Willen an mich zu vernehmen."

02 Rede Ich: "Mein lieber Peter Peter! Du mußt fürs erste nicht immer ,heilig' und ,allerheiligst' vor Mir im Munde führen! Und fürs zweite mußt du dir die ganz irdisch klingende Komplimentensprache völlig abgewöhnen. Denn hier, wo alle gleich sind, wo es nur einen Herrn gibt, alles andere aber völlig gleich ist, da ist jedes Kompliment eine Torheit. Der Feldwebel hat dir ganz richtig und wahr die Sache und das Lebensverhältnis Meiner Himmel erörtert. Aber du hast so ganz leiseweg denn doch immer etwas dagegen einzuwenden gehabt; und siehe, das ist nicht recht. So Ich Selbst dir jemanden anempfehle, daß er dich belehre in dem, was dir noch fremd ist, so mußt du ihn bloß hören und nach dem, was du gehört hast, dein Leben einrichten. Aber so du immer mit Einwendungen kommst und auch etwas anderes für recht und gut darstellst, das nach Meiner ewigen Ordnung dennoch nie völlig gut und recht sein kann, so wirst du mit dir selbst nie ins klare kommen.

03 Der Feldwebel hat dir unter anderem auch gesagt, wie die Liebe zu Mir beschaffen sein muß, so sie dir die rechten Früchte tragen solle. Aber du meintest dann wieder anders. Und dennoch muß es also sein, wie es der Feldwebel dir ganz einfach erklärt hat!

04 Siehe, die holde Mathilde liebst du nun ganz leidenschaftlich. Ich begreife das wohl, daß du dich solcher Liebe nun kaum erwehren kannst. Aber du mußt vorderhand dennoch die Mathilde ganz aufgeben und mußt für deinen Teil ganz Mir allein angehören, so wie die Mathilde für ihren Teil! Sonst könntest du samt der Mathilde nimmer in Mein Reich einziehen!

05 So du die Mathilde nicht aus Meinen Händen bekommst, kann sie dir nicht zum Heile und zur Kraft aus Mir behilflich sein, wohl aber nach und nach zum Unheile und zur bedeutenden Schwäche.

06 Daher gehe hin, führe sie zu Mir und übergib sie Mir! Dann erst wirst du frei sein zur Aufnahme einer rechten Liebe aus Mir - zu Mir."

07 Spricht der Offizier: "Herr und Vater, daß ich Deinem Worte auf das allerpünktlichste nachkommen werde, das versteht sich lange schon von selbst, aber weil Du mir nun schon die höchste Gnade, mit mir zu reden, erwiesen hast, möchte ich Dich bitten, daß Du mir auch nur mit wenigen Worten noch hinzufügen möchtest, warum ich so ganz eigentlich, aufrichtig gesprochen, die Mathilde zuvor zu Dir führen und Dir ganz übergeben muß, bevor sie durch Deine Hand vollends mein werden kann. Zum Weibe kann ich sie hier im Geisterreiche ja ohnehin nie nehmen, da hier nach Deinen Worten »niemand freien und sich freien lassen« kann. Zur weiteren Fortbildung in diesem deinem Reiche, o Herr, hast Du mir sie aber ja Selbst übergeben, und ich habe sie denn auch mit tausend Freuden übernommen. Daß ich sie erstens als eine Gabe aus Deiner Hand und zweitens als ein wirklich himmlisch-allerliebstes Wesen liebe, und zwar himmelweit entfernt von jedem sinnlichen Gedanken, das finde ich doch so in der Ordnung wie nur immer etwas, das sich mit dem besten gewissen Ordnung nennen läßt.

08 Herr, vergib mir armem Sünder solche Fragen! Aber ich kann wahrlich nicht dafür, daß ich so denke und von allem eher den Grund sehen will, bevor ich zur Handlung schreite. Ich weiß zwar nur zu überzeugend klar, daß man Deinem Willen ganz unbedingt darum nachkommen soll, weil Du allezeit das Beste Deiner Kinder willst, und daß man nicht erst fragen soll - warum? Aber alles dessen ungeachtet finde ich in mir dennoch den Trieb, von allem, was ich tun soll, den Grund und das Ziel zu erforschen, um hernach die Handlung desto energischer beginnen zu können. Wenn es also Dein Wille wäre, mir davon etwas kundzutun, wäre es mir wohl äußerst erwünscht!"

09 Rede Ich: "Mir aber nicht, Mein lieber Freund und Sohn! Denn so es nötig wäre, dir davon den Grund zu sagen, so hätte Ich ihn dir schon sogleich vollauf kundgetan. Denn für so weise wirst du Mich hoffentlich wohl halten, daß Ich wohl einsehen werde, was da nötig und nicht nötig ist. - Ich sage dir aber den Grund davon aus dem besten Grunde nicht. Hast du etwa da auch noch irgend etwas einzuwenden?

10 So du aber eine Bürde trägst, die einen bedeutenden Umfang hat, und kommst damit zu einer engen Pforte, durch welche du gehen mußt, so du das Ziel des Lebens erreichen willst. Sage Mir, was wirst du nun mit der umfangreichen Bürde, die du auf deine Schultern geladen hast, tun, um das hohe Ziel deines Lebens zu erreichen?"

11 Der Offizier macht hier etwas große Augen und sagt nach einer Weile: "So ich die Bürde durchaus nicht durch die enge Pforte bringen kann, so werde ich sie auf jeden Fall vor der Pforte niederlegen und mich ganz ohne sie durch die Pforte zu zwängen versuchen; denn das Ziel des Lebens steht höher als jede noch so wertvoll scheinende oder auch seiende Bürde." - Sage Ich: "Gut, Mein Sohn! Gehe hin und tue also, so wirst du leben!"

12 Hier begibt sich der Offizier sogleich zu Mathilde und sagt zu ihr: "Mathilde, der Herr will dich! So komme denn mit mir, auf daß ich dich in Seine heiligsten Hände übergebe." - Sagt Mathilde: "Auch ich bin nur eine unwürdigste Magd des Herrn; aber Sein allezeit heiligster Wille geschehe!"

13 Mit diesen Worten führte der Offizier Peter die Mathilde zu Mir hin und sagt: "Mein Herr, mein Gott und mein heiliger Vater! Hier ist sie, die Du verlangtest! Ich übergebe sie Dir mit großer Freude meines Herzens; denn ich weiß es, das du mit ihr die besten Absichten hast und daher auch zu ihrem ewigen Lebensglücke das Beste verfügen wirst. Dein Name werde geheiligt und Dein allein heiliger Wille geschehe!"

14 Die Mathilde aber, voll Furcht und Liebe zu Mir, sagt: "Heiliger Vater, der Du in den Himmeln wohnest. Dein Name werde allezeit und ewig stets mehr und mehr erkannt und geheiligt! Dein Reich der Liebe, der Weisheit und des ewigen Lebens komme zu uns allen! Dein allein heiliger Wille werde von allen freien Geistern, Wesen und Menschen in den Himmeln wie auf allen Weltkörpern auf das pünktlichste befolget! Gib, o heiliger Vater, allen Kindern Dein Himmelsbrot alles Lebens zu essen mit reinem Munde! Vergib uns allen unsere Schwächen und Sünden, gleichwie wir all, denen vergeben, die uns je beleidigt haben! Lasse auch nicht zu, daß wir - mit noch allerlei Schwächen behafteten Kinder - über unsere Kräfte irgend sollen versucht werden. So aber ein Übel Deine Kinder zu verderben droht, da wende es ab und befreie sie von allem, was ihnen Übles zufügen könnte! Denn Dein allein ist alle Macht und Kraft ewig! Dir sei aller Ruhm, aller Preis, alle Ehre und Anbetung! Dir allein alle unsere Liebe und alles Lob ewig! Amen."

249. Kapitel: Jesus über das Vaterunser-Gebet. Weiblicher Platzstreit an der Vaterbrust. Helena über Gottes- und Bruderliebe. (Am 20. Sept. 1850)

01 Sage Ich zu Mathilde und auch zugleich zum Offizier: "So ist es recht, und solch ein Gebet gefällt Mir! Denn da ist alles vorgetragen, was jedem Menschen nötig ist, auch jedem Geiste und jedem noch so vollkommenen Engel. - Komme her, Mathilde, an Meine Brust und stärke da dein Leben! Denn siehe, aus dieser Brust ist alles, was den unendlichen Raum erfüllt, und der unendliche Raum selbst, hervorgegangen. Alles saugt an dieser Brust und sättiget sich. So komme denn auch du, Mein Töchterchen, her und sauge in starken Zügen das ewige Leben voll Liebe, Weisheit und Macht!"

02 Siehst du, Mein Sohn Peter, die Mathilde hat vor Mir die beste Rede gehalten und ist daher auch am weitesten gekommen. Du aber wolltest eher weise werden, bevor dein Herz noch fähig war, die rechte Weisheit zu ertragen. Daher bist du nun ziemlich weit hinter der Mathilde, obschon du ehedem vorne warst. Siehe aber, daß deine Liebe zu Mir gleich wird der mächtigen Liebe dieser Mathilde, dann wirst auch du dahin gelangen, wohin nun die Mathilde gelangt ist.

03 Du Meine holdeste Tochter aber habe keine Furcht vor Mir darum, daß Ich das allerhöchste Gottwesen bin; denn siehe, ebendarum, da Ich das bin, bin Ich der sanfteste, demütigste, freundlichste, herablassendste, liebevollste und allerbeste Geist und Mensch zugleich. Komme nur her und fürchte dich nicht!"

04 Die Mathilde bebt vor süßer Furcht und brennendster Liebe, kann sich aber dennoch nicht Mut genug verschaffen, um an Meine ihr zu heilig vorkommende Brust zu fallen. Ich aber berufe die Helena und sage zu ihr, daß sie dieser Mathilde zeigen solle, wie es die Auserwählten im Himmel machem.

05 Helena fällt sogleich mit offenen Armen an Meine Brust und sagt: "O Du mein süßester Vater! Das ist mir sowieso schon unaussprechlich stark abgegangen! O Du lieber Vater! O Du meine einzige Liebe! Du meine unaussprechliche Schönheit aller Schönheiten! Du ewiger Honigseim aller Süßigkeiten des Lebens! O wie süß ist es, an dieser Deiner Brust zu ruhen und einzusaugen des Lebens höchste Kräfte!" - Nach solchen Worten fällt Mir die Helena abermals an die Brust und verbeißt sich, wie man sagt, förmlich vor Liebe in dieselbe.

06 Als die Mathilde das sieht, sagt sie: "Aber mein Gott und mein Vater! Hat aber diese doch einen Mut, der dem Erzengel Michael sicher nicht eigen ist! Mit welch einer Heftigkeit sie doch hingestürzt ist und nun tut, als ob sie schon ganz und gar in die allerheiligste Brust hineinsteigen wollte. Ah, ah, das ist denn doch ein wenig zu stark! Ich möchte das freilich auch tun, wenn ich dazu nur den erforderlichen Mut hätte. Nein, aber die treibt mir's denn doch einnal zu bunt!"

07 Sage Ich: "Nun, Mathilde, so komme und tue wie diese!" - Nun läßt sich die Mathilde nicht mehr zum zweiten Male rufen und fällt ebenfalls an Meine Brust. - Da aber die Helena sich beinahe über die ganze Brust her breit macht, so findet die Mathilde etwas zu wenig Platz und sagt gar sanft zur Helena: "Aber liebe, holdeste Schwester! So lasse doch mir auch ein Plätzchen übrig! Ich bin ja auch dir gleich hierher berufen worden."

08 Sagt darauf Helena: "Siehe, wer zuerst kommt, der mahlt denn auch zuerst! Wenn man zu etwas so Gutem berufen wird, o da muß man sich durch nichts abhalten lassen; und fehlt einem die Courage, so muß man sie von irgendwoher zur Leihe nehmen. - Komme nur her da! Wir werden da schon Platz finden! Denn schaue, an dieser Brust haben gar viele auf einmal Platz!"

09 Sagt Mathilde, die nun auch schon ihr Köpfchen an Meine linke Brustseite gelegt hat: "Jetzt ist es schon gut! O Gott, o Gott, welch eine süße Ruhe! - Ja, ja, wer wahrhaft ruhen will, der ruhe in Gott! - O Du heilige Brust! Was fühle ich nun! Ach mein Herz ist viel zu enge, um zu fassen die Fülle dieser heiligen, zu großen Empfindung! Wer könnte aber auch solcher Gnade und Liebe Tiefe je fassen und ergründen!?"

10 Sagt Helena: "Ist auch gar nicht nötig! Denn schau, die rechte Liebe will nichts ergründen und nichts bis auf den Grund erschöpfen. Wenn wir da ergründen wollten, wie heilig und erhaben diese Brust ist, an der wir nun ruhen, da hätten wir Ewigkeiten um Ewigkeiten zu tun! Und das wäre denn doch sicher eine noch törichtere Arbeit, als die eines hungrigen Philosophen, der das Brot zuvor in seine Atome zerlegen wollte, ehe er sich seinen Hunger damit zu stillen begann - aber dabei verhungerte. - Wer da fragt, was etwa doch die Liebe sei, der liebt gewiß ganz verzweifelt wenig. Die wahre Liebe ist stumm und redet nicht viel um einen Groschen, sondern sie faßt ihren Gegenstand wie ein Polyp seine Beute und saugt so lange daran, bis sie satt geworden ist. Hernach kommt schon auch wieder die Philosophie. - Darum mußt du jetzt nicht viel reden, sondern bloß genießen, da dir die Gelegenheit geboten ist; sonst kommst du neben mir offenbar ein wenig zu kurz."

11 Sagt Mathilde: "Sorge dich nicht darum, ich verstehe es schon auch, wie man lieben muß. Schaue nur, daß am Ende du nicht zu kurz kommst. Ich bin auf der Erde von der Liebe ganz kurios geplagt worden, rein und unrein - und habe nirgends eine rechte Sättigung finden können. Nun aber empfinde ich alle Sättigung in mir, und mein Herz leidet keinen Hunger mehr. Daher sorge dich nicht um mein Zukurzkommen; denn so ich an der Tafel bin, da verstehe ich schon auch zu essen, und besonders an dieser, an der Zahllose Myriaden ihren belebenden Nektar saugen!"

12 Sagt Helena: "Nur nicht gar so poetisch, meine liebe Schwester! Denn schau, ich bin eine ganz gemeine Person von meiner irdischen Geburt her und verstehe mich nicht auf so hohe Ausdrücke. Und schau, der Herr hat das nicht einmal gar zu gern. Je einfacher, desto lieber ist es Ihm, weil in einer so hohen Sprache ist auch eine Art Eitelkeit zugrunde liegt. Daher nur so hübsch einfach weg, meine holdeste Schwester! Das ist dem Herrn am liebsten!".

13 Sagt Mathilde: "Ja, ja, du hast recht, ganz recht! Aber nur ein bißchen mehr Platz lasse mir noch!" - Sagt Helena: "Ei, ei, liebste Schwester! Hast denn noch nicht Platz genug?! Ich glaube, daß du diese ganze, heilige, süße Brust allein in den Besitz nehmen möchtest? Nun, dir zulieb, weil du gar lieb und herzig aussiehst, mache ich noch einen kleinen Ruck. Aber hernach mußt du mich in meiner Seligkeit nicht mehr stören, liebe, holdeste Schwester!"

14 Sagt Mathilde: "Nein, nein, jetzt haben wir beide Platz genug. Ich bin dir sogar sehr vielen Dank schuldig, daß du mir den Mut gemacht und den Weg gezeigt hast. Ich habe von dem, wie man eigentlich würdigsterweise Gott lieben müsse, mir nie eine rechte Vorstellung machen können. Ich meinte bei mir nur zu oft und sogar hier noch, Gott müsse man bloß in einer Art allererhabenster und frömmster Schwärmerei lieben. Ich machte denn daher aber auch sonderbar große Augen, als der Herr, Gott und Vater mich vor dir berief, an Seine seligkeitsvolle, heiligste Brust zu kommen. Ich stellte mir solch eine Annäherung für ewig unmöglich vor. Aber nun sehe ich erst recht klar ein, wie bei Gott dem Herrn am Ende dennoch alle Dinge möglich sind. Ihm darum ewig alle meine Liebe!"

15 Sagt Helena: "Also für deinen Peter Peter nichts mehr?! Wie wird denn ihm hernach die Sache schmecken? Oder sollen etwa in diesem Punkte für dich bei Gott auch alle Dinge möglich sein?" - Sagt Mathilde: "Aber liebe, schönste Schwester, warum mußt denn du aber auch stets ein wenig sticheln auf mein Herz? Macht dir das denn irgendein Vergnügen? Ich meine, der Peter Peter wird hoffentlich wohl selbst meinem Beispiele folgen. Denn er sieht sicher besser als wir beide ein, daß man Gott den Herrn und alleinig wahren Vater mehr lieben müsse als alle noch so vollkommenen Geschöpfe. Solange man Gott nicht hat, muß man leider die Geschöpfe wegen ihrer formellen Ähnlichkeit mit Gott lieben. Hat man aber den wahren, urewigen Grund der Liebe, ja die reinste und die wahrste Liebe Selbst gefunden, dann ist es mit der geschöpflichen Liebe für ewig gar! Verstehst du mich?"

16 Sagt Helena: "O ja, das verstehe ich wohl! Aber so ganz und gar aus ist es dennoch nicht; denn die Nächstenliebe, die Bruder- und Schwesterliebe hört darum nicht auf, weil eben in der Liebe zu Gott die Liebe des Nächsten eine vorzügliche Bedingung ausmacht. Denn so wenig man Gott lieben könnte, so man hassete seinen Bruder, ebensowenig kann nan den Bruder wahrhaft lieben, so man zu Gott keine oder wenigstens eine dumme Liebe hätte, wie solche bei vielen bornierten Zeloten anzutreffen ist, die da besser den Namen Gotteshaß als Gottesliebe verdienete. Aber diese Menschen können nicht dafür, daß sie so sehr dumm sind; denn sie werden schon von Kindheit an also erzogen.

17 Ich war einmal selbst so dumm und glaubte eine Zeitlang, daß einem ein Pfaffe den Himmel zubringen könne. Als ich mich aber hernach nur zu bald überzeugte, welches Geistes Kinder die Pfaffen sind, da hat sich natürlich auch mein Denken in allem geändert. - In dem berühmten Jahre 1848 stand ich selbst wohlbewaffnet allen Feinden der Wahrheit und der göttlichen Freiheit auf den Barrikaden gegenüber und fand da auch den Tod meines wenig werten Leibes.

18 Also, meine liebste und lieblichste Schwester, es ist sehr recht, daß du nun Gott den Herrn, unsern allerliebsten, heiligsten Vater, also liebst, daß du darob aller geschöpflichen Liebe bar bist, aber du mußt dabei denn doch noch stets so viel Besinnung behalten, daß du in solcher Liebe auch die ärmeren Brüder und Schwestern nicht vergißt, die noch lange das Glück nicht haben, also an der Quelle der Liebe die höchste und belebendste Segnung und Seligkeit zu genießen. Verstehst du, meine lieblichste Schwester, das?"

19 Sagt die Mathilde: „O und ob ich dich verstehe! Du hast schon recht, und bist schon sehr weise geworden, das ich noch lange nicht bin; aber ich hoffe, daß auch ich bald so weise werden werde; aber jetzt ist mein Herz zu voll von Liebe zum HErrn, und die Weisheit hat daher nun gut ruhen bei mir."

250. Kapitel: Robert belehrt Peter über die rechte Liebesreife. Beispiele vom Phönix und der Weinkelter.

01 Der Offizier sieht dieser Szene zu und bewundert die ihm wohlbekannte Helena, daß diese eine so ganz gebildete Sprache spricht. Er wendet sich zu Robert und sagt: "Nun, du mußt unterdessen deiner Helena schön zugeheizt haben, daß du ihr ihre frühere allerhäßlichste Lerchenfelder Proletariatssprache ordentlich wie Wanzen aus einer alten Bettstätte hinausgebrannt hast! Denn wahrlich, sie spricht nun ein ganz gutes und schönes Deutsch." - Spricht Robert: "Freund, das hat sie früher auch schon gekonnt. Sie spricht aber nur dann ihren Lerchenfelder Dialekt, so es ihr darum zu tun ist, jemanden um Gottes Willen so recht zu demütigen. Sie ist sonst das sanfteste, zarteste und vom Herrn Selbst best- und feinstgebildete Wesen, schön wie Morgenröte und herzlich und lieb wie eine Taube."

02 Sagt der Offizier: "Ja, ja, das sieht ihr nun wohl alles geich. - Aber lieber Freund! Nun noch eine Frage! Ich liebe Jesum mächtig nun wegen seiner unbegreiflichen Liebe zu uns, seinen Geschöpfen. Diese Liebe drängt mich sehr. Was soll ich denn tun, um mein Herz zufriedenzustellen?" - Sagt Robert: "Tu das nicht, lasse dein Herz vor Liebe zerbersten, dann wird dadurch dein Geist frei werden, der nun noch in deinem Herzen eingeengt ist. Wird aber dein Geist frei, dann wirst auch du frei in all deinem Wesen, was dir vor allem not tut, so du dich dem Herrn vollends nähern willst.

03 Das Herz vor der Zeit beruhigen und zufriedenstellen heißt seinen Geist wieder schlafen legen; und ein schlafender Geist hat dann wenig Hang zum Freiwerden. Man hat schon auf der Erde ähnliche Beispiele im Kleinen. So jemand zum Exempel in ein liebes, gutes Mädchen so recht sterbensverliebt ist, bekommt aber keine Gelegenheit, seine Liebe aus dem gewöhnlichen Sinnlichkeitswege zu befriedigen und ihre stark gespannten Saiten herabzustimmen, so wird seine Liebe stets heftiger, und er wird alle Mittel anwenden, um sein liebes Mädchen zum Weibe zu bekommen. Ist er aber früher zu einer Befriedigung gekommen, so wird dann sein auf Ehe gerichtetes Bestreben um sehr vieles kühler werden, wo nicht gar am Ende ganz erlöschen. Und siehe, also ist es auch hier der Fall! Man muß hier im Gnadenreiche der Liebe die Liebe ganz frei walten lassen. Was da aus ihrem Walten auch immer herauskomme, kann nicht anders als nur gut sein, weil die Liebe eine heilige Kraft ist aus Gott und nur die besten Erscheinungen des Lebens ins Werk stellen kann. Lasse dich daher nur drängen von der Liebe des Herrn! Sie wird dein ganzes Wesen ganz zurechtgestalten. - Hast du mich wohl verstanden?"

04 Spricht der Offizier: "Freund, du hast nun freilich gut predigen und predigst auch in der größten und wahrsten Ordnung, weil du die Schule schon durchgemacht hast, aber unsereiner, der sich gerade im Glühofen der Liebe befindet, findet in einem solchen Geduldszustande ein ganz absonderlich unbehagliches Drängen und kann die Sache nicht so leicht ertragen, wie ein freier Geist es ihm vorpredigt. Du wirst es zwar auch ebensogut empfunden haben, wie ich es nun enpfinde, aber das mildert meine Sache nicht im geringsten. Mache lieber, daß ich Jesum umarmen kann, so hast du mir mehr geholfen als mit der schönsten Lehrpredigt. Rede die herrlichsten Worte in ein brennendes Haus und du wirst damit das Feuer nicht löschen. So du aber statt der Worte einen Wassereimer nimmst und begießest damit fleißig die Glut, so wirst du dadurch offenbar einen besseren Zweck erreichen."

05 Sagt Robert: "Lieber Freund! Das ist es aber eben, daß ich dein Feuer nicht löschen, sondern nur vielmehr anfachen will. Denn du mußt in diesem Feuer gleich einem Phönix zuvor völlig verzehrt werden und aus der Asche deiner Demut neu erstehen, ehe du ohne Schaden an deinem Wesen dich Gott in der Fülle nähern kannst.

06 Hast du denn auf der Erde nie dem Weinkeltern zugesehen? Sieh, die Traube kommt unter eine ganz entsetzlich schwer drückende Presse, durch die sie ganz zerquetscht und ihr der letzte Tropfen ihres edlen Saftes genommen wird. Daß die Traube eine Empfindung hat, daran haben wenigstens wir freistehenden Geister keinen Zweifel, da alles, was durch einen offenbaren Lebensprozeß ins Dasein gelangt und ein lebendiges Prinzip in sich enthält - das, zu einem anderen Leben sich gesellend, dasselbe stärkt und erhöht auch selbst ein Leben haben muß, das ohne eine bestimmte Empfindung kein Leben wäre und daher auch nichts beleben könnte. Mag nun auch unter der schweren Presse die schöne Traube einen noch so mächtigen Druck schmerzhast empfinden, so ist dieser Druck aber dennoch für die rechte Erhaltung und Vermehrung ihres belebenden Geistes höchst nötig. Denn würde diese drückende Operation an der Traube nicht verübt, so würde ihr Geist nimmer frei und könnte nicht den ganzen Saft also durchsättigen, daß dann ein jeder, der den Saft zu sich nimmt, den belebenden Geist in selbem gar bald in seinem ganzen Wesen verspürt, und manchmal, so man zu viel des reinen Saftes zu sich nimmt, nur zu heftig.

07 So du aber den Wein und dessen entzückend belebende Kraft liebst, kannst du dann ein Feind des Kelterns sein? Ich sage dir, ohne Druck geht es nicht! Der belebende Saft verkümmert in der Hülse und gelangt nie zu einer selbsttätigen Kraft. Nur wenn durch den Druck auch der Geist genötigt wird, in den seelenartigen Saft überzugehen, dann erst wird die Seele selbst Leben im eigenen Besitze der Kraft und Macht. - Verstehst du dies Bild?"

08 Sagt der Offizier: "Ja, nun verstehe ich dich und werde mich auch darnach benehmen. Ich danke dir, lieber Bruder, für diese wahrlich sehr weise und praktische Belehrung."

09 Darauf bescheide Ich die Helena und die Mathilde hin zu jenen Weibern, mit denen der Offizier Peter Peter ehedem seine Anstände gehabt hatte und von denen eine Mir mit einem Reliquienkreuze aus Silber ein Präsent machen will. Die beiden küssen zuvor Meine Brust klein ab, begeben sich dann sogleich an das ihnen anvertraute Liebeswerk und machen auch die beste Ernte.

251. Kapitel: Peter Peters feuriger Liebesausbruch gegenüber Jesus. Abschied vom virtuellen Wien. Wer wird sich der unerweckt Zurückbleibenden annehmen?

01 Unterdessen aber berufe Ich den Offizier zu Mir und frage ihn, sagend: "Wie ist dir nun wohl zu Mute?" - Der Offizier antwortet: "Heiliger Vater! Du Urquell der reinsten und mächtigsten Liebe! Mir ist überaus himmlisch wohl zu Mute; aber ich kann es nun vor Liebe zu Dir nicht mehr aushalten! O lasse Dich auch von Mir umarmen! Mich drängt es mächtig zu Dir hin! Ich vermag es nun nimmer, diesem Drange zu widerstehen. Tue, o Vater, mit mir denn, was Du willst, strafe mich mit der Hölle für meine Vermessenheit - aber wehre es mir nicht, Dich, Du Liebe aller Liebe, nach dem Drange meines Herzens zu umarmen!"

02 Hier fällt der Peter Peter unaufhaltsam an Meine Brust und weint vor größter Liebe. - Ich aber umarme ihn auch und sage zu ihm: "Mein Bruder! Du liebst Mich mächtig; aber Ich liebe dich noch viel mehr! Und siehe, diese Erwiderung Meiner Liebe für die deine ist Meine süße Strafe für dich! Sage Mir, bist du mit dieser Strafe zufrieden?',

03 Sagt der Offizier: "O Herr und Vater! Also ist es, wie man es von Dir erwarten kann und muß. Du bist ja die ewige, allerreinste, von jeder Rache, von jedem Zorne, Ärger, von jeder Ungeduld und von jedem Zwange endlos weit entfernte Liebe. Wie könnte man von Dir je etwas anderes erwarten, als allein das nur, was die reinste Liebe in Dir und aus Dir heraus schaffet.

04 Du bist der alleinige Rettungsanker für alle Verirrten und für alle, die auf des Lebens sturmbewegten Wogen von einer wüsten Klippe zur andern geschleudert werden. Du lässest niemanden zugrunde gehen, und den Abtrünnigen setzt Deine ewige Liebe und Weisheit Dämme, auf daß sie nicht, gleich einem angeschwollenen Strome, die edle Saat verderben können und am Ende ihres Tobens selbst in ein Meer verlaufen müssen, wo ihrem Treiben ein Ziel gesetzt ist und sie in der Ruhe zur Einsicht gelangen, daß man gegen Deine ewige Allmacht nicht zu Felde ziehen kann. Und so ist Dein Bestreben, nach Deiner urewigsten, heiligen Ordnung, den Verderber zur rechten Erkenntnis zurückzuführen und alles zurechtzubringen, was da schon verdorben war. Kurz, mein heiligster, liebevollster Vater, Du suchest stets das verlorene Schaf und nimmst Tag für Tag eine Unzahl von verlorenen Söhnen auf und rufst tote Lazarusse aus den Gräbern zum Leben hervor!

05 Darum aber ist es auch billig, daß Dich ein jedes Herz liebe über alles. Denn Du ganz allein bist gut und heilig, überheilig, alle anderen Wesen aber nur allein durch die Liebe zu Dir. Liebt ein Wesen aber irgend etwas anderes mehr als Dich, heiliger Vater, so ist es schon schlecht; denn alle Liebe muß Dir zugewandt sein. Liebe ich ein Geschöpf des Geschöpfes wegen, so ist meine Liebe schon eine Sünde. Liebe ich aber ein Geschöpf allein Deinetwegen, dann ist meine Liebe eine rechte Tugend und gibt dem Herzen eine bleibende Seligkeit. - Du bist allein Liebe und hast uns aus Liebe und für die Liebe geschaffen; daher gebührt Dir allein auch alle unsere Liebe! - Wer Dich liebt, der betet Dich auch recht an, und eine Null ist jedes andere Gebet.

06 Nicht umsonst sprachst Du schon durch den Mund des Propheten Jesaja: »Dies Volk verehrt Mich mit den Lippen, aber sein Herz ist ferne von Mir.« - Nicht umsonst erteiltest Du der Sünderin Magdalena große Gnaden; denn sie hatte ihr Herz Dir zugewandt. Und nicht umsonst riefest Du den Sünder Zachäus vom Maulbeerbaum; denn die Liebe zu Dir hieß ihn den Baum ersteigen. Du, o Vater, warst allezeit Liebe, und alle Sünder, die in ihrem Herzen Deinen Namen anriefen, sind nicht zuschanden geworden. Darum sei Dir allein alle meine Liebe, denn Du allein bist wert, alle Liebe zu nehmen von Menschen und Engeln. Weinen, heulen und wehklagen aber sollen alle, die ihre Herzen von Dir abgewandt haben und sie nicht wieder zu Dir wenden wollen, was sie doch leicht könnten."

07 Sage Ich: "Ganz gut, ganz gut, Mein lieber Bruder! Du hast den rechten Weg gefunden! - Leider aber leben in dieser Stadt gar viele, denen dieser Weg fremd ist, und das Traurigste ist, daß er ihnen noch lange fremd bleiben wird. Was da reif war, das habe Ich nun geerntet. Alles andere aber ist noch unreif und muß daher auch noch auf dem Felde belassen werden.

08 Wir werden uns daher auch nicht länger mehr an diesem Orte aufhalten, sondern uns sogleich nach der Beilegung unserer Geschäfte, die nur noch in etwas ganz Geringem bestehen, in eine andere Stadt verfügen, deren Namen Ich euch aber erst dann nennen werde, so wir uns in ihrer Nähe befinden."

09 Spricht der Offizier etwas wehmütig: "O Du heiliger, lieber Vater! Diese Stadt (Wien) zählt nun mehrere Hunderttausende von Einwohnern, und unser werden hier samt und sämtlich kaum etwas über Tausend sein. Wenn ich dazu noch alle jene bedenke, deren Staub die Asche der Friedhöfe deckt (also eine Verwesung die andere) - was wird mit denen allen geschehen? Es mögen darunter wohl einige sich schon lange im ewigen Lebenslichte sonnen, aber Millionen sicher nicht auf diesem Orte. Was geschieht mit diesen? Wo sind sie? Was wird aus ihnen? Werden sie je erstehen?"

10 Sage Ich: "Sorge dich um alle diese nicht! Ich habe gar viele Diener, die diese Schafe zu weiden und zu führen haben. Es ist daher auch nicht an dem, daß gerade wir alle führen sollen, sondern nur jene, die sich bei ihren Lebzeiten auf der Erde hauptsächlich um Meinen Namen bekümmert haben, ob auf falschen oder rechten Wegen, das ist hier gleich, wenn nur ein Glaube da war, so können wir diesen immer brauchen, ihn zurechtbringen und die Liebe erwecken. Aber wo gar kein Glaube vorhanden ist oder ein zu dicker Aberglaube, da können und dürfen wir zunächst nicht die Führer und sichtlichen Erwecker machen, denn dazu habe Ich Millionen von Dienern, denen solche Geschäfte in die Hände gelegt werden. Aber es ist dennoch dann ein Unterschied zwischen denen, die Ich Selbst unmittelbar erwecke und führe und jenen vielen, die von Meinen Engeln und Dienern erweckt und geführt werden. Denn da gilt das Wort: »Viele sind berufen, aber nur wenige auserwählt!«"

252. Kapitel: Gleichnis vom streng-gerechten König, den die Liebe überwindet. (Am 24. Sept. 1850)

01 Spricht der Offizier: "O Vater! Viel zuviel Gnade für uns arme Sünder! Wie aber können oder sollen wir Dir je zur Genüge danken können für solche Gnade? Was sollen wir tun? Wie sollen wir es denn anstellen, um solcher Gnade würdiger zu werden?" - Sage Ich: "Freund und Bruder! Ein mit Liebe zu Mir erfülltes Herz ist Mir der größte und vollkommenste Dienst, den ein Mensch Mir zu Gefallen tun kann. Ich sage dir, bei Mir kommt am Ende alles auf die Liebe hinaus!

02 Es war einmal auf der Erde ein mächtiger König, in all seinem Tun und Lassen unerbittlich streng und gerecht. Nie nahm er ein Wort, das er einmal ausgesprochen hatte, zurück. Sein Volk gehorchte ihm aus Furcht, da es wohl wußte, daß bei ihm jedes Vergehen streng bestraft werde ohne allen Unterschied des Standes; aber von einer Liebe zu solch einem allergestrengsten Herrscher war wahrlich keine Rede. Man lobte wohl seine unbestechliche Gerechtigkeit, aber dennoch scheute sich alles vor ihm und zitterte und bebte, so er den Richterstuhl bestieg. - So wie aber dieser König beschaffen war, waren es auch seine Beamten. Sie übten das strengste Recht; aber von einem Nachlasse irgendeiner Strafe war da nie eine Rede.

03 Es befand sich aber in der Stadt auch ein ganz einfacher Mensch, der sich mit allerlei nützlichen Wissenschaften abgab und hie und da auch so manches ans Tageslicht brachte, das den Menschen gar manchen Nutzen bereitete. Ein Gebot des Königs aber bestand darin, daß da ein jeder Künstler oder Gelehrte alle seine Werke zuvörderst dem Könige zur Prüfung unterbreiten solle, damit nicht etwa irgend etwas unters Volk käme, was bei unkundigem Gebrauche solch eines Werkes dem Volke einen Schaden leiblich oder moralisch bringen könnte. Dieser Mensch aber wußte kaum, daß da ein solches Gesetz bestehe, und brachte daher ohne Vorwissen des Königs mehrere seiner sehr nützlichen Werke unter das Volk, das da nicht unterließ, den Künstler über alle Maßen zu loben.

04 Es kam aber das auch dem Könige zu Ohren, und dieser sandte sogleich seine Diener hin und ließ den Künstler gefangennehmen und vor des Königs Richterstuhl bringen, um ihm hier das gemessene Gesetz und zugleich auch die auf dessen wissentliche oder unwissentliche Übertretung gelegte Strafe vorzulesen. Nach der Diktierung der Strafe warf sich das anwesende zahlreiche Volk vor dem Könige nieder und bat ihn, bei diesem Manne, der durch seine Talente und Geschicklichkeiten so viel Gutes und Nützliches ins Leben rief, Gnade für Recht ergehen zu lassen. Aber es half nichts, des Königs Wort war wie ein Fels unbeugsam.

05 Da das Volk durch sein dringendes Flehen beim Könige aber nichts ausrichtete, so fing es über die Härte des Königs laut zu murren an und bedrohte ihn wohl gar in großer Masse.

06 Da stand der einfache, nun zur Strafe bestimmte Mensch auf und sprach: »Großer, gerechtester König! Gestatte mir nun, bevor ich in meine wohlverdiente Strafe abgeführt werde, einige Worte an dies dein aufgeregtes Volk zu richten.«

07 Der König gewährte dem der Strafe Verfallenen diese Bitte. - Und dieser sagte zum Volke: »Liebe Freunde und Brüder! Murret nicht über euren für euer Bestes über alles besorgten Vater! Meinet ihr denn, daß er seinetwegen so strenge und gerecht ist? O ihr irret euch darin alle äußerst mächtig! Aus zu großer Liebe zu euch ist er in allem so strenge. Ich habe euch zwar Gutes erwiesen; ihr habet es erkannt und seid mir nun dafür dankbar. Ich hätte euch aber auch Gift für Balsam verkaufen können; ihr hättet es anfangs nich erkannt und hättet euch damit weidlichst töten können. War es bei mir auch gerade durchaus kein böser Wille, des Königs heilsames Gesetz zu übertreten, so war es dennoch eine sträfliche Fahrlässigkeit, daß ich mich nach dem heilsamen Gesetze so wenig erkundigt und dadurch nicht geachtet habe des weisen und guten Vaters Liebe und Sorge fürs Wohl seiner vielen Kinder. Und so trifft mich die Strafe ganz gerecht. Lobet und liebet darum den weisesten König, als euren für euer stetes wohl nur zu ängstlich besorgten Vater, so werdet ihr dadurch ihm den besten Tribut in euren Herzen zollen!«

08 (Sich zum Könige wendend:) »Dir, du guter, weiser Vater deiner Völker, aber danke ich mit dem liebeerfülltesten Herzen für diese gerechte Strafe. Mein Auge sagt es dir, daß ich dich liebe mehr denn mein Leben! Erlaube mir, bevor ich den verdienten Kerker besteige und in selbem die verdiente Zuchtrute über meinem Schultern verkoste, aus großer Liebe zu dir den Saum deines Gewandes mit meinen Lippen zu berühren und mit den Tränen meiner großen Liebe zu dir zu benetzen!«

09 Hier steht der König auf, öffnet seine Arme und sagt: »Mein Sohn! In deinem Munde bewegt sich keine Schlangenzunge, denn dein tränenfeuchtes Auge und dessen ernstsanfter Blick ist mir ein getreuester Bürge, daß du mich aus allen deinen Kräften liebest. Komme her in meine Arme! Die Liebe bedecket die Menge der Sünden! Mein Herz ist nun auch voll Freude, unter meinen vielen Kindern einmal eines gefunden zu haben, das in mir den liebenden Vater erkannt hat. Weil du mir mit Liebe entgegenkamst, so sollst auch du bei mir Liebe finden! Anstatt nun Strafe zu leiden, sollst du mit königlichen Ehrenkleidern angetan werden und wandeln an meiner Seite!"

10 Siehe nun, du Mein lieber Bruder! Gerade also ist es auch bei Mir. Jedes Meiner Worte bleibt zwar ewig unwandelbar in dem Bereiche Meiner Ordnung und Weisheit; aber wer durch die Liebe zu Mir kommt, dem wird alles nachgesehen. Denn bin Ich schon in der Weisheit ein Diamant, so bin Ich aber in dir Liebe dennoch weicher als Wachs und lasse sehr mit Mir handeln!"

253. Kapitel: Was die Liebe tut, ist wohl getan. Lasse dich allein nur von ihr leiten! (Am 25. Sept. 1850)

01 Sagt der Offizier: "O wie herrlich und überheilig süß ist es, von einem solchen Herrn abzuhängen, der in der Weisheit über allen Wesen ewig unerreichbar obenansteht und daher auch zur Erreichung seiner heiligen Zwecke stets die tauglichsten Mittel wählt, dabei aber doch (insoweit es die zwar freie, aber dabei dennoch weiseste und unwandelbarste Ordnung aller Dinge und Wesen gestattet) der Liebe die höchste Freiheit einräumt und sie so stellt, daß sie gar nicht fehlen kann, so sie auch fehlen wollte! Ja, ja, das ist endlos groß, erhaben und heilig!

02 Daß Du, o Herr und Vater, mit Dir in der Liebe und eben durch die Liebe selbst hast handeln lassen, darüber findet sich ja eine Unzahl von Beispielen in der Heiligen Schrift. Ich will jener Beispiele des Alten Bundes gar nicht gedenken, wo Du die Sarah erhört hast, dem liebenden Jakob das Vorrecht der Erstgeburt gabst, den Joseph, der Dich liebte, zum Wohltäter seiner Brüder machtest, darauf den Moses, der von jeher ein Sohn der Liebe war und durch die Liebe gerettet ward und endlich durch, den Drang seines Herzens (das Elend seiner Brüder nicht mehr sehen wollend) zu Dir im brennenden Dornstrauche kam und allda erst vollends zum Werkzeuge Deiner Liebe und Erbarmung ward. Ja, es gäbe im Alten Bunde Tausende von Beispielen, in denen voll der Milde und Weichheit Deiner Liebe gar sehr ersichtlich gehandelt wird.

03 Aber ich gedenke hauptsächlich des Neuen Bundes, wo Du unmittelbar Selbst mit Dir hast derart handeln lassen durch die Liebe, daß sich darob oft Deine Jünger und Apostel weidlichst geärgert haben. Wie hätten sie es gerne gesehen, so Du bei so manchen ärgerlichen Gelegenheiten Feuer und Schwefel hättest vom Himmel herab regnen lassen! Aber Du verwiesest es ihnen und heiltest, wo sie erwarteten, daß Du verwunden möchtest. - O Herr, eine ganze Ewigkeit ist viel zu kurz, um alle die Wundertaten Deiner Liebe aufzuzählen! Aber was kann man tun? Nichts, als Dich nur lieben und lieben, weil Du Selbst nur Liebe und wieder Liebe in allem bist!"

04 Sage Ich: "Gut, gut, Mein Bruder, Mein Sohn! Was die Liebe tut, ist wohlgetan! Lasse dich daher stets allein nur von der Liebe leiten! Wohin immer diese dich ziehen wird, wirst du, am rechten Orte anlangend, schon auch völlig zu Hause sein. Mein Reich ist pur Liebe, und wo die Liebe waltet, da bin auch Ich zu Hause! Daher kommt aber auch niemand ohne Liebe je in Mein Reich und noch weniger unmittelbar zu Mir. Das Licht Meiner Augen durchströmt wohl die vollste Unendlichkeit, und das ist der ewig strahlende Diamant Meiner Weisheit; aber die Liebe ist nur da, wo Ich unmittelbar selbst zu Hause bin körperlich und wohl unterscheidbar wesenhaft.

05 Der Sonne Licht durchdringt auch einen beinahe unmeßbaren Raum; aber ihre Wärme genießen nur jene Weltkörper, die sich in ihrer Nähe befinden; über ihren Planetenkreis hinaus aber dringt keine Wärme mehr. Die Körper aber, die von der Sonne wollen erwärmt werden, müssen zuvor selbst Wärme in sich haben, sonst ist's mit der Erwärmung nichts. Denn ein Eisklumpen nimmt, solange er ein Eisklumpen ist, keine Wärme an, außer er schmilzt zuvor zu Wasser, das da schon fähig ist, Wärme in sich aufzunehmen.

06 Was also Liebe hat, das wird auch Liebe finden und aufnehmen in sich wie zum vollen Eigentume. Was aber keine Liebe hat, das kann auch keine Liebe in sich aufnehmen. - Hätte ein Stein kein Feuer in sich, nimmer könnte er glühend gemacht werden, sowenig wie ein Eisklumpen; da er aber Feuer in sich hat, so kann er auch glühend gemacht werden.

07 Bleibe also in der Liebe, da du die Liebe in dir hast - und gehe nun hin und nimm die Mathilde-Eljah, damit alle deine Liebe zu Mir eine ewige Nahrung habe! - Denn so der Magnet als das Symbol der Kraft der Liebe keine Nahrung hat, dann wird er schwach; hängt man ihm aber eine Speise an, so wird er stärker und stärker. - Also soll dir auch die Mathilde-Eljah eine stärkende Speisung sein! - Es sei!"

254. Kapitel: Bitte um Segen vor dem Mahl. Über Swedenborg. Segnung des Hauses Habsburg. Einwirkung der Geister und Engel auf die Menschen. Grundgesetz der Willensfreiheit. (Am 26. Sept. 1850)

01 Der Offizier tut nun sogleich, was Ich ihm angeraten habe, bringt aber die Mathilde-Eljah auch sogleich wieder zu Mir hin und sagt: "O Vater, hier ist sie, die Dich, wie ich, über alles liebt! Du hast sie mir zwar gegeben durch Dein heilig Wort, und ich könnte sie auch alsogleich an meine Brust ziehen; aber ich weiß doch nicht, ob es hier also in der Ordnung ist. Es kommt mir im Herzen so vor, daß ich Dich zuvor um den Segen anflehen solle und ich die Mathilde-Eljah erst dann als völlig die Meine ansehen kann, so ich sie aus Deiner Hand erhalten habe.

02 Als eine Speise für mein Herz hast Du, o lieber Vater, sie mir beschert. So bescherest Du auch allen Menschen auf Erden Speise und Trank. Die da vor der Zusichnahme der Speise zu mir in ihrem Herzen kommen und Dir danken und um Deinen besonderen Segen flehen, die werden von der Speise dann auch wahrhaft genährt. Die aber meinen, so was sei gar nicht mehr nötig, denn eine Speise, die einmal auf dem Tische sich befindet, sei ohnehin schon gesegnet und es sei eine abergläubige Dummheit, die Speise noch einmal nachgesegnet haben zu wollen - denen gereicht sie zu keinem Segen, weder leiblich noch geistig. Denn man kann Dich nie genug loben, lieben, preisen und Dir danken, und die Fülle Deines Segens kann niemanden Schaden bringen. - Darum segne uns nur noch einmal, o Du heiliger Vater!"

03 Rede Ich: "Mein Sohn! Um was du gebeten, ist schon geschehen! Daher sei nur ganz beruhigt und getröstet; denn bei dir ist nun schon alles in der Ordnung. - Nur etliche sind noch in unserer Gesellschaft, die zwar noch nicht ganz in der Ordnung sind, aber sie haben Liebe im Herzen, und das ist schon gut. Es wird da nicht viel mehr brauchen, daß auch sie völlig in die Ordnung kommen werden.

04 Dir hat das Lesen der Bücher des weisen Immanuel Swedenborg sehr genützet darum, weil du das Gelesene zugleich auch ins Werk gesetzt hast. Aber diese hier haben weder Mein Wort und noch weniger das, was Ich dem Immanuel Swedenborg über Mein Wort veroffenbart habe, gelesen und müssen daher hier wie die Ochsen am Berge stehen. Aber, wie gesagt, das macht unterdessen nichts, denn wir werden sie noch unterwegs zurechtbringen.

05 Wir könnten zwar nun hier in dieser Stadt uns noch einige Zeit aufhalten, auch das regierende Haus besuchen und es segnen für alle Zeiten der Zeiten; aber es fleht uns darum niemand an, und so sei es nur ganz einfach gesegnet durch unsere Gegenwart in dieser Stadt, wodurch es aber dennoch besser daran ist, als alle anderen regierenden Häuser in der ganzen Welt. Es wird zwar dieses Haus noch eine Probe zu bestehen haben; aber dann soll es zum Segen von Europa erhoben werden! - Wir sind damit also hier fertig! Daher machen wir uns nun auf die vorbestimmte Weiterreise, und zwar nach Süden hin."

06 Hier treten die Kaiser Joseph, Leopold und Franz zu Mir hin und bitten Mich inständigst um den besonderen Segen über das Haus Österreich und über alle Völker dieses Staates. Und Ich tue das nach der weisen Bitte dieser drei einstmaligen Regenten und sage:

07 Du ergrautes Haus! Bleibe! Dein Panier sei die Liebe, Sanftmut und Geduld! Werde und bleibe fest im wahren Glauben und scheue das Licht des Geistes nicht! Denn dies Licht wird dich erheben über alle Fürsten Europas! Lasse dich nimmer von Rom betören und knechten; denn dich setze und segne Ich zu einem Regenten, und über dich bin nur Ich und sonst niemand auf der Erde! Ich kenne kein gebietendes und alle Fürsten ins Schlepptau nehmenwollendes und über alles herrschsüchtiges und darum allerfinsterstes Rom. Nur ein demütiges, nicht mit drei Kronen gekröntes Rom, das da auf Mein Wort hielte, würde Ich kennen. Aber ein Rom, das die Vertilgung aller jener Brüder begehrt, die sich die Bürde von drei Kronen auf einem Haupte nimmer wollen gefallen lassen und heller denken als der Fürst der Nacht zu Rom, ist vor Mir ein Greuel der Verwüstung an der heiligen Stätte alles Lebens aus Mir! Mein Haus! Du hast nun schon so manches getan; tue alles, so wird deine Macht wachsen wie eine Zeder auf Libanon! Mein Segen und Meine Kraft mit dir! Es sei!"

08 Hier fallen die drei Fürsten vor Mir nieder, sagen Amen und loben und preisen Mich aus allen ihren Kräften.

09 Sage Ich: "Stehet auf, Freunde! Ein jeder tue, was er kann. Ich weiß am besten, wie die Sachen gestanden sind und wie sie nun stehen. Aber sie werden nicht lange mehr so stehen, wie sie bisher gestanden sind. Euch dreien aber werde Ich die Macht geben, auf euer Haus in der Welt nach der freien Ordnung, nach dem freien Rechte und nach der rechten Billigkeit einwirken zu können, ohne dadurch des jeweiligen herrschenden Regenten freien Willen zu beeinträchtigen.

10 Solches geschieht aber also, daß man bei jedem Menschen nur auf sein Erkenntnisvermögen, nie aber auch nur in dem entferntesten Sinne auf den Willen entweder hemmend oder befördernd einwirkt; denn ein unterstützter Wille ist, ebenso wie ein gehemmter, als ein gerichteter zu betrachten. Die Hölle ja, die packt die Menschen beim Willen und zerret sie beim selben ins Verderben, ins Gericht und in den Tod! Aber also darf es bei uns nicht sein; denn von uns aus muß die vollste Freiheit des Willens aus das äußerste geachtet werden. - Daher müsset auch ihr dort, wo ihr ermächtiget seid, nie aus den Willen, sondern allein nur auf das Erkennen des Menschen einwirken. Der Mensch kann sein Erkennen aber noch so hoch steigern, so wird sein Wille in sich denn doch bleiben, wie er ist und wie er war. Und also muß es sein, weil es also Meine ewige Ordnung haben will.

11 So der Mensch aber zu einem rechten Erkennen gelangt, da wird dies Erkennen schon ohnehin den Willen, wie ein guter Reiter sein Pferd, leiten. Und der Wille wird dann schon das mehr und mehr zu wollen anfangen, was sein Erkennen als wahr, gut und somit zweckdienlich findet. Dadurch werden der Wille und das Erkennen einander stets befreundeter, bis sie endlich völlig eins werden was dann auch schon die Vollendung des Menschen abgibt. - Der Wille aber ist das Leben der Seele. Das Erkennen dagegen liegt im ewig in sich freien Geiste. Werden Geist und Seele eins, dann ist die zum ewigen Leben bedungene Freiheit durch diese geistige Wiedergeburt auch da, und der Mensch lebt dann schon in Meinem Reiche, das da ist die Wahrheit und das ewige Leben.

12 Drei aber sind, die solches bezeugen: Das Wort, die Erkenntnis und der Wille. Und diese drei müssen eins werden, wie Ich Selbst eins bin als Vater, Sohn und Geist. Der Vater ist das ewige Wort wesenhaft. Der Sohn ist die Aufnahme des Wortes und dadurch die ewige Weisheit Selbst. Der Geist oder Wille oder die Kraft aber geht dann aus beiden hervor und ist ebenfalls vollkommen eins mit Vater und Sohn - und das alles in dem einen Wesen, das da in Mir vor euch steht und euch belehrt.

13 Darum müsset ihr euch das recht wohl zu Gemüte nehmen und diese Meine unwandelbarste Ordnung recht fassen, sonst würdet ihr, so ihr bei einem noch auf der Welt lebenden Menschen Einfluß nehmet, bei demselben viel mehr verderben als irgend gut machen. Jeder nur durch eine äußere, geschweige durch eine innere Gewalt gezähmte Wille ist kein nütze. Rom hat sich wie das Heidentum allerlei Zwangsmittel bedient, um den Willen der Menschen zu bändigen. Was hat es aber damit erreicht? Die baldigste Auflösung und allseitige, tiefe Verachtung. Was es nun auch tun mag, so wird es sich doch nimmer erholen und erheben.

14 Also muß denn auch solches ganz besonders von unserer rein geistigen, also innersten Machtsphäre aus auf das Genaueste beobachtet werden. Innerlich dürfen wir nie jemanden einen Zwang anlegen, wohl aber, so es sehr nötig ist, um der Hölle einen Damm zu setzen - äußerlich durch allerlei Übel fürs sinnliche Fleisch, durch Krieg, Hungersnot und Pestilenz, durch Mißwachs bald der einen, bald einer andern Nährfrucht. Es ist zwar dies auch schon ein Gericht und seine Früchte sind nur schlecht; aber so euch nur zwischen zwei Übeln die Wahl bleibt, da wählet allemal das kleinere. Ein äußeres Gericht läßt sich wieder auf rechtem Wege gutmachen, aber ein inneres nur höchst schwer oder häufig wohl auch für die wahre Freiheit Meiner Himmel gar nicht.

15 Darum also nehmet, wohl und allezeit beachtend diese Meine Worte, denn auch hin die Macht, die guten Geister eures Hauses zu wecken, und benützet sie nach der euch nun gegebenen Anweisung! - Es sei!"

16 Die drei danken Mir nun für die ihnen erteilte Lehre und Macht und geloben vor allen Anwesenden, daß sie von solcher ihnen zuteil gewordenen Gnade stets den möglichst Weisen Gebrauch machen werden.

255. Kapitel: Liebesgeist und äußere Form. Schlußwort Jesu. Haltet euch an den Geist der Liebe! Aus Liebe kommt Weisheit, aus Weisheit Liebe - das ist die ewige Ordnung des Lebens in Gott. Den gereiften Lebenspilgern öffnet sich das Auge des Geistes für irdische Gefilde und Sphären. - Reise nach Steiermark

01 Es kommt aber nun wieder die Mathilde-Eljah mit ihrem Peter Peter und dankt mir noch einmal allerinbrünstigst für die Gnade, daß Ich ihr ihren einstigen irdischen Lehrer, den sie schon als Kind geliebt hatte, nun im Himmelreiche zum bleibenden Führer gegeben habe.

02 Ich aber sage: "Du bist eine gute Kost für ihn und er für dich. Aber nur lasset euch von der äußeren Form nicht mehr als von eurem Geiste der Liebe leiten! Denn die Forn kann auch im Himmel verändert werden, je nach dem Wachstume der Liebe oder nach dem Bedürfnisse irgendeiner auszuführenden Liebetat; aber die Liebe bleibt ewig unveränderlich. Auch gewöhnt sich der äußere Sinn bald an eine noch so schöne Form, wonach sie ihm dann gleichgültig wird. Die Liebe aber, da sie stets neue Weisheit und ein neues Wunder um das andere schafft, wird anziehender von Stunde zu Stunde, oder hier besser gesagt, von Weile zu Weile. Haltet euch daher stets an den inneren Geist der Liebe, der wird euch das wahre ewige Himmelsbrot sein und wird euch käftigen und stärken stets mehr und mehr ohne Unterlaß; denn solcher Geist in euren Herzen ist Mein Geist!"

03 Die Mathilde-Eljah ist über solche Meine Belehrung im höchsten Grade ergriffen, die große Wahrheit derselben wohl einsehend. - Sie sagt darauf zu Peter Peter: "Edler Bruder! Hast du diese heilige Wahrheit auch gehört und wohl begriffen?" - Spricht Peter Peter: "Mathilde-Eljah! Warum fragst du darum? Fürchtest du etwa, ich möchte irgend etwas anderes, als was der Herr will, oder irgend etwas wider des Herrn Willen tun wollen? O sorge dich nicht darum! Ich habe des Vaters heiligstes Wort tiefst in mein Herz eingegraben und lebe nun ganz allein aus diesem Worte in mir. Es wäre mir nun unmöglich etwas anderes zu denken und zu wollen, als ganz einzig und allein nur was da der Herr will. Habe darum keine Sorge! Wo es mir mit der Weile irgend noch fehlen könnte, da wirst du bei mir das Fehlende ersetzen, und sollte dir noch irgend etwas abgehen mit der Weile, da werde ich dir das Gleiche tun. Sollte aber uns beiden irgend etwas abgehen,, da werden wir vereint den heiligen Vater darum bitten, und Er wird uns aus Seinem ewig unversiegbaren Borne alles geben, was uns not tun würde. Daher also ohne Sorge, meine liebste Mathilde! Dein Peter Peter hat alles wohl verstanden."

04 Spricht Mathilde: "Ja, ja, du bist denn doch stets mein Meister in allem, wie in der Weisheit, also auch in der Liebe! Du hast zwar auf der Erde zuerst durch deine Weisheit die Liebe in mir zu dir angefacht; nun aber scheint es mir, daß die große und reine Liebe in deinem Herzen in mir die Weisheit anfachen wird. - Hm, was meinst du darüber?"

05 Sagt Peter Peter: "Meine allerholdeste Mathilde-Eljah! Siehe, das ist ja eben jener große Kreislauf, in dem sich alle Dinge bewegen und regen: Die Liebe erzeugt die Weisheit, und die Weisheit erzeugt wieder die Liebe. Der Urgrund alles Lichtes ist natürlich die Liebe als die ewige Lebenswärme der Gottheit. Ist aber die Wärme uns gegeben, so erzeugt sie dann immer gleichfort auch Licht in dem Grade, als sich die Wärme in uns vermehrt. Die Wärme aber vermehrt sich eben wiederum durch das reicher werdende Licht; denn du weißt, daß das Licht, so es stärker und stärker wird, wieder die Wärme erzeugt. Und es geht stets das eine aus dem andern hervor, das Licht aus der Wärme und die Wärme wieder aus dem Lichte!

06 Wie aber diese beiden Urelemente alles Lebens sich gegenseitig stets neu erzeugen und gebären, ernähren, kräftigen und erhalten - ebenso sind denn auch wir im kleinsten Maßstabe bestimmt, uns gegenseitig durch Liebe und Weisheit zu kräftigen. Das ist der Wille und die ewige Ordnung des Herrn, die vorerst Sein ewiges, unerforschliches Sein und aus ihm das Sein aller Wesen bedingt, denen Sein Wort das Dasein gab. Sorge dich also um nichts, ich verstehe nun schon auch - durch die Gnade des Vaters - ein rechtes Leben in Gott zu leben."

07 Sage darauf Ich: "Amen! So ist es recht, das ist des Lebens rechtes Verständnis! In diesem verbleibet alle! - Nun aber, Meine lieben Freunde alle, heißt es weiterzuziehen! - Stellet euch in eine gewisse Ordnung! - Robert! Das alles ist noch in deinem Hause, du bist der Hausherr - daher kommt denn nun schon wieder die Reihe an dich, die ganze, große Gesellschaft zu führen! Nimm aber diesen Freund Peter Peter mit seiner Eljah wie auch deine Helena zu dir; sie werden dir auf dem Wege gute Dienste leisten."

256. Kapitel: Jesus und seine Gesellschaft verläßt Wien und zieht den Alpen zu. Um Semmering. Jesus über Grenzsteine und über Land und Volk der Steiermark.

01 Nach diesen Worten ordnet sich alles und der Weitermarsch beginnt sogleich, und zwar auf der Straße nach Steiermark. In kurzer Zeit kommen wir an den Fuß des Berges Semmering, und die ganze Gesellschaft, welche nun die Fähigkeit besitzt, die naturmäßige Erde zu sehen, macht hier einen Halt.

02 Es tritt der Kaiser Joseph hervor und sagt zu Mir: "Herr, diesen Berg habe ich einigemal überfahren und habe für eine bessere Straße über ihn so manches angeordnet; denn vor mir war so manche Straße zu Wagen ohne Lebensgefahr nicht zu befahren. Damals schlugen die Leute ihre Hände über dem Kopfe zusammen und schrien darob sich heiser. Die weise sein wollenden sagten: »Ja, ja, nur die Straßen schön eben, glatt und breit machen, damit der Teufel eine leichtere Mühe habe, auf solch höllischer Straße einherzufahren!« Man sah nämlich zu meiner Zeit eine breite Straße noch sehr stark als eine zur Hölle führende an, und ein so recht eingefleischter Erzkatholik wäre um keinen Preis auf eine breite Straße zu bringen gewesen. Ja, es gab sogar in Wien Menschen, die in einer breiten Straße keine Wohnung genommen hätten, und so sie dafür auch noch obendrauf bezahlt worden wären.

03 Es genügt, diese Dummheit der Menschen insoweit berührt zu haben, um dadurch anzuzeigen, welche Mühe es mich gekostet hat, um die Menschheit zu geläuterteren Begriffen zu erheben. Ich will die Sache übergehen, daß sogar Priester von der Errichtung bequemer und breiter Straßen nichts hören und wissen wollten, sondern dagegen hie und da ein wahres Zetergeschrei erhoben und mich samt den Straßen in die unterste Hölle verdammten. Jedem, der in der Beichte aussagte, daß er eine breite Straße betreten habe, verweigerten sie ohne weiteres auf längere Zeit die Absolution und den Eintritt in die Kirche, weil sie ihn für einen verunreinigten erklärten. Es wäre beinahe nötig gewesen, das mosaische Operat (Sühneopfer) von der rötlichen Kuh (4.Mose.19) ins Werk zu setzen, die vor dem Lager verbrannt werden mußte, und deren Asche, in ein reines Gefäß voll reinen Wassers getan, zur reinigenden Besprengung alles Unreinen diente. - Nun aber, was sagen denn die Pfaffen und die Menschen jetzt zu den sogenannten Eisenbahnen und besonders zu dieser hier über den Berg Semmering? Wahrlich, Herr! So etwas hätte vor hundert Jahren ja doch keinem Menschen im Traume vorkommen können!"

04 Sage Ich: "Früher, zu deiner Zeit, waren die Menschen zwar wohl sehr dumm; aber sie waren gläubiger als jetzt. Sie faßten zwar alles grobmateriell auf und wußten vom Geistigen sozusagen nichts. Die rötliche Kuh Aarons und Eleasars, und was mit ihr zu geschehen hatte, nahmen sie wörtlich, und es hat in den katholischen Bethäusern noch heutzutage sehr vieles mit dem jüdischen Sprengwasser gemein; nur wird keine Asche einer keuschen und umbejochten rötlichen Kuh mit Ysop hineingemengt. Aber um was nun die Menschen weiser geworden sind, um das sind sie auch ungläubiger. Mir aber ist der Glaube, und wäre er noch so blind, dennoch lieber als ein sogenannter Weltgelehrter. Denn im Glauben ist der irdische Mensch frei und hat seine Seele nicht in irgend etwas gerichtet; aber in der Wissenschaft liegt schon ein Gericht. Solange das Kind glaubt, das zweimal fünf zehn sind, ist es frei vom Zwange; nicht so der Mathematiker, bei dem laut Beweises zweimal fünf zehn sein muß.

05 Also schreien die Menschen nun nicht mehr über solche Bauten, denn sie sehen deren Natur ein; aber dafür schreien sie desto mehr über die Teuerung und über die Geldnot, und der Glaube ist ganz rar geworden. Wohl weiß die Welt nun sehr bedeutend mehr, als sie zu deiner Zeit gewußt hat, aber sie ist darum nicht besser und durchaus nicht reicher geworden, weder naturmäßig und noch viel weniger geistig. Daher lassen wir nun diese Straßen das sein, was sie sind, mehr Prunk- als Nutzwerk, besonders diese da über diesen Berg, bei der die Rechnung ohne Wirt gemacht worden ist, und begeben uns weiter!"

06 Die Wanderung wird nun wieder weiter fortgesetzt, und in kurzer Zeit wird des Berges Höhe erreicht, allwo das bekannte Grenzmonument steht. Hier wird wieder eine kleine Siesta (Ruhepause) gemacht. Und der Kaiser Karl tritt hervor und sagt: "Herr und Vater! Siehe an dieses Zeichen! Es ist ein Werk aus meiner irdischen Zeit. Der Grund davon waren stete Grenzreibungen. Um solchen Reibungen ein Ende zu machen, habe ich an besonders strittigen Punkten Grenzsteine setzen lassen. Und hie und da hat man sie dann auch mir zu Ehren gesetzt. Sage mir armem Sünder vor Dir, ob ich da wohl recht gehandelt habe?"

07 Sage Ich: "Mein Freund! Grenzsteine sind nichts als Aushängschilde der Härte menschlicher Herzen. Es ist traurig genug, so ein Bruder dem andern sagen muß: »Bis hieher, und dann nicht weiter!« Aber so die Menschen einmal vom bösen Geiste der Selbstsucht besessen sind, da werden sanktionierte Grenzsteine eine Notwendigkeit, weil sie der unersättlichen Habgier der Menschen gewisse Schranken ziehen, über die hinaus sie ungestraft nichts mehr als ihr Eigentum ansehen dürfen. Also sind denn Marksteine zwischen Provinzen eine Notwendigkeit geworden. Was aber notwendig ist, das ist denn auch aus eben dem Gesichtspunkte der Notwendigkeit betrachtet gut, obschon an und für sich schlecht, weil der Grund, der sie notwendig macht, schlecht ist.

08 Lebeten die Menschen nach Meiner überaus leicht verständlichen Lehre, und pulseten in ihrer Brust wahre, von Meinem Geist erfüllte Bruderherzen, dann wären auf der ganzen Erde keine Grenzsteine vonnöten. Denn dem, was da gut ist, darf man wohl ewig nie eine Grenze ziehen; wohl aber dem, was da schlecht ist. Die Habsucht, Herrschgier, der Geiz, der Neid und der Hochmut aber sind ganz grundböse Dinge. Daher müssen ihnen Grenzen gezogen werden, auf daß sie nicht ausarten und wie ein Krebsschade stets weiter um sich greifen. Aus dem aber kannst du nun ganz leicht beurteilen, ob deine Grenzmarken gut oder schlecht waren. Ich sage dir, sie sind beides zugleich, so wie ein Gericht und der Grund des Gerichtes, nämlich das Gesetz. Denn gäbe es kein Gesetz, so gäbe es auch kein Gericht. Was aber das Gesetz notwendig macht, das macht auch das Gericht notwendig. Aber weder das Gesetz, noch das Gericht sind gut, weil beides eine Folge des Bösen und Schlechten des menschlichen Herzens ist.

09 Siehe, in Meinem Reiche gibt es kein Gesetz und somit auch kein Gericht mehr. Denn das Gesetz und das Gericht sind nur Wächter und halten das Falsche. Schlechte und Böse in den bestimmten Schranken. Sind aber die Wächter auch schon notwendig wegen des Bösen im Menschen, so sind sie aber darum doch nichts Gutes. Denn in den Himmeln können weder Gesetze und noch weniger irgendein Gericht Platz haben, außer das der reinen Liebe, welches Gesetz aber eigentlich die höchste Freiheit selbst ist. Ich sehe daher Grenzsteine sehr ungern an, weil sie nichts als Denksteine der Härte und Lieblosigkeit des Menschenherzens sind. - Nun weißt du, lieber Freund, alles und brauchst daher über solche Nichtigkeiten nicht weiter mehr nachzudenken.

10 Sehet aber dafür lieber alle hin gegen Süden - das schöne Land, das da ist wie ein Kanaan. Es heißet - die Steiermark! - Die Bewohner dieses Landes sind zum größten Teile noch sehr dumm. Denn wo der Mensch von der Not nicht zu sehr geplagt wird, da gleicht er einem Faultiere und kümmert sich nicht viel ums Leibliche und noch weniger ums Geistige. Und das ist eben in diesem schönen und guten Lande sehr der Fall. Es nährt seine wenigen Bewohner zu gut; daher sind sie träge und tun nur so viel, als da gerade zur Befriedigung ihrer Haut vonnöten ist. In den Städten ist hie und da wohl etwas mehr Leben anzutreffen, aber dafür auch desto mehr Bosheit und Sünde aller Art. Nur einige wenige leben in den Städten dieses Landes, derentwegen wir dieses Land besuchen. Und so denn setzen wir wieder unsern Weg weiter fort!"

257. Kapitel: Gespräche auf dem Weitermarsch über alte und neue Zeit. Die Welt war nie gut, sondern immer nur einige wenige Menschen in ihr. (Am 1. Okt. 1850)

01 Wir bewegen uns wieder weiter bergabwärts und erreichen den Ort Spital, gerade am Fuße des Semmering.

02 Kaiser Karl tritt abermals hervor und sagt: "O Herr und Vater, der Du heilig bist, überheilig! Sieh an diesen Ort! Zu meiner Zeit war es ein Ort menschlichen Wohltuns. Dieser Ort war wirklich ein Asyl für arme Leidende. Ich selbst habe ihn öfter bei meinen Reisen nach dem Süden besucht und beschenkt. Aber mit mir hat sich denn auch bald alles verloren, was da zum Nutzen und Frommen der Menschen bestimmt war; denn der Wohltätigkeitssinn der bemittelteren Steirer hat sich nur zu schnell in einen Gewinnsinn verwandelt. Die Leute wollten reich werden und vergaßen nur zu bald, daß der Arme nichts hat und sonach auch nicht leben kann. Es hat aber das dem Lande wenig Segen gebracht. Zu meiner Zeit war es eines der reichsten Länder des ganzen Reiches, Und nun wird es bald zu den ärmsten gehören. So die Schranken zwischen Ungarn und diesem Lande fallen, so ist es ein Land für Bettler, und das geschieht dem Lande recht; denn sein Sinn fürs Wohltun der Armen ist erloschen. Pfennigspender gibt es noch; aber die wahren Wohltäter sind gestorben."

03 Sage Ich daraus: "Ja, ja, in dieser Hinsicht hast du nicht ganz unrecht. Es gibt wohl einige wenige, die noch so Erkleckliches leisten; aber im allgemeinen wird es nicht bald in irgendeinem Lande so viele Selbstsüchtler geben, wie eben in diesem. Auch ist das Grenzsteinverrücken nirgends so gang und gäbe, wie in diesem Lande. Sein Hochlandsteil ist noch der bessere, aber das Unterland ist schlecht bestellt. Gewinnsucht, Unzucht, Unglaube auf der einen, der grasseste Aberglaube auf der andern Seite, wenig Liebe, Eigennutz, oft starre Gefühllosigkeit gegen die arme Menschheit und für alles, was den Geist mehr wecken könnte, Schelsucht, Geiz und Neid und stete Mißachtung des Nächsten sind so die Hauptgrundzüge dieses Landes. - Darum aber besuchen wir dies kranke Völkchen, um es möglicherweise ein wenig gesünder zu machen. In Wien ist der Belagerungsstand noch nicht aufgehoben, und siehe, es hat uns in jener Stadt doch gelitten; aber in der Stadt dieses Landes wird es uns nicht leiden, daher werden wir auch für die kurze Weile unseres Aufenthaltes außerhalb herum unser Quartier suchen."

04 Sagt Karl: "Herr! Da schlage Donner und Blitz in diese Stadt! Das müssen ja rechte Teufel von Menschen sein! Gibt es denn keine Beamten, keine Behörden, kein Militär, keine Polizei darinnen?"

05 Sage Ich: "O genug, aber wenige Menschen darunter! Die Beamten dienen ums Geld und möchten nur zu bald schon große Herren sein, um mehr Geld zu bekommen. Daher sind ihre Herzen auch meistens aus Stein und üben häufig ihr Amt unerbittlich strenge, um dadurch als tüchtige Männer von ihrem Fache angesehen zu werden, auf daß man bei einer nächsten Vorrückung ihrer gedenken möchte. Wenige nur gibt es, die mit dem zufrieden sind, was sie sind und was sie haben; das aber zählt eben nicht viel. Die meisten wollen nur steigen und steigen, und siehe, das ist ein großes Übel; da sieht ganz entsetzlich wenig Liebe und noch weniger wahre Gerechtigkeit heraus - besonders bei dieser neuen Umgestaltung der Staatsverfassung, wo der Beamte einesteils lieber fluchen als arbeiten und andernteils aber doch gern ein sehr großer Herr sein, gut leben und nicht viel tun und einen kleinen Herrscher machen möchte.

06 Und so, Mein Freund, ist da mit dem Beamtenvolke eben nicht viel ausgerichtet. Wäre in dieser Stadt nicht so manches von militärischer Gewalt vorhanden, da ginge es dem Beamtenstande im allgemeinen schlecht; denn er ist durchaus nicht beliebt. Denn soll der Beamte Segen streuen im Staate, so muß er viel Liebe haben! Hat er diese nicht, so säet er nur Unkraut und Disteln an, wo er wirkt. Er erzeugt Haß und Verachtung bei den Untertanen gegen ihren Fürsten und am Ende Scheelsucht und Zwietracht unter den Beamten und unter den Untertanen. Daher dann die Masse der unseligsten Prozesse, bei denen bloß die sogenannten Rechtsfreunde gewinnen, die Parteien aber verlieren."

07 Sagt hervortretend Rudolf von Habsburg: "Aber Herr, da sieh an die zwei breiten Straßen! Die eine fürs gewöhnliche Fuhrwerk und die andere für die eisernen Wagen. Wie viel schönes Land nehmen sie ein, während zu meiner Zeit alle Straßen nur enge sein und über sonst unverwendbare Landesstellen gehen mußten. Ich hatte keine Staatsschulden und hatte doch auch manchen Krieg zu führen. Die aber nun auf so breiten Straßen so schnell wie der Wind einherfahren und ihre Sachen schnell weiterschaffen, sind nun aller Welt schuldig. Wahrlich, das begreife ich nicht!"

08 Sage Ich: "Das besteht ganz einfach darin: Weil sie keine Liebe haben, so können sie auch unmöglich ein rechtes Licht haben. Wer aber kein rechtes Licht hat und baut eine Brücke über einen Strom zur Nachtzeit, der wird eines gefahrvollen Weges wandeln über den Strom. Wenn die Menschen lebeten nach dem Bedürfnisse, so hätten sie alle genug; weil sie aber dem Luxus leben und der Hoffart, so leiden sie Not und Elend und werden aller Welt Schuldner. Verstehst du diese ganz einfache Grundwahrheit?"

09 Sagt Rudolf: "O Herr! Leider verstehe ich sie. Es wird wohl nun eben die Zeit auf Erden sein, von der Du vorausgesagt hast, daß in ihr die Liebe erkalten und kein Glaube bestehen wird. O aus all den Einrichtungen, die ich bis jetzt gesehen habe, geht das nur zu klar hervor! Nichts als eitle Pracht, Hoffart und Luxus über Luxus! Ein jeder will sich vor dem andern hervortun. Alles geht in feinsten Kleidern einher, sogar die Tochter eines Bettlers steht nicht selten gleich einer Hofdame geputzt da und sucht durch ihren üppigen Anzug die Sinnlichkeit der Männer und Jünglinge noch reger zu machen, als sie es ohnehin schon ist, Man sehe aber auch die Männer, Jünglinge und Knaben an; wie sehen diese aus!

10 Wenn ich auf meine Zeit zurücksehe, so war da auch in der Tracht eine Ordnung. Ein jeder mußte nach der Vorschrift seinem Stande gemäß sich kleiden. Und dadurch war dem Hochmute und der verschwenderischen Luxuspracht sehr gesteuert. Jetzt aber, wo besonders an Sonn- und Feiertagen man den Hausknecht nicht mehr von einem Prinzen unterscheiden kann, hat die gegenseitige Achtung, die Liebe, das Vertrauen, der Glaube, die Barmherzigkeit aufgehört, und der kalte, allergefühlloseste Verstand beherrscht die Herzen der Menschen nicht nur hier, sondern überall, wohin man nur immer sein Auge wenden mag.

11 Zu meiner Zeit waren an den Straßen freie Tavernen (Herbergen) eingeführt, in denen arme Reisende unentgeltlich verpflegt wurden. Jedermann hatte einen rechtlichen Anspruch auf die Gastfreundschaft seines Glaubensbruders. Nur Juden und Heiden mußten dem Wirte einer solchen Taverne für die Bewirtung einen kleinen Tribut entrichten. Der Tavernenwirt aber hatte das Recht, gleich wie nun noch die Barmherzigen Brüder, in die benachbarten Gemeinden Sammler auszusenden, die ihn reichlich mit allem versahen. Und das war gewiß eine gute Einrichtung. Jetzt ist von so etwas keine Spur mehr. Hat der Reisende kein Geld, so ist er dem Hungertode verfallen. O Menschheit! Wie weit von dem Wege zum Himmelreiche Gottes hast du dich entfernt!

12 O Herr! Ich glaube, mit diesen gegenwärtig die liebe, schöne Erde bewohnenden Menschen wird wenig mehr zu richten sein! Denn da trägt ja schon fast ein jeder das Gericht des Todes auf seiner Stirne wie in seinem Herzen geschrieben. Wo einmal eine solche gefühllose Härte des Herzens eingetreten ist, wo sozusagen niemand mehr die Not seines Nächsten einsieht, wo die laute Klage des Elends überhört wird vor dem lautesten Prunkgeräusche der Welt - da ist, wie man zu sagen pflegt, Grün und Gras beim Kuckuck. Daher meine ich, daß man da mit dieser geistig beinahe toten Menschheit gar keine besonderen Umstände mehr machen, sondern sie naturmäßig ganz aussterben lassen sollte durch allerlei Seuchen, und nur die wenigen Guten, die hie und da zerstreut wie die Lämmer unter den Wölfen leben, sollte man erhalten, so daß durch sie dann die Erde doch wieder zu besseren Bewohnern käme."

13 Sage Ich: "Du, Mein lieber Freund, hast wohl ganz recht; es ist wahrlich ein Elend, wie es nun in der Welt aussieht! Ich sage dir, ärger um ein bedeutendes als zu Noahs und zu Lots Zeiten! Aber was kann man da anderes tun, als Geduld über Geduld haben!? Lasse sie heute alle sterben, so werden sie im Geisterreiche um kein Haar besser sein als auf der Erde. Läßt du sie aber auf der Erde eine Zeitlang herumzappeln und sie durch ihre Torheit recht elend werden, da gehen dann doch viele wieder in sich und kriechen, wie man sagt, zu Kreuze.

14 Hie und da gibt es dann aber schon auch noch recht wohltätige Menschen, die, wenn sie gleichwohl in besseren Kleidern einhergehen, denn doch ihren armen Brüdern und Schwestern recht viel Gutes tun. Es waren zu deiner Zeit, mein lieber Rudolf, wohl manche recht gute Einrichtungen, aber dafür auch manche wieder recht schlechte. Und so ist es auch jetzt noch der Fall.

15 Ich sage dir: Die Welt war nie gut, sondern stets nur einige wenige Menschen in ihr - und so ist es auch jetzt! Was da einmal schlecht ist, das ist und bleibt schlecht. Auf Dornen und Disteln wachsen keine Trauben und Feigen, und möchtest du sie auch ins beste Erdreich versetzen. Auf Reben und Feigenbäumen aber wirst du stets edle Früchte ernten. Kümmern wir uns daher der Welt wegen auch gar nicht! Je toller und bunter sie ihre Sachen treibt, desto ärger wird sie sich am Ende selbst strafen. Wer hoch steigt und sich am Ende aus den höchsten und steilsten Felsspitzen nichts macht, dem werden die Felsspitzen nur zu bald selbst zu erzählen anfangen, wie hoch und wie lebensgefährlich sie sind. - Wir aber besuchen jetzt nur kranke Menschen. Die Welt aber kümmert uns gar nicht, denn die war, wie gesagt, noch allezeit über die Maßen schlecht. - Gehen wir daher nur wieder weiter!"

258. Kapitel: In Mürzzuschlag. Kaiser Josephs Frage und Jesu Antwort übers Zeitalter der Technik, in dem Glaube und Liebe und darum der wahre Segen fehlen. (Am 3.Okt. 1850)

01 Wir kommen nun gegen den Ort Mürzzuschlag, und alles bewundert das Gebäudewerk in diesem sonst sehr eingeengten Orte, der von Bergen nach allen Seiten hin umlagert ist.

02 Sagt der gleich hinter Mir, sozusagen in Meinen Fußspuren gehende Joseph: "Herr und Vater! Ich war doch auch gerade kein dummer Kerl und hatte große Meister in der Maschinenkunst in meinen Landen. So war z.B. ein gewisser Mälzl, der wahrlich Sachen zuwege brachte, über die jedermann über Hals und Kopf erstaunen mußte. Warum aber fiel damals niemanden diese Maschinenart ein, durch die der Wasserdampf zu der so kräftigen Wirkung gelangt? In meinem Jahrhunderte hat es sonst große Geister gegeben; ja man könnte sagen, daß dies Jahrhundert ein goldenes Zeitalter Deutschlands war; aber die glückliche Benützung des Dampfes war dem Jahrhunderte fremd geblieben. Wahrlich, wenn unter meiner Regierung auch diese Erfindung zustande gekommen wäre, so wäre es auch mit dem reinen Christentume anders gestanden. Freilich hätte wohl daneben der Aberglaube mir so manches zu schaffen gemacht, aber dessen wäre ich schon auch noch Meister geworden. Wäre der Aberglaube einmal besiegt und das finstere Pfaffentum rein zu Boden gestreckt worden, so wäre es dann mit der rein geistigen Bildung ebenso schnell vorwärts gegangen, wie über die zwei eisernen Zeilen die ehernen Wagen dahinrollen.

03 Es ist wirklich eine selbst für Geister nicht uninteressante Sache, zu sehen, wie ihre jüngsten Erdenbrüder Dinge erfinden, die durchaus keine Kleinigkeit sind. - Dort in weiter Ferne entdecke ich nun soeben, wie ein ganzer, langer Wagenzug pfeilschnell sich bewegt. Eine volle Tagreife hätte man zu meiner Zeit gebraucht, um solch eine Strecke zu überfahren. Und nun, während ich hier rede, ist die ganze Strecke schon über die Hälfte zurückgelegt. - Herr! Du mußt denn doch auch irgendeine Freude daran haben, so Deine unmündigen Kindlein auf Erden aus ihrem noch höchst unreifen Verstande so respektable Dinge entdecken und zuwegebringen! Denn diese genaue Berechnung zwischen Ursache, Kraft und Wirkung ist auch etwas, das Deinem Geiste im Menschen große Ehre macht. O Herr, habe ich recht oder nicht?"

04 Sage Ich: "Mein lieber Freund! Du hast wohl recht, und Ich hätte auch eine rechte Freude daran, so die Menschen bei solchen Werken Mir die Ehre gäben und solche Werke auf den Pfeilern der Liebe erbaueten. Aber es denkt von allen denen, die ein solches Werk zustande bringen, kaum einer an Mich und gibt Mir die Ehre. Die ganze Fahrerei ist mit so strengen Gesetzen eingeschränkt, daß nur derjenige davon Gebrauch machen kann, der sich solchen Gesetzen auf das genaueste unterzieht. Er muß zuerst zu der bestimmten Zeit sein Fahrgeld entrichten; ein Pfennig zu wenig schließt dich schon von der Benützung dieser Schnellfahrtgelegenheit aus. Umsonst wird kein Mensch auch nur um eine Elle weiterbefördert.

05 Was wäre es denn, so bei jedem Wagenzuge ein Gratiswagen angekoppelt würde für ganz arme Menschen, denen es eine große Wohltat wäre, so schnell als möglich in ihre Heimat zu gelangen, wo ihrer Not, die sie in der Fremde erduldeten, schnell ein Ende gesetzt würde. Aber so was läßt sich diese Anstalt nicht träumen, geschweige ins Werk setzen. Siehe, so ein Gratiswagen wäre ein Segen für die Unternehmer, und ihre Aktien, die stets sehr schlecht stehen, würden gar bald zu den besten und wertvollsten zu rechnen sein. Aber Ich sage: Solange Arme nicht unentgeltlich Teil daran nehmen dürfen, wird diese Anstalt nie die langerwünschten und stark benötigten Prozente abwerfen. Merke dir diesen Satz: Wo keine Liebe ist, da ist auch kein Gewinn!

06 Denn die Liebe allein nur verschafft den rechten, ausgiebigen und bleibenden Gewinn. Ich sage dir, diese Anstalt, so sie noch lange also bleibt, wie sie nun ist, wird das ganze Land in ein großes Elend versetzen. Ich habe zwar einem irdischen Knechte Meiner Lehre und Offenbarung an die Menschen dieser Zeit - eine neue Art gezeigt. Diese ist gut und vollkommen brauchbar. Aber solange Arme nicht unentgeltlich befördert werden, soll diese Straße von Mir keinen Segen haben, außer den alle Welt im allgemeinen hat.

07 Da aber kommt mit diesem Zuge ein guter Freund von Mir aus Graz, und mit ihm noch einer und noch einer! Diese drei müssen wir segnen. Sie werden uns natürlich nicht sehen, aber in ihrem Herzen sollen sie eine bedeutende Regung verspüren. Es sind aber auch noch drei andere darinnen, die sind auch nicht schlecht, aber doch nicht recht, weder im Glauben noch in der Liebe. Aber dessenungeachtet soll ihnen unser Segen nicht vorenthalten sein. Auch ein Weib sitzt darinnen, die das Vermögen hat, Geister zu sehen, und es würde uns auch zu sehen bekommen, so dessen Auge auf diese Seite gerichtet wäre. Es versteht sich von selbst, daß hier nur von den Augen des Gemütes die Rede ist, auch ihr soll unser Segen zukommen!

08 Und nun, Meine Freunde, ziehen wir wieder weiter! Der für diese schon ziemlich späte Jahreszeit warme Wind aus Osten, auf dessen Flügeln sich Milliarden Geister wiegen in Gestalt der Wolken, aus denen, das nächste Jahr segnend, ein reicher Regen zur Erde fällt, soll unseren wenigen Freunden in Graz anzeigen, daß wir uns diesem Orte nahen. Zuerst werden wir nordwärts von diesem Orte auf einem Hügel unser Lager machen. In der Vollnähe soll dieser Hügel näher bezeichnet werden.

09 Wir kommen nun nach Bruck, einer kleinen Stadt, die aber sehr groß tut. Da werden wir gar keine Siesta machen, sondern gleich fortziehen."

10 Während wir uns nun Frohnleiten, einem zwar gläubigen, aber durch die Liguorianer äußerst verfinsterten Flecken nähern, haben Robert und der Offizier Peter Peter mit ihren beiden Weibern sich vorauszubegeben, um gewisserart in der Nähe des Ortes Graz für mich und die ganze Gesellschaft Quartier zu machen.

11 Heute [Kundgabe und Niederschrift dieses Kapitels am 4. Oktober 1850, d. Ed.] morgen um sechs Uhr sind diese vier Personen in der Nähe von Graz angekommen. Die drei starken Schläge an die Türe bei dir, Meinem Knechte, waren das Signal der Ankunft dieser vier Gäste. Sie machten gewissermaßen einen Abstecher in die Vorstadt und in das von dir bewohnte Haus und weckten dich durch drei starke Schläge an die Türe, um dir anzuzeigen, daß sie angekommen seien. - Von da zogen sie sogleich an den Ort ihrer Bestimmung, der aber erst bei Meiner Ankunft näher bezeichnet wird.

259. Kapitel: Jesus mit den Sein in Frohnleiten. Liguorianisch vernagelte Geister. Am Reinerkogel bei Graz.

01 Wir aber befinden uns nun im Flecken Frohnleiten, allwo uns eine Menge Geister aus der dortigen Pfarrkirche zulaufen und uns sorgfältig ausforschen, woher wir kämen, wohin wir gingen und wer wir wären.

02 Tritt Petrus vor und sagt: "Wir kommen von oben her und ziehen auf eine kurze Frist nach unten, um die verlorenen Schafe und Lämmer zu suchen, die Böcke zu züchtigen und die Wölfe zu verderben." - Sagen die Geister: "Aha, aha, ihr seid also sicher wirkliche Missionäre aus Rom, also vom Papste selbst für dies hochwichtigste Amt geweiht?!"

03 Sagt Petrus: "O meine Lieben! Wir sind wohl Missionäre, aber nicht von eurem blinden Papste dazu verordnet und geweiht, sondern von Gott, dem Herrn Jesu Christo, unmittelbar Selbst. Wer von euch uns folgen will, der wird von uns sogleich aufgenommen für das wahre Reich Gottes. Wer uns aber nicht folgen will, aus was immer für einem Grunde, der wird auf der wüsten Erde belassen werden. Frage uns aber ja keiner mehr, wer wir seien oder wie wir heißen! Denn wer hier nicht unbedingt dem folget, was wir verlangen, der wird nicht angenommen werden."

04 Sagen die Geister: "O so ihr nicht vom heiligen Papste aus geweiht und gesandt seid, da können wir euch unmöglich folgen, denn Gott der Herr hat ja alles ihm in die Hände gelegt. Was er bindet auf Erden, das ist auch gebunden im Himmel, und was er löset auf Erden, das ist auch gelöset im Himmel. Wenn ihr also nicht vom Papste aus hieher gesandt seid, so könnet ihr um so weniger von Gott gesandt sein, sondern von der Hölle, von der alle Ketzer und Protestanten ausgehen und auch frevelhaftigst sagen, sie gehen von Gott aus und Er sei ihr Vater - während doch nur der Gottstehunsbei (Teufel) ihr Vater ist. Ziehet nur wieder weiter! Denn in diesem Orte wächst für euch ebensowenig ein Geschäftchen wie für die Rongeaner (Anhänger Ronges, des Begründers einer von von Rom unabhängigen katholischen Richtung)."

05 Sagt Petrus: "Woher wisset ihr denn, daß der Papst von Gott dem Herrn eine so ungeheuere Macht überkommen hat?" - Sagt ein Weib mit einem zweipfündigen Gebetbuche in der Hand: "Nun, das weiß doch die ganze Welt! Gott hat dem Petrus alle Gewalt gegeben und Petrus hernach einem Papste um den andern. Und darum ist ein jeder Papst gleich so viel wie der heilige Petrus selbst! Hat der Herr das verstanden?"

06 Sagt Petrus: "Das klingt sehr spaßhaft, und das namentlich vor meinen Ohren, da ich doch selbst ebenderselbe Petrus bin, in dessen Hände Gott der Herr die geistigen Schlüssel zum Himmelreiche gelegt hat. Ich weiß nichts von solch einer Übergabe der mir von Gott erteilten Macht an den römischen Papst, wie ich auch nie in Rom meinen Sitz gehabt habe. Paulus, als ein Apostel der Heiden, hat wohl längere Zeit sich in Rom, und zwar unter der tyrannischen Regierung des Kaisers Nero aufgehalten; aber ich, als der wahre und wirkliche Petrus, nie. Wie sollte ich dann einen Papst zu meinem Nachfolger ernannt und ihm alle mir von Gott Selbst eingeräumte Macht übergeben haben?"

07 Schreit das Weib: "Hinweg Satan! Da schaut's einmal den Kerl an! Jetzt will der sogar der heilige Petrus selber sein! Na, so was ist in der Welt doch noch nie erhört worden! Nicht genug, daß sie die Lehre Christi, die der Papst allein hat, als grausliche, höllische Ketzer verwerfen - sie wollen am Ende noch der liebe Herrgott selber sein! Jetzt aber schaut's nur, daß ihr weiterkommt, sonst werdet ihr mit Gewalt hinausgestäubt!"

08 Sage Ich: "Bruder Simon! Da ist vorderhand jede Mühe vergeblich; die brauchen noch zweihundert Jahre, bis sie etwas heller werden. Diese sind von den Liguorianern gehörig vernagelt worden. - Begeben wir uns daher nur wieder weiter! - Nur werde Ich dich zuvor auf ein paar Augenblicke himmlisch erglänzen lassen und zulassen, daß diese Vernagelten dich erkennen. Dann aber werden wir vor ihren Augen plötzlich verschwinden. Dies Gesicht soll ihnen ein Leitstern sein, bei dessen Schimmer sie nach und nach den wahren Weg des Lebens finden sollen!"

09 In diesem Augenblick erglänzt Petrus gleich der Sonne am reinsten Mittage. Alle die Geister fahren vor Schreck auf und zusammen. Wir aber verschwinden. Als die Geister wieder aufwachen und vor uns niederfallen wollen, sehen sie niemanden mehr. Da fangen sie alsbald zu weinen und zu heulen an und verwünschen ihre Blindheit.

10 Aber ein ganzes Gremium von Liguorianern begibt sich, der Kirche enteilend, zu diesen Weinenden, Heulenden und Klagenden, belehrt sie auf streng päpstliche Weise und erklärt ihre ausgesagte Erscheinung für ein Spukwerk der Hölle. - Die Geister aber vergreifen sich an den Mönchen und wollen sie massakrieren. Die Mönche aber nehmen ganz lustig Reißaus und fliehen gleich den Orang-Utans in ihr Kloster. Die Geister lachen sie aus, entfernen sich dann von diesem Orte und begeben sich auf die Berge.

11 So endet die Szene in Frohnleiten; wir aber ziehen nun weiter und werden Abends um 6 Uhr in die Nähe von Graz kommen, und zwar Platz nehmen am sogenannten Rainerkogel, allwo die vier Vorangegangenen schon Quartier gemacht haben.

260. Kapitel: Geisterszene mit ehemaligen Aufsichtsbeamten. Jesus mit den Seinen am Reinerkogel. Heilsuchende Geister aus den Bergeshöhen. (Am 5. Okt. 1850)

01 Auf dem Wege vom Orte Frohnleiten bis in die Nähe von Graz machten wir jedoch noch eine kleine Ruhe, allwo uns eine bedeutende Menge von allerlei bunt durcheinandergemengten Geistern unterkommt, meistens früherer Aufsichtsbeamten, d.h. es sind Seelen verstorbener Aufseher, Grenzwächter, Bahnwächter, auch Polizeiknechte und Gerichtsdiener. Diese stellen sich auf und wollen von uns die Pässe und Passierscheine, ansonst sie uns ergreifen müßten; denn man sei jetzt der Fremden wegen äußerst strenge. Sie könnten zwar nichts dafür; aber weil ihr Gesetz also laute, so können sie bei Verlust ihres Amtes, das ihnen Brot verschaffe, unmöglich anders, als das Gesetz allerstrengst handhaben.

02 Hier treten vom Rudolf von Habsburg angefangen alle Kaiser ganz als Kaiser orniert vor und sagen zur Wachmannschaft: "Reisen bei euch auch Kaiser mit Pässen und Passierscheinen?" - Hier prallt die Wache zurück vor Schreck und Entsetzen; nur einer fragt ganz schüchtern: "Ja, aber wie viele Kaiser regieren denn jetzt auf einmal? Um Gottes willen! Da gibt es ja schon beinahe mehr Kaiser als Untertanen, die ihnen gehorchen sollen! Ja, da ist's freilich nichts mit dem Paßabverlangen! Es könnte ja gar leicht der Kaiser von Rußland dabei sein, und da kämen wir in eine schöne Wäsche!"

03 Sagt ein anderer, der sich so ein bißchen von seinem Schrecken erholt hat: "Aber das kommt mir doch ein bißchen verdächtig vor, daß diese großen Herren zu Fuß daherkommen." - Sagt der erstere: "Dummer Kerl! Sie werden die Bahnstrecke besehen wollen und gehen deshalb zu Fuß." - Sagt ein anderer: "Ja, ja, so wird es sein! Aber wer etwa die anderen sind? Es müssen ihrer gut bei Dreitausend sein."

04 Sagt der erste: "Nur keine dumme Frage mehr! Es wird halt wo ein großer Kongreß sein wegen der Rebellen in Deutschland und wegen der Franzosen und Engländer; und darum kommen jetzt alle Potentaten zusammen und werden sich darüber beraten. Seid nur sogleich alle schön mäuserlstille und rühret euch nicht, sonst können wir morgen alle miteinander zwei Schuh hoch über der Erde ohne Atem in freier Luft schweben. Ich allein werde hingehen und sagen, daß die Majestäten allergnädigst alsogleich allerungehindertst weiter Ihre hohe Reise fortzusetzen geruhen wollen." Die anderen ziehen sich nun sogleich zurück; nur der erste geht hin in der gebeugtesten Stellung und macht stotternd seine obige Anrede.

05 Kaiser Joseph aber sagt zu ihm: "Also du bist bloß darum so amtsstrenge, weil dir dein Amt ein Brot verchafft? Am Gesetze selbst würde dir sicher wenig gelegen sein. Ich sage dir: Du bist ein schlechter Diener deines Herrn. Wer das Gute nicht des Guten wegen tut, der ist nie eines Lohnes wert! Merke dir das! In der Zukunft beachte du das Gesetz des Gesetzes wegen und nie deines Amtsbrotes wegen, so wirst du ein rechter Diener Dessen sein, der das Recht hat, Gesetze zu geben. - Und nun Gott befohlen! Sehe Er, daß Er weiterkommt!"

06 Der Amtsdiener entfernt sich nun, holt bald seine Gehilfen ein und erzählt ihnen, was zu ihm ein sehr strenger Kaiser gesagt hatte. - Die anderen aber sagen: "Seien wir froh, daß wir so gut davongekommen sind! Sie ziehen nun gottlob weiter." - Von diesen Geistern war auch noch keiner reif; aber durch diesen Zusammenstoß haben sie wenigstens einen geheimen Wink erhalten, der sie nachgiebiger macht, und sie ziehen sich nun auch mehr auf die Berge, wo sie zu der Einsicht gelangen werden, daß sie sich nunmehr in der Geisterwelt befinden.

07 Nach dieser Begebenheit ziehen wir denn ganz gemach unter mannigfachen Besprechungen weiter und gelangen genau um sechs Uhr abends, den 4. Oktober 1850, zu dem vorbestimmten Platze - um welche Zeit ihr, Meine Freunde (Jakob Lorber und seine Freunde) euch am Schloßberge befandet und durch allerlei vorübergehende Zeichen in der Form von Sternchen, dann durch ein in euch gewecktes Gefühl, das euch stärkte, durch die Ruhe der Natur, durch die ehrfurchtsvolle Stellung der Wolken wie auch durch die freundliche Beleuchtung und Reinigung des Hügels Meine Ankunft überaus gut und wohl verspürbar habet merken können.

08 Gleich bei Meiner Ankunft fingen Massen von Geistern aller Art an, sich an den Hügel zu drängen. Viele darunter ganz böser Art - diese wurden jedoch schnell gegen Abend hin gedrängt. Die Verdunklung des Plabutschberges durch schwarze Dünste benachrichtigte sogar eure Sinne davon. Ja sogar Satana war unter diesem Auswurfe. - Mehr um den Fuß des Hügels lagerten sich bessere Wesen und baten um eine Verbesserung ihres Loses, die ihnen auch gewährt ward. Nach der Gewährung zogen sie dankbar ab.

09 Daraus kam vom Schöckelberge her eine ganze Legion Geister, noch sehr dem Naturreiche angehörend. Ihre Ankunft mochtet ihr durch eine Feuerröte an der rechten Seite gegen dreiviertel auf sieben Uhr recht deutlich wahrnehmen. Diese verlangten ganz ungestüm die volle Erlösung vom beschwerlichen Bergdienste. Sie wurde ihnen zum Teile gewährt. Und sie gaben sich zufrieden, was ihr durch das verschwinden dieser Helle habet abnehmen können.

10 Daraus kam eine Menge Geister von allen Gegenden der Umgebung dieses Ortes und baten um die Segnung dieser ganzen Gegend. Sie wurde ihnen auch noch vor der siebenten Stunde gewährt. Ihr habt diese Segnung mitempfangen und habt sie durch einen regenbogenfarbigen Lichtausguß übers flache Land sehr wohl merken können.

11 Der Freund And. H.W. hat auch in Gestalt von Sternchen die Anwesenheit der vielen Monarchen gesehen, die sich gegen Süden hin am Berge gelagert haben. Du, Mein Knecht, aber hast gegen Osten hin ganz aus der Höhe einen weißen Lichtschimmer gesehen. Das war Ich zwischen den vier Quartiermachern und den drei Aposteln.

12 Während der Nacht ist noch eine Menge unzufriedener Geister beruhigt und abgefertigt worden. Sie haben sich auch mehr zur Ruhe begeben, was bald, für euch sichtbar, die heitere Nacht zur Folge gehabt hat wie auch den heutigen reinen Morgen und darauf folgenden Tag. - Es werden sich zwar immer noch Wolken zeigen; das sind Geister, die noch immer etwas mehr wollen, als sie schon empfangen haben. Aber ihre Liebe ist noch schwach, daher auch ihr Gewinn nicht stärker.

13 Heute, den 5. Oktober, um halb 10 Uhr, kam eine Schar starker Geister durch die Luft, gab Mir Ehre, Lob und Preis und errichtete Mir schnell ein erhabenes Wohnhaus. "Denn", sagte ihr Anführer, "es ist nicht sein, den Herrn der Herrlichkeit auf dem schmutzigen Erdgrunde weilen zu lassen."

14 Ich aber sagte zu ihnen: "Lasset ab von eurem Eifer! Ich weiß, warum Ich also handle und warum Ich nun die Erde berühre mit Meinen Füßen. Ziehet ein dies Gezelt! Wollte Ich eine Wohnung, so stände sie sogleich Meiner würdig da. Erbauet aber dafür lieber in eurem Herzen Mir ein rechtes Haus, das werde Ich dann schon zur Wohnung nehmen; aber dieses luftige Taubenhaus ist Mir durchaus nicht anständig; daher reißet es nur alsogleich wieder ab, wie ihr es errichtet habt!"

15 Diese Geister taten, wie Ich es ihnen geboten habe, und fuhren dann wieder etwas unvergnügt ab. Du, Mein Knecht, hast es auch gesehen und schlechtweg schnell aufgezeichnet. Die violett-farbigen Wölklein zu beiden Seiten dieses Taubenhauses waren eben die bespochenen Geister, die darauf bald verschwanden oder, besser gesagt, sich zurückzogen.

16 Robert macht soeben die Bemerkung, daß es ihn sehr befremde, daß sich hier solche Massen von allerlei Geistern fortfährend an den Hügel hindrängen, während man in Wien sie eigens habe aufsuchen müssen, um mit ihnen irgendeine Verhandlung vornehmen zu können. Woher denn das komme? Warum hier also und warum in Wien nicht?

17 Ich aber sage zu ihm: "Siehe, das ist ein Gebirgsland. Geister, die auf den Höhen der Berge sich lagern, haben schon eine hellere Sehe und wissen, woran sie sind. Sie kommen daher scharenweise zu vielen Tausenden und bitten um eine baldige Verbesserung ihres Zustandes. Aber es ist noch in manchen eine tüchtige Portion Selbstsucht; daher darf man ihnen auch nur soviel tun, als es gerade zu ihrem Heile unumgänglich nötig ist. Würde man ihnen zu viel tun, so würden sie darauf übermütig und fingen allerlei Spektakel an. So aber, wenn sie mehr in der Dürftigkeit gehalten werden, bleiben sie nüchtern und reifen der Vollendung schneller entgegen. Da wirst du noch so manches in aller Kürze erfahren, was dir bisher noch ganz fremd war. Jetzt aber nur wieder ruhig! Es kommen schon wieder neue Scharen an!"

261. Kapitel: Zustrom von Dämonen und Naturgeistern. Jesus über das Wesen der Berggeister. Jakob Lorber, der Knecht, dem Jesus durch seine Engel diktiert, mit seinen Getreuen im Gesichtskreise der heiligen Gesellschaft. (Am 6. Okt. 1850)

01 Fragt Robert: "Woher sind denn disese, und was wollen sie? O Herr und Vater aller Engel und Menschen! Vergib mir, daß ich Dir fast beständig mit allerlei Fragen in den Ohren liege! Aber ich kann wahrlich nicht umhin; denn was ich da schon für allerlei Wesen gesehen habe, das geht nun schon sogar für uns vollendetere Geister ins beinahe Unglaubliche über. Wahrlich, hier zeigt sich Deine Macht, Würde und Herrlichkeit auf eine vor meinen Augen noch nicht dagewesene Weise! Denn fast überall hast Du Dich wenigstens vor meinen Augen so passiv als möglich verhalten. Alles mußten wir anderen, freilich nur nach Deinem Worte, vollziehen. Hier aber gleichen wir alle nun dem schaulustigen Volke in irgendeiner Komödie, das den Künstler anstaunt und wohl mit dessen Gefühle mitgeht, aber ihn in seiner Kunst sonst nirgendwo unterstützen und ihm behilflich sein kann. - O Herr, sage mir doch, wie denn das nun so kommt in diesem Gebirgslande."

02 Sage Ich: "Mein lieber Bruder! das rührt daher, weil Geister aus Gebirgsländern mit geringer Ausnahme stets mit einer helleren Sehe begabt sind als die mehr abgestumpften der Flachländer. - Diese uns nun zu vielen Hunderttausenden umschwärmenden Geister wissen genau, daß sie sich in der Geisterwelt befinden und machen sich diesen ihnen wohl bewußten Zustand, so gut es nur immer gehen kann und mag, zu Nutzen. Sie sind freilich wohl noch von vielen abergläubischen Dingen umgarnt und sehen nicht selten den Floh für einen Elefanten an. Aber das macht eben nicht viel; denn andererseits sind sie dann aber darum auch fassungskräftiger und begreifen eher einen Wink, als ein Flachländer eine ganz große mit allen Argumenten bestbestellte Unterrichtsrede über den alleinigen Umstand, daß sie gestorben sind.

03 Wo demnach so derbmaterielle Menschengeister vorkommen, dort müsset ihr Mir zuvor wohl den Weg bahnen, weil das Allergeistigste Meiner Ordnung zufolge sich mit dem Materiellen nie sogleich unmittelbar in Berührung setzen kann und darf, und siehe, da eben seid ihr dann als eine Mittelstufe vonnöten. Aber hier, wo die Geister gar wohl wissen, was sie sind, da kann dann schon sogleich Ich Selbst mit ihnen zweckdienlich verkehren, ohne ihnen zu schaden. Wie aber die Bewohner der Berge schon auf der Erde im Grunde bei weitem genügsamer sind und leben, als die nimmer satt werden wollenden Bewohner der Flachländer, ebenso sind auch die Geister, welche die Berge bewohnen. Sie sind leicht zufriedengestellt. So sie bitten, muß man ihnen allezeit etwas tun, und sie sind dann sogleich zufrieden. Gäbe man ihnen aber nichts, so wäre es gefehlt. Denn das würde sie zu sehr traurig und am Ende dennoch wieder sehr ungestüm machen und ihnen alles Vertrauen nehmen.

04 Aus diesem Grunde geschieht es ja auch dann und wann, daß solchen Menschen auf der Erde in den sogenannten Wallfahrtsorten irgendeine erbetene Gnade zuteil wird. Es ist zwar eine solche Zulassung durchaus nicht gutzuheißen, weil sie die Flehenden nur in ihrem Aberglauben bestärkt. Aber lasse Ich so etwas gar nicht zu, so verlieren sie am Ende alles, was nur immer irgend mit dem Namen Glauben belegt werden kann und mag. Und siehe, das wäre dann noch schlimmer. Wenn man nur zwischen einem großen und zwischen einem kleinen Übel zu wählen hat, so ist es doch sicherlich besser, das kleinere als das große zu wählen. Meinst du nicht auch also, Mein Bruder Robert?"

05 Sagt Robert: "O Du mein liebevollster Vater! Das versteht sich ja allezeit von selbst; das kann ja auch gar nicht anders sein. - Aber was wollten denn gestern Abend (nach dem irdischen Kalender) die zwölfe, die so gegen halb sechs Uhr von der Stadt zu uns heraufkamen? - Einen kenne ich wohl schon. Das ist der, der da in Deinem Namen Brot und Wein mit sich brachte. Das ist so ein schwaches irdisches Knechtlein von Dir und schreibt, was Du ihm durch irgendeinen Engel in Deinem Namen in die Feder diktierst. - Aber die anderen waren mir ganz fremd."

06 Sage Ich: "Das waren eben diejenigen wenigen Freunde in dieser Stadt, derentwegen wir hauptsächlich von Wien aus diesen Abstecher gemacht haben. (Die Namen der Zwölfe sind: Jacob Lorber, Andreas Hüttenbrenner und dessen sechs Kinder: Wilhelmine, Julie, Alexandrine, Angelika, Peter und Felix. Dann Cölestin Hüttenbrenner und die zwei Frauen: Mathilde E. und Elenore J.) Siehe, diese lieben Mich und haben einen guten Glauben, obschon sie Mich nicht sehen. Hätte Ich Mich ihnen gezeigt, so hätten sie aus Liebe zu Mir sogleich das Leben ihres Leibes am Berge gelassen. Aber das darf nicht sein in dieser Zeit, sie haben auf der Welt noch manche Arbeit in Meinem Namen zu verrichten. Und Ich habe sie lieb und lasse ihnen noch manche Zeit auf der Erde zu ihrer Vollendung.

07 Sie werden in kurzer Zeit diese unsere Handlung der Welt kundtun. Da werden viele ihr Heil darinnen finden. Aber viele der reinen Weltkinder werden sich darob auch sehr ärgern, werden aber dabei zugrunde gehen naturmäßig und moralisch. Denn solche werden fürder kein Licht unmittelbar aus den Himmeln irgendwo mehr finden. - Hast du aber auch die zwei Weiblein beobachtet, die da mitwaren? Sahst du ihre glühenden Herzen?"

08 Sagt Robert: "O ja, Herr und Vater! Das war wirklich ein paar von solch einer Schönheit, wie ich seit Deiner irdischen Mutter Maria noch keine gesehen habe. Wahrlich, da wäre meine Helena und des Peter Peter Mathilde wohl sozusagen nichts dagegen. Es waren auch die andern fünf sehr himmlisch schön, aber die beiden waren gar ungemein schön und herrlich, aber eine aus den fünfen konnte ich nicht so recht wahrnehmen; sie wandte ihr Angesicht stets von mir ab. Wer war denn die?"

09 Sage Ich: "Das war die irdische Mutter (Elisabeth Hüttenbrenner, gest. 29. Nov. 1848) der vier Töchter und der zwei Söhne des Ans. H.W. (Anselm Hüttenbrenner). Diese aber ist keine Bürgerin der Erde mehr, sondern eine reine Bürgerin der Himmel. Sie wandte deshalb auch stets ihr Gesicht von dir ab, weil ihre zu große Schönheit sogar dir hätte schädlich werden können; denn das ist ein ungemein schöner Engel! Sie wollte bei dieser Gelegenheit auch teilnehmen an der Freude ihrer Familie und fand sich darum auch in dem Kreise ein - natürlich durch Meine besondere Zulassung."

10 Sagt Robert: "Was waren denn hernach das für junge Böcklein, die da ganz ungebärdig auf diese Höhe kamen und einige Minuten lang herumsprangen, als wenn ihnen nur sogleich die ganze Welt zugehört hätte?" - Sage Ich: "Das waren so ein paar naseweise ,Schmeißfliegen' (unreife Naturseelen), die noch einige Überpuppungen werden durchmachen müssen, bis ihre Seele die volle menschliche Form überkommen wird. Derlei Wesen haben vor uns noch keine andere Bedeutung, als die der Schmarotzerpflanzen auf den saftigen Ästen der Fruchtbäume. Daher auch kein Wort mehr über derlei Nullen eines schmutzigen Daseins."

262. Kapitel: Wander-Geister aus dem Sternbild des Hasen. Licht und Liebe und ihre verschiedenen gearteten Wirkungen.

01 Rede Ich: "Wie gefällt dir aber die große Menge von Geistern besserer Art, die uns heute schon am frühesten Morgen in großen Scharen haben zu besuchen angefangen, im Grunde nichts verlangten, sondern uns bloß nur so eine stumme Aufwartung machten, sich hernach gegen Abend hinzogen und aus dem Berge Plabutsch über dem Murstrome eine kurze Ruhe nahmen?"

02 Sagt Robert: "Das waren für mich ganz fremde Wesen. Sie sahen wohl wie Menschen aus, schienen aber sonst kalt und beinahe alles Gefühles bar. - Herr! Was waren sie denn und was hatte sie eigentlich hieher geführt?"

03 Sage Ich: "Das waren Geister aus einem andern Planeten, und zwar nicht eines Planeten dieser vor uns stehenden Erdsonne, sondern einer ganz weit entfernten, die sich im Sternbilde des sogenannten Hasen befindet. Von jener Sonne der nächste nicht unansehnlich große Planet (von ihr beinahe ebensoweit entfernt wie der Merkur von der Sonne dieser Erde) ist dieser Geister Geburtswelt. Wer diese Sonne näher kennen will, der lasse sich das Sternbild des Hasen weisen. In dessen linkem Ohre wird er einen ganz kleinen Stern, kaum fünfter Größe, entdecken; das ist dieselbe Sonne, von deren nächststehendem Planeten diese Geister her sind. Es sind Wandergeister, deren größte Seligkeit darin besteht, stets auf der Wanderschaft zu sein. So sie aber zu dieser Erde kommen, was freilich nur selten der Fall ist, so nehmen sie Ruhe und suchen Bekanntschaft mit Meinen Kindern zu machen.

04 Manchmal geschieht es, daß manche sich hier sogar wieder inkarnieren lassen. Aber in der Anwartschaft, daß sie Meine Kinder würden, gleichen sie dann den neugefangenen Vögeln im Käfige. Sie haben keine Rast und keine Ruhe. Es ist ihnen beinahe unmöglich, bei irgend etwas zu bleiben. Reisen und Wandern ist ihre größte Lust. Wird ihnen diese durch irgend etwas beschränkt, so sind sie dann sogleich sehr unglücklich. Daher ist auch bei ihrem Erscheinen auf dieser Erde selten ein anderer Grund vorhanden, als der dir nun bekanntgegebene; nur diesmal sind sie durch eine dumpfe Ahnung, als sei Ich hier, hieher getrieben worden. Von großer Ferne schon merkten die Weiseren unter ihnen Meine Gegenwart und sind daher hieher geeilt, um Mir die Aufwartung zu machen. - Darin besteht aber auch all ihr Gottesdienst, daß sie zu gewissen Zeiten Gott dem Herrn ihre Aufwartung und ihre Komplimente machen und Ihm bei solcher Gelegenheit einige sehr gezierte Lobesworte vorsagen. Im Reiche des Lichtes ist der Botendienst derjenige, der ihnen am meisten zusagt. - Nun weißt du, was das für Wesen sind und was sie hier wollten."

05 Spricht Robert: "Ja, Herr und Vater! Aber merkwürdig ist das Zusammentreffen der Unruhe dieser Geister mit der Unruhe ebendesselben Erdtieres, mit dessen gerade keinen Helden bezeichnenden Namen dies Sternenbild benamset wird. Das sind also, wie man sagt, so rechte ,Springinsfelde'! - Einige Gestalten unter ihnen waren aber gar nicht übel. Ob es aber weibliche oder männliche waren, das habe ich nicht beurteilen können. Denn wahrlich, sie sahen einander doch alle so ähnlich wie auf dieser unserer Mutter Erde die Sperlinge. Sehen sich denn auf anderen Weltkörpern die Menschen einander ebenso ähnlich wie diese Geister, oder gibt es auch bei ihnen formelle Unterschiede?"

06 Sage Ich: "Geister aus den Sphären der puren Weisheit sehen sich einander stets so ähnlich wie ein Auge dem andern, denn ihr Urbestandelement ist ja nur das Licht, das sich mit höchst wenigen Färbungsverschiedenheiten in allem völlig gleich ist. - Wie aber das pure Licht sich überall sehr ähnlich ist, so sind und sehen sich auch seine Produkte gleich. Nur die Liebe macht das endlos Mannigfache in den Formen aus; das Licht aber nur das höchst Einförmige. Siehe auf dieser Erde den Schnee! Dieser ist ein Produkt des puren Lichtes. Eine Flocke ist wie die andere. Nur so sich viele aneinanderhängen, wird oft eine größer als die andere. Und selbst das geschieht nur dann, wenn zwischen solchen kalten Lichtprodukten etwas von irgendeiner der Liebe verwandten Wärme vorhanden ist, mangelt diese sehr oder ganz, da fallen lauter Flockensternlein von ganz gleicher Größe und Gestalt zur Erde. Also wird auch das Eis stets eine und dieselbe Grundform annehmen, weil dabei bloß nur das kalte Licht als Schöpfer tätig ist.

07 Und so ist alles, was da mehr dem puren Lichte verwandt ist, in seiner Form und Beschaffenheit einförmig; nur das, was mehr und mehr von der Liebe verwandten Wärme in sich birgt, wird mannigfaltiger und verschiedener in der Form. - Es erzeugt freilich wohl auch das Licht (an sich), so es sich sehr potenziert, eine Wärme; aber das ist keine gute, sondern eine böse Wärme, die nicht belebt, sondern tötet. Nur das Licht, dessen Grund die Wärme ist, ist gut: und die Wärme, die aus solchem Licht strömt, ist gut und belebend.

08 Alle reißenden Tiere und giftigen Tiere und Pflanzen sind Produkte des puren Lichtes und dessen nach außen wirkende Wärme, die böse ist und Böses bewirkt bei allem, das da nicht neu gezeugt ist von der Liebe und deren nach innen wirkendem Lichte. Aber bei den Wesen der Liebe wird solches Licht dann auch wieder in Gutes verkehrt und nimmt dadurch seine Urbeschaffenheit wieder an.

09 Aus dieser Erläuterung kannst du nun leicht ersehen und erkennen, warum diese Geister sich einander wie die Sperlinge gleichsehen. Sie sind aber sehr bescheiden, und ihr Verlangen ist nur, fort und fort zu wandern, was da auch entsprechend dem beständigen Fortschreiten des puren Lichtes gleicht. Wie das Licht keine Ruhe hat, sondern in die unendlichen Räume weiter und weiter wandert, also auch seine Geschöpfe. - Es sind aber von Mir solchem Bemühen wohl auch Grenzen gesetzt, wo es dann heißt: "Bis hieher und nicht weiter!" Da gibt es dann aber freilich oft sehr gewaltige Kämpfe, bis solche Wesen zur Ruhe gebracht werden. - Und nun gut von dem! Diese Geister sind nun abgezogen und es kommen schon wieder Legionen anderer her.

10 Heute, als am Montag der Erde, aber werden wir eben nicht viel vornehmen. Auch ist mit diesen Geistern nicht viel zu machen, da sie noch sehr kühler Art sind. Nur am Abende werden wir etwas Wärme unter sie lassen, und sie werden sich dann unter heiterem Himmel wie ein leichter Tauregen auf die Fläche der Erde demütig niederlagern und uns die Ehre geben. - Morgen, als am Dienstag, werden drei Bischöfe dieser Stadt uns besuchen. Da wird es ein bißchen feurig hergehen, aber erst gegen Abend."

263. Kapitel: Drei Bischöfe von Graz auf Wolken. Ein Jesuit als Sendebote. Der von Herrschsucht geschwollene Sebastian und seine 2 besseren Kollegen Waldstein und Arko. Jesu Gericht über die Hochmutsrotte. (Am 9. Okt. 1850)

01 Sagt der daneben stehende Kaiser Joseph: "O Gott! Drei Bischöfe auf einmal, und das aus Graz auch noch dazu! Nun, nun, nun, das wird gehen! Armer Hügel! Diese Last wird dein Haupt vom Angstschweiße triefen machen. Drei Bischöfe, sage aus Graz - auf einmal! O Herr, gedenke der Spektakel in den Katakomben des Domes zu Wien und am Ende in dessen Bethalle selbst; und das waren bis auf meinen Migatzi noch lauter Gleichgesinnte. Das aber ist bei den Grazer Bischöfen von jeher der löbliche Brauch, daß ein Nachfolger stets ein abgesagter Feind seines Vorfahrers war. Ich weiß es aus meiner irdischen Lebensperiode, wie gerade in dieser Stadt ein nachfolgender Bischof stets die Einrichtungen seines Vorgängers in einem oder dem andern Punkte als rein verdammlich erklärte. Nun drei solche hund- und katzische Bischöfe mit ihren Leibgarden auf einmal! - O Herr und Vater, greife jetzt nur recht tief in Deinen heiligen Schatzkasten der Gnade und Erbarmung! Sie wird uns allen im höchten Grade vonnöten sein."

02 Sage Ich: "Ja, ja, du Mein lieber Freund, dürftest zwar nicht ganz unrecht haben! Aber unter den dreien gibt es nur einen Hauptrenitenten, die anderen zwei sind ein paar ganz guter Geister. Da kommen sie schon als Okkupanten (Insassen, Bewohner) einer auch für Fleischesaugen ersichtlichen Wolke, deren besonders gegen die nördliche Seite hin dunkle Färbung es nur zu deutlich bekundet, welcher Beschaffenheit ihre Passagiere sind. Die beiden Besseren haben zwar nur eine kleine Leibgarde, die aber, wie man in der Welt sagt, fest bei der Hand ist.

03 Aber der eine im Hintergrunde voll stark nächtlichen Dunkels hat eine starke Leibwache bei sich, die geradeso fühlt, denkt und will, wie er selbst; ja sie imitiert ihn sogar im Atemholen und Kopfdrehen. Beobachte ihn nur, wie stolz er daherfährt auf seiner dunklen Wolke, die von der vorigen, lichteren etwas entfernt ist - als ob er über Himmel und Erde zu gebieten hätte! Was sagst du zu solch einem Benehmen? Er ist nun bei drei Jahre ein Bewohner dieser Welt und weiß, daß er es ist, ansonst Er nicht auf den Wolken einherführe. Aber er hat von seiner ultramontanen Gesinnung auch noch um kein Haarbreit in etwas Wenigem nur nachgegeben. Er ist noch in pleno (durch und durch) ein päpstlicher Hausprälat. Diese Würde nimmt ihm so leicht niemand. Denn das geht ihm bei weitem über Petrus und Paulus und Johannes, auch um sehr vieles über Maria und Joseph. Denn nach seinem allerborniertesten Glauben gilt vor Gottvater natürlich ein Bischof, besonders von seinem Kaliber, dreihundertvierundsechzigmal soviel als die Maria selbst, die Christum in ihrem Leben nur einmal gebar, während er Christum schon für seine eigene hochpriesterliche Person wenigstens dreihundertfünfundsechzigmal in einem Gemeinjahre und natürlich dreihundertsechsundsechzigmal in einem Schaltjahre gebiert und daher auch in solch einem Jahre dreihundertfünfundsechzigmal mehr wert ist als die Maria; der anderen Geistlichen nicht zu gedenken, die seine Hand zu tagtäglichen Christusgebärern gemacht hat, welche Christusgeburten aber natürlich ihm wie eine Tantieme zugutekommen und seinen Wert vor allen Engeln ums Unglaubliche erhöhen. Und in einem solchen Hochwertsgefühle fährt er nun langsam zu uns herüber und erwartet von uns die ehrerbietigste Aufnahme. - Wie gefällt dir dieser Geist?"

04 Sagt Joseph: "Wahrlich ein nettes Exemplar von einer allerborniertesten Dummheit! Den solltest Du, o Herr, denn doch ohne weiteres in irgendeine Selchanstalt (Räucherkammer) geben! Denn so ein Kerl gäbe ja doch eine sehenswerte Rarität in irgendeinem wie immer bestellten Museum ab. Nein, ist aber das ein Kerl!"

05 Sagt auch Robert: "Ich habe von diesem Zeloten sogar bis nach Sachsen die seltsamsten Stücke vernommen und bedauerte sehr die vor uns liegende Stadt und dies wahrhaft paradiesisch schöne Land, daß es von solch einem Finsterlinge in kirchlicher Hinsicht beherrscht und noch dümmer gemacht wird, als es ohnehin schon seit dem allen gebildeten Steiermärkern nur zu bekannten Kaiser Ferdinand war. Dieser verschmitzte Kerl von einem Bischofe wußte sich bei dem Hofweibervolke einzuschmeicheln und einzunisten, setzte auf diesem Wege unter der Schürze alles durch und bildete sich so nach und nach du einem förmlichen Kirchentyrannen aus. Er vergrößerte seinen Hofstaat mit vielen in dieser Stadt und in diesem Lande schon lange aufgehobenen Orden, die er wieder einführte, und empörte dadurch gar viele besser und heller Denkende im geheimen aus das äußerste. Er, dieser Kerl, hat zu dem Aufstande des Jahres 1848 nicht Geringes beigetragen, und es ist wahrlich jammerschade, daß er auf der Welt den vollen Ausbruch nicht erlebt hat. So ein paar Katzenkonzerte hätten ihm für seine Bemühungen durchaus nicht schaden können. Ist das ein Kerl gewesen und ist es wahrscheinlich auch noch in diesem Reiche!

06 Jetzt aber schwebt er schon über uns und tut, als bemerke er uns gar nicht. Was will er denn mit seiner fortwährenden Zweifingerkreuzschlagerei? Und was sollen seine roten Strümpfe, seine weiße Bischofsmütze, sein goldener Mantel und sein silberner Hirtenstab für eine Bedeutung haben? Auf der Erde war das wohl ein Blendwerk für blinde Menschen, aber hier im Geisterreiche, wen will er denn hier damit breitschlagen?"

07 Sage Ich: "Nur eine kleine Ruhe nun, Meine lieben Kinder, Freunde und Brüder! Wir werden ihn bald hier haben, und er wird uns zu tun geben. Sehet, er entsendet schon einen Dienstbaren! Gebet acht! Aus seiner Frage werdet ihr es leicht erkennen, wie der ziemlich hoch über der Erde schwebende Bischof nun über uns denkt. - Er ist da, daher jetzt nur aufgepaßt!"

08 Ein unverkennbarer Jesuite und noch ein Helfershelfer mit ihm treten ganz keck vor uns hin und der erste fragt: "Was seid ihr denn für ein elendes Zigeunergesindel, daß ihr vor einem von Gott mit aller Macht ausgerüsteten Kirchenfürsten, so er auf den Himmelswolken, die Erde segnend, einherzieht, nicht einmal die Hüte abnehmet und augenblicklich auf eure verdammlichen Knie niedersinket?"

09 Sage Ich: "Du sagst, dieser Bischof sei mit aller Macht von Gott ausgerüstet? Wenn es so wäre, da müßte Ich denn doch auch etwas davon wissen! Und ob die Wolke, auf der er steht und schwebt, gerade eine Himmelswolke ist, auch davon weiß Ich nichts. Und doch sollte Ich es am ersten wissen."

10 Spricht der Jesuit: "Warunm gerade du, Zigeunerbube? Dir wird es der große Gott gerade auf die Nase binden, du dummer Zigeuner du! Weißt du denn nicht, daß alle Zigeuner von Gott schon auf der Welt für ewig verdammt sind?" - Sage Ich: "Nein, Mein Lieber! Auch davon weiß Ich keine Silbe. Und doch sollte Ich am allerersten etwas davon wissen. Merkwürdig, was du doch alles weißt, und Ich nicht! Und doch sollte Ich bei weitem mehr wissen als du! - Sage Mir, warst du denn zugegen, als Gott diesem Bischofe solch eine unbegrenzte Macht über die Erde eingeräumt hat?"

11 Sagt der Jesuit: "Gott erteilt solche Macht stets unsichtbar. Man muß ihre Gegenwart erst aus den mannigfachen Wirkungen erkennen. Gott aber wohnet im unzugänglichen Lichte, und außer den heiligen ersten Engeln, die stets um Seinen Thron auf Seine Befehle harren und "Heilig, heilig, heilig!" rufen, darf niemand sich Ihm nahen. Verstehst du die Tiefe dieser Weisheit?"

12 Sage Ich: "Scheint eben nicht sehr tief zu sein, diese deine Weisheit! Und Ich muß dir schon wieder gestehen, daß Ich von all dem nichts weiß. Merkwürdig! Aber das weiß Ich wohl, daß dein Bischof Sebastian ein Ochs ist und du ein Esel! Tiere, eben nicht böser Art, aber über alle Maßen dumm. - Für uns alle, wie wir da sind, ist Gott nicht unsichtbar, sondern sehr sichtbar und wohnt durchaus nicht im unzugänglichen Lichte, sondern in einem gar sehr zugänglichen. Nur den auf der Welt noch sehr stark im Fleische Lebenden muß Gott wegen der Willensfreiheit der angehenden Menschen unsichtbar bleiben, solange sie nicht des Geistes volle Wiedergeburt erlangt haben. Er bleibt aber auch Geistern eures Gelichters unsichtbar, weil ihr nicht rein und wiedergeboren seid. Und Er ist daher für euch noch sehr stark im unzugänglichen Lichte wohnend und wird es noch hübsch lange bleiben."

13 Sagt der Jesuit: "In welcher Gegend sehet ihr demnach Gott?" - Sage Ich: "Gerade in derselben, in der ihr Ihn nicht sehet und noch lange nicht sehen werdet! Und so Er euch auch schon auf der Nase säße, so werdet ihr Ihn aber dennoch nicht erkennen, auf daß ihr Ihn dann sähet. Gehe hin zu deinem blinden Bischofe und sage ihm: Hier wohnt das Heil der Menschen! So er auch ein Mensch ist, so komme er her, gebe Gott die Ehre und nehme teil am Heile der Menschen - sonst dürfte er samt euch allen zum Anteile des Todes gelangen! - Sage ihm: Gott der Herr braucht keinen Seine Macht okkuppieren wollenden Weltsegner. Er segnet die Welt schon Selbst. Der Bischof solle nur sein eigenes Herz mit aller Demut segnen und nicht hochtrabend auf den Wolken herumfahren, als wenn er selbst die Welt erschaffen hätte! - Sage ihm, Gott der Herr Selbst wandle nun auf der Erde umher und es schicke sich daher gar nicht, daß sich ein schlechter Knecht der Wolken bedient. Gehe und sage ihm das!"

14 Sagt der Jesuit: "Wer bist denn du zigeunerähnliches Wesen, daß du es wagst, dich gegen mich, einen Gottesdiener, und gegen eine kirchenfürstliche Autorität also keck zu gebärden, als ob du selbst die Kirche eingesetzt hättest? Ich frage dich, du unheimliches Zigeunerwesen, wer bist du, und wer diese deine Gesellschaft?"

15 Sagt Joseph geheim zu Mir: "O Herr, du lieber Vater! Meine Geduld wird nun schon so dünn als wie ein allerfeinster Spinnenfaden. Sie reißt ohne weiteres im nächsten Augenblicke, so sich dieser Feind des freien Liebelebens in Dir nicht bald aus dem Staube machen wird."

16 Sage Ich: "Sei du, lieber Freund, nur ruhig und ärgere dich nicht! Kannst du von einem Esel wohl je etwas anderes verlangen als das nur, was in die Tätigkeitssphäre eines Esels gehört? Er hat nun schon vernommen, was er tun soll. Will er das, so ist es wohl und gut, und will er es nicht, nun, so wird es wohl noch ein Mittel geben, dieses Lasttieres loszuwerden."

17 Sagt der Jesuit: "Bekomme ich eine Antwort oder nicht?"

18 Sage Ich zu ihm so ziemlich gewaltig: "Nein, hebe dich, sonst wirst du gehoben werden!"

19 Auf diese gewaltigen Worte macht er ein sehr saures Gesicht, entfernt sich zu seinem Bischofe hin und gibt ihm, beinahe bis zur Zehenspitze mit dem Kopfe gebeugt, alles kund, was er allhier gesehen und gehört hat, natürlich zu seinem großen Überdrusse. - Sehet aber nun den Bischof an, was der nun für ein gelehrtes und echt episkopalisch (priesterlich) weises Gesicht macht, als ob er in sich beschlösse: »Soll ich die Erde noch leben lassen, oder nicht? Und gibt es keine Blitze mehr, daß ich sie schleudere unter diese frevelnde Menge?!« Es fällt ihm aber eben nichts Brauchbares zur Kühlung seiner Rache ein; daher macht er Miene, unverrichteterdinge weiterzuziehen.

20 Aber nun umringen ihn die zwei anderen Bischöfe mit ihrem ganz ehrenhaft aussehenden Gefolge. Und der große, namens Waldstein (Wallenstein), sagt zu ihm: "Freund, Kollega! Was ist es mit dir? Was willst du tun? Erkennst du die lichte Schar denn nicht, die da unten die Kuppe des Hügels mit ihrer Gegenwart seinend deckt? Siehst du denn nicht so klar und deutlich wie eine Sonne am Mittagshimmel Chritum den Herrn, drei Seiner ersten Apostel, alle Kaiser aus dem Hause Habsburg, den berühmten Erzbischof Migatzi und noch eine große Menge vollendeter Geister?"

21 Hier wird der Bischof Sebastian ganz glühend vor Zorn und sagt: "Ich kenne euch beiden Ketzer! Das kirchliche Verderben, das ihr in diesem Lande angerichtet, habe ich zwanzig Jahre hindurch nicht auszumerzen vermocht - und ihr wollet mich Christum kennen lehren?! Mich, der ich ganz erfüllt bin von seinem heiligen Geiste und die Schlüssel zum Himmel und zur Hölle in meinen Händen herumtrage? Wer kann Christum wohl besser kennen als ich?"

22 Sagt Waldstein: "Freund! Ich sage dir, wenn du eine solche Rede führst, so hast du Christum nie gekannt und wirst Ihn auch nie kennenlernen! Denn mit solch einem Hochmute wandelt der Geist des Herrn nimmer. - Du bist und warst noch nichts als ein herrschsüchtiger, stolzer Pfaffe und hast dich behufs dessen auch gehörig mit einer schwärzesten Pfaffenrotte umgeben, um durch die Masse zu deinem vorgesteckten Ziele zu gelangen, weil es dir dazu an der Kraft des Verstandes allzeit gemangelt hat. Aber der Herr machte dir einen gewaltigen Strich durch die Rechnung. Und du hast durch deine Mühe gerade nur das Gegenteil erreicht von dem, was du eigentlich hast erreichen wollen, nämlich eine allerabsoluteste Pfaffenherrschaft über die ganze Erde! - Und du gibst uns vor, daß du ein Alleinbesitzer des Heiligen Geistes seist!? - O du elender Wicht! Du bist wohl im Alleinbesitze des Höllengeistes, welcher Lüge und Hochmut heißt; aber den Geist Christi hast du noch nie erkannt, denn du bist ja ein abgesagter Feind dieses Geistes."

23 Auf diese energische Rede Waldsteins wird Sebastian stets glühender und ebenso auch sein sehr zahlreiches Gefolge. - Waldstein und Arko (Graf Arko, Bischof zu Graz) aber senken sich nun zur Erde nieder. - Als sie die Erde berühren, entsende Ich sogleich den Robert an sie, auf daß er sie zu Mir führe. Sie gehorchen sogleich und begeben sich in tiefster Ehrfurcht zu Mir hin. Ich gehe ihnen aber schon bis zum halben Wege entgegen und führe sie Selbst auf die Kuppe des Hügels.

24 Allda angelangt wollen Waldstein und Arko auf ihr Angesicht zu Boden sinken. - Ich aber stärke sie sogleich und verhindere sie daran und sage: "Freunde! Das ein anderesmal! Nun aber haben wir viel wichtigere Dinge vor uns. Dieser Sebastian hat recht böse Absichten und will der Erde Übles zufügen. Heute ist Donnerstagabend; am Mittwoch ruhte er und auch wir. Heute noch will er auf der Erde der großen ihm angetanen Beleidigung wegen alles ihm Unterkommende verheeren. Aber Ich habe bereits schon den starken Friedensgeistern einen Wink gegeben. In dieser Nacht noch wird er geknebelt samt seinem großen Anhange zur Erde niedergeschleudert und dort gehörig abgekühlt werden."

25 Spricht Waldstein: "O Du heiligster Vater! Wie wird das wohl zugehen, und wie werden wir es erkennen mögen, da wir noch sehr viel Blindheit in uns haben?"

26 Sage Ich: "Hebet eure Augen empor und sehet die weißen Geister des Friedens, wie sie schon von allen Seiten her sich in bester Ordnung aufstellen! In Blitzesschnelle werden jene Wüterriche unter Sebastian samt ihm geknebelt an den Boden der Erde geschleudert werden. So ihr morgen die hohen Berge rings umher mit Schnee bedeckt erschauen werdet, so wisset und saget: Da liegt Sebastian in seinem Triumphe auf dem besten Zornfeuer-Abkühlungsapparate, nämlich unter der Decke, die ihm die Friedensgeister vom Norden zu einem nützlichen Präsente hergebracht haben."

27 Sagt Waldstein: "Also hat der Schnee denn doch auch eine geistige Bedeutung?"

28 Sage Ich: "O sicher! - Alles was nur immer auf der Erde in Erscheinlichkeit tritt, hat durchgängig zuerst eine geistige Wichtigkeit, dann erst eine auch naturmäßige. - Nun aber gebet nur acht; die wilde Jagd wird sogleich beginnen!"

264. Kapitel: Die Gefangennahme des hochmütigen Sebastian durch die Friedensgeister. Die Schneedecke als Sondergericht für Meuterer gegen die Gottesordnung. (Am 12. Okt. 1850)

01 Die beiden Bischöfe Wadstein und Arko verwundern sich sehr darüber und erheben mit ihrem ganzen, höchst demütigen Anhange ihre Augen aufwärts. - Als sie aber kaum den Sebastian ins Auge fassen, ist er schon ein Gefangener der Friedensgeister samt seinem Anhange. Er bäumt und krümmt sich nun wie ein getretener Wurm und schleudert einen Fluch um den andern auf das Haupt dieser Geister, die so frevelnd keck sind, sich an ihm, als einem Manne nach dem Herzen Gottes, zu vergreifen. Aber das kümmert Meine Friedensgeister nicht. Ihre eiserne Gemütsruhe läßt sie all das Toben und Schimpfen ganz überhören. Sie handeln wie ein Uhrwerk und lassen auch nicht im geringsten mit sich handeln.

02 Der Bischof Waldstein sagt: "O Herr, das kommt mir geradeso vor, als so ich auf der Erde nicht selten einer Kreuzspinne zugesehen habe, wie sie die Fliegen in ihrem Netze gefangen hat. In einem Nu war die Fliege von allen Seiten her umgarnt und somit vollkommen gefangen. So scheinen es auch diese famosen Friedensgeister nun getan zu haben. Sie müssen schon früher ganz unsichtbar ein Netz weit und breit ausgespannt haben; sonst wäre es mir kaum begreiflich, wie sie nun mit dem Sebastian und dessen Anhange gar so plötzlich haben fertig werden können. - Aber wie der Sebastian nun flucht und seine Schar mit ihm! Das ist ja ganz unerhört!"

03 Sage Ich: "Ist nichts Neues von Wesen seiner Art! Hat er doch schon auf der Welt jeden in den Grund der Hölle verflucht, der nicht nach seinen Noten pfeifen und tanzen wollte - wie sollte er dann hier anders handeln können gegen jeden Geist, der es wagt, seinem Hochmute in die Nähe zu treten. O das ist ein dummböser Pfaffe, ein Geist, der in der größten Gemütsruhe eine Million Menschen als Ketzer auf dem Scheiterhaufen mit einer wahren Wollust hätte verbrennen sehen können. Das macht ihn nun aber auch so wütend, weil er sich nirgends mehr Luft machen kann.

04 Sehet, wie die Geister ihn nun durch die Luft gegen Obersteier hinschieben. Sie werden ihn auf einer Hochalpe versorgen; die geringeren Geister aber auch auf niedereren Gebirgshöhen, als da sind die des Schöckels, des Rabenwaldes, des Kulms und noch einer Menge anderer. - Sehet, nun haben sie schon die Höhen erreicht! Und sehet nun, wie die Rücken der Berge grau und nach und nach weißer werden? - Wie gefällt euch das?"

05 Sagt Waldstein: "Diese Geschichte sieht wahrlich etwas traurig und düster aus! Wie lange werden diese Geister wohl unter solch einer Kühldecke zu verbleiben haben? Etwa gar ewig?"

06 Sage Ich: "O mitnichten! Sobald sie zur Einsicht aus sich selbst gelangen, daß sie grundfalsch und irrig daran sind, und sich in ihren Herzen an Mich wenden, da sollen sie von solch einem Gerichte sogleich befreit werden; aber eher auch nicht um eine Sekunde Zeit! Der Sebastian aber wird schon noch unters Eis der Gletscher gebracht werden müssen, bis er gehörig abgekühlt wird; denn der hat des Hochmuts viel in sich und ist dabei sehr dumm, so daß er seinen Hochmut am Ende sogar für gottesverdienstlich ansieht. Mit solchen Narren ist es schwer weiter zu kommen, aber dessenungeachtet dürfen wir ihnen gegenüber unsere Geduld, Gnade, Liebe und Erbarmung nie auf die Seite setzen, weil sie denn doch auch unsere Brüder sind, für deren Heil wir vorzüglich sorgen müssen."

07 Spricht Robert, der hinter den beiden Bischöfen die Szene der Gefangennehmung und der Weiterbeförderung des Sebastian und dessen starken Anhanges betrachtet hatte: "Herr, Du allgütigster, bester Vater! Ich sehe nun, so weit mein Auge reicht, alle Berge und Höhen mit Schnee bedeckt. Sollte das alles dieses Sebastians wegen also sein? - Alle höheren Berge Steiermarks, Kärntens, Tirols, Salzburgs sind durch und durch hoch überschneit. - Das kann denn doch wohl unmöglich alles des Sebastians falscher Grund und Boden sein!"

08 Sage Ich: "Das freilich wohl nicht. Aber solcher Narren, wie er einer war und noch ist, gibt es in allen Landen gar viele. Bei diesen Geistern aber geht die Sache wie durch eine elektrische Kraftverbindung. So auch in einem allerverborgensten Winkel irgendein Geist in was immer erregt wird, so werden im selben Augenblicke alle Geister gleicher Art erregt und in die besondere Tätigkeit versetzt. Ist diese in irgend etwas Meiner Ordnung schroff zuwider, so werden dann auch alle solchen Geister auf einmal in allen Landen gepackt und zurechtgewiesen durch ganz taugliche Mittel. Aber mit dem Besserwerden geht es dann nicht also gleichartig und plötzlich wie mit dem gleichzeitigen Erregtwerden zum Bösen; sondern da geht es dann sehr allmählich vorwärts, beinahe also, wie wenn auf einem Felde tausend Menschen in Reih und Glied stünden und durch einen Erdstoß plötzlich umgeworfen würden. Fallen werden sie sicher alle zugleich; aber mit dem Aufstehen, was dann natürlich einem jeden frei zusteht, wird es wohl schwerlich also gehen. Einige werden sich sogleich wieder aufrichten; besonders so sie durch den Fall keine Verletzung erlitten haben. Andere hingegen, die sich mehr oder weniger beschädigt haben, werden sich mühsam erst nach und nach ganz langsam emporzurichten anfangen. Und einige, die dabei schwer verletzt worden sind, die werden zum Aufstehen wohl sehr viel Zeit und Mühe brauchen. Ja einige darunter werden als Totgewordene liegen bleiben. Und siehe, gerade also geht es auch bei diesen Sondergerichten! Gefangen werden sie alle sozusagen auf einmal; aber frei werden sie nicht also, weil das Freiwerden nicht von einer äußeren Macht, sondern rein nur von ihrer eigensten Lebenskraft abhängt.

09 Also ersiehst du denn auch nun wie auf einen Schlag alle Berge voll Schnee, der da eine Kühldecke ist für zu hitzige Geister, aber im eigentlichsten Sinn des Wortes und der entsprechenden Bedeutung nach (sich darstellt) als die erscheinliche Kraft der Friedensgeister. Wenn diese Kraft zu rechter Zeit dann wieder von den Geistern zurückgezogen wird, so zerfließen die mitgefangenen Naturgeister als Wasser. Die unter diesen Naturgeistern aber gefangenen wirklichen Geister werden dann wieder frei und können tun, was sie wollen. Wenden sie sich dem Guten zu, so ist es eben gut und wohl für sie; wenden sie sich aber wieder dem Schlechten zu, nun, so ergeht es ihnen denn auch natürlich wieder nicht anders als schlecht. - Verstehst du das?"

265. Kapitel: Jesus über Naturgeister und über die Sternenelemente in Menschenseelen. Wie aus Gott auch unlautere Wesen sich entwickeln können. Besuch der 17 alten Prälaten von Rein. Verschiedenerlei Arbeiter im Weinberge. ("m 14. Okt. 1850)

01 Sagt Robert: "Herr, das verstehe ich nun ganz klar. Aber Du hast soeben auch etwas von den Naturgeistern gesprochen, die dann, so die drückende Kraft der Friedensgeister nachläßt, als Wasser zerfließen. Wer und was sind denn eigentlich diese Geister?"

02 Sage Ich: "Das sind geistige Spezisikalpotenzen oder einzelne Ideen Meines Herzens. (Ur-Lebensfunken aus Gott) Wenn sie durch allerlei Kleingerichte gehörig vorbereitet und durch allerlei ihnen gegebene Tätigkeiten in Meiner Liebe ausgegohren sind, dann werden sie auch in (materielle, pflanzliche und tierische) Formen gehüllt und werden am Ende ihres Kreisweges zu Seelen der Menschen mit aller Intelligenz, auf daß in ihnen dann Mein eigenster Liebegeist zu einem mit solchen Seelen auf ewig unzertrennbar verbundenen Wesen werde.

03 Deine Seele ist auch so etwas, nur eben nicht von dieser Erde, sondern von einer andern. Etwas davon, das mit dem Fleische deinem Leibes zusammenhing, ist wohl von dieser Erde hinzugekommen; aber im ganzen gehörst du zu den Seelen der Erdenwelt, die da heißet Uranus.

04 Es haben wohl alle Seelen auf dieser Erde etwas aus allen Sternen in sich; aber vorherrschend bleibt nur das, was sie aus der Natur derjenigen Erdenwelt haben, auf der sie zuerst als vollständige Menschenseelen ausgebildet worden sind. Begreifst du nun, was es mit den Naturgeistern für eine Bewandtnis hat?"

05 Spricht Robert: "Ja, mein Herr, mein Gott und mein Vater! Diese Sache ist mir nun ganz klar! Nur begreife ich noch immer nicht so ganz klar, wie aus Dir, der Du doch in allem das vollkommenste Wesen bist, auch unlautere und unvollkommene Wesen hervorgehen können; denn es kann ja doch nichts irgendwo dasein, was nicht aus Dir hervorgegangen ist!" - Sage Ich: "Freund! Denke nach, diese Sache habe Ich schon bei einer früheren Gelegenheit ganz hell gezeigt. Rufe es in dir hervor und dir wird alles klar sein."

06 Spricht Robert: "Ach ja, richtig, richtig, ich weiß es schon. Wo Du, o Herr, uns den Unterschied zwischen Deinen Gedanken und Ideen kundgetan hast! Ja, ja, nun weiß ich es schon. - Jeder Gedanke an und für sich als die Grundlinie zu einer Idee ist rein. Aber weil man aus den Grundlinien, die an und für sich immer rein verbleiben, auch unlautere Bilder formen kann, so sind die Bilder oder die Ideen schon darum Nummer 2 (zweiten Ranges) und mehr unlauter als die (Ur- oder Grund-) Gedanken, weil sie Unreines darstellen können, was natürlich bei den Grundlinien an und für sich unmöglich ist; denn eine pure Linie bleibt Linie; aber nicht also eine Figur, die durch Kombination der Linien entsteht. - Ja, ja, also ist es, jetzt ist mir alles klar!

07 Aber, Herr! Heute ist schon Montag, und wir haben außer der Besichtigung der Bischof Sebastianschen Geschichte eben nicht viel anderes getan, gesehen und gehört. Wie wäre es denn, wenn wir einmal auf einige Stunden einem andern Punkt irgendeinen kurzen Besuch macheten?"

08 Sage Ich: "Du sorgest gut; aber heute werden uns siebzehn Prälaten aus dem Stifte Rein besuchen, mit denen haben wir etwas abzumachen. Morgen erst werden wir auf einige Stunden einen andern Ort besuchen; welchen aber, das wird euch erst beim Aufbruche kundgetan werden. - Nun aber verhalten wir uns alle ganz ruhig, denn die siebzehn Prälaten sind schon auf dem Wege zu uns her."

09 Sagt der Bischof Waldstein: "Wenn sie nicht zu sehr aus der früheren Zeitperiode sind, so dürfte ich etwa wohl jemanden aus ihnen erkennen?" - Sage Ich: "Das wirst du kaum; denn diese gehören alle der ersten Periode der Entstehung dieses Stiftes an. Die deiner Zeitperiode Angehörenden sind noch lange nicht reif, um dahin gelangen zu können, wo wir uns befinden. - Aber nun kommen sie ganz ernsten Gemütes daher. Darum wollen denn auch wir sie ganz ernstlichen Angesichtes empfangen und ihnen zeigen, daß auch wir ein gutes Recht haben, uns auf dieses Hügels Kuppe aufzuhalten, solange es uns beliebt.

10 Dieser Hügel gehörte einst ganz diesem Stifte zu und war südwestlicherseits mit kleinen Rebanlagen und Winzereien kultiviert, während die nördliche und östliche Seite der guten und bequemen Jagd wegen stets bewaldet blieb; aber in der späteren Zeit hat sich da freilich manches geändert und ist gar manche Besitzung aus den Händen dieses Stiftes gekommen. Diese siebzehn Prälaten aber sind in ihrer Idee noch stets im Vollbesitze alles dessen, was einst zu diesem Stifte gehörte. Auf diesen Hügel waren sie sehr stolz und sahen es nicht gerne, so er von Weltlichen besucht wurde, und das bloß wegen der Wildhege, denn da wurden die Rehe und Hirsche förmlich gemästet und sonach als noch lebend für den Prälatentisch zubereitet. Diese siez~ehn meinen, wir seien verkappte Wilddiebe, aus welchem Grunde sie denn auch so ernsten Angesichtes und Gemütes auf uns zueilen, willens, uns von dieser Höhe zu verschrecken. Aber wir werden uns denn nicht so leicht verschrecken lassen! - Gebet nun acht! Sie kommen uns schon sehr in die Nähe. Die Hetze wird sogleich angehen."

11 Sagt Robert: "Herr, wäre für diese Helden etwa nicht die Helena, die sich nun stets mit der Mathilde-Eljah und mit dem Peter-Peter bestens unterhält, wegen ihrer bekannten Wiener Schroffheit zu gebrauchen? Die könnte diesen hirsch- und rehsüchtigen Dummköpfen so recht auf Plattdeutsch die Wahrheit ins Gesicht schleudern." - Sage Ich: "Wäre hier nicht rätlich, denn diese siebzehn verstehen das Wienerische nicht und sind ungeheure Zeloten, bei denen das "Omnia ad majorem Dei gloriam" (Alles zur höheren Ehre Gottes!) noch sehr stark gang und gäbe ist. Sie stammen aus den Zeiten der sogenannten heiligen Inquisition. Man würde sie sehr böse machen, so man ihnen eine Gelegenheit böte, die in ihrem Gemüte jenen schlummernden Eifer weckete, durch den so viele treue Seelen aus das empörendste ad majorem gemartert worden sind. Was konnte man aber tun? Diese Pfaffen waren wirklich so dumm, zu glauben, daß sie durch solche gräßliche Handlungen Gott einen angenehmen Dienst erweisen. Und je strenger und unerbittlicher so ein Pfaffe war, für desto näher bei Mir und für desto heiliger auch dachte er sich und ward auch von allen anderen Finsterlingen dafür gehalten. - Redet daher in Gegenwart dieser siebzehn gar nichts! Verhaltet euch ganz teilnahmslos, als gäbet ihr gar nicht darauf acht, was Ich mit ihnen abmachen werde. - Aber jetzt nur ganz ruhig! Sie stehen schon vor uns und messen uns mit echt inquisitorischen Augen."

12 Nach dieser Rede tritt sogleich ein Prälatus, zu seiner Zeit titulierter und auch gewesener Primas regni und Salvator Hierarchiae periculis circumdatae (Oberster Landeshirte und Retter der von Gefahren umgebenen Kirche.) hervor. Dieser Erzpapist mißt Mich vom Kopf bis zur Zehe nach echt pfäffischer Art mit abgewandter Brust verächtlichen Blickes über die linke Achsel und sagt nach einer Weile: "Wer erlaubte euch, diese heilige Höhe zu betreten und mein Wild scheu zu machen, das ebenfalls heilig ist, weil es für die eifrigen Diener Gottes bestimmt ist? - Rede, sonst gibt es Loch, Tod und Verdammnis!"

13 Sage Ich: "Der Herr der Welt hat überall das Recht Sich niederzulassen, wo immer es Ihm beliebt, und hat nie vonnöten, die weltlichen Scheinbesitzer um die gnädige Erlaubnis zu bitten. Und so hat Er Sich denn auch jetzt das freie Recht genommen, ohne euere Erlaubnis hier Platz zu nehmen, und das darum, weil dieser Hügel von allen in der ganzen Umgebung dieser Stadt der durch schmähliche Handlungen der argen Menschen am wenigsten entheiligte ist. - Ich bin Christus der Herr! Bin gekommen, der argen Welt ein Gericht zugeben und Meinen getreuen Bekennern Meine Gnade, Vergebung ihrer Sünden und das ewige Leben. Wer Mich erkennt, annimmt und sich an Mir nicht ärgert, der soll nicht zugrunde gehen! Wer sich aber an Mir ärgert und nicht glaubt, daß Ich bin der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende, das Alpha und das Omega, der wird verlorengehen. - Nun wisset ihr alles, was euch vor allem zu wissen not tut. Was werdet ihr nun tun?".

14 Sagt der Primas: "Gib uns ein Zeichen und wir wollen Deinen Worten glauben." - Sage Ich: "Es gibt der Zeichen viele vor euren Augen - betrachtet sie und sie werden euch Licht schaffen! Denn ihr seid gerade nicht böse, aber dafür sehr blind und dumm. Wisset ihr wohl schon, daß ihr alle lange schon gestorben seid?" - Sagt der Prälatus, Primas regni, minister Caesaris, protector custos salvatorque ecclesiae sacrosanctae: "Wie, was, wer, wer ist gestorben? Wie, wo und wann? Cur? Quomodo? Quando?! (Warum? Wie? Wann?) Lebe ich etwa jetzt nicht? Bin ich tot? Wer vermag mir denn das zu beweisen? Weder Plato, Sokrates noch der göttliche Aristoteles! - Also Zeichen und Beweise für alles, sonst sollet ihr alle als Gauner und Wilddiebe eingesperrt werden!"

15 Sage Ich: "Nur nicht so hitzig, Meine Lieben, sonst könntet ihr Mich auch in eine Hitze bringen, und bei der könnte es euch wohl etwas zu warm werden! - Weil ihr aber denn doch schon eine so mächtige Furcht habt für euer Wild, das nur bloß noch in eurer Einbildung und sonst nirgends mehr existiert, so wollen wir alle auf eine kurze Zeit von etlichen Stunden diesen Hügel verlassen und auf den Berg Schöckel uns begeben. Dort werden euch auf einige Augenblicke die Augen geöffnet werden, damit ihr sehen sollet, ob ihr wohl noch Herren des Stiftes Rein seid oder ob dieses nicht schon lange von einem ganz neuen Prälaten dominiert und administriert wird."

16 Sagt der Primas: "Was?! Auf jenen montem altissimum Stiriae (höchster Berg der Steiermark) sollen wir uns hinbegeben, den wegen seiner Höhe und wegen der vielen Hexen und bösen Geister, die dort ihre Burg haben, noch nie eines Sterblichen Fuß betreten hat?" - Sage Ich: "Ich habe euch schon gesagt, daß ihr zwar wohl gerade nicht böse aber dafür ganz ungeheuer dumm seid. Und eben darum müsset ihr dorthin, um von drei Hauptdummheiten, die eure Sehe gefangen halten, geheilt zu werden, und zwar zuerst von der wahnsinnigen Meinung, als lebtet ihr noch auf der Erde, und fürs zweite, daß der Schöckel bei weitem kein höchster Berg dieses Landes ist und daß dort weder Hexen noch böse Geister hausen. Darauf erst werdet ihr einsehen, daß auch dieser Hügel durchaus nicht mehr euer Eigentum ist, das Stift gegenwärtig auf der Fläche dieses Hügels ganz verzweifelt wenig mehr besitzt und daß es hier auch durchaus kein sogenanntes Rotwild mehr gibt und man daher auf diesem Hügel durchaus keinen Wilddieb machen kann."

17 Spricht der Primas: "Wie werden wir aber da hinaufkommen auf solch eine erschreckliche Höhe? Da werden wir ja mehrere Tagreisen brauchen!" - Sage Ich: "O nein! Das werden wir nicht. Zum Beweise, daß auch ihr nun nicht mehr Leibes-, sondern Geistmenschen seid, werden wir diese Reise in einem Augenblicke zurücklegen. Ich sage bloß: Es sei! - Und sehet, wir sind auch schon da, wohin zu ziehen ihr meintet, daß wir mehrere Tagreisen werden verwenden müssen. Nun, wie gefällt es euch hier?"

18 Sagt der Primas ganz verblüfft: "Ah, ah, das ist stark! Ja, wie sind wir denn gar so plötzlich hierhergekommen? Das war nur ein Zucker! Wie ein Blitz schießt, so kam es mir vor, sind wir vom Reinerhügel hierher übersetzt worden. Ja, ja, jetzt fängt mir schon ein Lichtel an aufzugehen! Wir alle siebzehn sind wirklich schon vor vielen Jahren leiblos geworden. Aber daß uns das nicht früher eingefallen ist! Wir hätten es ja doch aus dem abnehmen können, daß dieses Stift doch nie mehr als nur einen Prälaten gehabt hat, und wir waren unser siebzehn und etliche, die später dazugewachsen sind. Ist aber doch merkwürdig, wie man eine so geraume Zeit dumm und blind sein kann! - Was dahier für eine herrliche Aussicht ist! Alles schön frei! - Und jetzt merke ich wohl, daß es noch viel höhere Berge gibt, als dieser Schöckel da ist - und von Hexen und bösen Geistern keine Spur! - Ja, ja, wir müssen jetzt aber schon diesem wunderbaren Führer sehr zu danken anfangen! Ist er auch etwa doch nicht so ganz Christus der Herr Selbst, so wird er aber dennoch ein sehr mächtiger Geist sein, der von Gott aus an uns gesandt ist, um uns zu erlösen von unserer Dummheit." - Hier fallen alle vor Mir auf ihr Angesicht und loben Gottes Kraft in Mir.

19 Robert aber fragt: "Herr! Was habe ich denn eigentlich mit diesen gemein?" - Sage Ich: "Es sind auch Uraniden (Seelen aus dem Planeten Uranus) wie du und darum sehr hartnäckig. Und du mußt sie darum auch aufnehmen in dein Haus. Kennst und verstehst du nun den Grund und die Ursache dieser Erscheinung?"

20 Spricht Robert: "Ja, Herr und Vater! Jetzt verstehe ich den Grund und die Ursache freilich wohl. Sind etwa die früheren Geister, mit denen wir schon auf jener Höhe dort unten waren, auch meine Ur-Landsleute?" - Sage Ich: "Nein, das gerade nicht; aber sie sind dir in der Liebe gleichartig und gehören deshalb auch in deinen Verein. Denn Ich sage dir: Du bist von nun an ein Hauptpfeiler eines neuen Vereines. Das ist ein Lohn, der allen jenen zuteil wird, die auf der Welt aus einem redlichen und guten Grunde in Meinem Weinberge gearbeitet haben."

21 Bemerken die beiden Bischöfe ganz demütig: "Herr! Wir haben ja doch auch in Deinem Weinberge gearbeitet. Sollen wir hier denn nicht auch irgendein Ämtchen zu versehen bekommen?" - Sage Ich: "Ihr waret zwar auch Arbeiter; aber die Welt gab euch darum einen guten Lohn. Dieser aber arbeitete ohne weltlichen Lohn; für seine Mühe aber ward er von der Welt mit dem Tode bezahlt, und das macht einen großen Unterschied zwischen euch und ihm. - Er ist ein Märtyrer; seid ihr es auch? Er ist gefallen als ein Opfer seiner Liebe für die Brüder; seid es auch ihr?"

266. Kapitel: Bischöflicher Heiligenwahn. Gut ist Gott allein, alle andern Wesen sind Geschwister. Finstere Geister und arme kranke Seelen nahen sich und finden zweckvolle Behandlung. (Am 18. Okt. 1850)

01 Sagen die beiden Bischöfe zugleich wie aus einem Munde: "O Herr, da sind wir freilich gegen ihn reine Nullen! Denn uns ist es, außer in einer Krankheit, wohl nie schlecht gegangen auf der Erde. So dieser Sohn Deiner Liebe, o Herr, dieser Robert, aber ein großer Geist vor Dir ist, da wird er uns denn doch vergeben, so wir unwissendermaßen ihm viel zuwenig die ihm gebührende Ehre bezeigt haben. Wir werden das in der Zukunft schon allerreichlichst einholen, was wir bis jetzt in der kurzen Zeit unseres Beisammenseins verabsäumt haben. Nur begreifen wir nicht, wie wir solcher unendlichen Gnade haben würdig befunden werden können, in den Himmelsverein eines so großen Heiligen aufgenommen zu werden. Denn wie groß muß der sein, der stets so nahe an Deiner Seite wandelt und handelt nach Deinem Willen und stets in allem von Dir belehrt wird!"

02 Sage Ich: "Ihr waret doch recht achtbare Bischöfe auf der Erde und redet nun gerade, als so ihr bei irgendeiner griesgrämigen alten Betschwester wenigstens zehn Jahre hindurch in die Schule gegangen wäret. Wer ist denn ein Heiliger bei Mir? Wisset ihr denn nicht, daß es außer Gott niemanden gibt, der da heilig wäre. Gott allein ist heilig und gut; alles andere aber ist Bruder und Schwester, und der Geringste ist stets der Größte in Meinem Reiche. Die Ehre aber gebührt nur Gott allein; alles andere hat sich zu begreifen und zu erfassen nur in und durch die Liebe!

03 Nun aber lassen wir das Weitere; denn wir haben eine ganze Ewigkeit vor uns, und in der wird sich noch so manches aufklären lassen. Wir sind nach irdischem Maße nun schon bei drei Stunden hier auf dieser Höhe, und die siebzehn Prälaten liegen noch auf ihren Angesichtern. Nun muß ihnen geholfen werden, und wir müssen dann schnell wieder auf unseren Hügel eilen. Dort befinden sich einige unserer irdischen Freunde und verlassen nun auch schon den Hügel; aber das macht nichts; unseren Segen, der an dem Hügel haftet, haben sie dennoch empfangen. Jetzt also an die Prälaten!

04 Stehet auf, ihr siebzehn Brüder des Stiftes Rein! Ihr habet nun neue Augen empfangen, zu schauen das rechte Licht und zu begreifen die Wahrheit. Darum kehret das neue Licht eurer Augen nicht in der Erde finsteren Boden, sondern beschauet mit eurem Lichte das Licht alles Lichtes und verstehet und begreifet es!"

05 Hier erheben sich die siebzehn und schauen ganz voll Staunens um sich herum. Und der Primas als der Wortführer sagt: "Herr, Gott und Vater! Nun erst erkennen wir es ganz, daß Du es bist, von dem alle Himmel und alle Erden voll Herrlichkeiten der Herrlichkeiten zeugen. O Vater! Was sollen wir denn nun tun, um Deiner über alles heiligen Nähe würdiger zu sein?" - Sage Ich: "Von nun an Mich lieben über alles - da euere Liebe zu Mir euer wahres ewiges Leben ist - und alle Brüder und Schwestern wie euch selbst; denn die gegenseitige Bruder- und Schwesternliebe bedingt eure Seligkeit. Je mehr ihr der wahren tätigen Liebe euch gegenseitig gemäß Meiner ewigen Ordnung erweisen werdet, desto seliger werdet ihr sein!

06 Alle Himmel mit allen ihren Seligkeiten ohne Zahl und Maß und Namen gehen aus der gegenseitigen wahren Nächstenliebe hervor - so wie im Gegenfalle auch alle Qualen und Martern der Hölle aus der Eigenliebe. Gäbe es keine Eigenliebe, so gäbe es auch keine Hölle und auf der Erde keinen Krieg, keine Hungersnot und also auch keine Pest, weil aber die Menschen voll Selbstsucht sind und voll der aller verderblichsten Selbstliebe, aus der die Hölle gemacht ist durch die Menschen und nicht etwa durch Mich, so müssen sich solche Menschen auch all das Üble gefallen lassen, was da hervorgeht aus der Eigenliebe und aus der Selbstsucht.

07 Wohl ist zwar noch der alte Satan Fürst der Hölle, wie er auch ihr erster Gründer war; aber er hat schon lange die Macht nicht mehr, die Menschen zu verderben; und die Menschen sind nun schon seine Meister geworden. Seit die Menschen allein von ihrem höchsteigenen, freiesten Willen abhängen, gibt es recht viele unter ihnen, zu denen der alte Satan in die Schule gehen könnte; besonders unter dem hohen römischen Klerus und unter den Jesuiten, wo sie noch irgendeinen Bestand haben. Ich kenne welche, vor denen sogar der Satan einen solchen Respekt hat, als wie eine nervenschwache furchtsame Jungfrau vor einer Klapperschlange. Solche Wesen aber nennen sich auch ,Diener Gottes'. - Wie gefällt euch das?"

08 Sagt der Primas: "Herr! Erschrecklich; erschrecklich ist, so etwas aus Deinem Munde zu vernehmen!" - Sage Ich: "Ja wohl, aber es ist einmal also, und es läßt sich dagegen vorderhand nicht viel tun. - Nun aber wird es halb sechs Uhr; darum kehren wir wieder auf unseren Hügel zurück.

09 Es sei! Es geschehe! Und sehet, da sind wir nun schon wieder. (auf dem Reinerkogel) - Aber nun erhebt sich über der Stadt eine dichte Wolke, und aus allen Friedhöfen dieser Stadt erheben sich leichtere Nebel. - Was meinet ihr, was das zu bedeuten hat?" - Alle sagen: "Herr, wir wissen es nicht. Deute uns das!"

10 Sage Ich: "Das schwarze Gewölk über der Stadt ist ein Gremium (eine Gesellschaft) von wenigstens zehntausend Mönchen und anderen Pfaffen, die seit 400 Jahren sich hier in dieser Gegend aufhalten und zufolge ihrer groben Blindheit auch nirgends einen Ausweg finden konnten. Darunter gibt es auch einige Bischöfe, Prälaten und Pröbste. Diesen werden wir nun Flöße geben und sie samt und sämtlich stromabwärts in die Gebiete des Schwarzen Meeres befördern; denn hier würden sie mit der Weile gar manches Unheil zu stiften beginnen, da sie nun bei dieser besonderen Gelegenheit Meiner persönlichen Anwesenheit etwas wacher und sehender geworden sind. Im Meere werden sie nach etlichen hundert Jahren wohl ganz zu sich selbst kommen, und es wird dann mit ihnen schon etwas zu machen sein. - Die leichten Nebelchen über den Friedhöfen aber enthalten ganz arme, kranke Seelen, die nach Heilung dürsten. Denen soll auch in dieser irdischen Nacht vom Mittwoch bis zum Donnerstag völlig geholfen werden. Ich will, daß sie sich uns nahen sollen. Und sehet, sie fangen an, sich gegen uns her zu bewegen!"

267. Kapitel: Wer Arme aufnimmt, der nimmt Jesus auf! Heilung, Bekleidung, Speisung und Tröstung bedürftiger Seelen. Die liebende Jungfrau. (Am 19. Okt. 1850)

01 Spricht Robert: "Herr und Vater! Je mehr Gäste sich unter das Dach meines Hauses ziehen, desto größer wird meine Freude und Seligkeit. Aber nur möchte ich wieder wissen, wie diese Seelen des Steierlandes mit mir in irgendeiner Entsprechungsverwandtschaft stehen? Sind das etwa auch Uraniden?" - Sage Ich: "O nein! Das sind sie nicht und brauchen es auch nicht zu sein. Das sind Arme, und als solche stehen sie dir ja wohl am allernächsten. - Auch hier gilt der Grundsatz: »Wer einen Armen aufnimmt in Meinem Namen, der nimmt Mich auf«. Ich meine, Bruder Robert, darin liegt wohl ein allerkräftister Hauptgrund, warum Ich es zulasse, daß auch solche arme Seelchen in deinem großen Hause eine rechte Aufnahme finden sollen."

02 Sagt Robert: "O Herr und Vater! Dann nur alles, was da arm ist auf der Erde, in mein Haus denn an Raum im selben fehlt es wahrlich nicht. Wenn in einem Hause Sonne, Mond und Sterne und die ganze Erde platz haben, da können wohl auch gar viele Arme Platz finden. Ja, wo Du, o Herr, Dich Selbst schon so lange fast ununterbrochen aufhältst, da hat die ganze Unendlichkeit Platz in Genüge."

03 Nach dieser guten Bemerkung Roberts kommen mehrere Tausende von armen Seelen, lagern sich in gedehnten Reihen um den Hügel und bitten um Hilfe und um eine rechte Genesesung von ihren mannigfachen irdischen Übeln, die an der Haut ihrer Seele noch von der losen Welt her hängengeblieben sind. - Diese Bitte wird auch alsogleich erhört und ins erwünschte Werk gesetzt. Sogleich bekommen diese Seelen ein ganz gutes Aussehen und werden mit weißen Kleidern angetan, wovon der männliche Teil grün verbrämt und der weibliche rot verbrämt erscheint.

04 Nachdem die Armen alle so gut hergestellt sind, wird von uns aus ein Bote an sie gesandt mit der Weisung, sie alle auf die Höhe des Plabutschberges zu führen, allwo sie schon alles nötige, wie Milch, Brot und Wein, finden werden. Denn solche schwachen Geister müssen zuvor mit der geistigen Milch gesättigt werden, damit sie aus solcher Kost so viel Kraft erlangen, um bald darauf Brot und Wein vertragen zu können. Der Bote aber ist einer der Einnehmer, der uns in Wien zuerst folgte. Er bringt sie alle in schneller Bewegung auf die Höhe dieses vorbezeichneten Berges, wo die Armen alles in der reichsten Bereitschaft antreffen, was ihnen not tut.

05 Als sie - zum ersten Male im Geistesleben - gesättigt sind, da können sie nicht genug danken und wissen nicht, was sie dem Boten Liebes und Angenehmes tun sollen. Dieser aber verweist sie gar sehr freundlich auf Mich, den alleinigen Geber aller guten Gaben und zeigt ihnen an, daß Ich Selbst sie bald besuchen werde und sie da mit ihren Augen zum erstenmal Gott, den Herrn, ihren Schöpfer und Vater sehen und von Ihm Selbst für ewig werden gesegnet werden. Als sie das vernehmen, da ist es völlig aus vor Freude bei ihnen.

06 Ein Wesen aber von ungewöhnlicher Schönheit, eine Jungfrau, wird ganz schwermütig, als sie die Nachricht von Mir erhält. Ihr Herz, das schon auf dieser Welt stets nach Mir gekehrt war, wird voll Feuer, und ihre Liebe zu Mir wird heftiger und heftiger, so daß sie sich nicht zu helfen weiß. In einem äußerst sanften Tone sagt sie zum Boten: "Edler Freund meines allergeliebtesten Jesus! Ich bitte dich, führe mich zu Ihm hin! Ich lebe nur für Ihn. Er allein ist mein alles, Er ist mein Gott, mein Vater, meine Liebe.!!"

07 Sagt der Bote: »Meine allerschönste, teuerste Schwester! Siehe, ich bin nur ein Knecht des Herrn und darf nur das tun, was mir vom Herrn geboten wird. Aber ich kehre nun eben zum Herrn zurück und werde Ihm allerinständigst dein Anliegen vortragen. Sei ganz versichert, ich werde deiner nicht vergessen; denn du hast dich auch in mein Herz zu wundertief eingegraben, und ich weiß kaum, ob du daraus je wieder den Ausweg finden wirst; daher kann ich deiner ja unmöglich vergessen. Lebe wohl unterdessen, vielleicht sehen wir uns schon in wenigen Augenblicken wieder.«

08 Hiemit verläßt der Bote die schwermütige Schönste und begibt sich zurück. Als er aber kaum den halben Berg herabkommt, sieht er sich um und sieht die Schwermütige ihm nahe auf der Ferse folgen. Da bleibt er stehen und sagt: "Aber meine himmlisch Schönste, was tust du? Du weißt denn ja doch, daß ich nicht mehr tun darf, als wie weit mir ein Gebot gegeben ist, warum verfolgst du mich denn?" - Sagt die Jungfrau: "O Freund! Hast du denn auch ein Gebot erhalten, mich auf meinem Wege aufzuhalten?" - Sagt der Bote: "Nein, das gerade nicht!" - Sagt die Jungfrau: "Nun, so lasse mich gehen den süßen Weg meines Herzens!"

09 Der Bote weiß auf die Äußerung der Schwermütigen nichts weiteres mehr zu erwidern, sondern geht ganz naturmäßig seinen Weg weiter. Aber kaum ein paar hundert Schritte weiter, an der Stelle, wo es auf halber Höhe des Berges auf dem gewöhnlichen durch den Steinbruch führenden Weg der Stadtbewohner bei der »schönen Aussicht« heißt, komme Ich Selbst, und zwar diesmal ganz allein, dem Boten entgegen, der Mich demn auch gleich ersieht und erkennt und Mir auch sogleich seine Not mit der Schwermütigen klagt, die ihm nachgehe, obschon er es ihr gesagt habe, daß er dafür kein Gebot erhalten habe, sie nach sich wandeln zu lassen.

10 Ich aber sage: "Hat sie dir denn nicht gesagt, daß sie dir nachwandle den süßen Weg ihres Herzens? Sie liebt Mich über alles und möchte an deiner Seite desto eher dahin gelangen, wo Ich als der einzige Gegenstand ihrer Liebe Mich befinde. Das mußt du in der Zukunft dir wohl recht sehr merken: Wo du solche Liebe findest, da darfst du ihr ja nie mehr den Weg zu Mir verwehren wollen! Denn wo solch eine Liebe in einem Herzen wohnt, da wohnt auch schon die Vollendung des Geistes. Wo aber ein Geist die Vollendung in sich trägt, da trägt er auch schon Mich in sich und kann ohne Furcht und Scheu sich Meiner eigentlichsten freien Wesenheit nahen. Wer selbst zum Feuer geworden ist, darf das Feuer nimmer fürchten. - Wo ist nun die Geliebte Meines Herzens?"

11 Sagt der Bote etwas betroffen: "O Herr! Etwa ein paar hundert Schritte hinter mir wird sie nun höchstwahrscheinlich klagen und weinen, weil sie sich denn doch nicht getraut hat, mir weiter zu folgen, obschon ich es ihr gerade weiter nicht mehr widerraten habe." - Sage Ich: "Ei, ei, Mein lieber Freund, das darfst du jawohl nicht mehr tun! Siehe, die Arme leidet nun viel. Darum führe Mich ja augenblicklich zu ihr hin!"

12 Sagt der Bote: "Wohl weißt Du, o Herr, wo die Arme, in der Liebe zu Dir beinahe sterbend, Deines Wortes: »Komme zu Mir Geliebte!«, harret, und hast noch nie eines Führers benötigt. Aber Du, o Herr, hast es mir nun befohlen, und so wage ich es also, zu tun, wie da lautet Dein heiligster Wille, von dem das Sein aller Wesen abhängt."

13 Nach diesen Worten geht der Bote voran, und Ich folge ihm, und in einigen irdischen Sekunden Zeit sind wir beide an Ort und Stelle. - Da finden wir die Liebste auf ihren Knien, ihr himmlisch-schönes Antlitz nach oben gekehrt und mit gefalteten Händen schluchzend und weinend und dazwischen also betend: "O Du meine alleinige, ewige Liebe. Du mein Jesus. Du mein Gott und mein Herr! Wie lange schmachtet mein Herz schon nach Dir, und noch immer kann ich nicht zu der Gnade gelangen, nur eine Minute lang Dein heilig Angesicht zu schauen. Ich muß zwar gestehen, daß mir während der sicher schon mehr als zwölf Jahre in dieser Geisterwelt nichts abgegangen ist. Ich hatte recht viele Freuden an den guten Seelen, die sich von mir über Dich, o mein Herr, und über Dein heiliges Wort haben belehren lassen. Alle diese meine geliebten Schüler sind mir nun auch gefolgt und harren bei etlichen Tausenden auf dieses Berges Höhe dem Herrn. Alles, alles haben wir getan, was wir, o Gott, aus Deinem Worte nur immer entnehmen konnten, das uns zur Anschauung Deines Angesichtes bringen könnte. Im letzten Stadium unseres Seins in dieser Welt fingen wir sogar zu fasten und uns förmlich zu kasteien an, aus sicher purster Liebe zu Dir, die stets mehr und mehr unsere Sehnsucht nach Dir belebte. Aber es war bis jetzt alles vergebens. O Gott, o Vater! Zeige uns doch aus deiner stets so überschwenglich großen Gnade, welche Sünden denn an uns und ganz besonders an mir noch kleben!

14 Auf der Welt war ich in den etlichen letzten Jahren meines Lebens eine recht angesehene Frau, ward adelig, weil mein alter Gemahl adelig war, und genoß gar manche Auszeichnung. Aber ich habe mir darauf nie etwas eingebildet. Einem Lehrer meiner Tochter habe ich wohl ein ziemlich Unrecht angetan, das war ein grober Undank von mir; denn er war ja wie von Dir in der Zeit der größten Finsternis als ein Licht vom Himmel in mein Haus gesandt und lehrte mich durch Wort und durch gewählte, außerordentliche Lektüre, Dich, den heiligen Vater, in der Fülle der Wahrheit erkennen. Aber wie oft habe ich diesen Fehler bereut und beweint, wie oft heimlich auf der Erde noch und wie oft hier!

15 Die Ewigkeit ist ja lang, o Herr; gib mir nur die Gnade und die Gelegenheit - ich will alle meine irdischen Fehler und Gebrechen in Deinem allerheiligsten Namen gutmachen. War ich auf der Erde leider keine Jungfrau, so bin ich es aber doch hier; denn bis jetzt hat mich noch kein männlicher Geist anrühren dürfen. Meine Liebe zu Dir, o Vater, war meine stets mächtige Beschützerin! - O du Bote, du harter Bote des Himmels, der du mich dir nicht folgen ließest, wann, wann wirst du wiederkehren und mir Nachricht bringen von Dem, den allein ich über alles liebe?! Du warst wohl sonst ein lieber Bote; aber hart, sehr hart warst du!" - Nach diesen Worten fängt sie wieder an zu weinen und verhüllt das Gesicht mit ihren Händen.

268. Kapitel: Die zwei Boten bei der neuen Maria. Gleichnis von den Kleingewächsen und der Eiche. Ein edler Herzenswiderstreit. Vom geistigen Zustand der Erde. Vollendung durch Gnade.

01 Ich aber trete nun zu ihr hin und sage: "Maria! Siehe der Bote ist schon wieder zurückgekehrt - darum weine micht! Der Bote ist wohl genau, aber hart ist er nicht." - Hier tut die Angeredete schnell ihre Hände von ihrem Angesichte und erhebt sich vom Boden, uns beide etwas verwirrt ansehend. Nach einer kurzen Pause sagt sie ganz schüchtern: "Nun sind aber zwei Boten da; derwelche bringt mir die süßeste Nachricht von Dem, den allein ich liebe über alles? Wo ist Er, der die Liebe Selbst ist? Wann werden meine Augen zur Anschauung Seines allerheiligsten Antlitzes gelangen?"

02 Sage Ich: "Nur noch eine kleine Geduld, Meine geliebte Tochter! - Siehe, der Herr ist wie ein recht kluger Gärtner, der die weniger schön geratenen Früchte von seinen Bäumen eher einliest und in seine Kammer legt, auf daß sie dort die Vollreife erlangen, die schönen Früchte aber länger am Baume hängen läßt, auf daß der Süßstoff in ihnen sich mehre und der Geist und das Leben reif werde in der Fülle in dem Keime, den das Samenkorn in sich birgt. Ebenso wird auch das Kleingras der Erde in kurzer Zeit reif, aber es besteht darum auch nur eine kurze Zeit. Wann dann kommen des Winters Fröste und gewaltige Stürme, da stirbt es bald und behält nur ein schwaches Leben in der von der Erde bedeckten Wurzel.

03 Die Eiche aber braucht viele Jahre, bis sie ein zum Früchtetragen fähiger Baum ist. Ist sie aber einmal als ein fruchtfähiger Baum in der Fülle wohlgereifter Kraft da, dann können Stürme und des Winters Fröste um sie toben mit aller Gewalt, so trotzt sie ihnen wie mit eherner Brust, erhaben über solch Toben und Wüten. Und siehe, also bist auch du nun durch ein etwas längeres Harren zu einer vollreifen Frucht und zu einer Eiche geworden, und es wird dir nun ein leichtes sein, die Nähe Gottes zu ertragen, die niemand ertragen kann, so er nicht zuvor in sich den göttlichen Geist (d.h. die Seele durch den ihr eingepflanzten göttlichen Geist) in allem völlig Gott ähnlich gemacht hat auf den von Gott Selbst gezeigten Wegen, die du wohl kennst. Du hast es aber nun dahin gebracht, bist mächtig geworden in der Liebe und bist auf diese Art nun vollreif im Geiste der Liebe zu Gott. Und deshalb sind wir beide denn auch zu dir hierher geeilt, um dich als eine köstliche Frucht einzulesen für die Speisekammer des Herrn. - Aber jetzt wollen wir vorerst noch auf die Höhe zu deinen Jüngern und Jüngerinnen gehen und ihnen eine frohe Botschaft bringen!"

04 Spricht die Maria: "O lieber Freund! Deine Stimme klingt unnennbar lieblich und deine Weisheit durchleuchtet wie eine Sonne alle meine Irrsale. Wahrlich, o du himmlischer Freund, du allein wärest fähig, mir auf noch zwölf Jahre und vielleicht auf noch länger die Verzichtleistung auf den Anblick meines Herrn Jesu Christi erträglich zu machen. Denn wahrlich wahr, weiser und angenehmer und stärkender und belebender kann ja doch schon fast unmöglich der Herr Selbst redem. O nur gar so himmlisch gut, sanft und lieb siehst du aus! Möchtest du es mir denn nicht gestatten, daß ich dich anrührete? Mich drängt es allergewaltigst darnach!"

05 Sage Ich: "Nun, so komme her und lasse dich von Mir aus die Höhe geleiten! Bei dieser Gelegenheit wirst du Mich wohl anrühren können. Meinst du denn, daß du Mir etwa minder angenehm seist, als Ich dir? Denke dir nur so etwas nicht! Denn viel eher, als du Mich geliebt hast, liebte Ich dich mit aller Lebensglut Meines Herzens! Aber hier ist der Ort nicht, um dir ganz förmlich alle Seiten Meiner Liebe darzutun. Auf der Höhe werden wir uns erst näher kennenlernen und uns auch unsere gegenseitige Liebe ganz eingestehen."

06 Maria tritt nun zu Mir, ganz zerknirscht vor Liebe, ohne zu wissen, daß Ich eigentlich schon der Rechte bin. Als sie Meinen Arm berührt, da sinkt sie vor Wonne beinahe zusammen und sagt: "Freund, lasse ab von mir! Ich bin viel zu schwach, um deiner Liebe zu widerstehen. Du könntest mir noch alle Liebe zu Jesu dem Herrn nehmen und an dein Wesen hinziehen." - Sage Ich: "Das macht nichts. Ich und der Herr werden uns deinetwegen schon aufs beste ausgleichen!"

07 Sagt Maria: "Ja, ja, ach ja wohl wirst du das tun können; aber meinem Herzen kann es am Ende dennoch nicht gleichgültig sein, ob ich den Herrn Selbst oder nur einen Seiner zahllos vielen, großen Freunde liebe. Und doch kommt es mir nun schon so vor, daß ich außer dir beinahe kein Wesen mehr lieben könnte. Ich balle mein Herz zu einem Knäuel zusammen, ich zwinge und drücke es zu Gott hin und finde da dennoch nirgends einen Grund. Meine Liebe verliert sich mehr und mehr im Unendlichen; ja ich kann mich nun, seit ich bei dir bin, im Herzen noch so zu Gott hin zwängen, so erglüht es dennoch nicht; denn alle Glut geht nun auf dich über! Ich will dich ja nicht lieben; Gott nur will und muß ich lieben. Aber je mehr ich mich bestrebe, dich nicht zu lieben, desto glühender wird mein Herz für dich, Ja, ja, mag Gott mit mir machen, was Er will; ich kann ja nicht dafür, daß mein Herz nun so gewaltig nur allein mehr für dich erglüht. O du himmlischer Freund! Sage doch, wie es denn ist, daß ich dich gar so lieben muß. Stets mehr und mehr fühle ich es, daß du allein mir alles in allem wirst und nun schon bist, o was wird aus solcher Liebe werden?!"

08 Sage Ich: "Sei nur ruhig und kümmere dich nicht, wie und wen du nun liebst! Es genüge dir, daß deine Liebe rein und gut ist. Jede Liebe, die an und für sich rein ist, kann nicht anders als nur gut sein. Rein aber ist die Liebe, so sie nichts von einer Selbstliebe in sich hat. Kommt aber zur reinen Liebe nur etwas weniges Selbstliebe, so durchsäuert diese leider allezeit nur zu bald die reine Liebe und macht aus ihr dann einen Sauerteig der Pharisäer, welcher da ist ein sehr elender Lebensgrund, oft schlechter als gar keiner.

09 Und siehe, du Meine geliebte Maria, von solch einem Sauerteige ist nun die ganze Erde voll. Aus ihm entstehen lauter böse Geschwüre und Beulen, aus deren Eiter nichts als schändliches Freßgewürm sich erzeugt, oft Polypen mit tausend Saugrüsseln. Darum siehe dich nur ein wenig um und du wirst Trillionen Feuergeister entdecken, die mit aller Gewalt kaum zurückgehalten werden können, diese Erde samt allem, was in ihr ist, auf ihr und über ihr sich befindet, mit aller Macht ihres nicht ungerechten Grimmes in Asche und Staub zu verwandeln.

10 Bei den Menschen ist keine Beständigkeit mehr. Sie sind alle zu einem Sauerteige der Pharisäer geworden. Ihre Herzen sind kalt und finster geworden, weil aus dem gärenden Sauerteige ihrer Herzen sich eine böse Luft entwickelt hat, die da alles Leben erdrückt, d.h. alles wahre Leben in Gott. Aber Ich sage dir, es wird nun auch Gott dem Herrn Selbst die Geduld bald zu kurz werden.

11 Nur einige höchst wenige trägt die Erde noch, um deren Willen Gott nun auf eine Zeitlang der gänzlichen Zerstörung dieser Erde vorbeugen will und wird. Sobald aber diese entweder in der Freundlichkeit Gottes von der Erde abgehen oder am Ende selbst zum Sauerteige werden, was Gott nun gar nicht voraussehen will, so wird die Erde den Feuergeistern übergeben, und sie sollen dann mit dieser Sündenträgerin tun, was sie nur immer wollen.

12 Aus dem Staube dieser Sündenmutter aber soll dann ewig kein mitzerstörter Geist jewann mehr zum Leben erstehen. Der Wucher und die Besteuerung haben nun nahezu auf der ganzen Erde eine solche Höhe erreicht, daß es beinahe zur Unmöglickeit wird, daß die arme Menschheit, die bisher noch immer eine wahre Stellvertreterin Gottes war und das eigentliche Volk Gottes auf der Erde ausmachte, mehr bestehen kann. Gott gab der Erde gute Jahre. Die Reichen aber machten sie durch ihren Wuchergeist zu schlechten und trieben mit den Nährmitteln schändlichen Wucher, und die Armen mußten im Elende schmachten.

13 Ich werde aber nun eine magere Zeit über die Erde kommen lassen, auf daß die Armen von der Erde sterben sollen. Gott wird es aber wohl merken, was da die Reichen tun werden. Werden sie sich der Armut annehmen und den Wucher einstellen, dann sollen auch die Gerichte aufgehalten und der Erde wieder gute Zeiten gegeben werden. Im Gegenfalle aber soll alles ins Verderben gestürzt werden, denn es ist auch schon die Erde selbst zu einem Sauerteige geworden.

14 Wahrlich, Ich befinde Mich nun schon einige Wochen, auf außerordentlichen Wegen wirkend, auf dieser Erde und bekomme von Tag zu Tag mehr Ekel an deren Fleischmenschen und an dieser Erde selbst. Heute ist der Erde Donnerstag. Bis zum Samstag in der Nacht nur werde Ich Mich noch auf diesem Sündenboden aufhalten und bis dahin noch heilen und annehmen, was zu heilen und anzunehmen ist. Nach Meinem schnellen Abzuge aber übergebe Ich diesen finsteren Boden Meinen mächtigen Friedensgeistern, und sie sollen darauf handeln nach ihrem Gutdünken.

15 Nun wirst du wohl einsehen, was für ein Unterschied da ist zwischen der reinen, guten und der unreinen, schlechten Liebe. Ich aber sagte dir und sage es dir nun wieder, daß deine Liebe zu Mir rein und gut ist, weil du Mich Meiner Selbst Willen liebst. Daher ist deine Liebe denn auch gerecht vor Gott und Gott überaus angenehm; denn also soll jede rechte Liebe geartet sein und soll nicht sein gleich einem Sauerteige der Pharisäer.

16 Wir sind nun bei dieser Gelegenheit aber auch auf die Höhe dieses Berges gelangt. Und siehe, dort vorne unter den Bäumen lagern deine Jünger und Jüngerinnen. Gehe hin und sage ihnen, daß Ich und der frühere Bote da seien, um sie vollends zu erheben zum ewigen Leben infolge der puren Gnade des Herrn!

269. Kapitel: Maria staunt über die Macht und Weisheit des Himmelsboten. Jesus enthüllt Sich der Liebenden. Sie erkennt: Das blinde Herz ist verständiger als der geblildete Verstand. Große Segnung am Berge. Lob- und Dankgebet. Allerlei Geisterscharen werden belehrt.

01 Sagt Maria: "O Freund! Du mußt schon ein ungeheuer mächtiger Freund des Herrn sein, daß dir eine solche Gewalt eingeräumt ist! Auch ist deine Art zu reden und zu belehren ganz die des Herrn; nur kommst du mir etwas strenger vor, als es der Herr selbst sein dürfte. Wer sonach mit dir gut abkommt, der kommt sicher auch mit dem Herrn gut ab. Aber so strenge und genau scheinst du mir denn doch wieder nicht zu sein, als wie strenge da ist dein Freund, der mich ehedem ihm gar nicht folgen ließ, weil er dazu kein Gebot erhalten hatte."

02 Sage Ich: "Weshalb hältst du Mich denn für strenger als den Herrn Selbst?" - Sagt Maria: "Weil du gewisserart ein ordentliches Vergnügen zu haben scheinst, die ganze Erde in Kürze in Staub und Asche vor dir zu sehen. Strafe die reichen Wucherer und hilf im Namen des Herrn den Armen, und die Erde wird sich wieder gut gestalten!" - Sage Ich: "Ja, ja, also wird es auch geschehen; du sollst recht haben! Diesmal wird über die Wucherer ein Gericht ergehen. Diese Erdmäuse und Maulwürfe der Erde sollen alle durch eine Flut des Gotteszornes, der über sie ausgegossen wird, ersäuft werden, inmitten ihrer betrügerischen, nächtlichen Machenschaften!

03 O du, Meine Geliebte! Ich vernehme gar wohl die Klagen und das Weinen der Armut. Ich sehe, wie die Bäcker und Müller geheim bedeutend wohlfeileres Getreide aus dem benachbarten Lande an sich kaufen und deshalb aber dennoch ihr Brot nicht um ein Lot ergiebiger machen. Ich sehe, wie die allergewissenlosesten Fleischer dem Landmanne das Schlachtvieh bis zu einem Spottpreise herabdrücken und beim Kaufe sich in einem Tage tausendmal selbst verdammen und verfluchen, so sie einen Kreuzer gewännen. Ja, sie stellen sich, als ob sie schon am nächsten Tage zu Bettlern würden. Sie bitten auch den Verkäufer um etwas Essen, da sie nicht so viel gewännen, um sich einen Löffel Suppe kaufen zu können. Sie kaufen den Ochsen nicht selten um einen solchen Preis, daß ihnen das Pfund Fleisch nicht höher als auf vier, höchstens fünf Kreuzer zu stehen kommen kann und verkaufen nachher in der Stadt, wo die Armut am größten ist, das Pfund um zwölf Kreuzer. Meine liebe Maria, das ist ein himmelschreiender Wucher! Und siehe, so tun fast alle, die nun mit Lebensmitteln handeln.

04 Andere Reiche, die sonst noch die Armen und Dürftigen unterstützten, ziehen sich mehr und mehr zurück und suchen sich einzuschränken, so viel sie nur immer können. Aber alle diese leben gut; nur die Armen müssen all das Elend, das rein nur die Wucherer erzeugen, zehnfach empfinden. Sieh, das wird den lange schlafenden Zorn Gottes in der Kürze erwecken und ein namenloses Gericht über alle Wechsler, Mäkler, Holz- und Nährmittelwucherer und auch über alle Reichen, die über die Not und Gebühr sich vor ihren armen Brüdern einschränken oder ihnen gar ihr Herz und Haus gänzlich verschließen. Ich sage dir, diesmal soll es also kommen, daß die Armen Gott preisen und die Reichen aber allem fluchen werden, was ihnen entgegenkommen wird; aber das wird ihnen nichts helfen!"

05 Sagt Maria: "Aber liebster Freund! Woher weißt du denn das so genau und sogar auch das, was der Herr tun wird? Bist du denn gar so erfüllt von dem Geiste Gottes, daß du alles das geradeso weißt, als wenn du der Herr Selbst wärest?" - Sage Ich: "Nun, nun, jetzt gehe nur hin zu deinen Jüngern und berufe sie hieher, auf daß wir mit ihnen einmal in die volle Ordnung kommen."

06 Nun geht die Maria hin und beruft die vielen Jünger, sagend: "Meine lieben Brüder und Schwestern! Der Herr hat unser Flehen erhört und hat Boten aus den Himmeln an uns gesandt, auf daß sie uns weiter hinführen möchten in die Gefilde des Lichtes, des Lebens und der Wahrheit in Gott, der das ewige Endziel aller unserer Bestrebungen und Mühen ist und unsere Liebe für ewig! Erhebet euch alle und ziehet mit mir hin zu den zwei Boten!"

07 Alles frohlockt und zieht in guter Ordnung hin zu Mir und stellt sich in einem weiten Kreise in siebenfacher Reihe auf. - Die Maria aber kommt wieder zu Mir und sagt: "Freund, siehe, da sind alle, und es ist meines Wissens niemand darunter, der da nicht angetan wäre mit einem hochzeitlichen Gewande, und alle fühlen und denken so wie ich, so gut ich es verstand, habe ich sie auch unterrichtet und geführt bis hieher. Sie weiter zu führen wäre mir unmöglich, da mir fernerhin kein Weg mehr bekannt ist. Du bist erfüllt von der Liebe und Kraft des Herrn so, daß mich die Liebe zu dir verzehrt. O so lasse uns auch von der Überfülle der Liebe des Herrn zu Seinen Kindern, die du in überschwenglicher Fülle in dir birgst, in gnädigem Maße zukommen und enthülle uns den heiligen Willen des Herrn, auf daß wir wissen und erkennen möchten, was uns für fernerhin zu tun übrigbleiben wird."

08 Sage Ich: "Meine Liebe! Die Zeit drängt. Der Donnerstag gehet zu Ende; denn der Erde Sonne hat schon lange den abendlichen Horizont verlassen. Daher werde Ich euch auch in aller Kürze dartun, woran ihr seid und was künftighin euer Geschäft sein wird. - Und so höret Mich denn:

09 Der Herr, den du so sehr liebst, der nun dein alles ist, den zu lieben aber du dich nun zwingen mußt, weil dein Herz Mich erfaßt hat und Mich auch nimmer auslassen will und kann - bin eben Ich Selbst! - (Hier sinkt die Maria auf ihre Knie.)

"Und euer Geschäft ist, daß ihr Mir nun folget auf jenen Hügel dort gen Osten, allwo viele unser harren. Dort werdet ihr gesegnet und gestärkt werden mit Meiner Liebe, Gnade, Kraft und Macht!"

10 Nach diesen Meinen Worten erholt sich die Maria ein wenig, richtet ihr Haupt empor und sagt mit liebegebrochenem Herzen: "Herr! Herr! Mein Gott, mein Vater! Jetzt erst begreife ich es, warum mein Herz nur für Dich also glühend ward. Und als ich mittelst meines Verstandes mich bemühte, das Herz zu Gott hin zu wenden, so war das Herz in sich verständiger als meine Sehe und wollte von Dir nimmer ablassen. O darum sollen die Menschen auch stets mehr aus die rechte Bildung ihres Herzens als auf die ihres Verstandes halten. Denn so das Herz in seiner Blindheit schon mehr sieht, als der gebildetste Verstand mit offenen Augen am hellen Mittage - was würde dann erst ein wohlgebildetes Herz alles zu schauen imstande sein! - O Herr, Du ewige Liebe, Du Liebe der Liebe meines Herzens! Vergib es der großen Blindheit meines Verstandes, daß ich Dich nicht erkannt habe mit meiner Sehe, da Dich doch mein blindes Herz so leicht und so bald erkannt hat, als es Deine Nähe gewahrte!"

11 Sage Ich: "Sei nur ruhig, Meine liebe Maria! Es ist nun schon alles in der besten und schönsten Ordnung. Stehe aber auf und sage deinen Jüngern, daß sie uns folgen sollen." - Maria erhebt sich nun sogleich mit dem von aller Freude und Liebe erfülltesten Herzen und gibt Meinen Willen schnell ihren Jüngern kund. - Diese fallen alle auf ihre Angesichter und erheben ein starkes Lobgeschrei. - Die Maria aber redet sie sehr weise an und sie horchen auf ihre Stimme. - Alle erheben sich vom Boden und sagen: Heiliger Vater! Sieh uns gnädig an und nimm uns als die allergeringsten Deiner Diener auf!"

12 Sage Ich: "Aller und jeder Friede sei mit euch! Eure Sorge ruht auf Meinen Schultern. Und Meine Gnade und Liebe sei euer Leben ewig! Das aber sei euer Geschäft, daß ihr Mich liebet und alle eure Brüder und Schwestern wie euch selbst! Denn Mein Gesetz für die Erde ist auch ein Gesetz für alle Himmel! - Nun aber folget Mir, ihr wisset schon wohin!"

13 Nun erheben sich alle und folgen Mir. - In wenigen Minuten sind wir an dem bekannten Punkte und werden von allen hoch begrüßt. - Als wir alle auf dem Reinerkogel uns befinden und diesen Berg nun freilich bis in die Ebene herab einnehmen, segne Ich alle diese Neugewonnenen und lasse durch Robert ihnen das wahrhaftige Brot und den wahren Wein aus den Himmeln verabreichen. Alles, was mit Mir auf dieser Höhe sich befindet, wird nun sehr rührig und bedient diese neuen Ankömmlinge.

14 Als alle gesättigt sind, da erheben sie wieder einen Lob- und Dankgesang, der sich bis zum Aufgange des Freitages erhält. Beim Aufgange der irdischen Sonne aber versinken alle die Neuangekommenen in eine tiefe Andacht, und beten zu Mir in der Tiefe ihrer Herzen, und hören mit diesem schönen Beten erst gegen Mittag auf, in welcher Zeit eine beinahe zahllose Menge von lauter Mönchen aller Art von allen Seiten her sich dem Hügel zu nahen beginnt.

270. Kapitel: Große Scharen finsterer Mönchsgeister. Auseinandersetzung mit deren drei Sendlingen über die Dreieinigkeit.

01 Hier fragt Mich die fest neben Mir im bekannten Baumrondo sich befindende Maria, was denn nun dies bedeute und wer diese zahllos vielen schwarzen Wesen seien. - Ich aber sage ihr: "Weißt du denn nicht, wie geschrieben steht: »Wo ein Aas ist, da sammeln sich die Adler!« Diese suchen in Mir nicht, was du gesucht hast. Sie wissen zwar, daß Ich hier bin, aber für sie bin Ich nicht, was Ich für dich bin. Für diese bin Ich gerade das Gegenteil! Ich bin ihnen ein Widerchrist, ein Oberster aller Ketzerei; daher suchen sie Mich zu umringen und, so es möglich wäre, gänzlich zu verderben. Ich wäre ihnen also ein wohlschmeckendes Aas für den bösen Magen ihrer Grimmes und ihrer Herrschwut.

02 Aber es ist schon gesorgt für ihre Unterkunft. Sieh empor, und du wirst große, mächtige Scharen entdecken. Das sind die Friedensengel! Diese werden diese schwarze Brut fangen, knebeln und binden und ihre Wut sehr abkühlen. O das ist eine böse, verstockte Rotte! Diese muß ganz ernst zur Ruhe gewiesen werden. Bei der werden noch gar viele Jahrhunderte vonnöten sein, bis es unter ihrem Dache zu dämmern anfangen wird. Fürchte Dich aber nicht, sie werden nicht imstande sein, uns in die Nähe zu kommen."

03 Sagt Maria: "O Herr! O Vater! Es werden ihrer von Minute zu Minute mehr! Das Firmament wird schon ganz dunkel. Von der irdischen Sonne ist keine Spur mehr zu gewahren, und noch steigen sie von allen Seiten gleich unheilschweren Gewitterwolken auf. Man kann ja beinahe keine Gestalt mehr unterscheiden. Wieviele Trillionen mögen ihrer denn sein?"

04 Sage Ich: "O was fällt dir ein! Trillionen?! Wenn die ganze Erde zu Menschen umgestaltet würde, so gäbe das erst kaum deine große Zahl ab. Daß hier zwar sehr viele böse Geister beisammen sind, ist allerdings wahr; aber wo sind die Trillionen? Dieser Argen Zahl ist nicht mehr als etliche Siebzigtausend. Über ihnen stehen wohl über eine Million Friedensgeister, die mit diesem Gesindel in einigen Erdtagen völlig in der Ordnung sein werden. Die Friedensgeister könnten zwar auch in einem Augenblicke mit diesem Gesindel fertig werden; aber das darf wegen der Ordnung nicht geschehen, derzufolge jeder Geist, mag er gut oder böse sein, im Gebrauche seines freien Willens nicht gehemmt werden darf.

05 Es gibt viele unter diesen Geistern, die etwas besser sind als die größere Zahl, und die nur so mehr im allgemeinen Schwalle mitgerissen wurden - wie es auch bei Aufständen auf der Erde zu geschehen pflegt, wo es in einem aufständischen Haufen, so er aus tausend Köpfen besteht, auch sicher wenigstens vierhundert gibt, die durchaus keine Absicht haben, etwas Arges zu tun. - Dieser also nicht gar sehr bösgesinnten Geister wegen, die noch geeignet sind, irgendeine Belehrung anzunehmen, muß die Gesangennehmung der eigentlich Argen nicht auf einmal, sondern nur nach und nach geschehen und wird daher, auch für die Erdenmenschen ersichtlich, in Gestalt von Wolken, Schnee und Regen wohl einige Tage andauern. Die allerärgsten werden freilich wohl beinahe auf einmal zusammengepackt werden, aber mit den weniger Argen wird dann schon weiliger vorgegangen werden.

06 Da siehe hin gen Mittag! Drei Abgeordnete kommen zu uns! Es sind drei alte Karmeliter (Mönche vom Karmeliterorden). Wir werden sehen, was die von uns begehren werden! - Aber das merket euch: Außer Mir, Paulus, Johannes und Petrus, die hier neben Mir stehen, darf niemand ein Wort mit ihnen verlieren, weil da noch niemand so stark ist, daß er es aushielte vor diesen. Eher (könntet ihr es aushalten) vor dem Satan, als vor diesen - weil der Satan schon oft bitterst gewitzigt wurde, diese aber nie. Sie werden sehr weise tun; aber wir haben für ihre Hacke schon einen rechten Stiel. Sie sind uns schon ganz nahe. Daher heißt es sich nun zusammenfassen!"

07 In diesem Augenblicke stellen sich die drei ganz keck vor Mich hin und fragen Mich mit höhnendem Tone, wer Ich Wäre. - Ich aber entgegne ihnen: "Ich bin gerade das, was ihr nicht seid. Nun aber frage Ich euch, wer ihr seid und was ihr so kecken und frechen Willens hier suchet und wollet?" - Sagen die drei: "Wir sind hier, zu erforschen, welcher Religion du bist mitsamt deinem ganzen Gesindel. Und somit stellen wir die Frage, ob du an einen dreieinigen Gott glaubst und an Seine alleinseligmachende, heilige, apostolische und somit katholische Kirche unter dem Oberhaupte, dem römischen Papste?"

08 Sage Ich: "Was ist das- der dreieinige Gott?" - Sagen die drei: : "So du das nicht weißt, so ist es mit dir ipso schon aus! Weißt du denn nicht, daß Gott aus drei Personen besteht!? Nämlich aus dem Vater, dem Sohne und dem aus beiden zugleich hervorgehenden Heiligen Geiste?" - Sage Ich: "O ja, das weiß Ich wohl, daß ihr solchen Glaubens seid. Ich und diese alle aber halten gerade das Gegenteil für die Wahrheit. Wir halten dafür, wie es auch ist, daß Gott nur eine einzige Person ist, welche Person aber in Sich Selbst eigentlich sozusagen aus drei Göttern besteht. Tres in unum!" Schreien die drei: "Ketzer, Ketzer, Ketzer!!"

09 Sage Ich: "Warum soll denn das eine Ketzerei sein? Ist ja doch der Mensch selbst, als nach dem Ebenmaße Gottes geschaffen, eine solche Dreieinigkeit in einer und derselben Person! Hat er nicht einen Leib, der da ausmachet seine äußere Form; eine Seele, die diese Form und deren Organismus belebt, und endlich in der Seele einen göttlichen Geist, welcher der Seele gibt den Verstand, den Willen und jegliche Kraft? - Würdet ihr es nicht dumm finden und als eine allerkrasseste Narrheit bezeichnen, so da drei Menschen herkämen und würden vor euch auf Leben und Tod behaupten, daß sie ganz vollkommen nur ein Mensch seien, obschon ein jeder von ihnen eine seinen Talenten ganz entsprechende eigentümliche Verrichtung vollzöge, von welcher der zweite und der dritte keine besondere Kenntnis und auch die Fähigkeit nicht hätte, sie zu vollziehen in irgendeiner Tat? So ihr aber eine solche Behauptung von seiten dreier bornierter Menschen als im höchsten Grade dumm finden müßtet, wie kommt es hernach, daß ihr eine solche allerschreiendste Torheit der unendlich Weisen Gottheit ausbürdet? Würde euch nicht sogar das Tierreich auslachen und als Wahnsinnige aller Wahnsinnigen erklären, so ihr die Gottheit, vorausgesetzt daß ihr an eine glaubtet, des Wahnsinnes und der Torheit verdächtigen möchtet mit Worten und Lehren?

10 Wie ist es aber, so ihr saget und lehret: »Gott ist die höchste und tiefste Weisheit Selbst« - stellet aber Seine Wesenheit unter dem Bilde des allerdicksten Wahnsinns euren Jüngern und euch selbst vor und machet auf diese Weise aus der Gottheit ein derartiges Unding, an das wohl nur die Blindheit der Wiege glauben kann, das aber jedem Denker in kurzer Zeit zum barsten Ekel werden muß.

11 Was seid aber dann ihr, frage Ich, die ihr also eure Glaubensgenossen die Gottheit erkennen lehret, wie Sie ewig nie bestanden hat und auch ewig nie bestehen wird? Sehet, gerade ihr selbst seid dadurch die ärgsten Gottesleugner! Denn wer mit Feuer und Schwert einen Gott lehret, wie es nie einen geben kann, und gewaltsam Millionen an der rechten Erkenntnis Gottes hindert, der ist kein Diener im Weinberge Gottes, sondern nur ein feiler Knecht Satans und hilft ihm, die grünen Saaten verderben und Stoppelfelder und Wüsten bereiten, auf denen nichts als Dornen und Disteln vorkommen.

12 Wer von euch hat je Gott gesehen und mit Ihm gesprochen? Oder wer von euch kann mit gutem Gewissen sagen, daß er von Gott belehrt worden sei? Ja, ihr habet wohl das Wort Gottes gelesen, habt es aber verdreht und daraus gemacht, was ihr gewollt habt, daß es dann taugete für euren unersättlichen Geldbeutel - und das ist nun eure Nacht! Judas verriet nur einmal den Herrn, weil er sich vom Satan hatte überwältigen lassen, und dieser fuhr in seinen Leib und tötete ihn. Ich aber frage euch: Ein wie großer Heiliger ist wohl Judas euch gegenüber, die ihr Gott tagtäglich vor aller Welt hundertmal verrietet und verläugnetet? Ihr alle habt den Judas in die Hölle gesetzt, der Mich doch nur einmal verriet und bald daraus die brennendste Reue empfand. Wohin soll Ich denn dann euch setzen, ihr millionenfachen Verräter Gottes!? Ihr hießet Mich einen Ketzer, wer seid denn dann ihr millionenfachen, Gottesverräter und Gottesleugner? Was wollet ihr hier?"

13 Auf diese Meine Rede fangen die drei Sendlinge sehr zu stutzen an und keiner weiß dem andern Bescheid zu geben. Sie betrachten Mich vom Kopfe bis zur kleinen Zehe und kennen sich nicht aus und wissen nicht, was sie aus Mir machen sollen; denn Meine Worte kommen ihnen vor wie glühende Pfeile, und sie erkennen darin die tiefe Weisheit.

271. Kapitel: Die drei Sendlinge erwachen. Drei weitere Doktoren der Theologie kommen hinzu, werden als Lieblose scharf belehrt und bekommen schließlich eine Probearbeit.

01 Es kommen aber in diesem Augenblicke noch drei andere Geister zu diesen Sendlingen und fragen dieselben, was sie denn so lange hier machen.

02 Die ersten drei aber sagen: "Wir behorchten die Weisheit dieses vor uns stehenden Mannes. Seine Worte drangen wie glühende Pfeile in unsere Herzen und wir erkennen, daß in diesem Manne die Wahrheit ist, bei der wir verbleiben wollen. Ihr möget tun, was ihr wollet; wir aber werden bleiben bei und in dieser Wahrheit." - Die anderen drei aber fragen: "Wie lautet denn diese?" - Und die ersten drei sagen: "Hier steht er vor euch, der die Wahrheit also geredet hat! Wir sind nicht berufen, sie euch zu verkünden. Fraget ihn darum!"

03 Die drei Neuangelangten wenden sich nun an Mich und sagen: "Wie lautet denn hernach deine Wahrheit, von der diese unsere drei Brüder gar so durchdrungen sind?" - Sage Ich: "Es heißt in der Schrift: »Jetzt ergeht das Gericht über die Welt, und der Fürst dieser Welt wird ausgestoßen werden!« Verstehet ihr diese Worte?"

04 Sagen die drei: "Was gehen uns die Fürsten der Welt mehr an? Wir sind Geister und haben mit der dummen Welt nichts mehr zu tun. Ein Fürst oder tausend Fürsten der Welt können alle Tage gerichtet werden, das ist uns gleich. Wir haben erst dann mit ihnen so manches zu tun, so sie in unser Reich kommen. Wir wollten nur jene Wahrheit aus deinem Munde erfahren, die du unseren drei Brüdern kundgetan hast. Bibeltexte kennen wir selbst genug und verstehen sie auch, da wir Doktoren der Theologie sind."

05 Sage Ich: "Verstündet ihr die Schrift nach der Wahrheit, so würdet ihr Mich erkennen, denn Ich Selbst bin die Wahrheit und das Leben aus der Wahrheit. Aber da in euch keine Wahrheit ist, so erkennet ihr Mich auch nicht und würdet daher auch nicht fassen, was Ich euch enthüllete aus der Wahrheit. Ihr selbst aber seid eben des Fürsten der Welt, des Vaters der Lüge, des Betruges und des Hochmutes. Über diesen Fürsten und über alle seines Hauses aber ist gekommen und kommt noch stets ein Gericht. Daher ist denn auch ein jeder, der in seinem Herzen der Welt dient, in ihrem Gerichte und wird hinausgestoßen werden in die äußerste Finsternis.

06 Entfernet euch daher, ihr Kinder der Welt, von Mir und suchet euch euren Gott, dem ihr gedienet habt mit Leib, Seele und Geist! Denn für Mich Seid ihr Fremde und Ich habe euch noch nie erkannt. Ihr waret Diener ums Geld; auch nicht drei Worte habt ihr je gebetet aus innerem Antriebe der Liebe zu Gott. Jedes Paternoster mußte euch bezahlt werden. Und jedes Begräbnis als ein sein-sollender letzter Liebesdienst an einem Bruder mußte euch teuer bezahlt werden, und jede Messe, die ihr für den höchsten und Gott wohlgefälligsten Dienst hieltet und jedermann in diesem Sinne mit Feuer und Schwert aufdranget, mußte euch klassenmäßig sogar teuer bezahlt werden. Dadurch aber habt ihr euch schon lange selbst euren Lohn genommen und habet sonach hier keinen mehr zu erwarten! - Entfernet euch daher! Meine Zeit geht auf die Neige für diese Welt, denn sie achtet nicht mehr auf Meine Stimme, und Meine Knechte sind ihr eine Last und ein Dorn im Auge geworden und sie möchte dieselben weit entfernt von sich wissen!

07 O meine auf der Welt armen Brüder! Klaget nicht! Die Zeit ist gekommen zu eurem und Meinem Jubel. Von nun an sollet ihr auch auf der Erde reich werden an allem. Dafür aber werden arm werden die harten Reichen! Und so sie dann eine große Klage und ein starkes Geheul erheben werden, da werde Ich sie nicht anhören. Und so sie kommen werden zu Meinen Knechten, da werden diese sagen: »Was sind wir euch schuldig?« Und die Klagenden werden sagen: »Dies und jenes!« Da werden ihnen Meine Knechte die Schuld bezahlen und dann hinter sich die Türe verschließen, durch die dann niemand hineingelassen wird; denn die Türe in die Wohnung Meiner Knechte ist auch zugleich eine Pforte in Mein Reich!

08 Wahrlich Ich sage euch: vor den Fremden werden sie die Wohnung offen halten, aber vor den heimischen Brüdern wird sie verschlossen sein! Ihr seid auch die "Heimischen", und die Pforte wird euch nicht aufgetan werden; denn ihr habt euch allezeit nur um das gesorgt, was der Welt war und noch ist. Das Reich Gottes war für euch nichts. Darum lebet denn nun auch von dem, was euch die Welt bietet. - Große Kapitalien Geldes habt ihr euch gesammelt, und eure Sorge war, diese stets zu vergrößern. Gings mit den Kursen und Zinsen irgendwo nicht nach Wunsch, so habt ihr Zeter geschrien, euch beschränkt und alle eure ohnehin mageren Wohltaten an die Armen eingestellt, habt dann strenge Buße gepredigt, die Gläubigen zu reichen Opfern aufgefordert und eure gläubigen Schuldner mit Exekutionen (Zwangsvollstreckungen) überhäuft.

09 Eure Sorge war daher ganz nur die Welt. Sie soll euch nun auch den Lohn geben, den ihr euch dort zu bereiten strebtet. Ja, der Welt Gericht soll auch das eurige sein! Den Lohn, den nun alle Welt breit und weit ernten wird in Bälde, sollet auch ihr ernten! Und alle noch auf der Welt Lebenden sollen ihn mit euch ernten; ob sie Geistliche oder Weltliche seien, das ist Mir eins. Wer für die Motten und Würmer gesorgt hat, der soll seinen Lohn auch eben bei den Motten und Würmern suchen. Wer für seine irdischen Kinder gesorgt hat, der soll den Lohn auch von den Kindern wiedernehmen - wenn er und seine Kinder am Hungertuche nagen werden. Wer für seine Verwandten gesorgt hat, der soll es nur von den Verwandten wiedernehmen. Wahrlich, wer nicht für Meine auf der Welt armen Brüder und Schwestern mit Eifer gesorgt hat, der hat seinen Lohn schon dahin und hat bei Mir keinen mehr zu gewärtigen. - Ihr drei aber seid solcher Art; daher habt ihr bei Mir nichts mehr zu suchen und zu bekommen! Entfernet euch daher von Mir; denn euch kenne Ich nicht!"

10 Sagen die drei: "Wer bist du denn, daß du mit uns in einem so gebieterischen Tone sprichst, als wenn du der Herr Selbst wärest? Siehe auf! Von Millionen bist du durch alle Räume hin umringt. Es kostet uns nur einen Wink, und du befindest dich im Augenblicke in der allerhärtesten Gefangenschaft!"

11 Sagen die drei ersten mit sehr geängstigter Stimme: "Ihr Toren voll Blindheit! Was forschet und was redet ihr?! Sehet ihr denn nicht, daß dies der Herr Himmels und der Erde Selbst ist, der euch soeben traurig genug von Sich wies? Wie wollt ihr dem Allmächtigen drohen?! O ihr elenden Toren, was wollt ihr tun? Seid ihr nicht sämtlich in Seiner allmächtigen Hand?! Was wollt ihr tun, ihr Toren? Euer Sein ist ja Sein Gedanke! So Er euch in Seinen Gedanken fallen läßt, wer wird euch dann ein Sein und einen Bestand geben? In dem Augenblicke, da Er euch fallen läßt, seid ihr ja auch schon nicht mehr! O ihr Toren! Was wollt ihr tun? Er, Dessen leisester Hauch schon zahllosen Myriaden von Welten und Engeln gebietet, ist alles in allem. Er ist die Urmacht aller Mächte, die Urkraft aller Kräfte - und ihr waget es, vor Ihm eine Drohung auszusprechen!? Anstatt daß ihr vor Ihm sogleich auf die Knie niedergeganen wäret und mit dem reuigsten und zerknirschtesten Herzen sagtet:

12 O Herr, sänftige Deinen gerechten Zorn gegen uns und sei uns armen Sündern gnädig und barmherzig! Denn wir haben auf der Erde sehr viel Arges angerichtet. Vergib es uns, denn daselbst waren wir stockblind. Nun wir aber sehend geworden sind und solches einsehen und erkennen, so können wir jetzt nichts tun, als uns an Deine Milde, Gnade und Erbarmung wenden. Waren wir auch selbst sehr unbarmherzig gegen alle unsere Brüder, so sei aber doch Du barmherziger gegen uns, denn Du, o Herr, weißt es ja, wie sehr dumm und blind wir waren!« - Sehet, also solltet ihr tun und reden, nicht aber dem Allmächtigen ins Angesicht drohen! Was wird es Ihm denn sein, daß Er euch verderben ließe? Werdet ihr Nichtse euch je an Ihm rächen können? Wer wird Ihn zur Verantwortung ziehen, so Er euch in die Hölle tausendfältig verdammet?"

13 Hier fallen die zweiten drei bebend vor Mir nieder und fangen ganz jämmerlich zu heulen an und bitten um Gnade und Erbarmen. -Ich aber sage zu ihnen: "Erhebet euch! Denn es ziemt sich nicht für Teufel, daß sie also heulen und beten aus einem Herzen, in dem keine Liebe wohnet. - Tätet ihr das, was ihr nun tut, aus Liebe anstatt aus Furcht, so sollte die Hilfe für euch nicht unterwegs bleiben; aber da euch dazu nur die Furcht vor der Strafe treibt, so hat euer Geheul vor Mir keinen Wert. - Wer zu Mir den Weg durch die Liebe nicht findet, der kommt nicht zu Mir, und hätte er auch die Weisheit aller Engel!

14 Gehet aber hin zu eurer Schar, saget ihr, was ihr gehört und gesehen habt, und Ich werde euch dann nach solch neuem Werke den Lohn geben, wie ihr ihn euch werdet verdient haben. - Das aber sage Ich euch: Da es in eurer Schar viele gibt, die auf der Erde viel mit Weibern zu tun hatten und mit ihnen lebten - so ein solcher euch hören und dann sagen wird: »Wartet, ich will mich zuvor mit meinem Weibe besprechen!« Den lasset nicht mehr vor euch! - Denn wem das Wort seines Weibes mehr ist als das Meine, und wer sein Weib nicht um Meines Namens Willen verlassen kann, der ist Meiner ewig nicht wert! Und wer da sagt: »Lasset mir Zeit, auf daß ich mich berate mit meinen Freunden!«, den nehmet auch nicht mehr an; denn wem die Freunde mehr sind, als Ich und der, den Ich sende, der ist Meiner nicht wert. - Und so denn gehet nun! Nach dem Maße eurer Ernte für Mich soll euch auch der Lohn werden!"

272. Kapitel: Schwierige Mission der drei Theologen bei ihren Standesgenossen. Gleichnis vom Fernrohr. Missionsregeln. Der beste Weg.

01 Nach diesen Meinen Worten entfernen sich nun die zweiten drei, zu ihrer großen Schar zurückkehrend, und beginnen dort sogleich mit entschiedenem Ernste, das ihnen gegebene Amt zu verwalten. Aber sie finden durchgängig eine sehr schlechte Aufnahme. Fast alles fängt an sich zurückzuziehen und verwünscht die drei Abgesandten.

02 Nur einige wenige sagen: "Ja, so wir das aus seinem Munde selbst vernähmen, dann ginge es mit unserer Glaubensänderung sicher besser vonstatten; aber so kommt die Sache uns eben doch sehr ketzerisch vor und wir finden es zu gewagt, uns euch sogleich anzuschließen. Es liegt in eurer Aussage zwar sehr viel Folgerichtigkeit; es kommt da wirklich auf eins zwei und auf Zwei drei und so fort. Das sehen wir recht gut ein, aber die Sache an und für sich ist zu wenig orthodox und zu undogmatisch und kann vor dem Forum des Papstes nicht auftreten und noch weniger angenommen werden."

03 Sagen die drei Abgesandten: "Sind wir denn etwa noch auf der Erde, wo der Papst das sichtbare Oberhaupt der Kirche ist oder wenigstens sein will und von vielen blinden Narren dafür gehalten wird, zu denen weiland auch wir gehörten?! Wir leben nun ja schon eine geraume Zeit in der Geisterwelt, und wir kennen kein Dogma, das an uns die Forderung stellete, den Papst auch nach dem Leibestode in der Geisterwelt als das Oberhaupt der Christenheit anzusehen. Es genügt, daß wir uns auf der Erde vom Papste haben breit- und blauschlagen lassen. Hier hat der Papst ein Ende, und wir gehören allein Gott, dem Herrn Jesu Christo an. Dem aber wird es etwa doch freistehen, für die Geister an Seiner irdischen Lehre so manches zu ändern und den einzelnen Lehren eine ganz andere Exegese (Auslegung) zu geben, da Geist und Materie denn doch sehr stark zweierlei sind. Oder meinet ihr denn etwa doch im Ernste, daß Sich Christus der Herr auch hier in Seinem Reiche den dummen und selbstsüchtigen Anordnungen eines Papstes unterziehen wird? Wahrlich, mit solch einer wahnsinnigsten Meinung wäret ihr doch auf dem allervermodertsten Holzwege!"

04 Auf diese ganz energisch gehaltene Rede fangen mehrere sich sehr stark hinter den Ohren zu kratzen an und sagen: "Bei Gott, ihr redet keine leeren Worte! Da ist etwas daran! Aber habt eine kleine Geduld, wir wollen uns zuvor mit unsern Weibern und Freunden besprechen und beraten und sehen, was diese dazu sagen werden." - Sagen die drei Abgesandten: "Dann fahret nur ab, denn so euch am Rate eurer Weiber und Freunde mehr gelegen ist, als an der Wahrheit Gottes, da seid ihr Gottes auch nicht wert und könnet daher auch euer künftiges Wohl bei euren Weibern und Freunden suchen; aber von Gott werdet ihr keines zu erhoffen haben!"

05 Sagen die sich Entschuldigenden: "Aber unsere Weiber - die wir freilich erst in der Geisterwelt uns genommen haben, weil uns auf der Welt der über alle menschliche Begriffe dumme Zölibat daran hinderte - und unsere sonstigen Freunde sind denn ja doch auch berufen, die Wahrheit zu vernehmen und also zur rechten Religion und zu einem lebendigen Glauben zu gelangen. Wir gehen daher ja gerade nicht deshalb allein hin, um uns mit ihnen zu besprechen und zu beraten, sondern um sie vielmehr für die Wahrheit mit zu gewinnen."

06 Sagen die drei Abgesandten: "Da muß zuvor die Wahrheit in euch selbst sein und ihr müsset völlig ihr angehören! Ist aber die Wahrheit noch lange nicht in euch und könnet ihr derselben somit auch nicht angehören - wie wollet ihr dann eure ganz verkehrten Weiber und Freunde in die Wahrheit aus und in Gott führen und sie in ihr erhalten? Sehet, alle Wahrheit gleicht einem Fernrohre mit einer tausendmaligen Vergrößerung. Sieht man am rechten Orte durch dasselbe nach den Sternen, so werden die Sterne groß und hell erscheinen, und auf einem Flecke, da man mit freiem Auge nur einen einzigen, kleinen Stern zu sehen wähnte, wird man einen sogenannten Nebelfleck in Millionen Sternlein aufgelöst erschauen. Sieht man aber durch dasselbe Fernrohr in verkehrter Art, d.h. technisch gesprochen, durch das Objektivglas, so entweichen alle Sterne in eine unermeßliche Tiefe zurück und das Auge des Beschauers gewahrt dann sogar von den Sternen erster Größe nichts mehr. Ja, sogar die große Sonne, also verkehrt durch das Fernrohr gesehen, wird zu einem Schimmerpunkte in des Himmels Tiefe zurückgedrängt, daß dadurch ihr Licht und ihre Wärme tief unter alle Nullen zu stehen kommen wird.

07 So ihr aber nun euren Weibern und Freunden durch bei euch selbst noch sehr verkehrte Fernröhren die Himmelslichter der ewigen Wahrheit wollt erschauen lassen, da fraget euch selbst, was eure Weiber und Freunde zu sehen bekommen werden?! Ihr seid also noch gleich den verkehrt gegen die Sterne des Himmels aufgestellten Fernröhren und niemand mag durch euch eine Wahrheit erschauen. Das große Licht der Sonne, das da gleichbedeutend ist mit dem ersten klaren Begriffe von Gott, wird bei euch sogestaltig noch sehr in Frage gestellt, ob es wohl die Sonne und nicht den Mond darstelle. Wie soll es dann bei euch mit den zahllosen anderen Lichtern aussehen, von denen ihr doch unmöglich bei euren bisherigen ganz verkehrten Betrachtungen eine Spur haben könnet?! - Ihr wisset nun, wie ihr stehet. Tut, was ihr wollet! Gehet! - Ob ihr aber wiederkehren werdet, das ziehen wir in einen sehr starken Zweifel; denn wir kennen die Macht eurer Weiber über euch!"

08 Hier fangen die Entschuldiger noch mehr hinter den Ohren zu kratzen an, und einer von ihnen sagt: "Freunde, die reden wie ein Buch Gottes! Nicht mit einer Silbe könnte ich ihnen irgendeine Einwendung machen. Wie wäre es denn, so wir hier blieben und ließen die drei zu unseren Weibern und Freunden hinziehen?" - - Sagt ein anderer: "Da haben wir unsere Weiber ehedem zum letzten Male gesehen und gesprochen!" - Sagt der erste: "Und was liegt daran?! Ein bißchen Hölle weniger um uns her, kann uns doch nur eher nützen als schaden. Denn für das bißchen schmutzigen Vergnügens, das uns unsere Weiber gewähren, finden wir bald irgendeinen Ersatz. -Ich bleibe einmal! - Wer noch?" - Sagt ein anderer: "Bruder! Wenn du bleibst, da bleibe auch ich! Und die anderen sollen machen, was sie wollen!"

09 Sagen die drei Abgesandten: "So ist es recht! Niemanden einen Zwang in der Sache des Glaubens antun, den rechten Weg zeigen und die Gefahren des unrechten Weges auch! Dann sich aber um niemand mehr kümmern, sondern dafür lieber selbst auf dem rechten Wege bleiben! Denn unseres Dafürhaltens ist es besser, selbst auf den Wegen des Lichtes und des Lebens zu wandeln - als Tausende auf den rechten Weg hinzudrängen, dabei aber selbst in den Pfützen und Morästen, wo man leicht versinken kann, herumzutaumeln und einen festen Grund dort zu suchen, wo es sicher keinen gibt. Wer etwas Schweres heben will, muß zuallererst einen festen Boden haben; sonst versinkt er samt der Last in den Boden. Hat er aber einen festen Boden gefunden, so darf er sich nicht über eine größere Last wagen, als nur über eine solche, für die seine Kräfte ausreichen; sonst wird die Last ein Meister seiner Kräfte und er wird ihr unterliegen. Und wer endlich jemanden, der blind ist, führen will, der muß sehen. Denn so ein Blinder den andern führen will, da werden gar bald beide in der Grube sich befinden. Was man geben will, das muß man zuvor selbst haben, sonst wird das Geben eine leere Maulmacherei und eine der lächerlichsten Lügen. Oder kann ein Weib dem andern eine Frucht erwecken? Weiber können wohl auch miteinander Unzucht treiben, aber mit der Frucht wird es ewig einen allernichtigsten Faden haben. - So ihr also beide bleibet, da tut ihr wohl! Aber bereden sollet ihr die anderen nicht, daß sie auch bleiben sollen."

10 Die zwei bleiben nun. Die anderen dagegen gehen ab, um ihren Weibern und Freunden das zu vermelden, was sie nun gehört haben. Aber sie kommen da sehr übel an. Denn fürs erste werden sie wegen ihres längeren Ausbleibens sehr hart zur Rede gestellt und weidlichst beschimpft und verlacht. Und fürs zweite werden sie mit geschickt gestellten Gegensätzen so bearbeitet, daß sie alles das, was sie von den dreien gehört hatten, alsbald selbst zu bezweifeln und zu belachen anfangen. Und so ist ihr zweiter Zustand ärger, als da war ihr erster.

11 Zwei aber haben die drei dennoch zu ihren Jüngern gemacht. Und die fünf fangen nun zu beraten an, wie sie es anstellen sollen, um auf die große Masse günstig einzuwirken. - Der eine meint, Wunderwerke würden hier vielleicht sich am wirksamsten erweisen. - Ein zweiter meint, Wunderwerke wären allerdings von keiner geringen Bedeutung und Wirkung, aber es werde dazu fürs erste die Fähigkeit in hohem Grade erfordert, solche in der großartigsten Form verüben zu können, und fürs zweite gehörte dazu wohl die gewissenhafteste Redlichkeit und ein göttlich allerbester Wille, das Volk der niederen Geisterwelt nicht nur blenden und dadurch gewinnen, sondern rein nur belehren zu wollen.

12 "Das ist aber", so fährt der zweite fort, "eben etwas, was nach meinem unmaßgeblichen Dafürhalten nur der Gottheit allein möglich ist und sonst keinem geschaffenen Geiste, da ein jeder Geist beim Gelingen eines außerordentlichen Werkes sich für einen kleinen Gott zu halten anfängt oder sich wenigstens mit besonderen göttlichen Eigenschaften erfüllt wähnt - und darin liegt eben der erste Keim des Hochmutes und des darauffolgenden Verderbens. Und dadurch wird dann ein Wunderwerk an Stelle des Segens nur ein bares Gericht, und das zwar zunächst für den, der es verübt hat und daraus auch für jene, die durch so ein Wunderwerk sowohl in ihrem Erkennen wie in ihrem Wollen breitgeschlagen worden sind. Sage einer von uns, ob die freie Erkenntnis und das freie Wollen durch ein Wunderwerk nicht einen bei weitem größeren Schaden erleidet, als der Nutzen ist, der für den Geist aus dem Wunderwerke hervorgeht!

13 Und endlich geht noch ein Nachteil aus jedem nicht von Gott Selbst verrichteten Wunderwerke für den geschaffenen Geist hervor, umd dieser besteht fürs erste in einer unersättlichen Spektakelsucht in stets außerordentlicheren Formen und fürs zweite in der Gier, auch selbst Wunder wirken zu können, hinter welcher Gier aber schon wieder der verderbliche Hochmut weilt. Denn wer einmal ein Wundertäter ist, der ist damit gar nicht zufrieden, sondern möchte wenigstens ein unübertrefflicher Wundertäter sein, und das ist schon ein Kitzel des Hochmutes und somit verderbenbringend und daher durchaus schlecht. Meine Freunde! So meine und erkenne ich es. Es steht euch aber frei, die Sache auch anders auszudeuten, so ihr das imstande seid."

14 Sagt ein dritter: "Bruder! Wir teilen da ganz vollkommen deine Ansicht. Es ist also, wie du nun geredet hast, ober es fragt sich hier nur: wie werden wir dieser großen Masse von Millionen mit der reinen Lehre von Gott und von deren wahrer Anwendung zu imponieren imstande sein? Wodurch werden wir sie bewegen, daß sie unseren Worten glauben und uns darnach folgen?"

15 Sagt ein vierter: "Ich meine, wir bleiben ganz einfach nur bei der reinen Wahrheit in Wort und Tat. Wer sich darnach richten will, der wird wohl tun; wer sich aber darnach nicht richten will oder das Wort gar nicht annimmt, der geht uns dann weiter auch gar nichts mehr an, und der Herr der Ewigkeit soll mit ihm dann tun, was Sein allmächtiger Wille für gut findet."

16 Sagt ein fünfter: "Uns aber ist der Lohn nur nach dem Maße des Werkes zugemessen. Wird unser Werk gering sein, so wird auch der Lohn sicher nicht um ein Haar größer und besser ausfallen!" - Sagt der vierte: "Ei, hole der Kuckuck den Lohn! Ich will das Gute des Guten wegen tun und nie eines wie immer gearteten Lohnes wegen! Kommt irgendein Lohn am Ende heraus, so werde ich ihn ohne Taxierung, ob groß oder klein, dankbarst annehmen; aber als ein Bewegrund zu einer edlen Handlung soll und wird er mir nie dienen."

17 Sagen nun alle anderen vier: "Das ist edel gedacht und sehr edel gesprochen! Bei dem soll es denn auch bei uns allen verbleiben für ewig! Also wollen wir von nun an auch samt und sämtlich handeln!" - Sagt der fünfte: "Aber wohl gemerkt, ohne uns darauf etwas einbilden zu wollen!"

18 Sagen alle anderen vier: "Hole der Kuckuck alles, was nur immer Einbildung heißt! Wir tun, was da gut und recht ist, nur um des Guten und Rechten selbst willen, weil es also Gott Selbst so will. Alles andere geht uns nichts an."

19 Auf solche Äußerung kommen sogleich etliche dreißig herbei und wollen erfahren, was denn diese fünf gar so Gutes und Rechtes nun ihren Freunden auf eine gar so uneigennützige Weise erweisen wollen.

273. Kapitel: Gute Missionsrede der fünf an die 30. Letztere scheuen sich, sündebeladen vor Jesus zu treten. Jesu Gnadensonne über den Reuigen. (Am 1. Nov. 1850)

01 Die fünf aber merken wohl, was die dreißig herbeigezogen hat und sagen wie aus einem Munde: "Freunde! Wir alle stehen in der Luft, und unsere Füße haben keinen Grund. Wir haben wohl Füße, aber diese haben keine Unterlage und sind uns daher so wenig nützlich, als hätten wir keine. So haben wir auch Hände, aber es gibt für sie keine Arbeit. Wir haben Augen, mit denen wir sehen könnten, so wir wollten, aber wir legen die flachen Hände über die Augen und machen uns dadurch blind, auf daß wir ja nichts von all den Wundern erschauen mögen, die uns doch so reichlich auf allen Seiten umgeben. Ebenso haben wir auch sehr feine Ohren, zu hören; aber wir verstopfen sie, auf daß das Wort Gottes ja nicht eindringe in unsere Herzen und sie reinige und belebe für Gott.

02 Suchen wir daher zuerst einen festen Grund zu fassen für unsere Füße, welcher Grund da ist der Herr Jesus, der Christ Selbst, in dem rechten Verständnisse Seines Wortes! Haben wir auf diesem Grunde einmal unsere Füße festgestellt und uns auf demselben ordentlich wie heimisch zu bewegen angefangen, dann werden unsere Hände, unsere Augen und Ohren vollauf zu tun bekommen und aus solcher Tätigkeit bald den größten Gewinn ziehen."

03 Sagen die dreißig: "Ja, wo ist denn hernach Jesus der Christ, der da sein soll Gott und Mensch zugleich? Zeiget Ihn uns, und wir wollen Ihn sogleich zu unserem alleinigen Lebensgrunde annehmen; aber erst muß Er doch dasein! Der Glaube an Ihn, ohne Ihn Selbst, ist eine eitle Sache. Wir haben es ja auf der Erde nur zu oft erfahren, wie schwer es geht, den Menschengeist in einem blinden Glauben zu erhalten. Macht es aber schon bei den unerfahrensten blinden Geistern große Schwierigkeiten, den Blindglauben aufrechtzuerhalten, um wie viel schwieriger ist es bei uns, die wir doch mit so vielen Erfahrungen bereichert in diese Welt eingewandert sind?! Also zeiget uns Christum, und wir glauben euch dann alles!"

04 Sagen die fünf: "Sehet hinab dahier gleich vor uns auf die Erde! Ihr werdet daselbst einen Hügel erblicken. Auf der Spitze dieses Hügels befindet Sich nun der Herr Jesus Jehova Zebaoth Selbst in der Mitte einer großen, überglücklichen Schar! Diese, sicher nichts anderes als Engelsgeister, spielen und frohlocken um Ihn herum, als wenn sie schon ganz das wären, was Er Selbst ist. Sie drängen sich zu Ihm hin wie Kinder zu ihrem Vater, und Er redet und spielt gleichso mit ihnen, als wären sie lauter Brüder und Schwestern zu Ihm. Brüder! Gehet hin und überzeuget euch, daß es also ist, und kommet wieder! Sodann erst werden wir mit euch von der ferneren Weisheit Gottes zu reden imstande sein."

05 Sagen die dreißig: "Wie aber können wir gefahrlos dorthin gelangen?" - Sagen die fünf: "Auf dem Wege zum Herrn gibt es ewig keine Gefahren! Wohl aber auf dem Wege, der den Geist vom Herrn ableitet und entfernt! Daher möget ihr euch ohne Scheu und Furcht hinbegeben! Habet ihr aber in der finstersten Nacht, ferne vom Herrn, noch nie eine Furcht gezeigt, wie sollte sie euch übermannen können in der Nähe Dessen, der euch das ewige Leben geben will, so ihr es nur annehmen wollet."

06 Sagen die dreißig: "Ja, ja, das wäre alles recht, so wir nur keine gar so groben Sünder wären. Aber wir sind grobe Sünder, und da fragt es sich, wie wir als solche vor Ihm bestehen werden, so Er es wirklich sein sollte?" - Sagen die fünf: »Wo sind denn die, die vor Gott sagen könnten: Herr, sieh uns an, wir haben nie eine Sünde vor Dir begangen und sind deshalb ganz rein! Gib uns darum den verheißenen ewigen Lohn!«"

07 Sagen die dreißig: "Ja, ja, das ist wohl wahr, aber dessenungeachtet hat es bei uns einen gewaltigen Haken. Es gibt wohl viele, ja alle könnte man füglich sagen, die nun die größte Seligkeit bei Gott genießen und auf der Erde sicher nicht ganz sündenfrei gelebt und gewandelt haben. Aber das waren dennoch fürs erste sicher keine so groben Sünder wie wir, und fürs zweite, so sie auch schon gesündigt haben, da haben sie dann sicher eine rechte Buße gewirkt und sind dadurch in den Zustand der heiligmachenden Gnade gelangt, in welchem Zustande sie dann natürlich wieder zu Freunden Gottes und dadurch auch selig geworden sind. Von dem allem aber war bei uns der Wahrheit sozusagen nach keine Spur. Wir sind alle mehr oder minder in unseren Sünden gestorben und haben als Geister noch hier in dieser Welt ohne Rast und Ruhe fleißig fortgesündigt. Jetzt aber sollen wir also mir und dir nichts vor den Herrn hintreten?! Ah, das tut sich wohl in keinem Falle.

08 Wir wollen recht gern von euch lernen alle Sünde zu meiden und unser diesfälliges Geisterleben nach jener Ordnung und Norm einrichten, wie es Gott dem Herrn wohlgefällig ist; aber in solchem unserem allersündigsten Zustande vor den Herrn hintreten, hieße geradezu allen unseren ohnehin allergröbsten Sünden die allergrößte Sünde der Vermessenheit hinzufügen, um dann desto eher und sicherer in die Hölle zu gelangen, aus der ewig keine Erlösung mehr zu erwarten ist! - Nein, nein, Freunde, das ist nichts! - Entweder ist jener Mensch dort auf des Hügels Spitze wirklich der Herr, wie ihr uns gesagt habet, in dem Falle könnten wir doch sichtbarer und wohlbegreiflichermaßen unmöglich vor ihn hintreten. Ist er aber das nicht, was ihr uns von ihm kundgetan habet, noch etwa auch nicht ein besonderer Freund des Herrn, da wäre unser Hintritt ohnehin ein vergeblicher. - So wollen wir denn hier in eurer Gesellschaft verbleiben, bis wir uns möglicherweise einmal für würdiger fühlen werden, vor den Herrn alles Lebens hinzutreten."

09 Sagen die fünf: "Eure Entschuldigung läßt sich hören und macht uns eine rechte Freude. Tuet was ihr wollet, denn ihr seid frei, und wir haben nur ein Recht von Gott aus, nämlich zu belehren und zu raten, aber ja niemand zu nötigen. Wir meinen aber, daß, so wir, die wir doch viel schlechter sind als der letzte Geist in der Nähe des Herrn, euch eurer Sünden wegen nicht verdammen, euch der Herr um so weniger verdammen wird, so ihr vor Ihm, wie hier vor uns, eure Schuld bekennet und Ihn um Vergebung derselben bittet."

10 Sagen die dreißig: "Ihr könnet uns leicht vergeben, da ihr fürs erste unsere Sünden nicht kennet und wir fürs zweite gegen euch uns auch nie versündigt haben. Aber ganz anders ist es vor dem Herrn, der fürs erste unsere Sünden durch und durch kennt und Dessen allergröbste Schuldner wir sind. Wenn auf der Welt jemand einem Gläubiger viel schuldet, so hat nur dieser allein ein Recht, die Schuld von ihm zu verlangen und zu Sagen: »Der Termin ist verstrichen, daher zahle mich, sonst lasse ich dich in den Schuldenarrest stecken!« Und es wird der Schuldner mit seinem Gläubiger durch Bitten und Flehen nicht wohl zurechtkommen, solange er die Schuld nicht abgetragen hat. Der Schuldner aber kann jedem andern Menschen gegenüber ein recht achtbarer, angenehmer Mann sein, daß da wider ihn niemand eine Klage erheben wird, aber das hebt seine Schuld zu dem einen Gläubiger nicht auf, dessen Recht bleibt.

11 Man kann freilich wohl annehnen, daß der Gläubiger aus Mitleid und Barmherzigkeit die ganze Schuld nachlassen kann; aber das ist pur ein Werk des guten Gläubigers, aber der Schuldner hat wenig Recht, solch eine edle Handlung unter was immer für einem Grund und Namen zu verlangen. Er ist und bleibt so lange ein Schuldner, bis die Schuld abgetragen ist. Aus diesem Grunde haben wir denn auch leicht reden mit euch; denn ihr seid unsere Gläubiger nicht. Der Herr aber steht uns mit einer ungeheuren Forderung vollrechtlich gegenüber; daher es denn wohl auch um sehr vieles schwieriger sein dürfte, mit Ihm zu reden, als mit euch, denen wir nie etwas schuldig waren."

12 In diesem Augenblicke stehe Ich vor den dreißigen, und zwar auf dem bekannten Hügel, auf den sie, ohne es zu gewahren, samt ihren Lehrern gezogen worden sind. Die dreißig erkennen Mich sogleich und beben vor großer Angst zusammen. Ich aber sage zuerst zu den dreien: "Ihr habet eure Aufgabe gut gelöst im Kleinen; es soll euch deshalb auch ein Mehreres anvertraut werden. Also seid auch ihr beide, die ihr euch zuerst den dreien angeschlossen habt, fähig, mit ihnen Meine Geschäfte im gleichen Maße zu besorgen. Ihr dreißig aber seid zwar sehr starke Schuldner zu Mir und wir hätten vieles zu verrechnen miteinander, aber da ihr ganz treuherzig eure Schuld einbekannt habt, so erlasse Ich sie euch ganz! Gehet aber nun auch mit den fünfen und bearbeitet Meinen Weinberg! Und Ich werde euch dann geben, was da des rechtens sein wird. - Seid ihr damit wohl ganz vollkommen zufrieden?"

13 Sagen die dreißig: "O Herr, Gott, Schöpfer und Vater aller Wesen! Wie endlos groß muß Deine Liebe und Erbarmung sein, daß Du uns arge Sünder sogar fragen magst, ob wir mit dem zufrieden seien, was Deine endlose Gnade und Güte uns unverdientestermaßen beschert? O Herr, o Du bester Vater! Wir sind schon damit zufrieden, daß Du uns nicht, wie wir es tausend- und tausendmal verdient hätten, in die Hölle geworfen hast, wie sollten wir mit einer noch größeren Gnade, die Du, o heiligster Vater, uns willst zukommen lassen, nicht zufrieden sein!? Für jeden Tautropfen auf unsere dürstenden Herzen Dir, o heiligster Vater, alle unsere Liebe, allen unseren Dank! Denn auch der Tautropfen rann aus Deiner Hand, o Du heiliger, allmächtiger Vater. Welch ein Lohn ist es schon!

14 Welche Welt, welche Sonne, ja welcher Himmel wiegt wohl den Wert auf, der für uns in dem besteht, daß unsere blöden und noch immer sterblichen Augen einmal Dich, o Du ewig heiliger Vater, geschaut haben, und daß unsere Ohren vernommen haben den über alle Himmel erhabensten Klang Deiner Vaterstimme! Daher, o heiligster Vater, ja keinen Lohn mehr für uns! Denn wir sind schon jetzt so hoch belohnt, daß wir diesen hohen Lohn ewig nie durch all unsere künftige Tätigkeit werden abdienen können. Wie sollen wir je auf noch irgendeinen höheren Lohn einen Anspruch machen können?! Wir würden ja jede Hoffnung für eine Todsünde halten. - Gib, o Vater, uns nur das nötigste tägliche Brot, und wir haben dann alles, was sich unsere Herzen nur immer wünschen können. Dein allein heiliger Wille geschehe!"

15 Sage Ich zu Robert: "Bruder! Wenn solche Gäste zu uns kommen, dann darf es an Brot und Wein nicht fehlen! Geh und bringe vom Brot und Weine ein rechtes Maß, auf daß sie alle gestärkt werden zu ihrem starken Amte. Denn diese vielen Millionen sollen ihnen anvertraut sein, die nun schon über die meisten Länder der nördlichen Erde sich auszubreiten beginnen."

16 Robert schafft sogleich Brot und Wein herbei, und Ich Selbst teile es unter diese (im ganzen) fünfunddreißig Personen aus. - Mit dem dankerfülltesten Gemüte verzehren sie es und loben über die Maßen Meine große Güte, Liebe, Gnade und Erbarmung.

17 Sage Ich: "Wahrlich, ein solcher Sünder, der wahre Buße im Herzen tut und sich demütigt, ist Mir um sehr vieles lieber als neunundneunzig Gerechte, die der Buße nicht bedürfen. Denn der Gerechte ist gerecht aus Furcht, und scheuet sich (aus Furcht) zu fehlen. Der Sünder aber wird gerecht durch die Buße der Liebe zu Mir, und das ist mir um vieles lieber."

18 Unter den tiefsten Lobpreisungen ziehen die fünfunddreißig nun wieder ab, geleitet von Meinem Segen, und machen sich voll Mutes an das ihnen anvertraute Werk. - Es treten aber auch die ersteren drei zu Mir hin in der allertiefsten Achtung und sagen: "Herr, auch wir, so Du uns für tüchtig ansähest, möchten in Deinem allmächtigen, heiligen Namen zum Wohle unserer Brüder tätig sein. Wenn es Dein heiliger Wille wäre, so lasse uns unseren Brüdern nachziehen!"

19 Sage Ich: "Meine Freunde! Ich meine, daß euch ja hier bei Mir auch nichts abgeht. Wartet nur! So Ich euch rufen werde, dann werdet ihr schon auch in Hülle und Fülle zu tun bekommen. Jetzt aber haben wir auf diesem Hügel noch andere Dinge abzumachen. Der irdische Freitag geht zu Ende, der Sabbat ist im Anzuge, und da wird es noch so manches zu schlichten geben.

20 Die fünfunddreißig Boten beginnen die Hände an ihr Werk zu legen, es wird deshalb auch schon sehr unruhig in den Regionen des unteren Gewölkes. Sehet euch vor, denn diese dunkeln Geister werden sehr bald ihr arges Werk beginnen. Aber es ist schon vorgesorgt, daß sie sich nicht zu sehr verderblich werden erheben können. Über ihnen harren Milliarden der überaus mächtigen Friedensgeister und werden gar wohl verstehen, die unruhigsten sogleich zur Ordnung und Ruhe zu treiben. Die Berge werden es euch bald erzählen, wie es eigentlich mit diesen Unholden stehen wird. Habet aber keine Furcht, denn in allen solchen Geistern, die sich außerhalb Meiner Ordnung befinden, ist keine Kraft und nicht die geringste Macht vorhanden."

21 Die drei geben sich nun völlig zufrieden und loben Meine Liebe, Güte, Weisheit und Macht. Robert kommt aber auch für diese drei mit einer Portion Brot und Wein und gibt sie ihnen zur Stärkung zum ewigen Leben. Sie getrauen sich aber weder das Brot noch den Wein zu nehmen, bis Ich es ihnen zu nehmen förmlich, wie einst dem Petro die Fußwaschung, gebiete. Als sie das Brot und den Wein verzehrt haben, fühlen sie sich ganz gewaltig gestärkt und fangen darauf denn auch an, Mich über alle Maßen zu loben und zu preisen.

274. Kapitel: Rote Kriegsgeister und blaugraue Maulhelden und Spaßmacher. (Am 5. Nov. 1850)

01 Nach der Beendigung solchen Lobens und Preisens aber bricht auch der Sabbat an, und es nahet sich eine Menge rotgekleideter Geister von der Nordgegend dem Hügel, und diese tragen eine rote und eine weiße Fahne.

02 Robert fragt Mich, sagend: "Herr, das ist eine ganz neue Erscheinung; was soll mit diesen Geistern geschehen? Bei Deinem allerheiligsten Namen, da geht es ja nun doch schon beinahe zu, wie ich es auf der Erde einmal in dem bekannten Märchenromane »Tausend und eine Nacht« gelesen und mit den Augen meiner Phantasie gesehen habe. - Was führt denn diese Roten daher mit ihrer roten und weißen Fahne?

03 Sage Ich: "Das sind lauter Kriegslustige! Wie es auf der Erde Menschen beiderlei Geschlechtes gibt, denen ein Krieg das größte Vergnügen ist, ebenso gibt es auch in der Geisterwelt Geister, die außer dem Wesen des Krieges keine Seligkeit kennen und wollen. Wenn es auf der Erde recht kriegerisch zugeht, so sind diese Geister am glücklichsten. Sie gewinnen zwar durch den Krieg nichts, aber dennoch ist ihnen der Kriegslärm über alles angenehm. Sie sind deshalb auch die besten Propagandisten und verstehen sich sehr wohl darauf, in den Gemütern der Völker wie der Könige die Kriegslust anzufachen. Die mit der weißen Fahne sind defensiv kriegerisch gesinnt und die mit der roten offensiv (defensiv = verteidigend, offensiv = angreifend). Sie haben in die Erfahrung gebracht, daß Ich Mich persönlich wesenhaft auf der Erde befinde, und zwar in der Nähe der Provinzialhauptstadt Graz, und kommen daher in einer ganz gut aussehenden Ordnung hierher, um sich bei den uns nahestehenden Geistern zu erkundigen, ob sie nichts wüßten, daß Ich etwa ein Gericht über die Erde verhängen wolle oder werde; denn ihnen ist alles willkommen, was da irgendein bedeutendes Spektakel abgäbe.

04 Du siehst aber auch, wie sich diesen Kriegslustigen andere Geister in dunkelblaugrauen, etwas schmutzigen Gewändern nahen. Das sind so rechte Maulhelden, und ihre Lust besteht darin, die Neugierigen und Spektakelsüchtigen bis zum blau und grau werden anzulügen, und das nicht selten mit einer solchen Beredsamkeit, daß manche von ihnen am Ende sogar selbst zu glauben anfangen, was sie gelogen haben. Diese Geister sind zwar nicht böser Art; sie sind sogenannte Spaßmacher. Sie können zwar niemanden einen bedeutenden Schaden zufügen, obschon gerade auch keinen Nutzen. Von diesen Geistern werden nun die Kriegsrufer allerweidlichst angesetzt werden, und das wird dann eine Haupthetze abgeben; denn es werden auch einige Wahrheitsfreunde von Mittag herbeikommen und werden die Kriegslustigen darüber belehren, daß sie von diesen Blaugrauen allerweidlichst angelogen worden sind. Die Kriegsgeister werden dann aufbegehren und Genugtuung verlangen, und das wird dann der Augenblick sein, in dem wir ihnen auf einem bestimmten Wege werden beikommen können."

05 Sagt Robert: "Ah, das ist aber denn doch im Ernste komisch! Da möchte ich dabei sein, um zu hören, wie etwa doch die Blaugrauen die Roten werden anlaufen lassen." - Sage Ich: "Das ist dein Geschäft, und Ich habe dich darauf eigens aufmerksam gemacht. Begib dich daher mit dem Peter Peter hinab und nehmet beide eure Weiber mit. Suchet irgend jemanden zu gewinnen, auf daß er dann ein Friedensrichter werde unter den Parteien, so sie recht zu streiten beginnen; denn es wird am Ende unter ihnen ganz heiß und stürmisch werden."

06 Robert und Peter Peter begeben sich nun schnell hinab und kommen gerade zu der ersten Begegnung. - Ein Roter eilt den Blaugrauen entgegen und sagt: "Freunde! Wir haben vernommen, daß sich der allmächtige Geist des berühmten Nazaräers namens Jesus (hier erschrecken die Blaugrauen ein wenig) in dieser Gegend persönlich aufhalte mit einer großen Menge anderer Machtgeister. Könnet ihr uns denn diese Gegend nicht näher bezeichnen und sagen, was alles etwa dieser Machtgeist nun über die böse und harte Menschheit der Erde zu unternehmen im Schilde führt. Wir haben auf unserer Hierherwanderung vernommen, daß er über ganz Europa den Krieg in einer allererbittertsten Art will entstehen lassen. Ihr werdet da sicher etwas Näheres schon erfahren haben. So ihr da etwas Verläßliches wisset, so teilet es uns mit; denn wir haben das dann sogleich der ganzen Welt zu hinterbringen, auf daß sie sich gehörig vorbereiten könne."

07 Sagt ein Blaugrauer: "Ja, ja, der große Machtgeist befindet sich nun hier in dieser Gegend, und zwar in Gesellschaft von vielen Millionen Geistern, die alle ganz ungeheuer mächtig sein müssen. Wo gerade der Punkt ist, den sein Fuß berührt, das wissen wir wohl nicht anzugeben. Weit von hier ist er in keinem Falle; aber wo gerade, damit können wir euch nicht dienen. Aber sehet nur einmal aufwärts und ihr werdet die Luft voll Geister erschauen!"

08 Die Roten tun das und erstaunen über das zahllose Heer. - Fährt der Blaugraue fort: "Von einem europäischen Kriege haben wir zwar noch eben nicht so viel vernommen, aber dafür von einem allgemeinen Weltkriege über alle Länder der Erde. Dieser Krieg wird wie eine Noahische Sündflut bis auf etliche wenige Menschen und Tiere alles vertilgen, was da lebt und atmet; denn die Menscheit ist von A bis Z zu toll und zu böse geworden!"

09 Über diese Nachricht machen alle Roten ganz überaus heitere Gesichter und sagen: "Ja, ja, so wird es ganz gewiß werden, und der Hebel für den Beginn aber dürfte wohl die rein politische Spiegelsechterei zwischen Österreich und Preußen sein. Wir haben uns Einsichten in die geheimen Kabinettsverhandlungen zu verschaffen gewußt und daraus ersehen, daß diese gegenseitigen, offenen Zwistigkeiten zwischen den obenbenannten zwei Mächten nichts als leere optische Täuschungen für Frankreich seien. Unter dem Vorwande, daß diese zwei deutschen Mächte sich mit den Waffen zurechtweisen wollen, rüsten sich beide, und zwar in einer allerintensivsten Art. Preußen sucht pro forma sogar wider Österreich mit Frankreich in ein Bündnis zu treten, was aber Frankreich, das nun den Braten zu riechen beginnt, nicht annimmt, sich aber dafür geheim derart armiert, wie es noch nie armiert war. Werden nun die beiden Mächte ganz armiert dastehen, dann werden sie, sich an Rußland stützend, gemeinschaftlich über die Republiken in Europa sich werfen und werden daraus feste Monarchien bilden, so es gut gehen wird. Wird ihr Unternehmen aber scheitern, was auch sehr leicht geschehen kann, und wir möchten es nahezu sogar behaupten, dann ist der Weltkrieg fertig - ein unübersehbarer Kampf zwischen der Sklaverei des Absolutismus und der unbedingten Freiheit des reinen Weltbürgertums. Da wird die Nacht mit dem Lichte so lange ringen, bis sie ganz untergehen wird und dem Lichte am Ende der volle Sieg zuteil wird. Was meinet ihr dazu? Kann das eueren Weltkrieg geben oder nicht?"

10 Sagen die Blaugrauen: "Ja, ja, ihr sollet recht haben! Aber wir haben noch etwas anderes vernommen." - "Was denn, was denn?", fragen die Roten hastig, "vielleicht noch etwas Ärgeres als einen Weltkrieg?"

11 Sagen die Blaugrauen: "Oh, ganz gewiß! Wir haben von glaubwürdigen Geistern vernommen, daß der Machtgeist im Ernste es vorhabe, das große, allgemeine Weltengericht in der ganzen Unendlichkeit ergehen zu lassen, und daß dazu schon alle möglichen, uns freilich unbegreiflichen Vorkehrungen getroffen werden." - Hier fahren die Roten vor Entsetzen zurück und schreien: "Nein, nein, das ist nicht möglich! Um des allmächtigen Gottes willen! Ihr meinet doch nicht etwa das Gericht, vor dem Sonne und Mond verfinstert werden und alle Sterne vom Himmel auf diese Erde fallen werden wie die Schneeflocken im Winter?"

12 Sagen die Blaugrauen: "Ja, ja,dasselbe Gericht soll nun im Anzuge sein, und damit die Auflösung aller Natur!" - Sagen die Roten: "Wo, wo, und von wem habet ihr so etwas vernommen? Hat etwa der große Machtgeist Selbst so etwas jemanden anvertraut, oder haben das etwa gar Seine Geister ex officio divino (im göttlichen Auftrag) getan? Sind vielleicht gar schon Posaunen vernommen worden?"

13 Sagen die Blaugrauen: "Das gerade eben noch nicht, soviel wir wissen; d.h. von jener Seite wissen wir noch nichts, aber eine Menge anderer Geister hat uns darüber gar sehr bedeutende Winke gegeben, und es dürfte daher wohl sehr etwas daran sein." - Hier machen die Roten sehr verdutzte Gesichter und vergessen ganz des Krieges. Fragen die Blaugrauen die Roten: "Warum erschrecket ihr denn bei solcher Kunde gar so sehr, da ihr doch bei der Nachricht eines Weltkrieges ganz heitere Gesichter gemacht habt? Geniert euch denn das große verheißene Weltengericht, das der große Machtgeist Jesus halten wird, wie er es selbst vorhergesagt hat bei seinen Leibeslebzeiten auf dieser Erde, und zwar im Angesichte der Stadt Jerusalem?"

14 Sagt ein Roter: "Ja,Freunde, das geniert uns ungeheuer! Denn nach solch einem Gerichte hören alle Welten und was sie hervorbringen auf. Keine Menschen werden mehr den Erdboden betreten und von einem ergötzlichen Kriege wird dann auch sicher ewig keine Rede mehr sein. Was sollen wir aber dann anfangen, wenn keine Kriege mehr geführt werden? Kriege sind ja unser Leben! Ohne Kriege gibt es auch überhaupt gar kein Leben, keinen Gewinn und kein Vergnügen! Dieser nun bevorstehende Weltkrieg wäre sonach der letzte, der auf dieser Erde Boden, welcher ja auch vergehen wird, zustande käme?"

15 Sagen die Blaugrauen: "Ganz gewiß! Denn wenn keine Menschen mehr existieren werden, wer soll da denn hernach wohl noch einen Krieg führen?! Selbst wenn auch noch nach dem Weltkriege, der nun in Kürze beginnen wird, etliche und dreißig Menschen und vielleicht noch weniger am Leben bleiben würden und die Erde noch etliche und fünfzig Jahre erhalten werden möchte, so kann aus ihr schon darum kein Krieg mehr stattfinden, weil die wenigen Menschen Land genug besitzen werden und daher nicht nötig haben, sich wegen des Besitzes von mehr oder weniger Land einander gegenseitig zu bekriegen, um Länder durch den Krieg an sich zu reißen und darüber zu triumphieren. So aber die wenigen Übrigebliebenen dazu noch im Lichte Gottes sein werden und nach Dessen Geboten leicht, ja sehr leicht leben - weil dann viele tausend Versuchungen, die die Menschheit nun wider das Gottesgesetz zu handeln anfachen, von selbst hinwigfallen werden, wer soll dann noch an einen Krieg denken können?!

16 Also von einem Kriege nach dem großen Weltkriege wird gar keine Rede mehr sein können, und das halten wir für überaus gut. Denn selbst aus einem allerglücklichsten Kriege ist noch nie ein Glück für die Menschheit hervorgegangen. Daher ist ein ewiges Ende aller Kriege nur über alles zu erwünschen. Ob dagegen das allgemeine Weltengericht auch so segensreiche Folgen haben wird wie das gänzliche Aufhören der Kriege, das ist eine sehr bedeutend andere Frage. Wenigstens dürften dabei so kriegslustige Helden, denen das größte Unglück der Menschheit Vergnügen schafft, eben nicht am besten bestehen."

17 Fragen ganz heftig die Roten: "Und warum denn?! Sind denn die Kriegshelden nicht stets die verdienstlichsten Menschen auf der Erde gewesen? Machen nicht sie allein den Ruhm aller Völker aus? Sind Ordenszeichen und Siegestrophäen nichts in euren Augen? Nur ruhmgekrönte Helden leben in der Geschichte und in der Erinnerung der Völker ewig fort! Alles andere aber ist Asche und Spreu, vergeht wie eine Tagesfliege und lebt in keines Menschen Erinnerung fort."

18 Sagen die Blaugrauen: "Und was habt ihr Helden nun davon, so ihr etwa noch im Gedächtnisse schwacher Erdmenschen gleich mattesten Schattenbildern um ein paar Jahrhunderte länger fortbestehet als ein anderer armer Teufel? Auch ihr werdet vergessen werden! Und so der Krieg alles zerstören wird, werden da wohl die Geschichtsbücher bleiben? Und so sie auch bleiben, saget, wer sie dann lesen wird, so alles Leben aufhört? Hier im Geisterreiche aber hat ohnehin jeder Unterschied aufgehört, und wo er besteht, da ist die Hölle! So ihr aber auch hier Standesunterschiede suchet, da seid ihr Geister der Hölle und habt Zeit, euch von uns zu entfernen! Sonst dürfte es geschehen, daß ihr von uns entfernt werdet."

19 Hier werden die Roten vor Ärger ganz stumm. Nur die unter der weißen Fahne stehenden treten hervor und sagen: "Wir sind keine Krieger aus Lust, sondern aus Not. Wir sind pure Verteidiger! Wir rufen den Krieg nicht. So er uns aber geboten wird, dann stehen wir freilich beim Zeuge und verstehen es, dem Feinde die allerheißeste Stirne zu bieten. Gelten deshalb etwa unsere Auszeichnungen und unsere Helden hier auch um nichts mehr, als ein anderer, ganz gewöhnlicher, verdienstloser Mensch?"

20 Sagen die Blaugrauen: "Das ist hier vollkommen eins. Ihr seid um gar nichts besser als die anderen; denn ihr seid ebenso ruhmsüchtig wie eure Gegner. Eure Gegner suchen den Krieg und ihr erwartet die Kriegssucher mit brennender Gier, um euch mit ihnen messen zu können. Was ist da wohl für ein Unterschied, so ein hochmütiger Teufel den andern, der ihn beleidigte, herausfordert, und so der Herausgeforderte den Kampf begierig annimmt? Saget, wer von beiden ist da wohl der Verdienstvollere, Bessere und Schätzenswertere? Wir meinen, die Geschichte hebt sich hier so ziemlich auf und ein Unterschied ist da wohl beinahe gar nicht bemerkbar. Da ist schon ein Teufel wie der andere."

21 Hier fahren auch die mit der weißen Fahne auf vor Zorn und wollen sogleich die Blaugrauen zu massakrieren beginnen. - Aber hier treten Robert und der Peter Peter vor und drängen die Roten auf gute hundert Schritte zurück und bedrohen sie. Aber darauf werden die Roten alle gemeinschaftlich erst so recht kriegstoll.

275. Kapitel: Robert und Peter Peter bearbeiten die blaugraue Maulhelden und Spaßmacher. Diese bekennen ihre Schwäche und entschuldigen sich. Menschen- und Gottesgericht. Ein Bote von oben. (Am 9. Nov. 1850)

01 Die Roten getrauen sich aber dennoch nichts zu unternehmen, da sie nun erfahren haben, daß die beiden eine besondere Kraft haben müssen, die sie so unwiderstehlich zurückgedrängt hat. Aber dafür treten sie recht eng zusammen und halten Rat, was sie nun tun sollen, um ihrem Grimme doch ein wenig Luft machen zu können.

02 Unterdessen aber wenden sich die beiden, Robert und Peter Peter, an die Blaugrauen und sagen: "Freunde, wie wir jetzt erfahren haben, so seid ihr dem Reiche Gottes näher, als ihr es bei euch meinen möchtet. Aber es geht euch noch so manches ab, das ihr aber sehr leicht gewinnen könntet. Und sehet, dieses Manche besteht lediglich darin, daß ihr fürder ganz ausschließend der Wahrheit euch bestrebet und keine Lust mehr daran haben sollet, jemanden anlaufen zu lassen, wie ihr es mit diesen roten Geistern gemacht habt. Sehet, es ist für den Blinden genug des Elendes, daß er blind ist. Wozu dann daran eine Lust haben, sich aus der Blindheit des Blinden einen nichtssagenden Spaß bereiten zu wollen, der am Ende dennoch zu allerlei Ärgernissen und Verdrießlichkeiten, die sicher in der wahren Nächstenliebe nicht gegründet sind, Anlaß geben können und oft unausweichlich geben müssen?! Also weg mit dem, was weiseren Geistern, wie ihr es seid, nicht ziemt!

03 Sehet, die Folge eines oft noch so harmlosen Spasses oder Scherzes, den man sich gegen einen etwas Schwachsinnigen erlaubt hat, kann nicht selten eine recht bittere sein. Der Gefoppte merkt es am Ende, daß er gefoppt ward, wird darüber erbost und denkt dann nur darüber nach, wie er sich rächen könnte. Er findet bald einen Weg dazu und handelt dann rücksichtslos; denn so ein Esel einmal toll wird, so bringt er den Tiger zum weichen. So etwas erbittert dann das Gemüt der früheren Spaßmacher ganz entsetzlich, daß sie dann auch schonungslos zuzuhauen anfangen. Und die Folge davon ist? Wir brauchen sie euch nicht näher zu zergliedern, denn ihr seid selbst so klug, daß ihr sie in all ihrer bitteren, oft endlosen Ausdehnung übersehen könnet. - Daher lasset in der Zukunft das und wendet euch dafür ganz lebhaft zum Herrn, den ihr recht wohl kennet, und ihr sollet von Ihm in Sein Reich aufgenommen werden!"

04 Die Blaugrauen danken den beiden für diese wahre und sehr freundliche Zurechtweisung und fragen sie aber auch zugleich, was sie nun diesen roten Geistern tun sollen, da sie dieselben denn doch mit dem Weltkriege und am Ende gar mit dem allgemeinen Weltengerichte etwas zu stark haben anlaufen lassen.

05 Sagen die beiden: "Das war freilich etwas stark. Aber da dieses Anlaufenlassen bei diesen Kriegssuchern denn doch einen gewissen moralischen Eindruck gemacht hat, so kann man es vorderhand dabei bewenden lassen. Bei einer nächsten Gelegenheit wird sich dann das schon wiedergutmachen lassen. Sie aber jetzt aufzuklären, könnte sehr üble Folgen haben. Es wird nun auch in Wahrheit ein starker Krieg über die Erde zugelassen werden und wird hie und da zum Teile moralisch und zum großen Teile auch naturmäßig wüten. Ebenso wird sich auch ein besonders starkes Gericht über die Großen und die allzu selbstsüchtigen Reichen ergießen. Auch werden hie und da große irdische Eruptionen statthaben, und so wird sich diese eure Fopperei für den Sinn dieser Geister bewahrheiten. - Aber nun ziehet euch zurück, und tuet das, was wir euch angeraten haben, so werdet ihr einen großen Vorteil für euer Leben ernten. Ihr seid also näher dem Reiche Gottes, als ihr es meinet. Tuet darnach, wie es recht ist nach der heiligen Ordnung Gottes, und ihr werdet in dieses Reich alles Lebens eingehen. Wir waren auch, wie ihr nun seid; der Herr aber hat uns erhoben, und wir sind nun bei Ihm für ewig. Folget uns, und ihr sollet von Ihm nicht verstoßen werden! Denn wahrlich, in Seinem Hause gibt es gar viele Wohnungen!"

06 Sagen die Blaugrauen: "Wir waren stets sehr ehrliche Bürger bei unserem Leibesleben sowohl als auch nun als des schweren Leibes entledigte Seelen oder Geister. Nur diese sonderliche Schwachheit hatten wir alle mehr oder weniger, daß wir gerne Kasperladen ausgeübt haben, freilich stets weit entfernt von irgendeiner bösen Absicht. Unseres Wissens ist aus all unseren ausgeführten Spässen auch nie für jemanden etwas Übles hervorgegangen; und hatte sich auch nur irgendein Schein von einem Schaden gezeigt, so haben wir ihn sicher wiedergutgemacht. Bei manchen etwas stark eingebildeten Leuten haben unsere Stand-, Sach-, Tat- und Wortwitze sogar eine gute moralische Wirkung zuwege gebracht. So manche hoch aufgetriebenen Blasebalge sind dadurch ihrer überflüssigen Hochluft entledigt worden, was da sicher nicht schlecht war, weil sie hernach recht artige und freundliche Menschen geworden sind. Wir wollten durch unsere Scherze auch nie einen auch noch so geringen Menschen entehren; sondern unsere Sache war nur, einen erheiternden Spaß auszuführen - und darnach aber auch so manche gar zu alberne Dummheiten jener vielen Menschen sanft durchzugeißeln und dadurch einen etwas geläuterten Sinn bei den Trübsinnigen zu bewerkstelligen.

07 Und so erhoffen wir denn auch, daß Gott der Herr, welcher der menschlichen Seele auch den Heiterkeitssinn eingepflanzt hat, mit uns etwa doch nicht gar zu scharfrichterlich umgehen werde. Sagte ja auch der weise Apostel Paulus im Namen Gottes, daß man mit den Heiteren heiter sein solle und weinen mit den Weinenden. Vom Weinen war bei uns freilich wohl gar leicht nicht die Rede, aber heiter waren wir stets. Und wer zu uns kam, hat sicher nie eine Ursache zum Weinen gefunden; und hatte er auch vor unserer Türe geweint, so wußten wir ihm seine Tränen auch bald zu trocknen, entweder durch eine Unterstützung oder durch unsere stets ungetrübt gute und heitere Laune. Wir finden daher an uns zwar wohl geradewegs nichts, was man mit gutem Gewissen loben könnte, aber ebenso auch nichts, was da ex fundamento (von Grund auf) zu verdammen wäre.

08 Wir erhoffen daher von Gott dem Allgerechten, wennschon nichts, das da ein Gesicht wie ein Lohn hätte, so doch aber auch keine ewige Verdammnis. Das ist so unsere Meinung; was saget ihr dazu? - Ob wir also zu reden hier ein Recht haben, das ist freilich eine ganz andere Sache. Aber das glauben wir fest und haben es trotz der Höllenpredigten unserer Pfaffen allezeit geglaubt, daß Gott der Herr kein so unerbittlicher Richter sein wird, wie da waren und noch sind die Richter auf der Welt. Diese richten die Armen schonungslos nach dem Buchstaben des Gesetzes und kennen weder Schonung, Gnade und Erbarmung. Bei Gott aber dürfte es ja doch bei der völligen Besserung einer sündigen Seele etwas gnädiger hergehen."

09 Sagt Robert: "Allerdings! Des Herrn Gericht ist ein angelegter Weg zur Besserung und Vollendung des Geistes; aber der Menschen Gericht gebiert Verderben und den Tod der Seele! Folget uns daher nur auf die Höhe dieses vor uns stehenden Hügels! Dort sollet ihr es vom Herrn Selbst erfahren, wie gar sehr verschieden Seine Gerichte von den Gerichten der Menschen sind. Die Gerichte des Herrn sind ein Balsam zur Heilung aller Wunden, die je einer Seele geschlagen worden sind! Die Gerichte der Welt aber gleichen den wilden Raubtieren, die ihre Opfer ohne alle Schonung anfallen und dieselben zerreißen und mit großer Gier verzehren, was ich selbst wohl erfahren habe. Folget uns daher nur ganz ohne Furcht, denn hinter uns erwartet euch ein sanfter Richter und keine mit scharfer Ladung zum Tode wohlversehene Schützentruppe."

10 Sagen die Blaugrauen: "Ihr lieben Freunde! Wenn es zuverlässig also ist, wie ihr es uns nun kundgemacht habet, da folgen wir euch sogleich ganz unbedingt. Aber da wir schon einmal mit euch reden, so möchten wir denn doch auch erfahren, wer denn etwa die zwei gar wunderschönen Damen hinter euch sind. Wir sahen sie mit euch kommen, auch wichen sie nicht von eurer Seite. Sie besprechen sich untereinander ganz stille; mit euch aber sahen wir sie noch nicht ein Wörtchen wechseln. Das kommt uns etwas sonderbar vor; daher möchten wir wissen, wer die beiden Engelsschönheiten sind und was sie bei euch zu tun haben? Am Ende sind das etwa so ein paar himmlische Spione, die es sich zum Geschäfte machen, uns zu bespitzeln und hernach bei der himmlischen Polizei uns anzuzeigen, so uns etwa irgendein unrechtes Wort über die Lippen geflossen wäre!? Das wäre so eine ganz verzweifelte Bescherung!"

11 Sagt Robert: "Habet vor diesen beiden Wesen keine leere und törichte Angst! Sie sind unsere von Gott dem Herrn uns für ewig angetrauten Weiber und begleiten uns überall auf unseren Wegen und Stegen, die wir allezeit im Namen des Herrn zu machen haben. Von irgendeiner Spitzelei aber kann hier schon ewig keine Rede sein, weil fürs erste der Herr allwissend und allsehend und allhörend ist, und fürs zweite auch wir als Seine Boten jeden Geist, mit dem wir zu tun haben, durch und durch schauen können und daher ganz genau wissen, wie er mit all seinen Gesinnungen, Gedanken, Worten und Werken bestellt ist, wir aber gehören noch lange nicht zu den vollendeten Geistern, und doch sehen und hören wir sozusagen das Gras wachsen und verstehen die Sprache der Infussionstierchen, um wieviel mehr versteht das erst der Herr Selbst und Seine vollendeten Geister.

12 Aus dem aber könnet ihr gar überaus klar entnehmen, daß man im Reiche Gottes durchaus keine Denunzianten braucht und keine Ohrenbeichte, um hinter die geheimsten Gedanken, Wünsche und Triebe der noch so gesinnungsverschiedenen Geister zu gelangen. Wir kennen euch nun durch und durch. Sähen wir, daß ihr untüchtig wäret zum Gottesreiche, so würden wir euch ebensowenig uns zu folgen bereden, wie jene roten Geister, die noch große und sehr bittere Lebensproben durchmachen müssen, bis sie fähig werden, ins Reich Gottes aufgenommen zu werden! Da wir aber in euch die Fähigkit ersehen, vermöge der ihr - nicht etwa würdig, sondern einfach bloß nur die gesagt, fähig seid, ins Gottesreich aufgenommen zu werden, so bereden wir euch denn auch, daß ihr uns zum Herrn hin folgen sollet, tun euch aber ja keinen Zwang an.

13 Ihr könnet noch immer tun, was ihr wollet. Wollt ihr mit uns ziehen, so könnet ihr das ganz frei ohne allen Zwang tun. Wollt ihr aber lieber also verbleiben, so steht es euch auch ganz frei. Aber so ihr uns folgen wollet, da müsset ihr euch wohl sogleich dazu bequemen, denn die Zeit fängt an, uns zu drängen. Der Sabbat geht zu Ende; die irdische Sonne beugt sich schon sehr stark in ihrer Tagesbahn dem Untergange zu. In dieser Nacht noch geschieht unser Abzug von hier, daher hätten wir jetzt nur sehr wenig oder schon auch gar keine Zeit mehr, uns für nichts und wieder nichts mit euch noch länger abzugeben. Kommet daher sogleich - oder bleibet!"

14 Sagen die Blaugrauen: "Wir gehen mit euch ohne alle weiteren Bemerkungen! Der Herr wird uns gnädig und barmherzig sein. - Aber da kommt soeben ein Bote von oben herab; den müssen wir denn etwa doch noch abwarten! Der könnte vielleicht gar wichtige Dinge uns zu hinterbringen haben. Er sieht zwar sehr freundlich aus, aber in seinen Augen ist dennoch ein gewisser Ernst zu entnehmen, aus dem gar wichtige Dinge hervorgehen können. Er naht sich uns mit schnellen Schritten! Er wird sogleich bei uns sein." - Sagt Robert: "Ja, den Boten müssen wir freilich noch abwarten. Der wird uns wohl das Wichtigste zu berichten haben!"

15 Der Bote tritt nun in die Mitte der Blaugrauen und sagt: "Seid mit uns voll guten Mutes; denn ihr habet den Weg zum Heile des Heiles gefunden! Eure Gewänder sollen lichtblau und eure Herzen beständig werden in der Liebe zu Gott dem Herrn und zu euren Brüdern und Schwestern! Werdet frei in allem! Und tuet Gutes jedermann! Niemand sei euch zu gering, aber auch niemand zu groß. Denn im Gottesreiche herrscht die vollste Gleichberechtigung aller Stände und aller Nationen! - Daher folget uns ohne Furcht und ohne Zaudern!"

276. Kapitel: Die Lichtblauen staunen ob der Macht des Boten, ohne ihn in seinem wahren Wesen zu erkennen. Gottesvorstellung und Gotteserkenntnis der Menschen und Geister. (Am 13. Nov. 1850)

01 Sagen die nun sogleich mit lichtblauen Gewändern Angetanen, die nun nicht begreifen können, wie ihre Kleider sich gar so plötzlich haben verändern und umfärben können: "Freund, du kommst uns ganz sonderbar vor! Was du sagst, das geschieht! Unsere Kleider, merkwürdig! Dein Wort erging über sie, und wir konnten es nicht einmal merken, wann sie so ganz eigentlich umgewandelt worden sind. Auch hat sich unsere Gesinnung ganz geändert. Wir sehen nun manches bis auf den Grund ein, wovon wir früher keine Spur hatten. Du mußt ein gar überaus mächtiger Freund des Herrn sein. Die beiden früheren Freunde, d.h. die vor dir mit den beiden Weibern zu uns kamen, waren wohl auch so hübsch mächtig, denn jene rote Schar, die uns von weitem her ganz verzweifelt kriegslustig angrinst, haben sie ganz allmächtig scheinend zurückgedrängt, und jene haben sich darauf uns nimmer nahen können. Diese Tat zeugt wahrlich auch von einer ungeheuren Willensmacht; aber sie scheint doch nur mehr bloß darin zu bestehen, daß sie hindert und gewissen Begierden und Handlungen ein schroffes Ziel setzt gleich einem sanktionierten Gesetze aus dem Munde eines Feldherrn. Aber Dinge durch ein leichtes Wort zauberisch wunderbar verwandeln - ah - das gehört auf ein anderes Blatt! Es kann ein mächtiger Feldherr durch sein Donnerwort wohl einen halben Erdkreis erbeben machen, aber eine rote oder gelbe Blume durch sein Machtwort blau zu färben, vermag er nicht, da gehört mehr dazu, als einem Heere von Millionen zu gebieten, daß Berge abtragen und den großen Strom Euphrat austrocknen sollen. -

02 Sage, du liebster Freund, mit welcher sonderbaren Macht tust denn du solch ein Wunder? Siehe, wir glaubten auf der Welt nicht eben zu fest an die Wunder Christi, wohl aber an seine Lehre, die wahrlich rein göttlicher Art ist. Aber nun werden uns auch alle seine Wunderwerke einleuchtend; das ist schon rein göttlich. Nur möchten wir auch einsehen, wie denn doch so etwas möglich ist."

03 Sagt der Bote: "Ich kann euch darüber vorderhand keine andere Erklärung geben als diese: »Bei Gott sind alle Dinge möglich!« - Wer aber Gott über alles liebt und durch solche Liebe mit Gott eins ist, dem ist dann so wie Gott Selbst auch alles möglich. - Sagte nicht Christus auf der Welt: »Um was immer ihr den Vater in Meinem Namen bitten werdet, das wird euch gewährt werden.« Wer also in und durch die Liebe mit Gott eins ist, der kann auch tun, was Gott Selbst tut. Werdet alsonach voll Liebe zu Gott dem Herrn, so werdet ihr auch ebenso mächtig werden, wie Ich Selbst nun vor euch stehe. Alle Macht besteht einzig und allein nur in der Liebe. Auch die endlose Macht Gottes besteht nur in Dessen unbegrenzter Liebe. Und so kann ein jeder Geist durch die Liebe allein zu einer ebenso großen Macht gelangen, wie da ist seine Liebe in Gott und zu Gott. Ohne Liebe aber gibt es weder ein Leben noch irgendeine Macht desselben! - Habet ihr das nun wohl verstanden?" -

04 Sagen die nun Lichtblauen: "Herrlicher Freund! Wer sollte deine Worte nicht verstehen?! Sie fließen ja wie ein feinster Balsam in unsere Herzen. Wir bitten dich, führe uns nur sogleich zu Jesu dem Herrn hin auf diese Höhe, auf der Er Sich nun befinden soll! Wir brennen vor Liebe und großer Begierde, Ihn zu sehen und womöglich mit Ihm vielleicht auch ein paar Wörtlein zu wechseln - wenn Er nun auch im Geiste so ist, wie Er auf der Erde war, nämlich voll Liebe und voll der größten Sanftmut!"

05 Sagt der Bote: "Aber als Er aus dem Tempel die Käufer und Verkäufer trieb und den Taubenkrämern und Wechslern ihre Buden umstieß, da war Er eben nicht von der größten Sanftmut beseelt; wie auch damals nicht, als Er den fruchtleeren Feigenbaum verfluchte und den heuchlerischen Pharisäern ihre Schandtaten vorhielt? - Was meinet ihr dazu?"

06 Sagen die Lichtblauen: "O Freund! Da war Er erst ganz ungeheuer sanft und nachgiebig. Wir an Seiner Stelle, so wir im Besitze Seiner Macht gewesen wären, hätten da eine ganz andere Wirtschaft angerichtet. Das jüdische Krämer- und Wechslergesindel hätten wir wie Wanzen und Schwabenkäfer mit Feuer behandelt und das jüdische Pfaffentum wäre von uns aus ganz wie Sodom und Gomorra behandelt worden. Die Kerls hätten braten müssen wie ein kälberner Schlegel am Ostersonntage. Was aber den fruchtlosen Feigenbaum betrifft, so stellte der Herr Jesus dadurch ja ohnehin nur ein Sinnbild auf, wahrscheinlich von der römisch-kathlischen Kirche, die ja auch voll von lauter heidnischen Zeremonienblättern ist, hinter denen keine Frucht bemerkbar ist. - Also nur zu Ihm hin auf Gnade und Ungnade! Er muß Sich von uns über Hals und Kopf lieben lassen."

07 Sagt der Bote: "Nun denn, auf eure Verantwortung! Wir wollen also unser Glück versuchen." - Sagen die Lichtblauen: "Nur zu! Wir werden dich schon verantworten! Wir fürchten uns nicht vor Ihm, denn wir lieben Ihn ja über Hals und Kopf!"

08 Auf diese Äußerung der Lichtblauen, deren Zahl dreißig Mann ist nebst einer ziemlich zahlreichen Dienerschaft, wird nun hurtig der Hügel erstiegen. Als wir oben durch die vielen Reihen von Geistern aller guten Art im bekannten Baumrondo ankommen, da stehen die drei Apostel, die Kaiser und etliche Bischöfe und machen eine tiefe Verbeugung vor uns. - Da fragen die Lichtblauen den vermeintlichen Boten: "Freund, vor wem verneigen sich denn diese Geister, vorausgesetzt, daß sie auch Geister sind? Am Ende sehen sie schon irgendwo Christum den Herrn, den wir als Folge unserer zu tiefen Unwürdigkeit noch nicht sehen können? Wenn das der Fall wäre, o da zeige uns wenigstens die Stelle, von welcher Er herkommt, auf daß wir uns vor Ihm sogleich niederwerfen und Ihm im Staube unserer gänzlichen Nichtigkeit unsere Ehre geben!"

09 Sagt der vermeintliche Bote: "Wahrscheinlich werden diese den Herrn sehen und kennen zugleich, weshalb sie sich also verneigen vor Ihm. Denn es gibt recht sehr viele, die wirklich den Herrn sehen und sprechen oft viele Tage und manchmal sogar Jahre lang, aber weil ihr Herz noch blind ist, so erkennen sie Ihn nicht. Diese fragen dann auch in einem fort und sagen: »Oh, wenn wir doch nur einmal das große Glück hätten, den Herrn Jesum zu sehen, dann verlangeten wir keine andere Seligkeit mehr! Wir würden im Staube vor Ihm aus lauter Demutstiefe uns herumwälzen und Ihn preisen und loben mit allen Psalmen Davids und hohen Liedern Salomonis!« Das sagen sie dem Herrn, den sie wohl sehen und sprechen, aber nicht kennen, ins Gesicht und harren immer Seiner, während sie doch mit ihren Nasen hundert und tausend Male an Ihn gestoßen sind.

10 Aber was nützt das Sehen allein, so das Erkennen nicht dabei ist! Das Erkennen ist aber zumeist darum recht sehr erschwert, weil das menschliche Herz, das in seinen Tiefen noch so manchen Hochmutsbrocken birgt, sich sehr schwer darein findet, die Gottheit sich etwas menschlicher vorzustellen, während nach der gewöhnlichen Ansicht die Gottheit etwas ganz verzweifelt Außerordentliches sein muß. Wenn Sie auch schon der Form nach aussehe wie ein vollkommenster Mensch, so soll Sie aber nach dem Erwarten und Einbilden der Menschen doch wenigstens glänzen wie eine Sonne.

11 Der Mensch kann sich die Gottheit nur als etwas ungeheuer Außerordentliches vorstellen. Die Ursache davon ist erstens die Anschauung der Materienwelt in all ihren Verhältnissen, sowohl der Masse wie der Größe und ihrer Einrichtung nach. Der gestirnte Himmel zeugt von einem überriesenhaft großen Gottwesen, die Sonne von Seinem Lichte, die Erde von Seiner Macht und Stärke. Auch der Papst, die Kardinäle, Bischöfe und andere geistliche Vertreter aller Konfessionen verkünden Ihn als etwas, das der Mensch sich kaum zu denken getrauen solle. Am Ende kommt noch der Hochmut des eigenen Herzens und dessen seiner Weltverstand dazu, der sich so ganz eigentlich eines unansehnlichen Gottes schämt, nicht gern in einer angesehenen Gesellschaft den Namen Jesus ausspricht und noch weniger Dessen unbestreitbare Göttlichkeit fest behauptet.

12 Und so kommt es denn auch ganz besonders hier im Geisterreiche wie auch dann und wann auf der Erde vor, daß der Herr Selbst lange mit sonst weisen Geistern wie auch mit Menschen auf der Erde umgeht, aber sie erkennen Ihn nicht aus den angeführten Gründen. Die Erdenmenschen verlangen oft noch mehr als die Geister, sie wollen große Wunder, denn kleine taugeten ja nicht für ihren großen Gott, dessen Namen Jesus sie sich, wie gesagt, in einer noblen Gesellschaft nicht auszusprechen getrauen, weil ihnen der Herr Jesus ein denn doch ein bißchen zu kleiner Gott ist. Da heißt es, wenn schon von Gott die Rede ist, nur: Großer, allmächtiger Gott! Großer Schöpfer der Unendlichkeit, Weltenlenker, Vater der Äonen und dergleichen. Wenn nun Jesus den Menschen auf der Erde als ein ganz gewöhnlicher, manchmal dem Anscheine nach sogar mit manchen Schwächen behafteter, dürftiger Mensch entgegenkommt, Sich oft länger bei ihnen aufhält und nicht alsbald echt zauberisch geisterartig verschwindet, wohl sehr weise, so es not tut, spricht, mit ihnen ißt und trinkt, aber keine Wunder wirkt - da erkennt Ihn sicher niemand, obschon Er Selbst also bis an das Weltende bei den Seinen zu bleiben versprach.

13 Nur im Kleide der Armut kommt der Herr gar oft zu Seinen Kindern auf die Erde. Aber sie erkennen Ihn nicht, weil ihre Begriffe von Gott an und für sich schon Hochmut sind - gleichwie ein Adeliger sich's wohl gefallen läßt, wenn ein Hochadeliger von sechzehn Ahnen und darüber über ihn herrscht. Man unterstelle ihn aber nur einem Unadeligen, und sein Gehorsam und besonders sein Respekt hat, wenigstens moralisch genommen, sein Ende erreicht. Also, wie gesagt, geht es mit der Gottheit bei den vom Hochmute Aufgeblähten. Hat der Heer vor ihren Augen nichts ihren hohen Forderungen gemäßes und glänzend außerordentliches, etwa so etwas von einer echt orientalischen oder wenigstens spanischen Grandezza an Sich, nichts von einem echt stoischen Ernste und nichts wunderähnliches, gehen Seinem Erscheinen nicht Feuer, Sturmwind, Blitz und Donner allerdickster Art voran - dann ist es mit Seiner Gottheit aus. Manche sonst sogar sehr gottergebene Seelen ließen sich eher martern, bevor sie sich anzunehmen getraueten, daß der Herr sie in der Gestalt irgendeines in der Welt ganz bedeutungslosen Menschen heimgesucht habe.

14 Ja, Ich sage euch, es ist dem Herrn auf der Welt seit achtzehnhundert Jahren schon gar oft widerfahren, daß Er sogar von sonst ganz gemütlichen, gottergebenen Menschen hinausgeprügelt worden ist; und doch war es wirklich der Herr des Himmels und der Erde Selbst, den sie hinausgeprügelt haben. Daher es denn auch fast stets schwerer wird, daß Sich der Herr den Menschen auf der Erde nähere. Als ein Lügner gegen Sein Wort kann der Herr die Menschen nicht besuchen; kommt Er aber in Seiner harmlosesten Weise, da mag Ihn niemand erkennen. Was soll man dann tun und wie Sich Selbst richten, daß man erkannt werden möchte?

15 Sehet, im Himmelreiche Gottes ist nur der der Erste und vorzüglichste, der von allen der Geringste und der Unbedeutendste zu sein scheint. Wie soll bei solcher ewigen Ordnung Gottes Er als das allererste und vorzüglichste Wesen von dieser goldensten Regel eine Ausnahme machen wollen? - Fraget euch nun selbst, ob bezüglich der Gotteserkenntnis nicht etwa auch bei euch ganz derselbe Fall vorhanden ist. Ihr sehet Christum den Herrn vielleicht schon eine gerraume Weile, möget Ihn aber nicht erkennen, weil Er euch ganz sicher viel zu wenig göttlich vornehm aussieht."

16 Hier erst fangen die Lichtblauen den Boten schärfer zu betrachten an und sagen: "Du wirst es ja aber etwa doch nicht selber sein? Ah, das wäre wirklich ein sehr fataler Spaß! Wenn du es wärest, was dann mit uns Sündern?! - Aus deinen Worten aber könnten wir fast entnehmen, daß, o Gott, es also wäre!"

277. Kapitel: Vom wahren Wesen Gottes. Die Liebe webt und wirkt in engen, aber klaren Kreisen. (Am 15. Nov. 1850)

01 Sagt der Bote: "Diese ängstliche Verwunderung ist schon wieder eine Folge eurer ursprünglichen endlos allerhöchsten Begriffe von Gott. Ich Sage euch aber, diese Begriffe von der Gottheit taugen nicht zum wahren Leben aus und in der Liebe! Was geht euch denn das unendliche des göttlichen Wesens an?! Haltet euch bloß nur an die Liebe, die alles in engen Kreisen um sich herum versammelt haben will, was sie einmal angezogen hat.

02 Die Liebe ist ein rechtes Feuer, das da sammelt und nicht zerstört und zerstreuet. Das Licht aber, das da ausgeht von der hellen Flamme der Liebe, wallet freilich wohl in geraden Strahlen endlos und ewigfort weiter und weiter und kehrt nicht zurück, außer die Liebe Gottes hat demselben Schranken gesetzt, an denen es sich stößt und den Rückweg zu seinem Ursprunge antritt. So ihr aber die Gottheit nach der endlosen Ausdehnung Ihres Lichtausströmens beurteilet und dadurch wahre ,Lichtreiter' seid, auf den endlosen Flügeln des Geistes aus der Gottesliebe die endlosen Räume durchflieget und das Dasein der großen Gottheit suchet, da bleibet euch freilich die wahre Bekanntwerdung mit dem eigentlichen Gottwesen ewig fern und ihr müsset endlich vor der endlosen Gottesgröße erliegen und vermöget euch nimmer aufzurichten in euren Herzen, auf daß ihr schauen und fassen möget das wirkliche Wesen Gottes, eures Vaters. Steht aber dann ein Wesen wie Ich vor euch und sagt zu euch: »Ich bin es, den ihr so lange vergeblich im unendlichen gesucht habt!« so erschrecket ihr und fahret wie ohnmächtig zusammen. Warum denn das? Die Ursache liegt am Tage: weil ihr das Wesen, das Sich euch als die Wahre Gottheit in Ihrem Ursein vorstellt, noch immer mit den Unendlichkeitsaugen angaffet und an diesem Wesen euer Gemüt von neuem mit der Lust eurer eitlen Einbildung wie einen elastischen Ballon ins Endlose aufzutreiben beginnet.

03 Es ist wohl recht, daß ein Geist oder ein Mensch das Gottwesen betrachtet in den Werken; aber er soll sich von ihnen nicht verschlingen lassen! - Sehet, in der ersten Zeit der Erde haben die Menschen ihre Lust gehabt, riesenhafte Bauten auszuführen. Ein Nimrod baute Babylon und einen über die Berge ragenden Turm. Eine Semiramis ließ Berge abtragen. Ein Ninus erbaute das große Ninive. Die alten Pharaonen überschwemmten Ägypten mit den kolossalsten Bauten und Bildern. Die Chinesen erbauten eine Mauer von vielen Hunderten Meilen Länge, um ihr Land vor dem Eindringen fremder, feindlicher Völker zu verwahren. Wollte man nun solche Erbauer ebenso groß sich vorstellen, wie da waren ihre Werke, so müßte man denn doch von jedem nur einigermaßen heller denkenden Manne für einen barsten Narren gehalten werden. Sehet, diese Urbaumeister der großen Gebäude der Erde waren als Menschen um nichts größer als ihr; nur ihre Kräfte verstanden sie ins sehr Große auszudehnen und wirksam zu machen, während sie an und für sich als Menschen dasselbe Maß hatten wie jeder andere Mensch.

04 So aber schon die kleinen geschaffenen Menschen große Werke zuwege bringen und dabei dennoch auch nicht um ein Haar größer werden - und erbaueten sie auch Türme und Pyramiden, die mit ihren Spitzen an den Mond stoßen -, warum soll denn dann die Gottheit in Ihrem Urwesen ebensogroß sein, wie da sind Ihre Bauten?! - Da es doch heißt: »Und Gott schuf den Menschen nach Seinem Ebenmaße« - Warum soll denn Gott ein Riese und sollen die nach Seinem Maße geschaffenen Menschen gegenüber Seinem Maße pure atomistische Tierlein sein, die zu Trillionen ganz bequem einen Tautropfen bewohnen können?

05 War denn Christus, der doch in aller Fülle Gott und Mensch zugleich war, ein Riese, als Er auf der Erde das Werk der Erlösung vollzog? - O Er war der Gestalt nach durchaus kein Riese, obschon Seine Werke von für euch nie meßbarer Größe waren. Und sehet, derselbe durchaus nicht riesenhafte Jesus steht auch jetzt vor euch, mit echtem Fleisch und Blut sogar. Nur Sein Geist, der also aus Ihm strömt, wie das Licht aus der Sonne, wirkt in der ganzen Unendlichkeit mit ungeschwächter Kraft ewig. Aber dieser Geist geht euch nichts an und kann euch auch nichts angehen. So ihr aber bei dem Urquell euch befindet oder so ihr beim Herrn alles Geistes seid, so fasset Ihn nach Seiner Liebe und nicht nach Seinem ausströmenden Lichte! Dann seid ihr wahrhaft Seine Kinder, wie Er euer aller Vater ist! Aber draußen in der Unendlichkeit habet ihr rein nichts zu tun.

06 Wäre es von den Astronomen nicht sehr dumm, so sie die Sonne bemessen wollten nach der Reichweite ihrer Lichtstrahlen? Die Lichtstrahlen dringen fort und fort durch die endlosen Tiefen des ewigen Raumes, und ihr Maß wird stets größer von Sekunde zu Sekunde. Mit welchem Maßstabe wäre solch eine törichte Bemessung wohl möglich? Daher messen die Sternkundigen die Sonne selbst, da ihr Maß ein stetiges und bleibendes ist.

07 Also tuet auch ihr! Mich, wie Ich nun vor euch stehe, messet mit dem rechten Maße der Liebe in euren Herzen und habet keine närrisch übertriebene und läppische Furcht vor Mir, der Ich doch ganz euer Maß habe und euch liebe aus aller Kraft Meines Herzens! Dann seid ihr Mir angenehm und ihr könnet dann also über alle Maßen selig sein im engen Kreise der Liebe, außer dem es für euch nirgends eine wahre Seligkeit gibt und geben kann. - Saget nun, habt ihr Mich wohl verstanden, oder ist euch noch irgend etwas dunkel geblieben?"

08 Sagen nun die selig Staunenden: "O Herr! Wie ganz anders bist Du doch, als wir leider dumm genug Dich uns vorgestellt haben! Ja, so kann man Dich, so muß man Dich ja aus dem freiesten Herzen von selbst über alles lieben! Da braucht man wahrlich kein Fegfeuer, keine Hölle und keinen Himmel dazu! Wer Dich nicht erkennt, wie Du bist, der trägt in seiner Blindheit und Dummheit Fegfeuer und Hölle in sich, wer Dich aber erkennt, wie wir nun, bei dem haben sich mit einem Schlage Fegfeuer und Hölle in den Himmel der Himmel verwandelt.

09 Aber wer kann dafür, daß die Menschen auf der Erde gar so dumme Begriffe von Dir haben?! Am meisten trägt dazu wohl die Lehre Roms bei. Diese lehrt ihre Bekenner einen Gott, vor dem man wohl, so man glaubt, die scheußlichste Angst, nie aber eine Liebe zu Ihm haben kann. Man wird dabei wohl voll von aller Hölle und ihren Schrecken, aber von der Liebe kann da keine Rede sein; denn wo die Furcht das Zepter führt, da ist die Liebe fern. Wir dachten auf der Welt oft darüber nach, worin denn der Grund liegen könne, daß man sich als ein schlichter Bürger doch unmöglich in eine stolze Prinzessin verlieben könnte. So man es im Herzen auch versucht, so geht es ebensowenig wie eine Fahrt in den mond. Kommt man aber zu einer so recht freundlichen, hochmutslosen, schlichten Bürgerstochter, da gibt es im Herzen sogleich Feuer und Flammen der heißesten Liebe im größten Überflusse.

10 Jetzt begreifen wir das auf ein Haar. Die Liebe webt und wirkt nur in engen, aber in sehr klaren Kreisen. Sie erwärmt nur so den Großen wie den Kleinen, den Künstler und den Weisen. Wahrlich, sie allein ist alles in allem! Sie ist die wirkliche Sonne; alles andere ist nur Schein und ein wesenloses Abbild. O Herr, wie gut bist Du!"

278. Kapitel: Vom Ort der wahren Glückseligkeit - im Menschenherzen. Der Weg zum Himmel ist drei Spannen lang. Nicht Auffahrt, sondern Niederfahrt! (Am 17. Nov. 1850)

01 Rede Ich: "Ja, ja, also ist es! Nur auf dem engen Pfade und am engen Plätzchen ist jedes Menschen wahres Glück und wahre Seligkeit zu erreichen! Wer es auf den breiten Straßen sucht und der Meinung ist, daß die Seligkeit nur am großen Platze voll Glanzes zu finden sei, der findet das Gesuchte nimmer. Nur der Hochmut baut breite Straßen des Verderbens und errichtet große Plätze. Aber auf diesen Plätzen werden auch große Gerichtshäuser, Gefängnisse und Galgen neben den Palästen der Großen errichtet. Und derlei Einrichtungen bedingen wohl nicht das Glück der Menschen, weder materiell noch geistig.

02 Ihr habt auf der Welt oft gesehen, wie in den Palästen sich die Großen auf Kosten der Kleinen und Armen mästen. Ihr habt gesehen die prunkvollen Bethäuser - Kirchen genannt. Wer aber ward noch glücklich durch deren Gold, Silber und Edelsteine? Ich sage euch: Niemand! Der Pfaffe nicht, der darinnen schaltet und waltet; denn seine Ruhmsucht und seine Habgier findet viel zuwenig Sättigung und trachtet Tag und Nacht, wie er zu noch mehr Glanz und Ruhm und zu den Reichtümern eines Großmoguls gelangen könnte. Diese Sorgen plagen ihn und machen ihn unzufrieden. Wer aber unzufrieden ist, der ist auch nicht glücklich und kann es auch nicht werden. Denn ein großer und breiter Platz braucht viel, bis er voll wird, und wird er hie und da auch voll, so genügt er dann dem Besitzer nicht mehr. Dieser strebt nun nach der Erweiterung des Platzes, und ist dieses erreicht, da wird dann sogleich wieder nach der Anfüllung des erweiterten Platzes getrachtet. Und so treibt da ein verderblicher Keil den andern, und es ist nicht möglich, daß da solche Menschen je an ein Ziel gelangen könnten, wo sie einnmal ein wahres Glück finden würden.

03 Was macht denn so ganz eigentlich das größte Unglück aller Höllengeister aus? Es ist das Streben nach dem Unendlichen! Die Unendlichkeit aber hat keine Rückwand und somit keine Grenzen. Daher ist es denn auch sicher für jeden nur einigermaßen denkenden Geist klar ersichtlich und überleicht begreiflich, das so ein von der Hölle erfüllter Geist unmöglich zu einer Glückseligkeit gelangen kann. Wer die Seligkeit im Unendlichen sucht, der kann sie unmöglich je finden, denn je weiter er dringt, einen desto endloseren Abgrund ersieht er vor sich und eine Kluft, über die er ewig nicht gelangen wird.

04 Mein Reich ist daher in eines jeden Menschen kleines Herz gelegt. Wer da hineinkommen will, der muß also in sein eigen Herz eingehen und sich da ein Plätzchen der Ruhe gründen, das da heißet Demut, Liebe und Zufriedenheit. Ist er mit diesem Plätzchen in der Ordnung, so ist auch sein Glück für ewig gemacht. Er wird dann auf diesem Plätzchen gar balb sehr viel mehr finden, als er je erwartet hatte. Denn ein kleines Häuschen ist doch gewiß leichter mit allem einzurichten, was zum Hauswesen gehört, als ein großer Palast, der noch sehr leer aussieht, wenn auch schon um viele tausend Gulden Einrichtungsstücke sich darin befinden.

05 Ihr müsset euch daher auch von Meinen Himmeln keine gar zu breiten und endlosen Gedanken, sondern ganz enge und kleine Vorstellungen machen, etwa wie von den Verhältnissen bei den Keuschlern (Hüttenbewohnern) auf der Erde. Da werdet ihr dann darinnen die wahre Glückseligkeit finden. - Ein Herz voll Liebe zu Mir und zu den Brüdern und Schwestern und ein stets tätigkeitslustiger und tätigkeitsvoller Sinn, glaubet es Mir, das wird für jeden von euch die wahre, ewige Seligkeit begründen.

06 So sollet ihr euch Meine Himmel auch nicht irgendwo als recht weit entfernt vorstellen, sondern ganz nahe. Der ganze Weg beträgt höchstens drei Spannen Maß. Es ist das die Entfernung vom Kopfe bis ins Zentrum des Herzens. Habt ihr diese kleine Strecke zurückgelegt, so seid ihr auch dann, wie man sagt, mit Haut und Haaren darinnen! Denket ja nicht, daß wir etwa eine Auffahrt über alle Sterne hinauf und hinaus machen werden; sondern denket euch, daß wir bloß eine Niederfahrt in unser Herz machen. Und da werden wir unsere Himmel und das wahre, ewige Leben finden!"

279. Kapitel: Jesu schlichte und doch machtvolle Redeweise. Näheres über den kurzen Himmelsweg. Kopfverstand und Herzenserkenntnis. Gleichnis vom Obstpflücken.

01 Sagen die Lichtblauen: "Daß Du es bist - der Wahrhaftige und ewige Gott, Herr, Schöpfer und Erlöser von allen Himmeln, Sonnen und Erden, darüber haben wir nun auch in den geheimsten Winkeln unserer Herzen keinen Zweifel und kein Bedenken mehr. Denn so man Dich sonst auch nicht erkennete, da darf man Dich aber nur reden hören, und alle Zweifel schwinden gleich wie Nebel im starken Lichte der Sonne. Denn wie Du redetest durch den Mund der Propheten und wie Du Selbst auf der Erde unnachahmlich und unerreichbar für jeden geschaffenen Geist gesprochen hast - also sprichst Du nun auch vor uns. In der einfachsten, prunklosesten Redeweise sprudeln Ströme der höchsten und tiefsten Wahrheit und göttlichen Liebesweisheit gleich den mächtigsten Quellen, denen der Ozean seine unversiegbare Nahrung entnimmt, aus Dir hervor!

02 Wie herrlich ist die Darstellung des Weges in Dein Reich! - Nur geht es uns dabei wie einst dem Nikodemus, der auch nicht wußte, als Du, o Herr, von der Wiedergeburt mit ihm sprachst, was er aus ihr machen solle. Der Weg vom Kopfe bis ins rechte Zentrum des Herzens wäre wahrlich so kurz, als ein Weg nur immer kurz sein kann. Aber wie ihn antreten? Das ist eine ganz andere Frage. Die Sache, mit den ganz natürlich gefunden Sinnen betrachtet, klingt trotz der darin verborgenen tiefsten Weisheit sehr rätselhaft, und wir möchten hier auch mit Nikodemus fragen und sagen: »Herr, wie kann das sein? Wie können wir mit unseren höchsteigenen Füßen in unseren eigenen Leib, ja am Ende sogar ins Zentrum unseres Herzens hineinsteigen?« - So wir wären wie die Regenwürmer oder wie eine Schlange, da wäre so eine Operation wenigstens logisch denkbar; aber bei dieser unserer Gestaltung wird solch eine Reise wohl zum Unmöglichen des unmöglichen gehören. Und es wäre vielleicht doch leichter, in den allerletzten Stern Deiner endlosen Schöpfungen zu gelangen, als sozusagen mit Stiefel und Sporn in unser eigenes Herz hinein. Diese Geschichte wird sich offenbar etwas schwer machen.

03 Da müssen wir Dich, o Herr, schon um eine nähere Beleuchtung anflehen - wie es auch öfter Deine Apostel auf der Erde getan haben, denen auch gar nicht selten Deine allerweisesten Lehren wie funkelnagelneue spanische Dörfer vorkamen, bei denen sich auch kein Fremder auskennt, ob sie aus Hütten für Menschen oder fürs pure Vieh bestehen. Wo ist da der Eingang, wo das Dach, wo die Küche, und wie mag da der Bauplan aussehen? Herr, erkläre uns diese Sache ein wenig näher!"

04 Sage Ich: "Daß ihr solches nicht verstehet, daran schuldet nur euer noch sehr nach echt Irdischem riechender Sinn. So gescheit aber solltet ihr dennoch wohl schon sein, daß ihr euch denken könntet, daß da von keinem naturmäßigen Gehen mit den Füßen die Rede sein kann, sondern nur rein von einer reingeistigen Reise im Gemüte. - Nikodemus war noch ein rein irdisch-materieller Mensch, und es war begreiflich, daß er mit seinen völlig irdischen Begriffen den Mutterleib als eine Notwendigkeit ansah, um aus demselben zum zweiten Male wiedergeboren werden zu können; aber ihr seid nun schon selbst in eurem ganzen Wesen völlig aller groben, irdischen Materie bar - wie möget ihr als Geister gar so materiell denken!?

05 Habt ihr an euch denn nie eine doppelte Art geistiger Tätigkeit entdeckt, nämlich eine im Kopfe und eine andere im Herzen?! - Sehet, im Kopfe sitzt der Seele kalt berechnender Verstand und sein Handlanger, die Vernunft, die da am seelischen Verstandesleibe gleich ist einem weit ausgreifenden Arme voll Augen und Ohren. Der Verstand verlängert diesen Arm stets mehr und mehr und will mit demselben am Ende die ganze Unendlichkeit an sich reißen. Dies eitel-tolle Bestreben des Verstandes aber ist an und für sich eben jene gefährliche, Tod und Gericht bringende Eigenschaft der Seele, die da mit dem Worte Hochmut bezeichnet wird. Im Herzen aber ruht die Liebe, als ein Geist, aus Meines Herzens Geist genommen. Dieser Geist hat aber, so wie Mein höchsteigener, ohnehin schon alles, was die Unendlichkeit vom Größten bis zum Kleinsten enthält, zahllosfältig in sich.

06 Wenn nun der hochtrabende Verstand, das Eitle seiner törichten Bemühung einsehend, seinen vorbezeichneten Arm - der da ist seine Vernunft, oder noch deutlicher gesprochen, sein Vernehmvermögen, anstatt denselben in die Unendlichkeit hinauszustrecken und das Unerreichbare erreichen zu wollen - demütig und bescheiden zurückzieht (gleich wie eine Schnecke ihre mit Augen versehenen Fühlhörner vor der Sonne zurückzieht) und diesen Arm dann nicht mehr eitel in die Unendlichkeit hinausstreckt, sondern in das Herz als die Wohnung Meines Geistes im Menschen lenkt und leitet - so macht man die von Mir bezeichnete drei Spannen lange Reise und gelangt auf solchem Wege zum wahren, ewigen Leben, zu der wahren, seligen Ruhe desselben und findet dann allda alles beisammen, was die ganze Unendlichkeit enthält.

07 Dieses (endlose Innenreich) wird dann freilich erst nach und nach und Teil um Teil offenbar, gleichwie das Gewächse aus dem kleinen Keime, der im Zentro des Samenkornes verborgen ist, ob aber auf diesem im Geiste vorliegenden Keime früher oder später, reicher oder minder reich die Saat Meiner Werke zu voller Entwicklung und Reife aufgehen wird, das hängt lediglich von der Stärke der Liebe zu Mir wie auch von der Liebe zum Nächsten ab. Denn die Liebe des Herzens zu Mir ist gleich dem Lichte und der Wärme der Sonne, und die Liebe zum Nächsten ist der notwendige, fruchtbare Regen. So aber Sonne und Regen in gerechter Ordnung miteinander wirken, so wird sicher jede Saat bestens gedeihen und in Bälde zur Reife gelangen.

08 Ich will euch zum besseren Verständnisse dieser Sache aber noch ein gar leicht faßliches Bild geben, und so sehet! - Es verhält sich mit dieser Sache auch also, wie wenn ein Vater seine Kindlein ausführete im Sommer in seinen Garten, der da voll ist von den mit reifen Früchten belasteten Bäumen. Die Kinder werden nun voll Begierde und möchten sogleich auf die Bäume steigen und die Früchte mit großer Hast abpflücken und essen im Übermaße. Der weise Vater aber sagt zu den unerfahrenen Kindlein: »Kinderchen, bleibet nur schön fein bei mir. Würdet ihr allein mit euren schwachen Kräften auf die Bäume steigen und euch die Früchte nehmen, so würdet ihr leicht von dem Baume, auf dem ihr euch befändet, fallen, euch Hände und Füße brechen oder euch gar zu Tode fallen. Ich und meine Knechte aber sind groß und stark genug und wissen es, wie die Früchte von den Bäumen zu lesen sind. Wartet daher ganz ruhig! Ich selbst werde sie von den hohen Bäumen herablesen und sie in euren Schoß legen; da werdet ihr sie dann ohne alle Mühe ganz ruhig genießen können. Wenn ihr aber einmal selbst groß und stark sein werdet, dann werdet ihr schon auch selbst Meister der hohen Bäume werden«. - Versteht ihr dieses Bild?"

09 Sagen die Lichtblauen: „Dank Dir, heiligster, weiser, bester Vater, ewig Dank! Nun ist uns alles sonnenklar, und wir wissen nun nichts, darnach wir noch um eine Aufhellung bitten möchten."

280. Kapitel: Die Entsprechungsbedeutung von Brot und Wein. Wissen und Tun. Ein Auftrag an die Lichtblauen. Aufstieg zur höchsten Himmelsphäre. (Am 19. Nov. 1850)

01 Sage Ich: "Nun denn, so ihr das begriffen habet, da müsset ihr aber auch darnach tun und handeln, ansonst ihr von dieser Meiner Lehre keinen Nutzen ernten werdet! - Ich werde euch nun ein rechtes Brot und einen rechten Wein geben lassen. Das Brot ist auch hier wie Mein Leib und der Wein wie Mein But. Diese Nahrung wird euch stärken, und ihr werdet hinfort keinen Tod mehr fühlen und schmecken, sondern das ewige Leben wird in euch sein ewig." - (Zu Robert): "Du, Bruder Robert, aber gehe und schaffe abermals Brot und Wein her!"

02 Robert geht im Wäldchen einige Schritte gegen Süden und findet auf einer freien Stelle ein ganzes Eimerfäßchen voll des besten Weines, daneben eine rechte Menge Trinkgläser und bei fünfzig Laibe schönsten Weizenbrotes. Als Robert solche Menge himmlischer Nähr- und Stärkmittel hier ersieht, beruft er seine Helena und seinen neuen Gehilfen Peter Peter und dessen Weib, daß sie ihm helfen sollen, alles das auf die rechte Stelle zu befördern. Die Gerufenen kommen auch sogleich, aber alle vier sind nicht imstande, all das Vorhandene auf den rechten Fleck hinzuschaffen.

03 Das sehen aber auch die Geister der Kaiser, die sich bis jetzt über mannigfache Einrichtungen der Himmel und des himmlischen Jerusalems mit den drei Aposteln besprachen, eilen schnell hinzu und helfen dem Robert, alles auf den rechten Ort hinzuschaffen, und wetteifern dann in der Bedienung der lichtblauen Geister, die mit großem und dankbarstem Behagen das Brot essen und den Wein in vollen Züge trinken.

04 Ich aber sage darauf zu den Monarchen: "Meine lieben Freude und Brüder! Es ist wohl sehr schön, löblich und gut, sich von Mir und Meinem Reiche zu besprechen, aber noch schöner, löblicher und besser ist es, sich in den Geschäften der Himmel recht wacker zu üben! Das Wissen geht natürlich dem Geschäfte voraus. Weiß man aber einmal, was man zu tun hat, dann muß man handeln! Und es ist dann schon eine kleine gute Handlung besser, als ein großes Wissen für sich ohne Handlung! Denn aus einer noch so kleinen Handlung wird schon etwas zum Vorschein kommen; der Handlung folgt stets ein Werk; aber dem puren Wissen folgt nichts, so es nicht ins Handeln übergeht.

05 Was nützete es einem Töpfer, so er noch so ausgezeichnet in der Kunst, Töpfe zu formen, bewandert wäre, aber nie einen Lehm auf die Drehscheibe nähme und seine Wissenschaft ins Werk zu übertragen versuchete? - So ist auch der Glaube eine Wissenschaft des Herzens. Solange sie nicht ins Werk gesetzt wird, ist sie so gut wie tot. Nur das nach ihr vollbrachte Werk gibt ihr erst das Leben. Und so denn macht Mir das nun eine rechte Freude, daß ihr ohne Geheiß in einem guten Dienste tätig geworden seid! Wahrlich Ich sage euch allen: Auch ein Trunk frischen Wassers, den ihr einem Durstigen gereicht habet, wird von Mir hoch angerechnet werden; denn Ich sehe weniger - auf das Wissen als auf das Handeln!

06 Wer einmal etwas Rechtes weiß und nicht darnach handelt, der ist ein Sünder, sogut wie der, welcher wider das Rechte handelt, das er zwar als Recht wohl erkennt, aber es dennoch nicht will, weil es mit seinem Bequemlichkeitsgefühle nicht im Einklange steht. - Man muß sich daher, um ein rechter Bürger Meines Reiches zu sein, über das Bequemlichkeitsgefühl allezeit hinaussetzen und das Recht nach der gerechten Wissenschaft üben; dann ist man erst ganz das, was man nach Meiner ewigen Ordnung werden und sein soll."

07 (Zu den Lichtblauen): "Und da ihr nun gesättigt und hinreichend gestärkt seid, so begebet euch noch einmal hinab in die Tiefe, wecket dort, was noch zu wecken ist, und suchet die erhitzten Gemüter zu besänftigen, auf daß noch möglicherweise ein Krieg unter den Erdenmenschen vermieden werde. - Bei nur einigem Gelingen dieses Meines Wunsches, den Ich euch nun kundtat, soll euch ein großer Lohn erwarten in Meinen Himmeln, in die ihr leicht gelangen könnet, da Ich Selbst euch den nie verfehlbaren Weg dahin gezeigt und nach eurer eigenen Aussage klar genug beschrieben habe."

08 Sehet euch aber vor, daß ihr jenen feuerroten Geistern allenthalben zuvorkommet; denn die werden sich nun alle mögliche Mühe geben, den Krieg zwischen den Regenten anzufachen. Ihr werdet zwar nicht alles verhindern können, aber so ihr in Meinem Namen recht tätig seid, doch sehr vieles, das die Menschheit in ein zu dickes Elend stürzen würde. Nach vollbrachtem Werke aber begebet euch wieder hierher auf diese Stelle! Da wird euch ein Bote erwarten, der euch beim vollen Eingehen in Mein Reich in Meinem Namen eine hilfreiche Hand bieten wird. Und nun machet euch an das Werk - es sei!"

09 Sagt beim Abgange noch einer von den Lichtblauen: "O Herr und Vater! Wenn es uns aber in der Folge wieder hungern und dürsten sollte nach solch einem Brote und Weine, denn wir können im voraus denn doch nicht wissen, wie lange wir zu tun haben werden, woher werden wir dann Brot und Wein nehmen?"

10 Sage Ich: "Da frage den Robert und seinen Gefährten, wie lange es schon ist, daß sie so wie ihr nun mit Brot und Wein gespeist worden sind, und ob es sie bisher je gehungert und gedürstet hat. - Wer Mein Brot einmal gegessen und Meinen Wein einmal getrunken hat, den wird es weder hungern noch dürsten in Ewigkeit! Denn Mein Brot ist ein lebendiges Brot und also eine wahrhafte Speise, die sich in dem Magen deiner Seele stets von neuem wieder erzeugt, nährend Seele und Geist, und ebenso ist auch Mein Wein ein rechter Trank, dem kein Durst mehr folgt. Daher könnet ihr nun denn auch ganz getrost hinausziehen zu eurem Geschäft, denn von nun an wird euch nimmerdar hungern und dürften."

11 Auf diese Meine Belehrung und Versicherung hin gehen die Lichtblauen nun voll Trostes und Mutes an ihr zu verrichtendes Werk. Ob sie viel ausrichten werden, steht wohl sehr in Frage, da die vielen roten Geister schon überall die vollste Tätigkeit zur Erreichung ires Zweckes zu entwickeln angefangen haben; aber mildern können sie die Sache dennoch um ein sehr Bedeutendes.

12 Sage Ich: "Es muß aber nun eine große Züchtigung kommen über alle, die es ganz verlernt haben, Mich in der Not wie allezeit anzurufen und anzuerkennen den Wert des Menschen, der eines ganz anderen Zweckes wegen von Mir in die Welt gesetzt worden ist, als sich wegen des Glanzes einer Krone und eines Thrones totschießen zu lassen. - Diesmal soll dem Volke, wenn es nüchtern handelt, für alle Zeiten der Sieg eingeräumt werden. Dann erst kommt Mein Reich in die Welt! Sollte aber das Volk unnüchtern und grausam sein, was Ich weder vorsehen noch vorbestimmen will, so wird es schwer zum endlichen Siege gelangen."

281. Kapitel: Aufbruch in das im gereiften Herzen Roberts sich öffnende Himmelsreich.

01b] Nun tritt Robert zu Mir und sagt: "O Herr, was sollen wir nun tun? Alles, was sich uns genaht hat, ist bis auf weiteres abgefertigt worden. Die gestärkten einstmaligen Erdenpriester machen nun unter den Millionenscharen ihresgleichen, wie es sich zeigt, recht erwünschte Erfolge. Die nun zuletzt gestärkten lichtblauen Geister tun schon aus das emsigste, was ihnen zu tun anbefohlen war. Und ich sehe keine neuen Scharen mehr, die sich uns näherten. Müßig sein ist für mich aber etwas kaum erträgliches; daher bitte ich Dich, o mein Herr, mein Gott und mein Vater, gib mir doch etwas zu tun!"

02 Sage Ich darauf: "Mein Freund und Bruder! Die Tätigkeit ist zwar das eigentlichste Hauptwesen des Geistes; aber dann und wann ist es auch gut, daß er ein wenig ruht. Denn in der Ruhe sammeln sich wieder zu neuer Tätigkeit die erschöpften Kräfte der Seele, die da ist ein Organ des Geistes. Daher ist denn auch euch hier eine kleine Ruhe vonnöten, auf daß ihr alle euch stärket zu großen neuen Tätigkeiten in Meinem Reiche. Der Sabbat geht zu Ende. Was hier nötigst zu schlichten war, das haben wir geschlichtet. Wir haben somit auf dieser Erde ein Tagewerk vollbracht, und dort sehet hin gegen Osten! Das bekannte Tor, das du nicht öffnen konntest, steht offen! Alle die früheren Freunde erwarten uns schon mit größter Sehnsucht! Daher Meine lieben Freunde, Brüder und Kinder, werden wir uns zum Abzuge von diesem irdischen Hügel anschicken und eingehen durch jene Pforte in Mein Reich, das da nun als ein neuer Verein hervorgegangen ist aus Deinem Herzen. Du Mein lieber Bruder Robert Uraniel!

03 Und da wir nun alle durch eine kleine Ruhe neu gestärkt sind, so treten wir in guter Ordnung den Weg an. Wie ihr aber sehet, so brauchen wir nicht die dazwischen liegenden Täler und Hügel zu übersteigen, sondern auf der geraden Bahn, die Ich nun dahin aus lauter Licht gestaltet habe, werden wir uns fortbewegen und das uns scheinbar weit abstehende Tor in aller Bälde leicht erreichen. - Du, Uraniel, aber als oberster und erster Inhaber und Leiter dieses Vereins gehe voran mit deinem Gehilfen und deinem und seinem Weibe! Ich aber werde mit den drei Brüdern dir nachgehen. Mir folgen dann zunächst alle die Monarchen und Bischöfe und diesen die große Volksschar beiderlei Geschlechtes.

04 Nach dieser Meiner Weisung ordnet euch nun und tretet den neuen Weg an, den Ich nun vorerst für euch und nach euch für viele gebaut habe. - Unser Segen sei zuteil den Guten dieser Erde! - Und nun vorwärts, es sei!"

282. Kapitel: Roberts Staunen über die sich ihm darbietende neue Himmelsgegend. Seine künftige Aufgabe. Ein Gnadenbrücke und ein Gnadenhügel. (Am 22. Nov. 1850)

01 Die Reise beginnt, und nach kurzem wird das Tor erreicht. Dort erwarten uns viele Tausende und loben Mich ob Meiner großen Güte, Gnade, Liebe und Erbarmung und ob Meines allein gerechten Gerichtes, demnach jedem durch das Wort der ewigen Ordnung der Richter in die eigene Brust gelegt ist.

02 Robert tritt nun zu Mir zurück und sagt: "O heiliger Vater! Wir stehen nun vor dem Eingange! Unabsehbare Reihen breiten sich strahlenförmig jenseits des Tores über die himmlischen Gefilde aus. Aus ihrem Munde tönt Dir ein Lob! Alles ist voll des Lichtes und des höchsten himmlischen Glanzes. Im tiefsten Hintergrunde zeigt sich auch etwas wie eine Stadt. Aber infolge ihres zu mächtigen Glanzes ist es meinen Augen nicht möglich, ihre Form näher wahrzunehmen. - O Vater! Was ist das wohl für eine Gegend, was für ein Land, gegen das selbst Gegenden und Länder der Sonne, die ich wohl besehen habe auf meiner Reise mit Sahariel (der mich vom bekannten Museum meines Hauses in den Uranus geführt hat), wie eine trübste Nacht gegen den hellsten Tag sich ausnehmen müßten? O Vater, welch, namenlose, unbeschreibliche Herrlichkeiten wallen uns da entgegen! Das muß der Himmel höchster sein!"

03 Sage Ich: "Ja, ja, also ist es! Und zugleich ist es aber auch das dritte Stockwerk deines Hauses, das du gleich am Anfange deiner Entwicklung in diesem Reiche zuerst äußerlich geschaut und bald darauf als dein Eigentum in vollen Besitz genommen hast. Ebenso stellt diese Gegend auch den Verein dar, den du aus deinem wohlwollenden Herzen gegründet und bestens nach Meiner Ordnung gestaltet und geregelt hast. In diesem Verein wirst du nun ewig als Oberhaupt wirken und sorgen, daß darin alles in der besten Ordnung vor sich gehen wird. - Zugleich aber sollst du auch von diesem deinem Vereine aus eine machtvolle Aufsicht über den Teil der Erde führen, der dir als stammesverwandt am nächsten liegt. Die beiden Orte, die wir nun auf der Erde betreten haben, sollen dir dabei vor allem stets ein Augapfel bleiben! In Wien, wo du irdisch Übles überkamst, übe du Gutes und Edles! Das zweite Land aber, das wir zuletzt betraten, benütze du als Läuterungsanstalt für unlautere Geister, mögen sie von wo immer herkommen.

04 Die Brücke aber, die Ich nun von jenem niederen Hügel bis hierher gesetzt habe, soll bleiben! Wer auf derselben sich hierher bewegen wird, soll nicht zurückgewiesen werden! - Auf den Hügel aber stelle fortan eine Wache, auf daß jeder, der als Geist in gutem, geistigem Sinne diesen Hügel betritt, einen Freund finde und einen rechten Wegweiser. Naturmenschen aber, die noch im Fleische auf der materiellen Erde wandeln, sollen auf diesem Hügel eine Stärkung im Glauben finden und sie sollen in der Liebe erweckt werden, jedoch ohne Gericht und ohne Band! Und Kranke sollen Linderung ihrer Schmerzen und die Guten und Gläubigen sieben Male ihre Gesundheit wieder gewinnen!

05 So die Menschen auf der Erde uns in der Folge der Zeiten auf dem besagten Hügel ein Erinnerungszeichen errichten wollten, so sollen sie daran nicht gehindert aber auch nicht unterstützt werden. Denn jedes äußere Denkmal an eine himmlische Erscheinung auf der Welt wird nur zu bald zu einem Platze der Gewinnsucht und des Betruges umgewandelt. Will aber schon jemand ein Denkmal setzen, nun, so soll er daran auch nicht gehindert werden; denn die Sinai's Tabor's und Ölberge sollen zum steten Angedenken den irdischen Menschen als das belassen werden, als was und wozu sie von Mir bestimmt worden sind. - Und nun treten wir ein in das wahre Reich des ewigen Lebens!"

283. Kapitel: Die mit Jesu Hilfe ereichte höchste Himmelsphäre. Robert und Peter Peter begleiten mit drei Freunden Jesus zum himmlischen Jerusalem. Die Stadt der Städte und die Sonne der Sonnen.

01 Alle gehen nun ein, und jeden durchdringt des Lebens höchstes Wonnegefühl, und alles lobt Meine große Güte und Weisheit. Die überweit gedehnte Gegend ist voll kleiner, niedlicher Wohnhäuser, und es wird jedem das seinige gezeigt und ihm zum vollen Eigentum übergeben. Sogleich ergreifen auch alle mit der höchsten Freude ihren neuen himmlischen Grund und Boden, der allenthalben bestens hergerichtet ist.

02 Nur Robert-Uraniel und dessen Gehilfe sehen kein Haus für sie in Bereitschaft übrig und fragen Mich, wo sie denn so ganz eigentlich für gewöhnlich wohnen werden.

03 Ich aber sage zu Robert: "Siehe, dies alles ist ja dein Haus! Du bist überall zuhause in deinem Hause, und dein Freund mit dir. Sonst aber hast du deine Wohnung dort in jener Stadt, in der Ich Selbst beständig zu wohnen pflege. Es ist dies das neue, himmlische Jerusalem, die Stadt deines Gottes, deines Herrn, deines Vaters und im Geiste die Liebe deines Bruders. Von dort aus wirst du stets dies dein eigenes Haus besorgen und bestellen, und von Mir aus wirst du dazu stets reichlichst mit allen erforderlichen Mitteln versehen werden.

04 Folge Mir daher nun, nachdem alle, die wir von der Erde hierher gebracht haben, Kleine und Große, bestens versorgt sind, hin in jene Stadt! So du aber von den Mitgekommenen jemand mitnehmen willst, so steht es dir frei. Ich sehe wohl, daß du alle mit dir ziehen möchtest; aber das tut sich jetzt noch nicht. Aber den Joseph, den Leopold und Rudolf den Ersten nimm mit! Ihre Wohnungen befinden sich hier zunächst der Hauptstraße. Diese berufe, und sie sollen sich mit uns nach der Stadt der Himmel begeben!"

05 Robert beruft die drei. Sie treten sogleich aus ihren Häusern, deren innere Einrichtung sie nicht genug rühmen können, und machen sich mit uns auf den Weg nach der Stadt. - Robert aber fragt Mich, wo jene Geister seien, die mit den Erzvätern vor uns in dies Reich eingegangen sind.

06 Ich aber zeige ihm die Gegend gen Mittag hin und sage: "Dort wirst du sie alle treffen, denn auch sie wohnen in deinem Hause. Die Erzväter aber wohnen in eigenen Großhäusern, die du mit der Weile alle wirst kennenlernen. Denn solcher Häuser, wie dies dein neues nun ist, gibt es in Meinem Reiche endlos viele. Du wirst ewig mit deren Bekanntwerden zu keinem Ende gelangen. In Meinem großen Hause jedoch wirst du sie zu sehen bekommen, nach dem Maße der himmlischen Bedürfnisse. - Kennst du aber diesen Geist, der uns nun auf der Straße entgegeneilt?"

07 Sagt Robert: "Das ist ja der berühmte Cado, welcher der Satana so unverdauliche Brocken zum Verschlucken gab!" - Sage Ich: "Ja, derselbe ist es! Diesem gib nun zuerst die Wache auf dem Hügel, denn er hat viel Kraft und Mut. Aber über ein irdisches Jahr soll keiner auf Erden Wache halten, und somit auch dieser Cado nicht!"

08 In diesem Augemblicke tritt Cado vor uns hin und sagt: "Herr! Ich habe meine Bestimmung schon vernommen und beeile mich, ihr getreuest nachzukommen." Robert küßt ihn und sagt: "Sei gut, gerecht und strenge, denn die Erde liegt sehr im Argen!" - Cado verneigt sich und eilt nach dem Orte seiner ersten Bestimmung.

09 Wir aber gehen auf der allergeradesten Straße, die da aussieht wie ein sieben Klafter breites Goldband, in das wie aus feinster Seide die Farben des Regenbogens dem Auge überraschend herrlich eingewebt sind, der heiligen Stadt zu, die da für keinen noch im Fleische steckenden Geist beschreibbar ist; denn ihre Herrlichkeit, ihre Größe und das Maß der in ihr herrschenden Seligkeiten und Wonnen ist unendlich; aber die Gestalt, von außen her ersichtlich, erscheint wie ein Mensch, dennoch in begrenzter Form - obschon das Innere eines jeden Hauses unendlich ist, gleichwie da unendlich ist das Innere des Keimes in jedem Samenkorn und wie da in aller Mannigfaltigkeit noch reichhaltiger ist das Herz des Geistes.

10 Robert, sein Gehilfe Peter Peter, ihre Weiber, Joseph, Leopold und Rudolf sind vor Staunens über die große Herrlichkeit der Stadt. Je näher wir ihr kommen, desto herrlicher wird ihre Gestalt, und von allen Seiten her duftet allen die größte Liebfreundlichkeit entgegen.

11 Robert fragt Mich in aller Liebe, da er über der Stadt der herrlichsten Sonne aller Sonnen ansichtig wird, von der das Licht in alle Unendlichkeit ausgeht - was denn das für eine Sonne sei, deren Licht viel heller strahle als das der irdischen Natursonne, aber dabei dennoch so lieblich anzusehen sei wie das Licht des schönsten Morgensternes.

12 Und Ich sage zu ihm: "Siehe, diese Sonne bin Ich im Grunde Selbst! - Es gibt unter uns noch zwei Himmelssphären, und zwar gegen Abend hin einen puren ,Weisheitshimmel' und gegen Mittag hineinen ,Liebe-Weisheitshimmel'. Die Bewohner dieser beiden Himmel sehen Mich nur als eine Sonne, und zwar ebendiese, die du und alle anderen nun in der Mitte über der Stadt leuchten sehet.

13 Nur hier im allerhöchsten Himmel bin Ich außerhalb der Sonne, obschon auch in der Sonne. Außerhalb der Sonne bin Ich, wie ihr alle Mich nun unter euch sehet. In der Sonne aber bin Ich pur geistig durch die Kraft und in der Kraft Meines Willens, Meiner Liebe und Weisheit. Ich Selbst bin im Grunde des Grundes in dieser Sonne, und die Sonne bin Ich Selbst, aber dennoch ist ein Unterschied zwischen Mir und dieser Sonne. Ich bin der Grund, und diese Sonne ist gleich einer Ausstrahlung Meines Geistes, der von hier und also aus Mir alle Unendlichkeit in ungeschwächter Kraft durchströmt und allenthalben Meine ewige Ordnung schafft.

14 Nun aber sehet hin auf die großen Scharen, die uns aus der Stadt entgegeneilen und ersichtlich ihre höchste Liebfreundlichkeit entgegentragen." - Sagt Robert: "O Herr! Ich vergehe vor Wonne und Liebe, wenn ich Dich anschaue! Du bist bei uns, und das ist alles Dein Werk! O Herr, was sind wir denn, daß Du uns gar so endlos gnädig bist?! O Gott, o Gott! Wie groß, herrlich und heilig bist Du!"

284. Kapitel: Rudolfs begeisterter Vergleich zwischen himmlischen und irdischen Verhältnissen. Näheres über die himmlische Stadt und deren Bedeutung als Nährquelle der ganzen Unendlichkeit. 'Kein Auge hat es gesehen...' (Am 24. Nov. 1850)

01 Tritt der Kaiser Rudolf zu Mir, lobt und preiset Mich aus vollem Herzen und sagt zum Schlusse: "O wie ganz anders sind doch die Dinge und Verhältnisse dieser Geisterwelt, als jene kleinlichen auf der Erde! Was hat man sich auf der Welt alles eingebildet, zu sein - und war im Grunde des Grundes doch nichts! Denn solange ein Mensch, mag er Kaiser oder Bettler sein, im Kleide des Todes umherwandelt und in irgendeinem Weltstande vergänglich ist, kann sein Sein nichts als eine Null sein. Ich war auf der Welt ein großer Kaiser, als aber der Tod über mich kam, was war ich dann? Nichts als eine Handvoll Staub und Asche! Hier bin ich aber nun doch sicher nichts, wenigstens nicht um ein Haar mehr, als da ist ein geringster Bürger dieser Welt, dieses ewigen Reiches, dieser Gottesstadt; und ich dünke mich erhabener in all meiner Nichtigkeit, als stünde ich auf der Erde über tausend Kronen und Throne gebietend als ein mächtigster Regent, vor dem Erde und Meere erbeben!

02 Wie lange hat der irdische Dünkel selbst nach dem Abfalle Meines Leibes mich noch berückt! Einem Freien aus der Freiheit der Wahrheit ward es vorbehalten, den alten, schon morsch gewordenen Fels aus dem harten Schlafe zu rütteln. Der Fels zerstob, und ich stehe nun hier in all meiner Nichtigkeit vor Dir, o Herr, wie ein neugeborenes Kind vor dem Schoße seiner Mutter, und staune eine neue Welt an und ihre heiligen Verhältnisse. - Ich bin zwar nun auch gleichwie ein neugeborenes Kind in allem, was da dieses herrlichsten Reiches ist, aber um wie vieles hat dies Kind voraus vor allen noch so weisen und mächtigen Herrschern der Erde! Mir kommt hier alles gar so groß und erhaben und gar so überaus bedeutungsvoll vor. O Herrlichkeiten über Herrlichkeiten ohne Namen und ohne Zahl! Das Kleinste will ich auf die Erde setzen, und die Erde wird zerquetscht von der Schwere der zu großen Bedeutung dessen, was hier beinahe wie eine volle Nichtigkeit dasteht! - O Vater, wie groß und heilig bist Du!"

03 Sage Ich: "Ja, ja, du hast recht! - Auf der Erde müssen Unterschiede sein, sonst wäre sie nicht, was sie sein muß. Hier aber ist alles gleich! Da gibt es keinen Rang, außer dem, daß ihr alle Meine Kinder seid und Ich euer aller Vater und Herr. - Aber dessenungeachtet gibt es auch hier Unterschiede, und niemand soll von dem etwas verlieren, was er redlich auf der Erde besessen hat. Du warst auf der Erde ein rechter Kaiser. Und siehe, du wirst wieder Kaiser werden, aber über ein sehr bedeutend größeres Reich, als dies auf der Erde der Fall war. Auf der Erde maß dein Reich in allem wohl einige tausend Quadratmeilen; hier aber wirst du gesetzt werden über eine ganze Sonne, in der eine Trillion Erden Platz hätte. - In der Stadt, und zwar in deinem Hause, wirst du erst deine künftige Bestimmung näher kennenlernen.

04 Nun aber stehen wir schon am Tore. Daher lasset uns beim Harfenklange einziehen!"

05 Wir ziehen nun in die Stadt, die da ist eine Stadt voll Lichtes und Lebens, in der ewig an keine Not an irgendeinem Lebensbedürfnisse mehr gedacht wird, weil in ihr alles in höchster Überfülle vorhanden ist und ewig vorhanden sein muß. Denn aus dieser Stadt bezieht alle Unendlichkeit ihre Nahrung naturmäßig und geistig.

06 Robert und alle staunen über die große Lieblichkeit der Wohnungen, deren es hier eine solche Anzahl gibt, daß sie von niemand mehr gezählt werden kann. Denn die Wohnungen der Stadt Gottes nehmen wohl einen Anfang, aber hinter dem Anfange nimmer ein Ende. Wohl ist im Anfang diese Stadt also gestellt, daß sie ein vollkommenes Viereck bildet, aber hinter dem Vierecke dehnt sie sich parabolisch (endlos - Parabel = geometrische, ins Unendliche sich öffnende Linie) aus und hat nirgends und nimmermehr ein Ende.

07 Nach lange anhaltendem Staunen sagt Robert: "Ja, jetzt verstehe ich es erst so ein wenig tiefer und besser, was das heißt: »Kein Auge hat es je gesehen, kein Ohr gehört, und in keines Menschen Sinn ist es gekommen, was der Herr denen bereitet hat, die Ihn lieben«. Wenn die Menschen auf der Erde aber auch nur eine leiseste Ahnung hätten von dem, was sie hier erwartet! Jede Sekunde irdischen Lebens würde ihnen zu einer unerträglichen Bürde werden, und tausendmal sterben wäre ihnen lieber, als ein auch nur minutenlanges Leben auf der Erde. Aber des Herrn große Liebe und Weisheit verbirgt solches vor den Augen der Sterblichen, auf daß sie ihre Probe durchmachen und eine rechte Festigung ihres Geistes erlangen können, ohne die es ihnen unmöglich ist, eine solche Wonnefülle zu ertragen.

08 O Herr, nun begreife ich auch, wie es hier gar leicht möglich ist, daß manchmal Geister meinesgleichen auf die leichteste und erklärlichste Weise ihrer sterblichen Brüder gewisserart ein wenig vergessen und sich ihnen nur sehr selten zeigen. Wer könnte über solch einer Wonnefülle nicht der bösen und finsteren Erde nur zu bald gänzlich vergessen, so er nicht von Dir, o Herr und Vater, von Weile zu Weile ermahnt würde, zur rechten Zeit auch der noch sterblichen Brüder auf Erden zu gedenken."

285. Kapitel: Das Vaterhaus in der himmlischen Stadt. Die unsagbare Herrlichkeit und Schönheit seiner Räume und Bewohner. Dazu im Gegensatz, Jesu Schlichtheit und Innigkeit.

01 Sagt Robert weiter: "O Herr und Vater voll Liebe, Sanftmut und Geduld! Was ist denn das für ein gar so endlos herrlicher Palast, der auf ein paar hundert Schritte gerade uns gegenüber gen Morgen hin steht?" - Sage Ich: "Das ist Mein höchsteigenes Haus! Aber darinnen gibt es gar viele Wohnungen, von denen nun auch du eine beziehen wirst für ewig. Und ihr alle, die ihr nun mit Mir seid, werdet wohnen darinnen. Diese Wohnungen werden euch allen sehr gefallen!"

02 Sagt Kaiser Joseph: "Was!? Bei Dir, in Deiner nächsten Nähe, o heiligster Vater, sollen wir sein?! Nein, nein, das wäre zu endlos viel Seligkeit für uns arme Sünder! Wir sind schon mit einem letzten Winkel in dieser Stadt völlig und überseligst zufrieden!" - Sage Ich: Mein lieber Bruder! Siehe, es steht ja geschrieben: »Wo Ich bin, da werden auch die sein, die Mich lieben über alles«. Ihr aber liebet Mich nun über alles und habt Mich in euren Herzen stets mehr geliebt, als ihr Mich zu lieben glaubtet. Und so müsset ihr denn auch dort wohnen, wo Ich Selbst wohne, und mit Mir wirken in ewiger Gemeinschaft. - Ihr werdet da gar viele antreffen, die ebenfalls in Meinem Hause wohnen. Denn dies Mein Haus ist gar groß und zählt sehr viele Wohnungen. Vetreten wir es nun! Die drei Brüder gehen voran!"

03 Wir treten nun in eine große Vorhalle des Hauses. Der Boden ist aus reinstem, durchscheinendem Golde. Zu beiden Seiten stehen zwölf Säulen, welche die Decke der großen Vorhalle tragen. Die Säulen leuchten wie die Sonne und spielen im höchsten Glanze alle Farben des Regenbogens. Ihre Masse ist reinster Diamant. Die Wände der Vorhalle sind reinster Porphyr, die Decke ist Smaragd und die Stufen im ersten Stock (das Haus hat drei Hauptstockwerke) sind aus reinstem Rubin mit Gold gerändert und führen in gerader Steigung zu einer großen Türe, die niemand außer Mir öffnen kann.

04 Alle, die da mit sind, können sich über die allerhöchste Pracht dieser Halle (wie sie sich ausdrücken) nicht genug erstaunen. Und Joseph sagt: "Brüder, wären wohl alle Kaiser und Könige der Erde, so sie alle Schätze aufbieten würden, imstande, solch eine Vorhalle mit bloß irdischem, diesem himmlischen gleichenden Materiale zu erbauen? O Gott, welch eine namenlose Pracht und unbeschreibliche Majestät!

05 Der Herr Selbst aber bleibt dennoch stets gleich in Seiner höchsten Schlichtheit! Wie Er auf der Erde einst umherging, die Menschen lehrte und ihnen die Wege des Lebens zeigte, so wandelt Er auch hier in seinen Himmeln der Himmel. Kein Glanz, kein Leuchten und kein glänzender Hofstaat von Myriaden Engeln umgibt Ihn. Wir sind hier fast Seine einzige nächste Begleitung. - Draußen auf den Gassen geht es freilich wohl sehr bunt zu. Aus Millionen Kehlen erschallen die lieblichsten Lobpreisungen unter dem harmonischen Klange der allerwohlklingendsten Harfen. Die ganze Himmelsluft ist ganz durch und durch erfüllt von den herrlichsten Gesängen und Harmonien. Man sollte schon beinahe glauben, alle diese Himmel seien bloß Gesang und die allerreinste und herrlichste Harmonie.

06 Ja, in der Stadt geht es wahrlich höchst lebendig zu, aber hier beim Herrn aller Herrlichkeiten, bei Gott, dem allmächtigen Schöpfer und Vater der Unendlichkeit, ist es bis auf die unendliche Pracht des Hauses ganz einfach! Keine Hofdienerschaft, keine glänzende Begleitung, kein dem Herrn der Ewigkeit gebührender Empfang ist irgendwo bemerkbar. - Fangen daher doch wir ein bißchen einen Lärm zu schlagen an, auf daß die sicher vielen Bewohner dieses Hauses auf die Ankunft des Herrn aufmerksam gemacht werden!!"

07 Sage Ich: "Lasset das gut sein, liebe Brüder! Die vielen Bewohner dieses Hauses wissen gar wohl, was sie bei Meiner Ankunft zu tun haben. Ihr seid auf der Erde an das Lärmen gewöhnt worden und denket euch, es müsse daher auch hier bei Meiner Ankunft in allen Himmeln ein ungeheurer Lärm geschlagen werden. O dessen bedarf es hier durchaus nicht! Wenn nach irgendeinem auf Erden und in deren geistigen Regionen vollbrachten Werke bei Meiner Ankunft Mir nur ganz im stillen die Herzen Meiner süßen Kindlein entgegenpochen voll Liebe, Dank und Leben, dann ist für Mich des feierlichsten Lärmens schon in aller Überfülle vorhanden. - So wir die Gemächer betreten werden, da werden sie uns schon entgegenkommen und uns grüßen auf die lieblichste Weise von allen Himmeln."

08 Ich öffne nun die Türe, und Meine Freunde fallen auf den Stufen, auf denen sie noch stehen, auf ihre Angesichter nieder. Und Robert sagt mit bebendem Herzen: "O Vater, das ist zuviel auf einmal für einen geschaffenen, kleinsten Geist, für ein winziges Lebensatom in Deiner Unendlichkeit! O dieses Licht, diese Herrlichkeit und diese überhimmlisch schönen Engel, die mit tränenfeuchten Augen ihre gar zu unendlich schönen, weichen Arme nach mir und nach uns ausstrecken! Wir sind ja gegen sie rein wie gestaltlos bei all unserem auch schon etwas himmlischen Aussehen!"

09 Hier sieht sich Robert nach seiner Helena um, um zwischen ihr und den Bewohnern Meines Hauses einen Vergleich zu machen. - Die Helena aber ist da auch schon mit der Schönheit Meiner Kinder versehen. - Robert erschrickt davor ordentlich und sagt: "O Herr, was ist denn mit der Helena geschehen und mit der Mathilde Eljah?! Sie sind ja auch schon so schön, daß ich sie mir gar nicht mehr anzusehen getraue."

10 Sage Ich: "Erhebet euch nun alle und verwundert euch nicht gar so sehr, denn ihr selbst seid ja nun auch schon so schön gestaltet!" - Hier erheben sich die sieben, beschauen sich und kennen sich selbst kaum mehr vor Schönheit. Und Robert sagt voll Staunens: "Bin ich es denn wohl?" - Sage Ich: "Ja, ja, du bist es! - Aber nun gehen wir in das erste Gemach!"

286. Kapitel: Eintritt ins Innere. Roberts Empfang als neuer Erzengel und Himmelsfürst. Seine Demut und Weisheit. Jesu Entscheid über Roberts Würdezeichen. (Am 27. Nov. 1850)

01 Wir treten nun ins erste Gemach, d.h.in ebendasselbe, in das die verschlossen gewesene Türe führet, zu der man auf den Rubinstufen zuerst gelangt.

02 Robert und sein Gehilfe Peter Peter sind, wie man sagt, ganz dahin vor lauter Verwunderung über Verwunderung. Beide aus dem Uranus abstammend (was aber Peter Peter aus einem guten Grunde noch nicht weiß), sind sie natürlich große Freunde von Bauwerken, besonders von so recht riesenhaft großen. Sind aber solche Bauwerke dazu noch mit entsprechender Pracht und Majestät versehen, so ist das für unsere beiden Freunde gar etwas ganz Außerordentliches. Beide haben ihre Augen ganz auf die hohen Galerien und auf die kunstvollsten Säulen, welche die Galerien tragen, geheftet und merken von der allerherrlichsten und liebvollsten großen Himmels-Gesellschaft kaum etwas, die in Robert einen neuen Erzengel und den Vorsteher eines neuen, großen Vereines begrüßt.

03 Hier stößt die Helena den Robert ein wenig an und sagt: "Aber du, mein liebster Robert, verschaue dich doch nicht gar zu sehr! Da siehe, wie du empfangen wirst!" - Auf diesen kleinen Anstoß kommt Robert von seiner Verwunderung wieder zu sich und sieht, wie ihm die schönsten Liebeengel auf einem rotstrahlenden Polster eine herrlichste Krone überbringen und ein Zepter aus reinstem, durchsichtigem Golde, das einen Glanz von sich wirft wie eine aufgehende Sonne, und zuletzt auch ein Schwert, das von einer unverlöschbaren Flamme umflossen ist.

04 Die Überbringer dieser Würdezeichen verneigen sich nun vor Robert Uraniel und sagen gar liebfreundlich: "Hier, liebster, herrlichster Bruder, empfange du den gerechten Lohn, den dir der Vater schon von Anbeginn der Welt vorbereitet hat! Um des Sinnes der Lehre Christi auf Erden wegen bist du ein Märtyrer geworden. Wohl hättest du das vermeiden können, so du es gewollt hättest; aber du wolltest es nicht, und so warst du ein Märtyrer zumeist des guten Sinnes der reinen Lehre des Herrn Jesus, unseres Gottes und unseres allerliebevollsten und allerheiligsten Vaters von Ewigkeit zu Ewigkeit wegen.

05 Du glaubtest auf der Erde zwar nicht, daß Jesus, zu Bethlehem geboren, von dir ,der Weise aus Nazareth' genannt, Gott der Herr Selbst gewesen sei. Aber du liebtest diesen Weisen dennoch ganz besonders und sahest Seine Göttlichkeit in deinem Herzen wohl, obschon da dein Verstand mit deinem Herzen nicht übereinstimmen wollte. Und diese deine Liebe behielt dir Seine Liebe und Gnade, die dich nun zu einem großen Fürsten der Himmel macht. - Daher nimm nun hin die Krone, das Zepter und das Schwert der Kraft, Macht, Liebe, Weisheit und Gerechtigkeit und werde ein rechter und weiser Regent deines großen und neuen Vereines! - Der Herr hat dich gesegnet und derselbe Herr will es also!"

06 Robert, ganz verblüfft über diese Erscheinung, sagt aus seiner Demutstiefe: "Meine lieben allerhimmlischesten Freunde und Freundinnen! Hättet ihr mir anstatt dieser königlichen Würdezeichen die eines Schuhputzers überbracht, ich hätte sie mit der größten Rührung meines Herzens angenommen; aber diese um keinen Preis der Himmel! Trägt der Herr und König Himmels und aller Welten keine Krone, kein Zepter und kein Schwert, wie soll ich das als ein armer Sünder?! Da sehet hin! Es stehen neben mir drei Kaiser, die schon von der Erde her gewohnt sind, Kronen zu tragen. Denen reichet die Insignien hin, diese werden nicht eitler durch sie, ich aber könnte am Ende eitler werden, und das wäre wahrlich kein Gewinn, weder für mich, noch für euch und für den Verein oder für das Gottesreich in meinem Herzen. - Das letztere ist mein rechtes Haus, dem ich vorzustehen und zu gebieten habe in der Ordnung und im Namen meines und eures Herrn und Vaters. Darum lasset ab von dem, was mir ewig nicht gebührt!"

07 Sagen die Überbringer: "Freund! Es ist also des Herrn Wille! Willst du dich diesem widersetzen?" - Sagt Robert, auf Mich hindeutend: "Mein Herr und mein Gott hat noch nichts gesagt! So Er es mir sagen wird, dann in Seinem Namen will ich es wohl tun. Aber ohne Sein Wort tue ich nichts! Denn Er ganz allein ist mir alles, ohne Ihn sind mir alle Himmel nichts! Es stehet geschrieben: »Ihr müsset alle von Gott belehret sein. Wen Er als Vater nicht erziehet, der tauget nicht für die Himmel und kommt nicht zum Sohne, der da ist des ewigen Vaters ewiges Reich!«"

08 Kommen die Träger der Würdezeichen zu Mir und sagen: "Vater! Was sollen wir nun tun? Er nimmt diese Auszeichnungen nicht an!" - Sage Ich: "So er will bleiben Mir gleich, so lasset ab von der Nötigung! Denn hier gibt es ewig keine Nötigung mehr, sondern die vollste, unbedingteste Freiheit. - Dieser Bruder aber ist ganz gewiß kein Alltagsgeist, wie er gibt es wenige! Daher müssen wir ihn schon auch etwas gelten lassen. - Leget aber diese Würdezeichen in sein Gemach! So es nötig sein wird, wird er sie schon gebrauchen. Aber nun bringet für die drei irdischen Regenten ihre eigenen Kronen, Zepter und Schwerter und Purpur! - Es sei!"

287. Kapitel: Die drei Kaiser erhalten ihre Reichs-Würdezeichen. Jesus über deren Bedeutung. Die große Bestimmung der Bürger des höchsten Himmels. (Am 28. Nov. 1850)

01 Alsogleich werden die Reichs-Würdezeichen herbeigeschafft. Auf rotstrahlenden Polstern werden sie den dreien vorgehalten, auf daß sie dieselben nehmen sollen zum Zeichen der Verherrlichung dessen, was sie auf Erden wohlberufen waren. Aber auch diese drei irdischen Kaiser weigern sich entschieden, in Meinem Hause und gar an Meiner Seite Kronen, Zepter, Schwert und Purpur zu tragen, da doch Ich, als ein König aller Könige und als ein wahrster und vollkommenster Herr aller Herrlichkeit, weder eine Krone noch ein Zepter und noch weniger ein Schwert und einen Purpur trüge.

02 Ich aber sage zu ihnen: "Meine lieben Freunde! Von einem beständigen Tragen dieser Zeichen ist ja ohnehin keine Rede; aber annehmen und haben müsset ihr so etwas dennoch. Es gibt hier gar sehr verschiedenartige Verhältnisse und Aufgaben des Lebens, oft die großartigsten Besuche aus all den zahllosen Weltgebieten und sehr viele Sendungen in verschiedene Welten und Sonnen. Ebenso gibt es auch Sendungen in die zwei unermeßlichen unteren Himmel und sonderlich in ihre zahllosen Vereine, sowie Sendungen in all die zahllosen Geisterregionen der Welten aller Art und Maß ohne Zahl. - Für solche Gelegenheiten müssen von hier abgesandte Erzengel mit Würdezeichen versehen sein und sie als großes Merkmal dafür tragen, daß sie selbst den mächtigsten Sieg über sich erfochten haben und nun mit Mir Herren sind über die ganze Unendlichkeit.

03 Bei Sendungen auf die Erde, allda Meine Kinder wachsen und erzogen werden, ist das freilich wohl nicht nötig. Denn diese müssen in der möglichst großen Einfachheit erzogen werden; daher sie denn auch von hier aus mit nichts Strahlendem auf ihrer ohnehin sehr mühsam gehaltenen Demut geweckt werden dürfen. - Aber ganz anders ist es bei Geistern, die da Bewohner großer Mittelsonnen sind, schon im größten Lichte und Glanze geboren werden und in Wohnungen leben, gegen die alles, was ihr sogar hier sehet, wie eine ärmliche Hütte dasteht. Da heißt es dann auch, zu Zeiten, so es nötig ist, in höchster Pracht und im höchsten Glanze auftreten.

04 Und sehet, bei solchen eben nicht zu selten vorkommenden Fällen brauchet ihr dann auch solche Würdezeichen, durch die ihr den betreffenden Geistern kundtuet, daß ihr Fürsten aus den allerhöchsten Himmeln und gleichsam Brüder des allerhöchsten Gottesgeistes seid. Unter dem Tritte eurer Füße müssen Sonnengebiete erbeben und eures Mundes Stimme muß gleichen dem Donner jener Gewitter, die aus den größten Sonnenwelten die Flammengemüter ihrer großen und mächtigen Bewohner im tiefsten Respekte erhalten. Ich meine, ihr werdet nun wohl begreifen, warum euch hier solche Zeichen eingehändigt werden.

05 Die Krone ist ein Zeichen, daß ihr der Seele nach, die da nun ist euer geläuterter Leib, Meine Kinder - und dem Geiste nach, der aus Meinem Herzen stammt und Mein Ich in euch ist, Meine Brüder seid. Das Zepter aber zeigt an, daß ihr, da ihr Mein Ich in euch habt, mit Mir gleiche Regenten der Unendlichkeit seid für ewig. - Das Schwert aber ist ein Zeichen von der Macht und Gewalt, die euch von Mir gegeben und für immer eingeräumt ist, und der Purpur endlich bezeuget, daß euer Äußerstes wie euer Innerstes pur Liebe ist und ihr gleich Mir überall nur durch die Macht der Liebe alles ordnen, bändigen und beherrschen wollet. - Und so denn möget ihr nun ohne alles Bedenken diese Wahrzeichen annehmen!"

06 Sagt Rudolf: "O Herr und Vater voll Güte, Liebe und Erbarmung! Wir drei sind nun wohl so sehr ausgezeichnet, daß wir Dir dafür ewig nie in nur einiger Genüge werden danken können. Aber siehe, meine anderen irdischen Kinder sind, obschon in diesen allerhöchsten Himmel aufgenommen, dennoch außerhalb dieser Stadt gestellt worden und können unmöglich ebenso glücklich sein wie wir? - Wäre es denn nicht tunlich, daß auch sie hierher kommen dürften und uns gleich gestellt werden?"

07 Sage Ich: "Mein Bruder, du sorgst dich etwas zu spät! Siehe dich nur nach der Türe um, durch die wir hereingekommen sind, und du wirst sie alle sehen mit den gleichen Abzeichen bekleidet! Sie kommen, voll Wonne Mir dafür zu danken. Es ist zwischen ihnen und euch dreien nur der Unterschied, daß sie diese Zeichen ein wenig früher als ihr in ihren majestätischen Wohnungen überkommen haben. Daher sie dieselben auch schon tragen, während ihr sie noch nicht angenommen habt? - Wie gefällt euch das?" - Sagt Rudolf: "O Herr und Vater! Deine Güte und Macht ist zu groß! Ich finde keine Worte, Dir meinen Dank auszudrücken. Sie haben also auch die gleiche Bestimmung mit uns?"

08 Sage Ich: "Ganz natürlich! - Alle Bewohner dieses Meines allerhöchsten Himmels haben die gleiche, übergroße Bestimmung. Aber freilich haben die am meisten zu tun, die in Meiner nächsten Nähe in Meinem höchsteigenen Hause wohnen, gleichwie auch diejenigen Lebensnerven des Menschen in fortwährend größter Tätigkeit sind und sein müssen, die dem Herzen zunächstliegen."

09 Rudolf und alle danken Mir nun aus allen Kräften. Ich aber berufe den Robert und sage zu ihm: "Mein lieber Bruder! Gehe mit den drei Brüdern Petrus, Paulus und Johannes, die den Hausbrauch schon kennen, und bestelle dort einen guten Tisch! Du verstehest Mich, was Ich meine! Nehmet aber ja den größten, denn wir werden unser sehr viele sein, die daran teilnehmen werden."

288. Kapitel: Von der Herrlichkeit der Kinder Gottes. Die Speisehalle des Herrn. Der große Urgarten der Schöpfung mit den himmlischen Urfrüchten. Von der Tätigkeit der Vollendeten und ihrem fortschreitenden Erkennen, bedingt durch die Liebe. (Am 29. Nov. 1850)

01 Robert Uraniel fragt, ob er seinen Freund Peter Peter auch mitnehmen solle und die beiden Weiber? - Sage Ich: "Hast du denn nicht ehedem, als du Krone, Zepter und Schwert nicht annehmen wolltest, vernommen, daß hier für jedermann die vollkommenste Freiheit gang und gäbe ist? So aber dies, wozu dann solche Fragen? Hier kannst du tun, wie auf der Erde, was du nur immer willst, und es ist da alles recht getan. Denn siehe, es kommt ja niemand hierher, als ein solcher nur, der seinen irdischen Weltwillen ganz aus sich hinausgeschafft und dafür für ewig den Meinen in sich und sein ganzes Leben vollkommen aufgenommen hat. Hättest du das nicht getan, so wärest du nicht hier bei Mir in aller Himmel höchstem. Da du aber solches getan hast, so bist du hier und kannst unmöglich etwas anderes wollen, als was Ich Selbst will. Nun aber besteht ewig nirgends und niemals eine höhere und vollkommenere Freiheit, als wie die da ist Meines höchsteigenen Willens. Da du diesen aber völlig inne hast, wie solltest du da bei irgendeinem Handeln nach deinem Wollen, was eigentlich nur Mein Wollen ist, beschränkt sein können?

02 Ohne die höchste, unbedingte Freiheit wäre Ich und alle, die da mit Mir völlig eins geworden sind, ein reiner Wahn, und die vollste Glückseligkeit Meiner Kinder wäre eine Lüge. Daher kannst du dich hier ganz so benehmen, als wenn du dem vollkommene Herr im Hause wärest, und andere mögen dies ebenfalls also! Denn hier in diesem Meinem Hause bestehen keine Rangstufen. Was einer ist, das ist auch der andere. Hier ist alles vollkommen Bruder und Schwester. Nur Ich allein bin euer aller Herr und Vater. Dem Geiste wie der innersten Wahrheit nach aber bin Ich auch euer Bruder. Nun weißt du alles. Daher handle und frage nicht wieder!"

03 Robert nimmt nun den Peter Peter und die Helena und Eljah mit und begibt sich mit Petrus, Paulus und Johannes in das nächste Gemach. Er kann sich hier wiederum vor lauter Verwunderung gar nicht zurechtfinden und sagt zu Petrus: "Freund, Bruder! Du trittst so ganz mir nichts dir nichts da hinein und scheinst alle die zahllosen Herrlichkeiten, die vom Kleinsten bis zum Größten dies Gemach oder besser diese ungeheuer große Halle Gottes zieren, gar nicht zu berücksichtigen! Das ist wirklich merkwürdig! Schau, für mich wäre diese Halle ein Gegenstand ewigen Betrachtens und Studierens."

04 Sagt Petrus: "O du irrst dich, lieber Bruder, so du mich inmitten der höchsten Wunderwerke des Herrn für unempfänglich halten oder dir von mir denken würdest, daß mir die Gewohnheit diese Werke gewisserart alltäglich und weniger beachtenswert gemacht hätte. O gerade das Gegenteil! Aber ich betrachte alles das mit einer gewissen Ruhe meines Geistes und verkünde des Herrn Lob in meinem Herzen. Du aber bist nun hier noch ein Neuling, kennst den rechten Hausbrauch noch nicht und bist sonst auch eines sehr lebendigen und feurigen Geistes. Daher ist bei dir auch sogleich alles in Flammen. Wenn du aber mit der Weile das große Haus des ewigen Vaters und Dessen liebevollsten Hausbrauch näher wirst erkannt haben, dann wirst du mein Benehmen sicher ganz in der besten Ordnung finden.

05 Übrigens gefällst du mir überaus wohl deines Eifers wegen! Denn dein Geist ist ganz wie der unseres Bruders Paulus, der ebenso wie du noch immer voll Feuers und stets der gleiche Flammengeist ist. - Mir gefallen solche Geister sehr. Aber ich bin deshalb nicht minder ein begeisterter Liebhaber für alles, was da ist dem Herrn; nur erscheine ich dabei stets ruhiger und mache außer mir weniger Lärm, aber dafür geheim in meinem Herzen desto mehr.

06 Doch jetzt zur Tat! Siehe dort den großen Tisch aus purstem, durchsichtigem Golde! Diesen werden wir in die volle Mitte dieses Saales rücken und werden ihn dann allerreichlichst bestellen mit Brot und Wein und mit allerlei himmlischen Früchten, die wir dort an der Mittagswand im großen Schranke in höchster Überfülle antreffen werden."

07 Auf diese Rede des Petrus gibt sich Robert zufrieden. Und alle begeben sich zur Tat und bestellen den Tisch in wenigen Augenblicken. - Als Robert die herrlichen Früchte aller Art ersieht,sagt er: "Wahrlich, was auf allen besseren Weltkörpern sicher als das edelste Obst vorkommt, ist hier in höchster Reife und in größter Überfülle vorhanden. Die Ananas unserer Erde ist hier die mir allein bekannte Frucht."

08 Sagt Petrus: "Hast du denn auf der Erde nie Trauben gesehen, nie Feigen und sogenannte persische Äpfel, insgemein Pfirsiche genannt, und keine Melonen?! Derlei gibt es hier ja auch! Und da komme her an dieses Fenster gen Mittag und besieh dir den großen Garten, und du wirst darin alle erdenklichen Fruchtgattungen ersehen, die du je irgendwo auf der Erde entweder in der Natur oder im Bilde gesehen hast".

09 Robert geht hin und ersieht aus dem Fenster einen ungeheuer großen Garten in vollster Üppigkeit. Ganz wie versteinert bleibt er da stehen und sagt nach einer Weile: "Höre, Bruder! Das wird denn doch ein Garten aller Gärten der ganzen Unendlichkeit sein! Der muß ja allein so groß sein, wie alle Gärten der Erde zusammengenommen! Welch eine unabsehbare Ausdehnung! Welche Ordnung und welche reichste Fülle von zahllosen Arten und Gattungen der edelsten und seltensten Früchte! Wahrlich, auf diesem Garten könnte die ganze Erde mit einer nur einmaligen Ernte wenigstens auf tausend Jahre reichlichst versorgt werden! - Aber sage mir, Bruder, wer kann denn diese beinahe grauenerregende Menge verzehren? Wo sind denn die Konsumenten?"

10 Sagt Petrus: "Die ersten Konsumenten sind wir. Die zweiten alle die Bewohner dieser Stadt, die wahrlich weiter und weiter gegen Osten hin kein Ende hat. Und die dritten Konsumenten sind die zwei unteren Himmel. Durch diese hinab dann auch die ganze Geisterwelt und durch sie die ganze Naturwelt. Denn das ist ein Mustergarten für die ganze Unendlichkeit! Kennst du dich jetzt aus?"

11 Sagt Robert: "Ja, Bruder! Also habe ich es mir auch sogleich gedacht, daß es so sein wird. Aber jetzt möchte ich nur die Arbeiter kennen, die da solch einen Garten bearbeiten und also bestellen im Namen des Herrn." - Sagt Petrus: "Das alles tut der Herr Selbst durch Seinen allmächtigen Willen. Er will es, und es ist da, was Er will! Aber eine Weiterverpflanzung geschieht dann wohl durch eigens dazu bestimmte Geister und Engel, denen die Befruchtung aller Weltkörper anvertraut ist.

12 Aber diese Geister und Engel bleiben auch nicht immer bei diesem Geschäfte, sondern werden von Weile zu Weile abgelöst und durch neue ersetzt. Den Abgelösten wird aber dann sogleich wieder eine andere Bestimmung zugemittelt. Denn von irgendeiner Einförmigkeit der Tätigkeit ist (in den Himmeln) nie eine Rede. Überall herrscht die freieste, allermannigfaltigste Abwechslung. Wozu jemand die meiste Lust hat, mit dem beschäftigt er sich, solange es ihm eine Freude und Seligkeit macht. Freut ihn dann irgendeine Beschäftigung nicht mehr gar sehr, so hat er sogleich eine große Auswahl vor sich und kann sie wählen und nehmen, was er nur immer will. - Das wird doch der Freiheit in Übergenüge abgeben?!"

13 Sagt Robert: "Bei Gott ja! Das heiße ich ein freies Leben! O Erde! Von einer solch grenzenlosen Freiheit hat dir wohl doch sicher nie etwas geträumt! - Aber was geschieht nun? Der Tisch ist bestellt. Sollen wir etwa ein Zeichen geben?" - Sagt Petrus: "Freund, das war noch ein sehr irdischer Gedanke von dir! Meinst du denn, der Herr und die anderen Bewohner dieses Hauses wissen etwa nicht, ob wir mit unserer Arbeit zu Ende sind oder nicht?"

14 Sagt Robert: "Ja, ja, du hast recht! Der Herr weiß es ganz sicher. Aber wie erfahren das die anderen Bewohner dieses heiligen Hauses?" - Sagt Petrus: "Siehe, dafür ist hier schon eine Einrichtung getroffen! In jedem der beinahe zahllos vielen Gemächer dieses Hauses, und zwar in allen drei Hauptstockwerken, befindet sich eine sogenannte Weisungstafel. Auf dieser Tafel wird vom Herrn aus angezeigt, was da zu geschehen hat. Und ein jeder Bewohner richtet sich dann allerseligst augenblicklich darnach.

15 Eine gleiche Einrichtung ist auch in allen (andern) Himmeln getroffen, nur in einem nach wohlberechneten Verhältnissen minderen Grade als hier im Hause des Vaters. Du wirst das alles noch genauer kennenlernen. Denn glaube es mir: Hier lernt man nie aus! Man bleibt ein Schüler in Ewigkeit. Denn unsere Vollendung besteht nur in der Liebe und in der Empfänglichkeit für die stets wachsende Gnade des Vaters. Aber im Wissen und im Erfahrungenmachen bleiben wir ewig Jünger des Herrn. - Nur der Herr allein ist allwissend; wir aber nur insoweit, als es der Herr will und für gut und zweckdienlich findet.

16 Daher gibt es hier denn auch neben dem großartigsten Wissen der Geister dennoch ein fortwährendes Fragen und Erklären der mannigfachen Erscheinungen und Dinge aller Art. Auch du wirst sicher mit den Fragen ewig nie zu einem Ende gelangen. Am leichtesten kommt man zurecht, so man sich stets mehr in der Liebe zu befestigen sucht als im Wissen; denn die Liebe befriedigt, aber das Wissen ewig nimmer!"

289. Kapitel: Roberts innere Beziehung zu den alten habsburgischen Kaisern. Über Erbthrone und Wahlthrone. Wichige staatspolitische Winke des Petrus. (Am 1. Dez. 1850)

01 Sagt Robert: "Das aber ist eben auch vom Herrn endlosweise eingerichtet! Denn würde man mit dem Wissen je zu einem vollen Ende gelangen können und gäbe es endlich gar nichts mehr, darnach man fragen könnte, so wäre einem ehrlichen Geiste mit der Weile das Dasein ja vollkommen unerträglich, aber so ist man selbst als ein vollendeter Geist (obschon man als solcher mehr weiß, versteht und einsieht als alle Menschen auf der Erde in tausend Jahren) auch hier im Hause des Herrn, wo ein Wunder das andere verdrängt, im Wissen äußerst beschränkt. Ja man ist eigentlich eine barste Null und begreift sogar das nicht, was einem doch sozusagen auf der Nase sitzt. Und das ist gut, weil dadurch das Herz und der Geist in einer immerwährenden Tätigkeit erhalten werden.

02 So habe ich bei mir schon einigemal nachgedacht, was denn ich so ganz eigentlich mit den römisch-deutschen und österreichischen Kaisern zu tun habe. Wie komme ich in ihre und sie in meine Gemeinschaft? Was habe ich je mit Rudolf dem Ersten zu tun gehabt, was mit seinen Abkömmlingen? Ich kann mir für meinen Verein wohl solche Geister tauglich denken, die entweder in meine irdische Lebensperiode fallen, meiner Denkweise waren und in Österreichs Staaten bei der Gelegenheit in die Geisterwelt kamen, als ich in Wien nach Diesseits befördert worden bin (wofür ich nun meinen irdischen Feinden nicht genug danken kann). Aber wie die Regenten Österreichs, mit denen ich noch nie in irgendeiner Verbindung habe stehen können, da doch die meisten lange vor mir auf der Erde ihre Herrschaft ausgeübt haben, in meinen Verein kommen - und neben ihnen auch so manche römische Bischöfe - das ist mir ein Rätsel! So sie allenfalls mich in ihren Verein aufgenommen hätten, so ließe sich das erklären. Aber daß ich sie in meinen Verein aufnehme, und daß sie gewisserart zu mir kommen und wenigstens anfänglich in meinem Hause Wohnung genommen haben - den Grund davon begreife, wer will! Ich begreife ihn trotz all meiner geistigen Vollendung nicht. - Begreifst vielleicht du ihn, mein liebster Freund und Bruder?"

03 Sagt Petrus: "Der Grund davon ist ganz einfach: Siehe, du warst stets der Dynastie der Habsburger, wie man sagt, von der Wurzel an ein wahrer Feind. Ihr allein schriebst du alle Übelstände von Europa zu. Mit solch einem Grolle aber hättest du nimmer ein Bewohner dieses Reiches der reinsten, ewigen Liebe werden können. Der Herr verschaffte dir daher die Gelegenheit, dich mit diesen deinen ,Gegenfüßlern' auszusöhnen, ihren Wert anzuerkennen und sie als echte Brüder in dein Herz aufzunehmen, sie zu achten und zu lieben wie dich selbst, und siehe, darum kamen sie denn auch in dein Haus! - Verstehst du nun den Grund?"

04 Sagt Robert: "Ja so, jetzt verstehe ich den Grund freilich wohl nur zu klar, könnte ich sagen. Richtig, richtig! Die von Rudolf errichtete Erbfolge der Kaiserwürde war mir ein Greuel der Verwüstung beinahe sämtlicher Menschenrechte. Denn bei einer erblichen Herrscherwürde werden alle anderen Geister zurückgesetzt, so sie auch tausendmal weiser wären als der Geist dessen, der auf dem Throne sitzt. Ein Kronprinz wird dadurch schon im Mutterleibe ein Regent. Der sonst weiseste Mann im Reiche aber muß schweigen und wird vom Regenten, der sich allezeit auch als erbrechtlich für einen Salomo hält, gar nicht erkannt und zum Wohle der Völker gebraucht. Siehe, solche und noch tausend andere, beachtenswerte Gründe haben mich stets mit Groll gegen die Habsburger erfüllt. Und es regte sich alles in mir, so ich des herrschsüchtigen Rudolf gedachte, dem es nicht genügte, daß er selbst zum Kaiser gewählt wurde, sondern fortherrschen wollte in seinen spätesten Nachkommen, womöglich bis ans Ende der Welt.

05 Nun ist mir freilich ein anderes Rechtslicht aufgegangen, aus dem heraus ich klar und deutlich ersehe, daß ein mittelmäßiges Erbkaiserreich denn doch um sehr vieles besser ist, als ein bestes Wahlreich, bei dem die zur Kaiserwahl Berechtigten allezeit Feinde dessen werden, den das Los aus ihrer Mitte auf den Thron setzte. - Ja, ja, also ist es! Daß aber gerade darin die Ursache verborgen lag, darauf wäre ich aus mir selbst noch lange nicht gekommen. Es mag wohl der Herr solches in Wahrheit nicht nur zugelassen, sondern auch wirklich Selbst gewollt haben, daß die Wahlreiche aufgehört und dafür die Erbreiche den Anfang genommen haben.

06 Ob aber nun nicht ein wenigstens sehr nahe scheinendes, wo nicht schon wirklich daseiendes Ende der Erbdynastien und ihrer Reiche vorhanden ist - das hat der Herr Selbst erst jüngsthin eben nicht gar zu unverständlich aus Seinen mannigfachen heiligen Reden durchleuchten lassen. Was meinst du über diesen Punkt?"

07 Sagt Petrus: "Mein Freund, das kümmert uns hier wohl sehr wenig! Die Menschen auf der Erde in ihrem irdisch-politischen Verbande und in ihren staatlichen Verhältnissen sind frei und können sich diese einrichten, wie sie wollen. Nur so sie eine Obrigkeit haben, so sollen sie dieser gehorchen und sollen einssein mit ihr, so werden sie Ruhe und Frieden haben. Alle Bürger eines Staates sollen mit ihrem Regenten ein Leib sein und sollen dem Regenten im Falle der Not auch bereitwillig mit ihrer Habe, mit ihrem Mute und Blute zur Hand stehen, so werden sie ein glücklich Volk sein und werden reich sein in allen Dingen auf Erden. Aber ein Volk, das seinen Regenten verachtet und bei allen bitteren Vorkommnissen, die es aus höchsteigenem Verschulden treffen, die Schuld auf den Regenten schiebt, wird von einem Glücke wenig mehr zu erzählen haben. Denn wo immer die Völker mit ihren Regenten zu hadern angefangen haben, da bekamen bald dessen Feinde Gelegenheit zum Lachen. Es haben aber die Menschen der Erde ohnehin ein Gebot, nach dem sie der weltlichen Obrigkeit gehorchen sollen.

08 Tun sie das nicht, so müssen sie sich dann nur selbst zuschreiben, so über sie dann böse Zeiten kommen. Der HErr läßt solche Zeiten zwar nie als ein Gericht Seines Willens über die Menschen kommen; aber so die Menschen sich selbst solche Zeiten bereiten, da tritt Er nicht hindernd entgegen, sondern läßt die Menschen dieselben Früchte ernten, die sie ausgesät haben. Wir können wohl sehen, was die Menschen ausführen wollen, und können auch wohl ermessen die Folgen, die daraus entstehen müssen, aber wir hindern sie dennoch nicht, zu handeln, wie sie wollen;

09 denn die Menschen der Erde sind freiesten Willens; ja sogar die Erde liegt in ihren Händen. Beleidigen sie diese, so wird diese sie auch strafen, wie zu den Zeiten Noahs. So es aber Menschen gibt, die sich deshalb an den HErrn wenden, und Ihn bitten um eine gute Regierung, um Ruhe, Frieden und gute Ordnung; dann greifen wir schon auch in die Zügel des Regenten, und leiten dann ihn und sein Volk auf den Weg, auf dem allein alles Glück erreicht werden kann. Darum sollen die Menschen ihren Regenten nie grollen und sie gar hassen, da auch die Regenten Menschen sind. Sie sollen sie dafür lieber segnen und den HErrn bitten, daß Er sie als ihre irdischen Herrscher lenke und segne; dann werden sie glücklich sein in Hülle und Fülle. Nun, was meinst du, Bruder? Habe ich recht geredet, oder nicht?"

290. Kapitel: Roberts politischer Eifer regt sich weiter. Petrus über völkische Selbsthilfe und Gotteshilfe. Jesus weiß, wann die rechte Zeit ist. (Am 3. Dez. 1850)

01 Sagt Robert: "O ja, du hast ganz recht, also ist es auch! Jeder Mensch für sich tut wohl daran, so er seiner vorgesetzten Obrigkeit gehorcht in weltlichen Dingen und sich friedfertig verhält bei allen oft noch so traurigen Lagen des irdischen Lebens. Denn es steht auch geschrieben: »Selig sind die Friedfertigen, sie werden das Erdreich besitzen!« Aber was sollen die armen Menschen auf der Erde machen, wenn ihre Herrscher, aus Furcht, Thron und Glanz zu verlieren, bei ihren Untergebenen auch die Sphäre des Geistes angreifen, dieselbe knechten und fesseln und der Seele und dem Geiste die Sehe verfinstern, die reine Lehre des Herrn auf Erden in ein Götzentum verwandeln und dadurch die ihnen gehorchen müssende Menschheit mit aller Blindheit schlagen? Frage noch einmal: Was sollen da solchermaßen geknechtete Menschen tun, so die herrschsüchtigen Kronträger für die vom Herrn selbst erweckten Geister Scheiterhaufen, Galgen und mindestens harte Kerker und Gefängnisse errichten?

02 Soll den Menschen auch da aus den Himmeln kein unverantwortliches Recht zuständig sein, sich der Geistesmörder zu entledigen? Ist auch solch ein Handeln wider die Ordnung der Himmel, so muß man andererseits ja doch notwendig annehmen, daß es dem Herrn am Ende einerlei ist, ob der Mensch auf der Welt ein Fetischdiener, ein finsterer Heide oder ein reiner Christ sei. Ist aber das der Fall, so sehe ich die ganze Erlösungsgeschichte, alle die (Wahrheiten der) Propheten und die reine Wunderlehre des Lebens aus dem Munde Gottes nicht ein. Denn da ist das alles vergeblich, und die Menschheit hätte lieber in ihrer Urnacht verbleiben sollen. Millionen von Menschen, die sich Christen nennen, haben von Christo dem Herrn nicht den allerleisesten Begriff und von Seiner Lehre ebenfalls nicht. Der Papst ist ihr Gott und der Regent ist sein Handlanger. Beide sorgen nach Kräften für die Verfinsterung der Menschen und seiern Triumphe, so es ihnen gelang, jeden Funken Geistes in ihren Untertanen zu ersticken. Sage, Freund, haben die im Geheimen sich noch irgendwo vorfindenden helleren Gesellschaften auch da keinen Funken Rechtes, sich gegen solch eine allergrausamste Tyrannei zu erheben, sie zu schlagen und zu vernichten?"

03 Sagt Petrus: "So sie es vermögen, warum nicht? Vermögen sie aber so etwas nicht, so wird ihnen ihr Versuch bitter zu stehen kommen, und sie werden dann in der Folge noch zehnfach mehr geknechtet werden, als sie es früher waren. Ich sage dir, es bleibt ewig bei dem, daß Menschen für sich allein gar nichts tun können; und tun sie doch etwas, so machen sie nur, daß ihr Zustand verschlimmert, nie aber gebessert wird. Aber ganz etwas anderes ist es, so solch eine reinere Gesellschaft von Menschen, die dem Herrn ergeben ist, Ihn um Hilfe und Schutz anflehet. Da legt dann schon der Herr Selbst die Hand an solch ein Werk und mit der von dir beschriebenen Tyrannei hat es dann für immer ein Ende. Denn nur die Allmacht kann jede andere Macht schlagen! Des Menschen Ohnmacht aber vermag nichts ohne den Herrn. - Im übrigen weiß der Herr schon auch, inwieweit Er solch eine Tyrannei fortkommen lassen kann. Siehe an den Pharao und sein Tun und Handeln! Siehe an tausend andere Tyrannen! Sie gaben sich alle Mühe, ihre Völker bis auf den tiefsten Abgrund aller Finsternis zu schleudern. Und wo sie meinten, ihr Ziel zu erreichen, eben da stellte der Herr dann in der Tiefe der von den Tyrannen vermeinten Nacht ein großes Licht auf, stärkte solche gedrückte Völker, diese erhoben sich dann und die Tyrannen flohen vor ihnen wie lose Spreu vor dem Sturmwinde. Und man nannte daraus ihren Namen kaum mehr, und so sie auch irgend genannt wurden, da wurden sie nur zur Schande aber nimmer zur Ehre ihrer Handlungen genannt und wurden verabscheut von jedermann. -

04 Ich sage dir: Der Herr mißt eines jeden Zeit. Und so ist auch aller Tyrannen Zeit genauest bemessen. Es fehlt oft nur der letzte Tropfen. Fällt dieser, dann ist die Zeit zu Ende. Darum sorge dich nun nicht mehr um die Verhältnisse der Erde! Der Herr versteht sie am besten zu leiten und zu schlichten.

05 Wie oft habe ich schon von besseren Erdenmenschen den Wunsch vernommen, daß der Herr dem Papsttume doch endlich einmal ein Ende machen möchte. Aber der Herr säumt noch immer, und Er weiß es gar wohl, warum Er also säumt. Daß Er aber gar nicht mehr lange säumen wird, dessen kannst du völlig versichert sein. Rom meint wohl einem Phönix gleich du sein, der sich selbst verbrennt und dann aus seiner Asche wieder herrlicher denn früher ersteht. Aber diesmal wird es am Ende bei der Asche verbleiben. - Und so wird es nun gar manchen anderen ergehen auf der Erde! - Verstehst du das?"

06 Sagt Robert: "Ja, nun erst bin ich in allem klarst berichtet und unterwiesen. - Aber nun kommt der Herr! Darum nichts mehr weiter von dem!"

07 Robert geht mit der ganzen Gesellschaft von sieben Personen, er selbst mitgerechnet, Mir entgegen und sagt: "Herr! Vater! Wie Du es befohlen hast, steht alles in Bereitschaft."

08 Sage Ich: "Mein lieber Bruder! Das habe Ich schon gesehen. Aber so Ich nicht Selbst gekommen wäre, so hättest du Mich und die große Gesellschaft noch hübsch lange warten lassen und wärest nicht gekommen, Mir vor der Gesellschaft zu sagen: »Herr und Vater komme, es ist alles bereit!«

09 Sagt Robert: "Herr, das habe ich ja ohnehin gewollt, aber der Bruder Petrus hat mich im allereigentlichsten Sinne davon abgehalten!" - Sage Ich: "Ei, ei, wenn du auf eine kleine Hausprobe gestellt wirst, so darfst du nicht gleich so nachgiebig sein!"

10 Sagt die Helena: "Siehe, ich habe dir noch mit den Augen gewinkt! Aber du legtest den Finger auf den Mund und zeigtest mir dadurch an, daß ich hier schweigen solle, wo der erste Bruder des Herrn das Wort führe! Ihr habt dann recht lange miteinander über verschiedenes gesprochen, bis nun der liebe Herr Vater von Selbst gekommen ist, ohne von euch Weisen gerufen worden zu sein. - O es geschieht euch schon recht, so euch der liebe Herr Vater ein wenig putzt!"

11 Sage Ich: "Nun, nun, meine liebste Tochter Helena, es ist schon lange alles wieder in der Ordnung! Robert ist gerecht, da er dem Bruder Petrus folgte. Der Bruder Petrus ist ebenfalls gerecht; denn er weiß, was er bei solchen besonderen Gelegenheiten zu tun hat. Und du bist auch gerecht, weil du Mich durch deinen Robert wolltest hereingerufen haben. Ich Selbst aber bin noch nie ungerecht gewesen, und so haben wir alle uns in der Zukunft nichts mehr vorzuwerfen! Es ist also schon alles recht! Daher werden wir nun das Mahl einnehmen! - Gehet und berufet die Gesellschaft! Und du, Bruder Petrus, öffne alle Türen, die in diesen Speisesaal führen!"

291. Kapitel: Das große Himmelsmahl und Himmelskonzert im Vaterhause. David als Musikleiter und Tonschöpfer. Der Himmelsort anderer Musikmeister.

01 Als dieses alles nun schnell geschehen, da bewegen sich ganze Prozessionen von allen Seiten her in bester Ordnung in den großen Speisesaal. In kurzer Weile stehen viele Tausende im Saale, und noch immer ziehen neue Prozessionen von Tausenden und abermals Tausenden herein. Robert und die ganze, ebenfalls bedeutende Gesellschaft, die sich zunächst bei Mir befindet, fängt an, große Augen zu machen, als des zahlreichen Zuzuges noch immer kein Ende werden will. Und Robert fragt Mich ganz leise, sagend: "Aber um Deines allmächtigen Namens willen! Der Saal ist schon ganz angestopft mit Menschen herrlichster Gestaltung, und noch ist kein Ende zu ersehen! Wo werden sie denn am Ende platz finden?! Wir haben den größten Tisch wohl so reich als möglich bestellt, aber was wird er bieten für diese ungeheure Volksmenge?

02 Sage Ich: "Sei nur ruhig! Hast du doch auch auf der Erde schon öfter vernommen, daß da friedlicher Schafe viele Platz haben in einem Stalle. Also werden auch die Bewohner dieses Meines Hauses am Ende hinreichenden Platz finden!" - Sagt Robert ganz erstaunt: "Was! Diese alle sind bloß Bewohner dieses Deines einen Hauses? Um Deines Namens willen! Ja, wie viele wohnen denn eigentlich hierinnen? Es müssen ja Millionen sein! - Ah, ah, noch immer kein Ende! Aber was merke ich denn nun? Der Saal wird ja auch stets größer und größer, oder kommt es mir bloß so vor? Nun fangen sich auch die Galerien zu füllen an! Mir ist der Saal wohl früher auch ganz ungeheuer groß vorgekommen; aber nun kommt er mir noch um vieles größer vor. - Ah, jetzt erst wird ein Ende des Zuges durch die offenen Türen ersichtlich! - O Herr! Wie viele möchten doch nun ihrer in diesem großen Saale sich befinden?"

03 Sage Ich: "So du die Zahl wissen willst - da sieh, und du wirst es finden, daß da sind ihrer zwölfmalhunderttausend! Aber das sind bei weitem nicht alle, die dies Mein Haus bewohnen. Mehr als zehnmal soviel sind in wichtigen Geschäften abwesend und haben auf den verschiedenen Welten und Sonnen in all den Himmeln und deren zahllos vielen Vereinen zu tun. Verstehe aber wohl: Diese dir nun Genannten sind ausschließlich nur Bewohner dieses Meines Hauses, das Ich Selbst bewohne und allda Ich sorge für Meine Kinder.

04 Du siehst aber, daß diese Stadt allein nur in ihrem Hauptteile eine übergroße Menge der herrlichsten Häuser hat. Ein jedes Haus steht frei und hat einen großen Raum um sich, der da gleich ist einem schönsten Garten und wohlbestellt ist mit allerlei Fruchtbäumen und anderen Gewächsen, die eine Zierde der Gärten sind und den höchsten Wohlgeruch ausstreuen. Solche Häuser sind auch vollauf bewohnt, und die Bewohner sind ebenfalls Meine Kinder und besuchen Mich in diesem Meinem Hause, wann sie wollen. Ich habe eine große Freude an ihnen, und sie sind alle voll der reinsten Liebe zu Mir und zu all den Brüdern, die da stets in diesem Meinem höchsteigenen Hause wohnen.

05 Weiter ersiehst du eine große Vorstadt gegen Osten, die da nimmer ein eigentliches Ende hat. Diese Vorstadt ist ebenfalls voll von Häusern und Gebäuden aller Art, wie sie auf all den Weltkörpern in bester Form gang und gäbe sind. In dieser Vorstadt und ihren zahllos mannigfachen Gebäuden wirst du vollendete Geister aus allen Welten der Unendlichkeit antreffen, die ebenfalls überselig sind nach der Art ihrer Liebe und inneren Vollendung. Zugleich befindet sich aber auch in einem jeden Hause dieser großen Vorstadt eine Türe und eine Brücke, durch die und mittelst der die seligen Bewohner auf jenen Weltkörper schauen und gelangen können, den sie in ihrem Fleische bewohnt haben.

06 In den Häusern der Hauptstadt aber ist diese Einrichtung also getroffen, daß jeder Bewohner derselben durch zwölf innerhalb des Gemaches angebrachte Türen in alle Weltkörper der ganzen Unendlichkeit gelangen und also auch wieder zurückgelangen kann, und zwar im Augenblicke, so der Bewohner es will. Aber es ist dabei noch zu bemerken, daß solche Türen zu den Weltkörpern in jedem Hause nur in den Gemächern zu ebener Erde angebracht sind, niemals etwa auch in einem höheren Stockwerke. Daher hat denn auch jedes Gemach eines höheren Stockwerkes ein entsprechendes zu ebener Erde. Das Wunderbare solcher Einrichtung aber wirst du erst in der Folge genauer kennenlernen, je nachdem sich dein Innerstes mehr und mehr entfalten wird.

07 Nun aber siehe, während dieser Unterredung haben sich die Zwölfmalhunderttausend am großen Tische geordnet und mehrere kleinere Tische sind ebenfalls nun nachträglich bestellt und besetzt worden - und du merkst doch sicher kein Gedränge!"

08 Spricht Robert: "Überaus wunderbar merkwürdig! Aber der große Tisch hat denn auch eine Länge, die man auf der Erde nur nach Meilen messen müßte. O Herr, Du wunberbar bester, heiliger Vater! Der Tisch ist aber schön ausgezogen worden! Auch die kleineren Tische sind stundenlang geworden! Und der Saal hat nun eine Länge, Höhe und Breite, daß man ganz London und Paris bequem hineinstellen könnte. Wahrlich, das hört schon auf, ein Saal zu sein; das ist vielmehr wie eine ganze Welt!"

09 Sage Ich: "Ja, ja, Mein Bruder, hier geben wir's denn auch ein wenig großartiger als auf der Erde am Rainerkogel! Was meinst du?" - Sagt Robert: "O Vater, Du bist zu gütig und gnädig! Ja, da sieht es, wie man sagt, schon etwas besser aus, als wie bei einem Hüttenmann auf der armseligen Mutter Erde! O Vater! Ein Funke dieses Lichtes auf die Erde gebracht, würde sie also erglänzen machen, daß die Sonne zum finsteren Klumpen würde neben der also erleuchteten Erde! - Aber haben die auf den zwei hohen Galerien über uns auch Tische und Speise und Trank?"

10 Sage Ich: "Ganz sicher! Mein Haus hat, wie du von außen bemerkt haben wirst, drei Stockwerke. Von jedem kann man auf die mit dem Stockwerke gleichlaufende Galerie dieses Speisesaales gelangen, der die Höhe von allen drei Stockwerken hat. Dies ist aber nicht der einzige Saal in diesem Hause, es gibt deren noch gar viele, die also eingerichtet sind, wie sie für die verschiedenartigen Zwecke eingerichtet sein müssen. Du wirst sie nach und nach alle kennenlernen. Jetzt aber sehen auch wir, daß wir irgendeinen guten Platz am großen Tische bekommen!"

11 Sagt Robert: "Herr, so irgendein kleines Katzentischchen wäre mir lieber! Denn dort am großen Tische sieht wohl nirgends mehr von einem günstigen Plätzchen etwas heraus." - Sage Ich: "Hast auch recht! Da ist gerade noch ein freier, ziemlich umfangreicher Tisch. Diesen versorge! Und wir werden alle, die wir von der Erde hierher gekommen sind, an ihm Platz nehmen. Von diesem Tische aus übersehen wir auch ganz gut alle die Gäste und können auch von ihnen am besten gesehen und bemerkt werden."

12 Robert und sein Gehilfe richten sogleich den Tisch zurecht. Und Ich, die Monarchen und noch einige andere nebst Robert, dessen Gehilfe Peter Peter und die zwei Weiber, setzen uns dazu und essen und trinken von allem, was sich auf dem Tische befindet. - Nach dem Essen aber erheben sich alle die vielen Gäste und stimmen Mir ein großes Loblied an, das dem Robert überaus gut gefällt.

13 Nachdem das gar liebliche Loblied, das von zartesten Liebesworten überströmte, zu Ende ist, beginnt erst ein sogenanntes aber hier allerwahrstes Himmelskonzert von den Galerien herab zu ertönen. Den Anfang macht eine gar herrliche Kantate mit Begleitung vieler allerreinst gestimmter Harfen, deren Ton aber so rein und hellsanft klingt, daß sich auf der Erde wohl kein Toninstrument befindet, das da einen Ton in solch einer Reinheit hervorzubringen vermöchte. Das Ähnlichste wäre noch der Ton einer sehr wohl konstruierten Äolsharfe, so ein ganz reiner und gleichmäßiger Wind von mittlerer Stärke der reinen Saite harmonische Punkte zu ertönen nötiget.

14 Robert weiß sich vor lauter Wonne nicht zu helfen. - Die zwei Weiber weinen vor Rührung. - Und die Helena sagt ganz zerknirschten Gemütes: "O Gott, o Gott! Ist aber das doch eine ergreifendste Musik, daß man dabei ganz zerfließen könnte! Jeder Ton dringt so entzückend zum Herzen, als wie ein erster Kuß der feurigsten Liebe zwischen zwei sich über alles liebenden Seelen! - Robert, das klingt ein bißchen anders, als eine noch so schöne Oper in Kärntnertortheater und schon gar unendlich besser als auf der Erde eine türkische Musik!"

15 Sagt Robert lächelnd: "Jetzt geh" du Tschaperl! Wie kann man bei dieser unbeschreiblich herrlichsten Symphonie auch nur einer irdischen Musik, besonders einer türkischen, gedenken!" - Sagt die Helena: "Du hast wohl recht! Aber ich habe diesen Vergleich ja nur deshalb gemacht, weil so eine türkische Musik auf der Erde auch zu der allerletzten gehört; denn nach ihr kommen sogleich die Bettlerwerkeln (Drehorgeln). Meine Art und Weise ist schon also; wenn ich etwas Allerherrlichstes recht herausheben will, so setze ich diesem scherzhafterweise stets das allerletzte derselben Art entgegen. Und ich meine, daß so etwas nicht unrecht ist!" - Sagt Robert: "Ja, ja, hast schon auch recht! Aber jetzt sei schön stille, denn bei dieser Musik kann man nicht genug Herz und Ohr sein!"

16 Fragt Mich ganz leise der Kaiser Joseph: "O Herr und Vater! Von wem ist denn doch diese Kantate komponiert?" - Sage Ich: "Siehst du dort vorne auf einem Vorsprunge den Musikleiter nicht?" - Sagt Joseph: "O ja, lieber Vater, den sehe ich wohl; aber wie er heißt und wer er auf der Erde war, das weiß ich nicht und kann es sicherlich auch nicht wissen." - Sage Ich: "Das ist David, der einstige König in Israel! Dieser ist hier ein Hauptleiter der Musik und zugleich der auserlesenste Schöpfer solcher Tonwerke, die Mir wahrlich stets ein großes Vergnügen machen."

17 Sagt Joseph: "Ja, das will ich aber auch ein Tonwerk heißen! Es klingt in der großartigsten Gesamtheit wie eine allergrößte Gesangs- und Instrumentalsymphonie. Inmitten oder im Durchtönen der Einzelheiten aber vernimmt man alles, was nur immer im Gebiete der Töne gehört werden kann. Ein jeder einzelne große Ton der Gesamtheit klingt wie eine ganze, aber ganz leise durchgeführte Sonate. - Wenn ich auf der Erde je etwas (freilich nur im entferntesten Sinne) sich Annäherndes vernommen habe, so wäre es das harmonische Tönen der sogenannten Mundtrommeln mit den feinsten Silberzungen, die im Grunde auch nur einen bestimmten Hauptton besitzen, aber innerhalb dieses Haupttones entfalten sich gleich durchgleitenden Liebesgeistern in den zartesten Schwingungen alle möglichen Melodien und Modulationen, ohne dem eigentlichen Haupttone nur den allergeringsten Eintrag zu machen. Also kommt es mir auch hier vor. Die Haupttöne bieten harmonisch die Hauptkantate, aber ein jeder einzelne Hauptton ist belebt von den wunderherrlichsten Sonaten und Sonatinen.

18 Ich möchte aber nun noch etwas von Dir Selbst erfahren, und das ist: Wo etwa jene Musikmeister sich befinden und was sie machen, die vor und zu meiner Zeit auf der Erde wirklich das Herrlichste in der Musik geleistet haben, z.B. ein Händel, Bach, Gluck, Salieri, Mozart und beide Haydn und noch einige andere, deren Namen jedoch weniger bekannt sind?" - Sage Ich: "So du in den ersten und zweiten Himmel bei Gelegenheiten kommst, wo du ebenfalls die großartigsten Herrlichkeiten antreffen wirst, da wirst du jene Geister schon auch finden! Nun aber gib acht! Es kommt nun ein anderer Teil des Konzertes!"

292. Kapitel: Orgelkonzert mit Tonbildern. Geheimnisse des Ton- und Formenwesens. Grundgesetz aller Kräfte-Offenbarung: Kraft und Gegenkraft. (Am 7. Dez. 1850)

01 Joseph mit den anderen einstigen Kaisern und Robert, sein Gehilfe und die beiden Weiber passen nun gespannt auf, was da kommen werde.

02 Nach einer kurzen Weile ertönen gar mächtige Akkorde einer Orgel. Und wie da die Akkorde melodisch sich ineinander verschlingen, so werden im freien Raume die wunderherrlichsten Formen ersichtlich, ungefähr in der Art, wie man auf der Erde auf dem Wege der Kamera obskura Bilder schafft. Je nachdem dies optische Instrument so oder so gedreht wird, kommt auch nach und nach stets ein anderes Bild zum Vorscheine. Ein Unterschied bestünde darin, daß die Kamera obskura nur Abbilder von schon daseienden Gegenständen wiedergeben kann, während hier durch die Harmonie der Töne stets neue Formen geschaffen werden, insoweit in den Tönen stets neue Kombinationen zutage treten. Natürlich, wie es sich schon von selbst versteht, bringen wiederholte, schon dagewesene Tonkombinationen auch stets dieselben Formen wieder zum Vorscheine. Diese Tonbilder aber sind hier überaus hell und wechseln stets in den allerlebhaftesten Farben und ergreifend schönsten Formen miteinander ab. Dadurch wird nicht nur das Ohr und das Gemüt auf eine allerherrlichste und erbaulichste Weise entzückt, sondern auch das Auge und der mit demselben zusammenhängende Verstand der Seele, der gleichsam das Auge der Seele ist.

03 Es fragt Mich aber nun Robert und sagt: "Aber wie ist denn das? Bei der ersten Kantate haben wir keine solche Formen und Wunderherrlichen Bilder zu sehen bekommen; erst jetzt beim großen, harmonischen Tönen der Orgel kommen sie zum Vorscheine!" - Sage Ich: "Weil das in Meiner ewigen Ordnung schon also eingerichtet ist, daß da nichts ohne eine Vorwirkung, Nachwirkung und Gegenwirkung entstehen und zum Vorschein kommen kann. - Die Danksagungshymne von Seiten der Gäste, die da am großen Tische gespeist haben, war eine Vorwirkung. Die große Kantate von den Galerien war die Nachwirkung. Und das große Präludium auf der Orgel ist die Gegenwirkung - weil die Töne anderer Art sind und zugleich dieses Präludieren die Gegenthemata der früheren Danksagungshymne wie der nachfolgenden Kantate vorführt. Diese Gegensätze stoßen sich, und wo sie sich berühren, da werden sie auch sichtbar und machen ersichtlich, was sie sind und was sie sagen.

04 Siehe, auch auf der Erde hat die frilich sehr unvollkommene Musik beinahe eine ähnliche Wirkung". Die Zuhörer werden in ihrem Gemüte oft unwillkürlich in ganz fremde Regionen versetzt, und es kommt ihnen vor, als ob sie da oder dort wären. Das bewirken die Formen, die durch verschiedene Tonkombinationen in der Seele erzeugt werden und die Seele dann geistig in solche in ihr aufgetauchte Formen und daraus gebildete Regionen versetzen. Würde sich nun der Orgelspieler in ganz neuen Tonkonibinationen zu bewegen anfangen, denen keine entsprechende Vor- und Nachwirkung vorangegangen ist, so würden diese herrlichen Bilder auch alsbald aufhören, und ihr würdet dann bloß nur ganz herrliche Töne vernehmen, aber ohne daraus hervorgehende Formen.

05 Es entwickelt zwar ein jeder Ton eine bestimmte Form, aber diese wird erst dann sichtbar, so sie sich aus eine vorangehende Form gewisserart anlehnen kann. Es ist mit den Lichtbildern ungefähr derselbe Fall. Wenn sich ihnen kein Gegenstand in den Weg stellt, durch den sie aufgehalten werden, so fliehen sie unsichtbar und unaufhaltsam ins Unendliche hinaus. Mein Auge kann wohl alles schauen, aber nicht so das Auge eines geschaffenen Geistes, das selbst nicht sein könnte, so es an Mir nicht einen Stützpunkt hätte. Nur ein Erstes kann ein Erstes sehen; ein Zweites nur ein Zweites - und (das Zweite) ein Erstes nur dann, wenn das Erste die Gestalt eines Zweiten angenommen hat.

06 So könntet ihr Mich als ein rein göttliches Wesen nie sehen. Da Ich aber von Selbst ein Zweites, Geschöpfliches, angenommen habe, so könnet ihr Mich sehen, insoweit Ich nun Selbst ein Zweites, Geschöpfliches, angenommen habe und ein vollkommenes und bleibendes Zweites aus Mir Selbst geworden bin.

07 So wird es auch sein, so ihr in einen der zwei unteren Himmel kommen werdet. Solange ihr nicht das Element dieser Himmel annehmet, werdet ihr stets unsichtbar verbleiben, wogegen ihr aber dennoch alles sehen werdet, was sich dort vorfindet, da ihr als Bewohner dieses obersten Himmels auch gegenüber einem zweiten und gar dritten Himmel ein Erstes seid. - Saget Mir nun, ob ihr das alles wohl verstanden habt? - Das Konzert ist zu Ende, und so können wir uns nun schon wieder weiter miteinander besprechen über die Dinge Meiner Himmel."

08 Sagt Robert: "Herr und Vater! Daß es also ist und nicht anders sein kann, das sehen wir recht klar ein. Auch das Wie sehen wir ein, aber freilich so recht urgründlich noch lange nicht; denn mit den nötigen Gegensätzen oder Objekten, die zur Sichtbarmachung von irgend etwas Erstem erforderlich sind, will es sich wenigstens bei mir nicht so ganz zusammenreimen lassen. Ein Erstes muß doch notwendig etwas ganz Gediegenstes sein, ansonst aus ihm nie ein Zweites hervorgehen könnte. Nun fragt es sich, warum dies Erste aus dem von ihm ausgehenden Zweiten zu seiner eigenen Offenbarung ein Objekt bilden muß, um einem gegenüberstehenden Zweiten sichtbar zu werden?"

09 Sage Ich: "Das liegt als ewige Ordnung in einer jeden ersten, einfachsten Grundkraft. Jede Kraft ist unauflösbar in jeder Art ihres Grundseins. Weil aber jede Kraft unauflösbar ist, so ist es klar, daß sie fortbestehen muß in sich und aus sich heraus. Die Kraft ist sonach stets da, ob sie sich äußert oder nicht. Solange sich aber eine Kraft nicht äußert oder nicht äußern kann, besteht sie in sich selbst nur als eine stumme Kraft und ist so in ihrem Bestande (nach außen hin), als ob sie gar nicht da wäre. Soll die Kraft aber (nach außen) als bestehend auftreten, so muß ihr ein Gegensatz gestellt werden. Und dieser Gegensatz kann kein anderer als eine Gegenkraft sein, durch welche die erste in ihrem ruhigen Fortflusse gestört wird. Wo ein solcher störender Konflikt geschieht, da wird auch die eine wie die andere Kraft als daseiend ersichtlich. Die erste geht aber dabei unfehlbar in eine zweite über und die zweite umgekehrt in die erste. Und erst auf diese Weise werden die beiden Kräfte einander gegenseitig wahrnehmbar und somit auch in der Art und Weise ihrer Tätigkeit ersichtlich.

10 Einige kleine Bilder sollen euch diese wichtige Sache näher beleuchten! - Betrachtet das aus einer Sonne ausströmende Licht. Denket euch, die Sonne wäre wirklich da, wie sie ist in ihrem Sein und Bestehen; aber in der ganzen Unendlichkeit gäbe es kein der Sonne verwandtes Auge, das sich als eine sekundäre Kraft der Sonne gegenüberstellete und das aus der Sonne strömende Licht auffinge, durch das die Sonne im Auge ihresgleichen bildet und dadurch als Primitivkraft in eine sekundäre Kraft übergeht. Wäre da die Sonne nicht so gut als gar nicht? Hat sich aber ein Auge gebildet, in dem die Sonne sich gewisserart selbst wiederfindet, so tritt die Sonne als eine Primitivkraft dem Auge gegenüber in ein erscheinliches Dasein. Schließt sich das Auge und kann sich die Sonne in dem ihr verwandten Auge nicht finden, so ist fürs erste das Auge für die Sonne wie gar nicht da, und die Sonne selbst hat fürs Auge das erscheinliche Dasein verloren. Ich meine, Freund Robert, das sollte dir nun wohl recht einleuchtend sein.

11 Aber Ich will dir doch noch ein anderes Bild geben! - Stelle dir einen überaus starken Riesen vor! Setze ihn in einen leeren Raum, in dem sich kein Gegenstand vorfindet, an dem der Riese seine Kraft auf die Probe setzen könnte. Stelle ihm eine Fliege als Gegenkraft vor, doch also, daß er sie mit seinen Händen nicht erreichen kann. In diesem Falle wird die Fliege in einer ganz gleichen Kraft wie der Riese dastehen und wird den Riesen zu einem Zweikampfe herausfordern können, so sie einen Stützpunkt hat. Hat aber auch der Riese einen solchen Stützpunkt, so werden auch ihm Millionen Fliegen nichts anhaben können. Und so muß jede Kraft erst eine Gegenkraft finden, sonst kann sie sich nicht äußern und in die Erscheinlichkeit treten. Eine Kraft muß sich an der andern versuchen, sonst ist sie wie gar nicht da.

12 Wenn auf der Erde in einem fort nur ein Wind ginge, so käme es ewig zu keinem Regen. Kommt aber diesem einen Winde ein anderer entgegen, da werden dadurch sogleich Verdichtungen in der Luft entstehen und werden als Nebelchen und am Ende als regenschwere Wolken ersichtlich. Die Wolken aber sehen den Wind an und für sich nicht, solange der Wind pur Wind bleibt. Hat aber einmal der Wind aus sich die Wolken geschaffen und hat sich mit ihnen bekleidet, da sehen dann freilich auch die Wolken den Wind und zeigen durch ihre Bewegung seinen Zug an. - Ich meine nun, Freunde und Brüder, diese Sache sollte euch nun wohl schon sehr klar geworden sein."

13 Sagt Robert: "Ja, Herr und Vater, nun sind wir darüber ganz vollkommen im reinen, aber es hat dazu etwas gebraucht! - Nun aber verlassen die Gäste wieder diesen Saal! Wohin werden sie sich nun begeben und was werden sie tun?"

14 Sage Ich: "Sie gehen dankbarst und höchst selig in ihre Wohngemächer zurück. Dort aber werden sie auf den Tafeln schon finden, was sie zu tun haben werden. - Mit der Weile wirst du und ihr alle das schon viel genauer kennenlernen. - Gehen wir aber nun ein wenig hinab in die Gemächer zu ebener Erde! Dort werde Ich euch die Türen zeigen, durch die ein jeder Geist auf dem kürzesten Wege in alle naturmäßigen Welten gelangen kann. Dort in der abendlichen Ecke dieses Saales befindet sich eine sehr gut gebaute Wendeltreppe. Begeben wir uns also nach dorthin! Wir werden auf ihr sehr leicht in die ebenerdigen Gemächer gelangen, in die von außen her kein Eingang führt. Und so begeben wir uns denn nun ganz wohlgemut hinab! - Es sei!"

293. Kapitel: Roberts Mahnruf an die Kinder der Erde. Unterschied zwischen irdischem und himmlischem Leben. Gleichnis von den abgefallenen Baumfrüchten und vom Töpfer. Der ewige Tod.

01 Sagt Robert und die anderen alle mit ihm: "O Du lieber, heiliger Vater. Du! Ach, es ist gar nicht auszusprechen, wie unendlich selig wir sind! Du Selbst und gleichfort Du Selbst führest uns und zeigst mit Deiner höchsteigenen Hand die endlosen Wunderwerke Deiner allmächtigen Liebe und erklärst uns aus Deinem allerheiligsten Munde Deine Werke so natürlich und wohlverständlich, daß wir uns schon am Ende über uns selbst zu verwundern anfangen und sagen müssen, wie es denn doch möglich sein kann, solche Dinge zu begreifen, die für viele Millionen noch ganze Ewigkeiten ein unauflösbares Rätsel verbleiben werden.

02 O der unbegreiflichen Dummheit der Menschen auf Erden! Das Gold der Himmel, das Gold des Lebens achten sie nicht und treten es mit den Füßen! Dafür aber führen sie Kriege um den Kot der Straßen, und um des Unflates wegen zerfleischen sie sich. - Hierher, hierher ihr armen Sünder und ihr stockblinden Teufel alle! Da lernet Demut und Herablassung von Dem, dessen Mundes leisester Hauch euch in einem allerkürzesten Augenblicke samt eurer sündigen Unterlage, Erde genannt, auf ewig ins reinste Nichts und Nimmersein verwehen kann.

03 Aber ihr saget: »Was sollen wir?! So wir auch bitten und beten, da wird es mit uns dennoch nicht anders! Wir sehen nichts und wir vernehmen nichts. Unser Flehen wird von der Luft verzehrt und wir starren dann nachher so wie ehedem in die weite und tiefe Unendlichkeit fruchtlos hinein und staunen trost- und weisheitslos die unerforschlichen Werke Gottes also an, wie die Kälber ein neues Stalltor! Wir sorgen uns daher nun bloß nur darum, was unserem Leibe nottut, und zwar zunächst unserem höchsteigenen. Um alles andere kümmere sich, wer da will. Der Mensch muß etwas zu essen und zu trinken haben und einen Rock und eine Wohnung, das ist nötig. Alles andere steht im tiefen Hintergrunde und ist daher entbehrlich.«

04 Jawohl, entbehrlich für euch Erdwürmer, die ihr alle gleichet dem reichen Jünglinge im Evangelium. Dieser betete auch und bat den Herrn um die Erteilung des Gottesreiches. Als aber der Herr zu ihm sprach: »Trenne dich von deinen Erdengütern, überlasse sie den dürftigen Kindern der Welt und du folge Mir!«, da brach dem jungen Menschen das Herz und er kehrte sofort zu seinen süßen Erdengütern zurück, ließ Gott den Herrn ziehen und kümmerte sich nimmer um Ihn, sondern nur um seine Erdengüter, und ward hernach härter als früher - was der Herr gar deutlich dadurch zu verstehen gab, daß Er bemerkte, wie schwierig es für einen Erdengüter-Liebhaber sei, ins Reich Gottes einzugehen.

05 Hierher, hierher also, ihr Geister der Erde! Hierher in eurem Herzen! Da werdet ihr Schätze und Reichtümer finden in solch endloser Fülle, daß sie keine Ewigkeit je verzehren wird. Hierher, hierher, ihr Ehrsüchtigen alle, in der rechten Demut eurer Herzen! Da ist eine rechte und ewig dauernde und stets zunehmende Ehre aller Ehren der Erde zu Hause. - Was sind all eure Kronen, Throne und Zepter gegen ein freundlich Wort Dessen, der das Nichts zu einem unendlichen Raume ausgespannt und durch Seine Macht und Weisheit diesen Raum erfüllt hat mit Wunderwerken ohne Zahl und Maß!

06 O bedenket den unendlichen Unterschied zwischen unserem vollendeten, ewigen Leben in der beständigen Gesellschaft des allmächtigen Vaters und Schöpfers aller Himmel und Welten und alles dessen, was sie tragen - und eurem vergänglichen Leben, das vom Morgen bis zum Abend dauert. Wie könnet ihr hängen an einem Leben, das da eher den Namen Tod als Leben verdient?! Das irdische Leben ist ja nur ein fortwährendes Sterben schon von der Wiege an. Dies wahre, himmlische Leben aber ist ein stetes Lebendigerwerden in Gott, dem heiligen Vater. Und dies wahre Leben ist euch gar so nahe. Ihr könntet es in jedem Augenblicke ergreifen für ewig. Aber ihr seid blind! Eure Erdengüterliebe verblendet die heilige Sehe eures Herzens! Darum wähnet ihr das Reich des ewigen Lebens ferne von euch, während es euch doch sozusagen auf der Nase sitzt. Wir sind euch gar so nahe und ihr wähnet uns fern von euch! O wie blind seid ihr doch!

07 Des Herrn Knechte auf Erden kennen uns, sehen uns und unterreden sich mit uns, wann sie wollen. Und ihre Füße sind dem Erdboden ebenso nahe wie die eurigen. Aber sie haben die Sehe und das Ohr ihres Herzens offen, weil sie nicht geblendet sind von der Last des reichen Jünglings im Evangelium. Ihr andern aber seid reiche Erdenbürger, und so euch der Herr beruft, da kommen euch Tränen in die Augen, mit denen ihr die öde Welt gar so gern beschauet. - O diese Welt sehen auch wir und noch viel mehr Welten hinzu. Der Herr schenkt uns tausend solcher Welten, so wir sie nur annähmen. Aber wer wird nach einem gemalten Stücke Goldes greifen, so er einen tausendmal größeren, ganz gediegenen Goldklumpen vor sich zum ewigen Eigentume hat?!

08 Steiget mit uns an der Hand des allmächtigen Vaters hinab in die heiligste Tiefe und schauet mit den Augen des Herzens den kühnsten Brückenbau von einer Welt zur andern, von einem Himmel zum andern und von einem Herzen zum andern! Und ihr werdet, obschon noch in sterbliches Fleisch eingehüllt, mit uns Wonne und Seligkeit fühlen und durch sie eure Seele beleben. - O Herr, warum dürfen denn wir gar so selig sein, und Millionen Brüder sind blind und taub?!"

09 Sage Ich: "Freund und Bruder! Jedes wahre Leben hat das in sich, daß es unmöglich anders als nur überaus selig sein kann und muß. Ein Leben aber, das noch der Tod wie ein Bräutigam seine Braut unter dem Arme führt (aber freilich nicht ins heimliche, reizende Brautgemach, sondern wie ein Scherge einen armen Sünder zum Hochgerichte) - kann nur als völlig geblendet noch irgendeine Lust empfinden. Würdest du es aber entblenden, so würde es zurückschaudern, so es ersähe, wohin es sein Begleiter führt. Darum ist es einesteils besser, daß die Menschen der Erde blind und taub sind; denn so mögen sie doch das spannenlange, von Tod zu Tod gleitende Leben mit einiger Scheinruhe genießen.

10 Ich sage euch allen: Für viele Millionen folget ihrem Scheinleben ewig kein weiteres Leben mehr. Denn so gut es ein ewiges Leben gibt, ebensogut gibt es auch einen ewigen Tod. Es gibt ja Bäume auf der Erde, auf denen gar süße und herrliche Früchte in kurzer Zeit reif werden und keine Blüte auf den Zweigen vergeblich geblüht hat. Aber es gibt auch Bäume, die zwar reichlich blühen und sehr viele Früchte ansetzen. Wenn jedoch solche Bäume saftarm sind und ihre unschmackhaften Früchte lange auf ihren Zweigen behalten müssen, bis sie die erwünschte Reife erhalten, so fallen erstens wegen Mangel an Nahrung und zweitens wegen der zu langen Reifungsfrist sicher drei Vierteile vom Baume, bevor sie die Reife erlangen können. Und Ich sage euch: Für die Wiederbelebung solcher unreif herabgefallener Früchte ist sehr wenig heilsames Kraut gewachsen. Wenn ein Teil solcher Früchte etwa kurz vor der Vollreifezeit vom Baume fällt, so kann man sie sammeln und abliegen lassen, und sie werden dadurch wenigstens eine Notreife erlangen, die doch noch immer besser ist als gar keine. Aber Früchte, die bald nach der Blüte wegen Mangel an Nahrung von den Zweigen gefallen sind, für die gibt es kein Heilmittel mehr.

11 Ich will hiemit aber nicht sagen, daß Kinder, die bald nach der leiblichen Geburt dem Leibe nach sterben, nicht das ewige Leben erlangen können; denn mit der irdischen Geburt und Reife hat dies Mein Gleichnis nichts zu tun, sondern hier handelt es sich um solche Seelen, die auf der Erde in Meinem Gnadenlichte schon überaus schön geblüht und im Anfange gierig den Saft des Lebens aus Meiner Gnade eingesogen haben; als aber dann die notwendige Zeit der Probung kam, da verschlossen sie hart ihren Mund und ihre sonstigen Nährorgane und wollten nimmer das freilich herb schmeckende Salz des Lebens einsaugen. Die Folge davon aber war alsbald die volle Abtrennung von den sie nährenden Zweigen und der für jede Wiederbelebung unfähige Tod. - Lassen wir daher solche Früchte taub und blind ihr kurzes Leben genießen, es dauert noch immer lange genug für ihre volle Nichtigkeit!"

12 Sagt Robert: "Aber so wahr die Sache immer ist und sein wird, so kommt sie mir dennoch ungefähr also vor, wie ein Gesetz bei den Chinesen und Japanesen, vermöge dessen kein Elternpaar mehr als sechs, höchstens sieben Kinder aufziehen darf. Alle über diese gesetzliche Zahl Geborenen müssen ersäuft oder auf eine sonstige Art ums Leben gebracht werden."

13 Sage Ich: "Mein Freund, das verstehst du noch nicht! Siehe, so ein Töpfer einen Topf auf seiner Scheibe formt aus Lehm, der Topf aber, der schon über die Hälfte geformt war, mißrät ihm, ob eines wie zufälligen Umstandes wegen - was tut da der Töpfer? Sieh, er schlägt den halbfertigen Topf zusammen, nimmt den Lehm von der Scheibe, vermengt ihn mit einem andern frischen Lehme, gibt ihn dann wieder auf die Scheibe und fängt ein anderes, minder heikles Gefäß daraus zu formen an, das ihm auch wohl gelingt. Und so geht zwar wohl der Stoff nicht und unmöglich je verloren; aber die eigentümliche Individualität des zuerst begonnenen Werkes ist für ewig vollkommen dahin und tot. Kurz, das erste Ich ist völlig dahin, und das ist im eigentlichsten Sinne der ewige Tod, den keine Liebe und keine Erinnerung ans Ursein wiederbeleben kann. Wo aber dies nimmer geschehen kann, da kann auch ewig an keine vollkommene endliche Vollendung mehr gedacht werden. An der Beibehaltung der Urindividualität aber liegt gar unaussprechlich viel, denn ohne sie kann die Kindschaft Gottes nie erreicht werden. Denn eine Zweitzeugung wird ewig keine Erstzeugung mehr. Verstehest du das?"

294. Kapitel: Näheres über den ewigen Tod, seinen Grund und sein Wesen. Schicksal der Seelen in der dritten Hölle. Über Gerichtsandrohungen und Langmut Jesu. Herrlichster Ausblick in die gegenwärtige und zukünftige Schöpfung. (Am 11. Dez. 1850)

01 Sagt Robert und auch alle anderen, schon knapp an der Wendeltreppe stehend: "O Herr, Du bester, liebevollster, weisester Vater! Es fehlt uns an Worten und Begriffen, Dir für solch eine Aufklärung nach Recht und bester Gebühr zu danken. Man kann sich also im derartigen ,ewigen Tode' als lebend und glücklich sogar in irgendeinem Himmel befinden. Nur ist dabei das eigentliche Ur-Ich nicht mehr vorhanden. - O das ist ja dennoch Gnade über Gnade von Dir! - Wir verstanden unter dem Ausdrucke ,ewiger Tod' festweg die Hölle, aus der ewig kein Ausweg mehr führt. Und, so es schon einen gibt nach dem Maße, wie da bei Dir am Ende doch alle Dinge möglich sind, so, dachten wir, kann dieser unmöglich anders als nur ein höchst beschwerlicher sein. - Nun aber bekommt die Sache auf der Stelle ein ganz anderes Gesicht, und zwar gerade ein solches, wie man es von Dir schon lange hätte erwarten sollen. - O Dank über Dank Dir und Liebe für diese herrliche Belehrung!"

02 Sage Ich: "Es macht mir eine ganz besondere Freude, daß ihr das alles so wohl aufnehmet. Aber die Gnade bei der Gabe des ewigen Todes an ein verunglücktes Wesen der Welt ist nicht gar so groß, wie ihr es meinet. Denn es wäre für manchen die Hölle auf zehnmalhunderttausend Erdjahre mit beibehaltener Erstzeugung besser als der eigentliche ewige Tod. Ist aber mit der Hölle dritten Grades auch die Erstzeugung für ewig im Verluste, dann ist sie freilich noch schlimmer als der pure ewige Tod für sich allein.

03 Soviel Ich aber merke, so begreifet ihr nun wohl, was so ganz eigentlich der ewige Tod an und für sich ist und sein muß; aber das eigentliche Übel dieses Zustandes sehet ihr noch nicht ein. Und so muß Ich euch hier beim Hinabsteigen über diese Wendeltreppe noch einiges hinzufügen. Und so höret!

04 Wer als das, was er uranfänglich war, wegen Verkehrtheit seiner Liebe in einem ersten oder zweiten Grade der Hölle sich befindet, der kann nach vielen allerbittersten Erfahrungen wieder das werden, was er uranfänglich war. Sein Bewußtsein wird ihm belassen und seine Erinnerung bleibt ihm, und er kann zur Vollendung gelangen.

05 Aber so der Mensch durch die Mir allerunerträglichste Lauheit weder kalt noch warm ist, sich um nichts kümmert, weder um etwas Gutes noch um etwas Böses, oder es ist ihm das eine wie das andere, so daß er auf der einen Seite ganz kaltblütig die größten Greuel und so auch manchmal etwas Gutes ausüben kann - dem also gleich ist Gott oder Teufel, Tag oder Nacht, Leben oder Tod, Wahrheit oder Lüge -, der ist dem eigentlichen ewigen Tode verfallen und befindet sich so ganz eigentlich in der alleruntersten Hölle, aus der in ein und derselben Urwesenheit kein Herauskommen mehr denkbar ist.

06 Der Grund solch eines Zustandes ist der allerkonzentrierteste Hochmut, der alle Grade der Selbstsucht und Eigenliebe durchgemacht hat und sich in solch hochgradiger Verdichtung gewisserart selbst erdrückt und so um das Urleben des Geistes gebracht hat. Und eben darin besteht der eigentliche ewige Tod, welcher das Schlimmste alles Schlimmen ist, weil da das eigentliche Sein ein völliges Ende nimmt.

07 Solch eine Seele ist dann gänzlich verdorben. Ihre erste Gesamtheit muß durch des Feuers Gewalt in ihre einzelnen Spezifikalpotenzen (Urlebensfunken) aufgelöst und darauf, mit ganz neuen gemengt, auf langen Wegen durch die Pflanzen- und Tierwelt eines andern Planeten in einem ganz fremden Sonnengebiete in eine höchst untergeordnete Form eines Menschen übertragen werden. Auf diese Weise bleibt dann von der Urwesenheit solch einer Seele ganz verzweifelt wenig mehr übrig. Und das ist das eigentliche Schlimmste, denn solch eine Seele kann dann auch unmöglich mehr je zu Meiner Anschauung gelangen, weil sie dann bloß nur Seele ohne Meinen Geist in ihr ist und bleibt.

08 Kurz, die Sache ist ungefähr also, wie da auch ein unreifer, fauler Apfl in einen Schimmel und Schwamm übergehen kann. Aber aus dem Schimmel und Schwamme kann kein Apfel mehr werden, höchstens im besten Falle eine Schmarotzerpflanze. Und diese hat wohl wenig Ähnlichkeit mehr mit dem Urbaume und mit der Urfrucht. - Saget Mir, ob ihr das wohl vollkommen verstanden habt?"

09 Sagen alle wie ein Mann: "Herr und Vater! Jetzt ist uns alles ganz vollkommen klar! Es ist zwar über den Zustand solch einer selbstischen Verlorenheit für ewig nicht viel Erfreuliches zu erwähnen; aber dessenungeachtet sieht denn doch immer Deine große Liebe und Erbarmung heraus, und bei Dir sind ja alle Dinge möglich. Es kann nach freilich undenkbar langen Zeiträumen denn doch auch für diese Wesen ein Stündchen kommen, in dem sie sich und Dich mehr und mehr urzuständlich zu erkennen und zu lieben anfangen und von da fortschreiten in der Erkenntnis wie in der Liebe.

10 Wie oft hast Du durch den Mund Deiner Propheten und Knechte den Kindern der Welt alle erdenklichen Gerichte und schlimmen Folgen ihrer bösen Handlungen prophezeien lassen. So sich aber dann nur einige wenige Besseren an Dich in ihrem Herzen wandten, da zogst Du sogleich wieder Deine scharfe Zuchtrute zurück, segnetest den Erdkreis für die Guten und Bösen in gleicher Weise und schlugst dann für die Besserung der Bösen einen ganz anderen Weg ein, als den Du durch Deine Propheten und Knechte der Welt hattest anzeigen lassen. Jonas und Jeremias geben Dir dafür das untrüglichste Zeugnis. In allen guten Verheißungen hast Du noch allezeit das Wort gehalten; aber in den Androhungen von Strafen nur dann, so die Menschen Dich gänzlich aus den Augen gelassen haben - wie es z.B. noch heutzutage auf der Erde mit den Juden der Fall ist. Denn diese können sich trotz ihrer großen Reichtümer kein Königreich mehr verschaffen und kein freies, unabhängiges Volk werden. Niemand führt sie mehr aus Ägypten und niemand macht sie mehr frei von der babylonischen Gefangenschaft."

11 Sage Ich: "Ja, ja, ihr habt vollkommen recht! Also ist es auch! Daß Ich angedrohte Strafen und Gerichte oft nicht erfolgen lasse, davon liegt der Grund hauptsächlich darin, weil Ich es wohl weiß, daß wirklich erfolgte Strafen die Menschheit selten bessern, sondern meistens nur verschlimmern. Und so lasse Ich denn, so sich nur einige wenige Gerechtere gläubig an Mich wenden, die Drohungen recht gerne in Segnungen umwandeln. Deshalb aber lasse Ich die Strafen und Gerichte auch allezeit nur bedingungsweise ankündigen und androhen. Finden sie Ohren, die sie hören, und Herzen, welche die Bedingungen nur einigermaßen erfüllen, so tut es sich dann schon wieder. Und Ich segne für wenige Gute auch viele Schlechte mit, damit sie nicht Gelegenheit bekommen sollen, noch schlechter zu werden, wie das gewöhnlich bei Kriegen der Fall ist. Denn Kriege sind stets die beste Nahrung für den unersättlichen Wuchergeist gefühlloser Kaufleute und die beste Schule der Grausamkeit und des teuflischen Hochmutes.

12 Es ist freilich leider oft der Fall, daß die sanfte Mahnstimme Meiner Engel an den starren Ohren der Weltmenschen ungehört vorübergleitet und Ich dann genötigt bin, die Stimme der Teufel unter die tauben Menschen fahren zu lassen. Findet aber die sanfte Mahnstimme aus den Himmeln nur irgendein kleines Gehör, so lasse Ich gerne die Stimme der Teufel verstummen. Denn ein Vater bleibt ja doch stets der sanfteste Richter seiner leider oft nur zu strafwürdigen Kinder und schlägt nicht sogleich drein, wenn er auch schon die Zuchtrute drohend erhebt. Die Richter auf der Erde richten freilich wohl unerbittlich und ihr einmaliger Ausspruch muß vollführt werden. Aber nicht also darf es bei uns sein! Es ist besser, zehn, auch zwanzig Jahre drohen und durch die Finger sehen, als ein Jahr lang strafen! Denn die Pflanzen auf unserer Erde sind von der zartesten Art und müssen mit großer Schonung behandelt und gepflegt werden. Die Geburtsstätte der Kinder Meines Herzens ist eine andere als die Meiner anderen Wesensteile! Ihr müsset euch das stets vor Augen halten, daß die kleine Erde die Geburtsstätte der Kinder Meines Herzens ist!

13 Aber nun sind wir auch vollends auf dem Boden des ebenerdigen Gemaches und wollen da sogleich die nötigsten Beobachtungen machen! Besehet die vier großen Wände! An jeder Wand ersehet ihr drei Türen. Durch diese Türen könnet ihr zu all den Welten und Himmeln und deren Vereinen gelangen, die unter uns und über uns in der ganzen Unendlichkeit sich befinden; nur zu diesem höchsten und innersten Himmel nicht, in dem ihr nun seid. - Kommet nun gen Norden; da wollen wir in aller Kürze den Anfang machen."

295. Kapitel: Blick durch die drei Türen der Nordwand. Endlose Weiten des Schöpfungsraumes. Blick in den Mittelgürtel der Sonne und in den Mond. Jesus erklärt das Walten Seiner Engelsdiener in den Schöpfungsgebieten. (Am 14. Dez. 1850)

01 Rede Ich weiter: "Robert, öffne sogleich die erste Türe und wir wollen dann einen Blick hinaustun und sehen, was da alles den Strahlen unserer Augen begegnen wird."

02 Robert öffnet nun die erste der drei Türen und fährt vor großer Verwunderung wie von einem förmlichen Schwindel ergriffen zurück. Nach einer kurzen Weile sagt er: "O Herr! O Freunde! Das ist wahrlich zu viel auf einmal für das Auge eines geschaffenen Geistes! Ich ersehe den Mond der Erde, wie er leibt und lebt, am hohen Firmamente. Er ist im Vollichte und sieht ungemein lieblich aus. Gar zarte Silberwölkchen umschweben ihn. Und im tiefen Hintergrunde erblicke ich noch eine Menge sehr hell leuchtender Sterne. Die Plejaden (Sternbilder) den Orion (Sternbilder) und den großen Hund (Sternbilder) erkannte ich sogleich. Auch die Milchstraße war ganz hell ersichtlich; aber nicht als ein Schimmerdunst, sondern wie ein breites Band voll der herrlichsten Sternbilder. - O Freunde! Von hier aus so etwas zu erschauen, gewährt eine unbeschreibliche Lust im Hinblicke auf Dich, o Herr, der Du die Unendlichkeit also herrlich erfüllt hast mit so glänzenden Werken Deiner Liebe, Weisheit und Macht!

03 "Der große, unendliche Raum aber zwischen den Weltkörpern ist nicht unausgefüllt; denn ich erblickte da Geister in großer Schnelligkeit hin und her schweben, von denen einige mir sehr nahe kamen und mich gar herzlichst begrüßten. Ah, da sieht es wirklich im höchsten Grade tätig aus! Und das ist eben meine große Lust, Tätigkeit zu sehen und selbst nach Kräften solche zu üben."

04 Alle drängen sich nun zur Türe und durch sie auf einen großen Balkon, der vor jeder Türe sich befindet. Von diesem Balkone beschauen sie mit großer Lust den ganzen gestirnten Himmel und besprechen sich mit den Geistern, die im freien Raume umherschweben und dem Balkone nahe kommen, was sie allezeit um so lieber tun, so sie Mich auf dem Balkone gewahren.

05 Robert fragt Mich, ob er, so er über das Geländer hinausfliege, auch so frei umherschweben könnte. Sage Ich: "Versuche es, vielleicht geht es!"

06 Robert besieht sich die Tiefe unter ihm, weicht schnell vom Geländer zurück und sagt: "Herr, das werde ich wohl bleiben lassen! Denn unter uns ist eine große Tiefe! Wie kommt denn das? - Wir sind doch zu ebener Erde durch die erste Türe gen Norden heraus auf den Balkon getreten und sollten nun meinen, daß wir uns denn auch auf dem Balkone zu ebener Erde befinden; aber bei dieser unendlichen Tiefe unter uns, die zahllose Fixsternweiten ausmacht, wird von einer ebenen Erde ja doch unmöglich eine Rede sein können. Aus welch einem Grunde steht denn hernach dies mein Haus, o Herr und Vater, erbaut? Denn unter dem Balkone hört die Wand auf und man ersieht nichts als die endlos weite Schöpfungstiefe, die hie und da durch hin und her schwebende Geister und in unbestimmbarer Ferne durch zahllose Sterne und durch den lieben Mond belebt wird. O Herr und Vater! Da kenne ich mich schon wieder nicht im allergeringsten aus! Das sieht denn doch etwas zu fabelhaft wunderlich aus!

07 Ja, da gäbe es schon wieder Tausende von Fragen aller Art! - Zum Beispiel: Wir sind denn doch, als wir von der Erde hier in dieser Stadt ankamen, ebenerdig in Dein heiliges Haus getreten und haben da von keinem solchen Balkone etwas bemerkt. Nun sind wir im selben Hause zu ebener Erde, und siehe da, das Zimmer, sicher so groß und herrlich wie der Saal über uns, hat zwölf Türen, durch die man auf die Aussichtsbalkone gelangt, von denen zuvor aber auch nicht die leiseste Spur zu entdecken war! Und man entdeckt da nun ferner, daß dieses Haus, anstatt auf irgendeinem Grunde zu stehen, gleich einem Weltkörper frei im Äther umherschwebt - während man dabei von einer weiteren Stadt, die doch eine endlose Ausdehnung hat, nicht ein Häuschen mehr erblicken kann! Auch gingen in gleicher Linie drei ganz gleiche Tore an einer und derselben Wand in dieses sehr rätselhafte Freie hinaus - und siehe da, ich sehe sie nicht mehr. - Herr und Vater! Das ist wahrlich etwas stark! Wer das so recht aus dem Grunde begreift, der muß, wie man sagt, ein Kind guter Eltern sein!

08 Nein, nein, Himmel hin, Himmel her! Aber das geht einmal in meinen Sinn nicht ein! Ja, ich sehe da nicht einmal die Möglichkeit ein, das je begreifen zu können. Ist das bloß eine geistige Art Phantasmagorie (Phantasiegebilde) oder eine Art geistigen Dioramas (Schaubild)? Oder ist das eine sonstige Art geistig-optischer Täuschung? Denn sonst ist mir die Sache unerklärlich! Wirklichkeit kann das ja unmöglich sein! Entweder ist der Himmel wahr, und das (Geschaute) muß dann bloß nur eine Illusion sein - oder das (Geschaute) ist wahr und der Himmel eine Illusion. O Herr und Vater! Da bitte ich Dich wohl im Namen aller um eine schnelle Aufklärung, sonst verzehrt mich die Ungeduld.

09 Es sind mir beim Eintritte in die Geisterwelt wohl auch oft gar sonderbare Erscheinungen aufgestoßen, und zwar hauptsächlich in meinem ersten Hause. Aber ich konnte sie nach und nach fassen, weil sie mit meinem Innersten eigentümlich korrespondierend (in entsprechendem Zusammenhang) in die Erscheinlichkeit traten. Aber hier (in den Erscheinungen dieser Himmel) bin ich ja eigentlich mein Allerinnerstes selbst, hinter dem sich Sicher nichts noch Innerlicheres mehr bergen kann. - Woher dann diese so seltsame Erscheinung!?"

10 Sage Ich: "Nur Geduld, mein lieber Freund! Mit der Weile wird dir schon all dieses klar werden, obschon du hernach ewigfort noch gar endlos vieles ebensowenig begreifen wirst wie dieses Leichte nun. Nun aber treten wir wieder ins Gemach und tun da einen Blick durch die zweite Türe!"

11 Alle treten nun schnell zurück, und Kaiser Rudolf fragt Mich im Gemache, sagend: "Herr und Vater! Was da die von Bruder Robert angeführten Unwißtümlichkeiten betrifft, so haben sie mich im Grunde gar nicht bekümmert. Denn ich dachte bei mir: Unbegreiflich ist es freilich wohl, und die Bestandverhältnisse kontrastieren hier auf eine wunderbarste Weise und dürften für geschaffene Geister wohl noch so ziemlich lange unbegreiflich bleiben. Darüber halte ich mich im Grunde aber nicht auf; denn solange ich den Vollgrund einer Sache oder einer Erscheinung nicht einsehe, bleibt sie für mich im stets gleich hohen Interesse. Sehe ich aber endlich einmal so etwas ein, dann ist das Hauptinteresse auch schon dahin; denn nur das unbegreiflich Wunderbare nimmt stets alle unsere Aufmerksamkeit in den vollsten Anspruch. Das verstandene Natürliche aber wird ganz gleichgültig; denn da wir es verstehen, wie es ist und geschieht, so denken wir dann entweder gar nicht oder nur sehr wenig mehr darüber nach, und das stört das Vergnügen samt der durch dasselbe bedingten Seligkeit. Nur das Unbegreifliche ist und bleibt stets interessant; das einmal vom Grunde aus Wohlbegriffene aber, wenigstens für mich, nimmer. Ich habe daher auf der Erde auch nie hinter so manche Geheimnisse der Künstler, die an meinem Hofe lebten, dringen wollen. Denn hätte ich, so wie sie, ihre Geschichten und Sachen verstanden und eingesehen, so hätten sie für mich auch alsbald alles Interessante verloren und solch ein Künstler wäre dann von mir auch bald verabschiedet worden.

12 Also mich juckt es nicht so wie den Bruder Robert, die Gründe von all diesen Wundern einzusehen. Nur etwas möchte ich wissen, und das ist, wer etwa doch jene Geister sind, die vor uns im freien Äther gespielt haben. Daß sie in ihrer Art auch sehr glücklich sein müssen, habe ich aus der großen Freundlichkeit ihrer Gesichter wahrgenommen; aber wer sie eigentlich sind und was ihre Bestimmung ist, das kann Dir, o Herr und Vater, ganz allein nur bekannt sein. Wenn es Dir genehm wäre, so möchte ich darüber wohl einen kleinen Aufschluß haben."

13 Sage Ich: "Das sind im Geschäfte stehende Engel dieses obersten Himmels. So ihr dazu mit der erforderlichen Weisheit werdet ausgerüstet sein, dann werdet auch ihr von Zeit zu Zeit in ihr Geschäft treten. Sie stehen für die Erhaltung aller Welten und sind deren oberste Leiter und Führer. Siehe, solch ein munterer Engel ist nicht selten ein Herr und Regent eines ganzen Sonnengebietes. Um aber solch eine Regentschaft antreten zu können, muß er vorher freilich sehr vieles kennenlernen und muß viele Schulen durchmachen. Unser Cado, ein sehr begabter Geist, hat bereits auf der Erde zu dienen und zu regieren angefangen. Er macht seine Sache gut und versteht die verschiedenen Geister in vollem Respekte zu erhalten; deshalb bekommt er aber auch einen stets größeren Wirkungskreis.

14 Im Anfange wird jedem nur ein kleiner Kreis zugewiesen. Ist er in diesem treu und vollauf tätig, so wird er dann bald über Größeres gesetzt werden. Dem Cado war anfangs nur ein kleiner Kreis aus kaum zwei ganz kleinen Ländern, die du kennst, zur Leitung und Überwachung anvertraut, und siehe, nun streckt er sein Zepter schon über mehr als halb Europa aus und wird, wenn er so fortfährt, bald die ganze Erde unter der Macht seines Willens haben. Hat er bei der Erde bewiesen, daß er mit der ihm verliehenen Macht umzugehen versteht, so wird er dann die Sonne zur Leitung bekommen; endlich mit ihr das ganze Planetentum und so fort, bis er ein Herr eines ganzen Sonnengebietes ist. - Verstehst du nun, wer die Geister, die draußen vor uns vorüberschwebten, so ganz eigentlich sind?"

15 Spricht Kaiser Rudolf: "Ja, Herr und Vater! Ich verstehe es nun. Aber ich halte für mich von dieser Würde eben nicht gar viel; denn solch ein Engel hat ja dann aber auch nie eine Weile, hierher zu kommen, um allda von seinen großen Anstrengungen ein wenig auszuruhen." - Sage Ich: "Ah, da sorge du dich um etwas anderes! Ein jeder solcher Engel hat Millionen unter sich, die da seinen Willen vollbringen, und er kann, so oft er will, hierher kommen und von Mir Selbst fernere Verhaltungsmaßregeln und dazu die nötigen Stärkungen einnehmen. - Beim ehedem abgehaltenen großen Mahle hast du viele gesehen, die nun schon wieder an den Orten ihrer Tätigkeit sich befinden.

16 Aber nun einen Blick durch diese zweite Türe! Sie ist schon offen, und so treten wir denn hinaus! - Da stehen wir schon auf dem zweiten Balkone! Was sehet ihr hier?"

17 Alle staunen über die Maßen, denn sie sehen hier das wunderherrliche Land des Mittelgürtels der Sonne und können sich nicht genug verwundern über dessen Herrlichkeit. Sie sehen auch Menschen, aber für jetzt noch in einer solch weiten Ferne, daß sie deren Formen nicht wohl wahrnehmen können; denn für diese wären sie im ganzen noch zu wenig festen Herzens.

18 Es tritt nun aber auch der Robert wieder zu Mir und sagt: "O mein lieber, heiligster Vater! Der Bruder Rudolf hat im Grunde wahrlich nicht unrecht! Auch ich sehe nun ein, daß bei solchen Erscheinungen alles Fragen vollkommen eitel ist und sein muß. - Hier gibt es ja nun des Wunderbaren noch um vieles mehr als bei der früheren Türe! Mit den Fragen würde man da wohl in alle Ewigkeit nicht fertig; deshalb ist es wahrlich besser, diese Sache der Himmel seligst und ruhig zu genießen und dabei in einer allersüßesten Geduld abzuwarten, bis es Dir, o Herr und Vater, genehm sein wird, uns darüber ein helleres Licht geben zu wollen. - Aber die Menschen müssen da sehr schön sein! Ich kann zwar ihre Formen nicht näher wahrnehmen; aber so viel merke ich schon, daß sie ganz ungeheuer schön sein müssen."

19 Sage Ich: "Siehe, das ist die Sonne und ihre eigentlichen Bewohner! Die etwas Dunkleren sind noch in der Materie; die Lichteren aber sind Geister und hausen ebenfalls in der Sonne (s. die Natürliche Sonne). Später wirst du schon noch alles ganz vollkommen kennenlernen! Aber für jetzt wäre es noch etwas zu früh. - Gesehen haben wir nun, was die zweite Türe verschließt; daher begeben wir uns nun sogleich zur dritten Türe dieser (Nord-)Wand!"

20 Wir treten sogleich wieder ins Gemach und allda in die dritte, schon offenstehende Türe. Uns auf dem Balkone dieser Türe befindend, ersehen wir eine ganz natürlich erleuchtete Welt, ganz nahe beim dritten Aussichtsbalkone. Es kann von ihr natürlich (wie früher bei der Sonne) nur ein kleiner Landstrich auf einmal übersehen werden. - Robert fragt sogleich, was denn das so ganz eigentlich für eine Welt sei, ob vielleicht noch ein dunklerer Teil der Sonnenwelt?

21 Sage Ich: "O nein! Das ist der Erde Mond. Siehe dessen düsteres Land und dort in einiger Ferne eine kleine Gruppe zwerghafter menschlicher Wesen! Es sind das die eigentlichen Einwohner der von der Erde stets abgewandten (Mond)-Seite. Ihre größte Lust sind ihre Weibchen, die sie aus purer Liebe und Zärtlichkeit zumeist auf ihren Schultern umhertragen. Über ihnen, einige Klafter hoch, sehet ihr ganz muntere Geister umherschweben. Das sind die Seelen verstorbener Mondmenschlein! Ihre Freude ist, ihren noch sterblichen Brüdern Gutes zu tun und sie vor mannigfachen Gefahren zu schützen. Hauptsächlich richten sie ihr Augenmerk darauf, daß die sehr materiellen Geister, welche die der Erde stets zugewandte kahle Seite des Mondes sehr kastenmäßig bewohnen, nicht zu den Bewohnern der vegetativen (d.h. naturmäßig belebteren, von der Erde abgekehrten) Seite des Mondes gelangen können, wo sie diesen bedeutende Gefahren in ihr Haus, das in einer unterirdischen Höhle besteht, bringen würden.

22 Für jetzt wisset ihr genug von der Einrichtung dieses kleinen Weltkörpers! In der Folge und auf den Wegen der euch zukommenden Beschäftigungen werdet ihr das alles durch und durch kennenlernen; daher wollen wir uns nun auch nicht länger mit der Besichtigung dieser kleinen Welt abgeben, sondern uns sogleich in die erste Türe an der abendlichen (West-)Wand begeben und von dort wieder eine neue Betrachtung der Außenwelt machen."

296. Kapitel: Zur abendlichen Westwand! Blick durch die erste Türe. Eine Planetar-Mittelsonne, Mutter zahlreicher Planetarsonnen. Jesus erklärt die Einrichtung des geistigen Dioramas.

01 Alle treten nun wieder ins Gemach, und die erste Türe an der abendlichen (West-)Wand steht schon offen, ohne daß sie jemand eigens mit der Hand geöffnet hätte. Das ist für unseren Robert schon wieder ein neuer Stein des Anstoßes, und er fragt Mich sogleich um die allfällige mechanische Einrichtung, durch welche diese Türen wie von selbst eröffnet werden.

02 Ich aber sage zu ihm: "Freund, kannst du dir denn noch immer keinen vollkommenen Begriff von der Allmacht Meines Willens machen?" - Sagt Robert: "O vergib mir, bester Vater! Siehe, bei Deiner gar so großen Freundlichkeit und unglaublichen Herablassung vergißt man oft ganz, daß Du allmächtig bist, aber nun ist schon alles wieder in der schönsten Ordnung, und die Mechanik der von selbst aufgehenden Türe ist mir nun völlig klar."

03 Auf diese Erwiderung Roberts treten wir sogleich in die Türe, und vor den Blicken der neuen Bewohner des himmlischen Jerusalems dehnen sich unabsehbare Ländereien aus. Große Ströme durchfluten diese unermeßlich weit gedehnten Ländereien, und ihre Gewässer strahlen stärker als alles Licht der Erdsonne auf einen Punkt zusammengedrängt. Überaus große und prachtvoll bestellte Gärten werden nach und nach bei größerer Gewöhnung an das starke Licht der Ströme ersichtlich, und in der Mitte solcher Gärten erglänzen die großartigsten Prachtgebäude, in denen die Menschen dieser Lichtwelt, zu wohnen pflegen. Über den Lichtströmen aber sieht man überaus mächtig strahlende Menschengestalten schweben, deren Formen unbeschreiblich schön sind. Robert und noch einige halten sich die Hand vor die Augen, weil sie den zu mächtigen Lichtglanz nicht ertragen können, und fragen Mich, was denn das für eine Welt sei.

04 Sage Ich: "Das ist eine Mittelsonne, um die in weiten Kreisen Millionen von kleineren Planetarsonnen bahnen. Ihre anziehende Kraft ist so groß, daß sie alle die Millionen Planetarsonnen samt ihren Planeten in den vorgezeichneten Bahnen erhält und noch mehrere eben mit der gleichen, ungeschwächten Kraft erhalten könnte. - Was ist aber alle solche Kraft gegen die Kraft eines der geringsten Meiner Kinder! Ich sage euch: Sonnenalle sind ein Spielzeug zum Tändeln in den Händen Meiner Kinder! - Nun wisset ihr, was ihr nun schauet! Und da ihr dieses nur wisset, so wollen wir den Balkon wieder verlassen und zur zweiten Türe dieser abendlichen (West-)Wand übergehen."

05 Sagt Robert: "Herr und Vater! So ein bißchen möchte ich denn doch von der Möglichkeit einen Begriff haben, wie denn das bestellt ist, daß man hier von jeder Türe nun einen eigenen, großen Weltkörper ersieht - und doch steht eine Türe von der andern nur wenige Schritte ab! Wie ist das möglich? Wie können solche Weltkolosse nebeneinander bestehen, und das auf einem Raume von wenigen Schritten? Herr, ich bändige meine Geduld, was ich nur immer kann, aber es nützt leider nichts. Ich muß da ein kleines Lichtlein bekommen, sonst werde ich sogar hier im Reiche des vollkommensten Lebens krank."

06 Sage Ich: "Nun, nun, krank sollst du denn doch nicht gerade werden! Und das fürs erste, weil hier eine Krankheit rein unmöglich ist, und fürs zweite, weil Ich dir nun denn doch darüber ein kleines Lichtlein geben will! Und so höre denn! - Du hast schon ehedem von einem geistigen ,Diorama' etwas erwähnt. Und so sage Ich dir denn, es ist dies auch in Wahrheit solch ein geistiges Diorama, das aber freilich auf ganz anderen optischen Grundsätzen beruht als irgendein irdisches.

07 Siehe, jede dieser Türen ist gewisserart ein geistiger Hohlspiegel. Wenn die Türe aufgemacht wird, so ersiehst du das, was einer gewissen, ewigen Ordnung nach in deinem eigenen Herzen in kleinster aber dabei doch vollendetster Form wohnet. - Trittst du nun vor einen dieser Hohlspiegel, so ersiehst du den höchst vergrößerten Widerschein dessen, was nach einer genauest entsprechenden Ordnung sich aus deinem Vorrate auf der reinen Fläche des Spiegels gewisserart abspiegelt. Der Spiegel ist hier aber nicht etwa wie auf der Erde ein Glas, sondern eine reinste Himmelsluft, die also geglättet ist, daß sie für den rechten Bedarf eine hellste Wand bildet, an der das widerstrahlt, was bei der ihr eigenen Konstruktion der Ordnung nach von ihr aufgenommen werden kann.

08 Auf der Erde gibt es freilich wohl nichts Ähnliches. Die sogenannte Fatamorgana wäre wohl daneben einigermaßen in Betrachtung zu ziehen. Sie ist wohl auch eine Luftspiegelung; aber sie steht dennoch diesen (hier ersichtlichen) Spiegelungen himmelweit nach, denn sie nimmt jedes Objekt auf, das sich ihm vorstellt; diese Spiegelung hier in Meinem Hause aber nur, was ihr entpricht. Etwas ähnlicher wäre wohl die verschiedene Farbenstrahlung durch einen prismatischen (mehrkantigen) Spiegel, wo eine bestimmte Fläche bei gleicher Wendung nur entweder eine rote oder gelbe, blaue, grüne usw. Farbe zurückwirft. Was aber solch ein (prismatischer) Spiegel mit den formlosen Farben tut, das tut ein solcher Spiegel hier mit den Formen, die aus dem Herzen der vor ihm stehenden Engelsgeister auf seine Fläche überstahlen und seiner eigens gearteten Fläche zur Widerstrahlung entsprechen.

09 So Ich nun will, daß dieser oder auch ein anderer Spiegel nicht mehr da ist, so wirst du durch solch eine Türe nur das sehen, was natürlicherweise dies Mein Haus, das nach allen Seiten hin frei in der Mitte der großen Stadt steht, zunächst umgibt; denn das gewöhnliche Schauen und Sehen beruht hier auf denselben Grundsätzen wie das Schauen und Sehen auf der Erde, nur natürlich in der höchst reinsten Potenz.

10 Da aber solch ein Spiegel durchaus keine feste (undurchdringliche) Wand bildet, so ist allda die Einrichtung getroffen, daß ein jeder Geist im Falle der Notwendigkeit in größter Gedankenschnelle auch alsbald auf jenen wirklichen Weltkörper hingelangen kann, den er im Spiegel ersieht. Das geschieht auf dem Wege eines himmlisch-geistigen Rapportes (Zusammenhanges). Wie aber dieser beschaffen ist und wie er bewerkstelligt wird, das, Mein lieber Freund, wird dir alles mit der Weile klar werden. - Nun, wie sieht es jetzt mit deiner Krankheit aus? Meinst du etwa wohl, daß dich noch so ein Ungeduldsfieber packen wird?"

11 Sagt Robert: "O Herr und Vater! Du Liebe aller Liebe! Jetzt ist schon wieder alles in der schönsten Ordnung! Ich bin nun schon wieder um tausend irdische Unterrichtsjahre weiser und verständiger. Dir allein alle unsere Liebe und Anbetung ewig!" - Sage Ich: "Nun denn, so es dir jetzt leichter ist ums Herz, da gehen wir sogleich in die zweite Türe (der abendlichen Westwand). Sehet, sie ist schon eine Weile geöffnet!"

297. Kapitel: Blick durch die zweite Türe der Westwand. Eine Mittelsonne höheren Ranges. Staunenerregende Herrlichkeit der hier zu sehenden Städte und Bauwerke. Sind es Gebilde des Instinkts oder wahrer Weisheit?

01 Alle bewegen sich nun in diese zweite Türe in der Abendwand und erschauen da eine zweite Mittelsonne höheren Ranges, um die ganze Sonnengebiete (ihren Mittelsonnen anhängend), gleich den Planeten um ihre Planetarsonne, in übergroßen Bahnen kreisen.

02 Hier heben alle die Hände empor und schreien: "O Herr, o Herr! Zurück, zurück mit uns! Das ist nicht mehr zu ertragen! Das ist ja ein Licht, welches das der früheren Mittelsonne ums Trillionenfache übertreffen muß. Wir ersehen hier kein Ende mehr und können auch keine Formen mehr wahrnehmen. - O Gott O Gott! Du allmächtigster Herr der Unendlichkeit! Welch ein massenhaftes Licht! Welch eine Leuchtkraft!"

03 Sage Ich: "Schauet nur eine Weile hinein, und ihr werdet eure jungen Augen schon daran gewöhnen und werdet dann auch Formen entdecken!" - Sagt Robert: "Es wäre alles recht, wenn man es nur aushalten könnte! Das ist ja eine derartige Lichtstärke, daß sie, so dieses Licht in dieser Stärke auf die Erde fiele, dieselbe in einem kaum denkbar schnellsten Augenblicke in ein vollstes Nichts auflösen müßte. Unsere Augen sind - Dir O Herr und Vater allen Dank, alle Liebe und Ehre - doch schon sozusagen ziemlich ganz ans Licht stärksten Kalibers gewöhnt worden; aber da erleiden sie einen ordentlichen Schiffbruch, und ich kann tun, was ich will, so ist es mir rein unmöglich, auch nur eine volle Sekunde lang hineinzusehen. Wenn Du nicht eine Art Blende vor unsere Augen schaffst, so können wir hier ein volles irdisches Jahrtausend unsere Augen schulen und wir werden dann sicher noch nicht imstande sein, eine ganze Minute lang dies erschrecklich starke Licht anzuschauen."

04 Sage Ich: "Ei, ei, daß du doch allemal eine Sache besser verstehen willst, als Ich sie verstehe! So sieh in das Licht nur einige Augenblicke lang und du wirst dich ja dann überzeugen, ob es denn durchaus nicht zu ertragen sein wird. Denn siehe, ihr müsset euch hier auch das stärkste Licht zu schauen angewöhnen. Es geschieht dann und wann, daß Ich Selbst im Lichte der Gottheit in Mir erscheine, gegen das all dies Licht eine barste Nacht ist, wie könntest du dann Mich in solchem Lichte schauen, so dich schon dies geringe gar so belästigt? - Darum nur mutig hineingeschaut, es wird sich schon alles geben!"

05 Auf diese Worte fängt Robert an, mit anfangs freilich stark blinzelnden Augen, in diese zweite, große Mittelsonne hineinzusehen und sagt nach einer Weile: "Gott, Vater! Ich danke Dir für solche Deine große Gnade! Jetzt fängt bei mir die Sache schon so ein bißchen sich zu machen an, und ich ersehe nun auch schon Formen; aber sie halten sich noch nicht, denn des Lichtes Macht fischt sie noch von Zeit zu Zeit weg. Aber sie kommen nun doch als stets die gleichen immer wieder zum Vorscheine. O das muß eine gar überaus wunderbar herrliche Welt sein! Wahrlich, so eine Welt ist auch schon ein Himmel, denn da muß es sich überaus herrlich leben lassen, so man einmal das Licht gewöhnt ist.

06 Ah, ah, jetzt entdecke ich eine ungeheuer große Stadt, mit den aber großartigsten und wundervollsten Bauwerken überfüllt. Die Stadt hat eine Ähnlichkeit mit dieser Deiner heiligen Stadt aller Städte der ganzen Unendlichkeit. Merkwürdig, merkwürdig! Und siehe, so weit nun schon meine durch dies mächtigste Licht gewisserart getöteten Augen reichen, sehe ich Gärten und die herrlichsten, in einem ganz fremden Baustile erbauten Paläste. Ungeheuere Arkaden ziehen sich nach allen Richtungen hin, und auf diesen stehen die herren Säulen, und über diesen prangen erst Paläste von unbeschreiblicher Pracht. Oh, oh, das ist herrlich, überherrlich!"

07 Nun beginnen auch alle anderen anhaltender in das Licht dieser zweiten Mittelsonne zu schauen und entdecken auch nach und nach das, was Robert entdeckt hat. Ja einige sehen noch mehr. Sie gewahren eine überaus herrliche Pflanzenwelt, eine große Menge der merkwürdigstgn Tiere aber erdenklichen Art, und über den Arkaden und in den Gärten lustwandelt eine Menge unbeschreiblich schön gestalteter Menschen. Aus ihren freien und munteren Bewegungen läßt sich wahrnehmen, daß sie äußerst glücklich und zufrieden sein müssen.

08 Besonders bemerkt solches die Mathilde Eljah. Sagend: "O Gott, welch ein ewig nie vergleichbarer Unterschied zwischen solch einer Welt und unserer Erde! Da ist alles ein vollkommener Himmel; auf der Erde aber im Vergleiche mit dieser Welt alles eine barste Hölle. O Gott, o Vater! Das müssen ja gar überaus gute und weise Menschen sein! Auf dieser Welt wird es wohl sicher keinen Tod geben. Es scheint darauf auch nichts zu altern. Allenthalben strahlt ein ewiger Frühling, und jede Gestalt strotzt in aller Fülle der heitersten und ungezwungensten Jugend. - O Gott, o Vater! Welch eine Welt! - Auch die Tiere sehen überaus gutmütig aus. Wie die frommsten Lämmer wandeln sie miteinander und suchen auf den für sie bestimmten Plätzen das ihnen Zusagende und ihrer Natur sicher überaus süß schmeckende Futter.

09 O Herr, da muß es doch für jedes Deiner Kinder eine hohe Lust sein, ein Regent solch einer Welt zu werden. Ja, Dir Selbst muß es eine große Freude machen, diese lichtvollsten Gefilde zu betreten. - Nein, da dürfte ich nicht lange hineinsehen! Das könnte mich wahrlich so schwach machen, daß ich, ob ich wollte oder nicht, diese Welt betreten und mit deren gar wunderschönsten Menschen nähere Bekanntschaft machen müßte."

10 Sagt Peter Peter: "Du kannst die Geschichte ja versuchen, wirst aber nach meinem Dafürhalten schlecht auf Deine Rechnung kommen. Diese Wesen sehen wohl ihresgleichen untereinander, aber dich als einen Geist aus dem obersten aller Himmel dürften sie wohl durchaus nicht sehen können, weil sie denn doch mehr oder weniger von der Materie ihrer Welt umfangen sind. Und da hättest du ein schlechtes Vergnügen, so du nur sie sehen könntest, sie aber dich nimmer. Denn ich halte nach meiner gegründeten Mutmaßung dafür, daß diese Menschen gar keinen Tod haben, d.h. gar keine Verwandlung. Sie werden so, wie du sie nun erschaust, schon von ihrem ersten Entstehen an ein ihnen zusagendes, ewigis Leben beginnen. Ihre Werke zeigen zwar, das unter ihnen recht sehr viel Weisheit zu Hause sein wird, aber als Regel möchte ich das geradewegs auch nicht annehmen; denn es gibt ja auf der Erde Tiere und Tierchen aller Art, die im Ernste Dinge zuwege bringen, welche ihnen ein noch so weiser und erfahrenster Künstler nie nachmachen wird. Wäre es aber folgerichtig, so man solchen Tieren und Tierchen eine übersalomonische Weisheit zumuten möchte? Siehe, ebenso mehr oder weniger kann das auch bei diesen Menschen der Fall sein. Sie können gar leicht mehr Instinkts- als Weisheitsmenschen sein, und in solchem Falle würde dann unsereiner bei ihnen eben nicht viel Ansehendes finden. - Was sagst du zu diesem meinem nicht ungegründeten Dafürhalten?"

11 Sagt die Eljah: "Ja, ja, du dürftest da gerade nicht ganz unrecht haben. Nur nach der großen Mannigfaltigkeit des da vorkommenden zu urteilen, scheint es denn doch, daß diese Menschen mehr in einer wirklichen Weisheit sich befinden als in irgendeiner Art noch so ausgebildeten Instinktes. Denn solche Bauten in einem allerkühnsten Baustile, diese herrlichen Gartenanlagen, geben einen hinreichenden Beweis, daß bei diesen, stets vom mächtigsten Lichte umflossenen Menschen mehr als ein purer Instinkt zu Hause ist." - Sagt Peter Peter: "Ja, ja, du magst in dieser Hinsicht auch nicht unrecht haben! Aber ich bleibe hier so ziemlich fest bei neiner Ansicht."

12 Sage Ich: "Ihr habt in wechselweiser Beziehung beide recht! - Aber da Ich nun schon die dritte Türe (der abendlichen Westwand) eröffnet habe, so verlassen wir nun diese zweite und treten sogleich in die schon geöffnete dritte."

298. Kapitel: Die dritte Türe der Westwand zeigt eine All-Mittelsonne. Jesus über die Ordnung der Sonnensysteme, die Lichtstärke der Sonnen und ihre Größe. Den Schauenden zeigen sich die Feuergeister der All-Mittelsonne in ihrer Tätigkeit. (Am 21. Dez. 1850)

01 Alle treten nun in die dritte Türe der Westwand. Aber sobald sie einen Blick hinausgeworfen haben, kehren sie sich sogleich wieder um, und die Weiber stoßen einen starken Schrei aus, als wie einer, der sich über etwas mächtig entsetzt. Denn das hier entgegenstrahlende Licht ist wieder ums gar unvergleichbare mächtiger als das in der früheren Türe.

02 Und Robert und mehrere andere mit ihm sagen: "O Herr, o Gott, o Vater! Unsere Augen, die nun das Licht der früheren Sonne am Ende schon ganz leicht haben ertragen können, vermögen dies unbeschreiblich mächtigste Licht nicht mehr zu ertragen. Das Licht der früheren Sonne war doch ein ruhiges, obschon anfangs auch beinahe unerträglich stark. Dies Licht aber gleicht den mächtigst wallenden Flammen und sticht gar übergewaltig in die Augen, so daß man es nimmer zu ertragen vermag! Was ist das wohl für ein Licht? Ist das etwa auch wieder eine Mittelsonne?"

03 Sage Ich: "Allerdings, und das wieder eine einer höheren Ordnung. - Damit ihr aber das recht begreifet, so müsset ihr euch die Ordnung der Sonnensysteme also vorstellen:

04 Die vielen Millionen Planetarsonnen, um die sich die Planeten wie eure Erde bewegen, machen mit ihrer gemeinsamen Mittelsonne ein Sonnengebiet aus, und dessen Mittelsonne ist stets so groß, daß sie den körperlichen Inhalt ihrer um sie bahnenden Sonnen samt deren Planeten manchmal ums beinahe Hundertfache, manchmal gar ums Tausendfache, ja manchmal wohl auch ums Millionfache übertrifft; denn es gibt größere und kleinere Gebiete. Je größer aber ein Sonnengebiet ist, desto größer muß auch seine Mittelsonne in allen Teilen sein gegenüber der gesamten Fülle ihrer Nebensonnen, um diese trotz der (erforderlichen) größeren Entfernungen in den bestimmten Bahnen zu erhalten. Denn je mehr sich die Anzahl und die notwendige Entfernung der Nebensonnen vergrößert, desto größer muß auch das Volumen einer solchen Mittelsonne sein, um Meister all der sie umbahnenden Planetarsonnen zu sein.

05 Viele solche nun näher beschriebenen Sonnengebiete aber haben dann wiederum eine gemeinsame (Gebiets-)Mittelsonne und bahnen, von ihren (Gebiets-)Mittelsonnen getragen, in unvergleichbar größeren Kreisen um diese gemeinsame (höhere) Mittelsonne, die ganz natürlich wieder verhältnismäßig vielfach größer sein muß als alle ihre Sonnengebiete zusammengenommen - deren oft viele Tausende um eine solche zweite Mittelsonne (wie wir in der zweiten West-Türe eine gesehen haben) kreisen. Alle solche Sonnengebiete samt ihrer Mittelsonne geben dann ein Sonnenall.

06 Aber wieder haben viele Tausende solcher Sonnenalle einen gemeinsamen Mittelpunkt oder eine (noch höhere) Mittelsonne, die im gleichen Verhältnisse wieder oft ums Vieltausendfache größer ist in ihrem Raumgehalt, als alle die sie umbahnenden Sonnenalle. Und solch eine All-Mittelsonne ist ebendiese hier, die wir nun sehen.

07 Wie sich aber die Größen solcher Mittelsonnen steigern, also steigert sich auch ihr Licht. Ihr könnet das Verhältnis ungefähr also annehmen: Ist z.B. eine Planetarmittelsonne so groß, daß ihr Durchmesser eine volle Billion irdischer Meilen zählt, so zählt der Durchmesser einer Sonnengebiets-Mittelsonne das Zehnhunderttausend- oder Millionfache (was da eins und dassselbe ist) des Durchmessers einer Planetarmittelsonne, also eine volle Trillion irdischer Meilen. Und eine solche All-Mittelsonne, wie wir sie nun in dieser dritten Türe schauen, wächst dann wieder, je nachdem sie mehr oder weniger viele Sonnenalle beherrscht, ums Millionfache, manchmal sogar ums Billionfache in jeglichem Verhältnisse sowohl der notwendigen Größe als auch des Lichtes und kann dann wohl eine Quadrillion, manchmal sogar eine Quinquillion irdischer Meilen im Durchmesser fassen.

08 Sonnen dieser (in der dritten West-Türe ersichtlichen) Art (All-Mittelsonnen; ihr aus vielen Sonnenallen bestehendes Gebiet heißt ein All-All) haben schon ein vollkommen eigenes Feuerlicht und sind zur Bewohnung durch materielle Wesen auf ihren für euch beinahe unermeßbar weiten Oberflächen nicht geeignet. Dafür wohnen aber desto mehr Feuergeister ganz glücklich und behaglich in solch einem unermeßlich ausgedehnten Feuermeere und haben da ihre Wohnungen und ihre Herrschgebiete. Wohl bewohnen auch Körpermenschen solch eine Sonne, aber nicht die äußerste Oberfläche einer solchen Sonne, sondern eine mehr innere Sphäre. Denn alle Sonnen bestehen aus mehreren Sonnen, die inwendig in der äußeren Sonne ungefähr also sich befinden wie der Planet Saturn innerhalb seiner Ringe. - Wie aber alles das sich verhält und warum, werdet ihr in der Folge auf ein Haar genau kennenlernen.

09 Nun aber bemühet euch, auch das Licht dieser Sonne zu ertragen; denn ihr müsset in der Folge unendlichmal stärkere Lichter ertragen, um endlich auch Mein eigenstes Gottlicht ertragen zu können. Versuchet es nur, es wird schon gehen! Der Anfang ist stets schwer."

10 Auf diese Meine Aneiferung wenden sich alle wieder nach dieser Sonne hin und versuchen, ob es etwa wohl möglich sein sollte, am Ende auch dieser Sonne Licht zu ertragen.

11 Robert, dessen Augen gar sehr empfindlich sind, wendet sich an die stets anwesenden drei Apostel und sagt: "Liebe Freunde! Wie machet ihr es denn nun so ganz eigentlich, daß ihr gar so ungehindert in dies Licht schauen könnet? Ich weiß auch, daß das Beschauen dieses mächtigsten Lichtes meinen Augen durchaus keinen Schaden bringen kann, aber dennoch vermag ich vor zu großer Lichtstärke es nicht zwei Sekunden lang anzuschauen. Es macht mir auch gerade keinen Schmerz, so ich in dies Licht einen Blick werfe; aber die ungeheure, stechendste Lichtstärke verwehrt es ordentlich meinen Augen, ihre Majestät länger als eine flüchtige Sekunde lang anzugaffen. Saget, ihr lieben Brüder, wie ihr es so ganz eigentlich machet, daß euch ein solches Licht auch nicht im geringsten stört?"

12 Sagt Paulus: "Mein lieber Bruder! Ich sage dir nichts als das: Sei festen Willens, dann geht alles! Meinst du etwa, daß wir an unserer Sehe etwa schon derart abgestumpft sind, daß uns ein solches und ein noch ums unvergleichbare stärkeres Licht gar nicht mehr belästigen kann? O da wärest du in einer sehr bedeutenden Irre! Solch eines Lichtes ungeheure Kraft und Stärke empfinden auch wir gleich wie du selbst; aber unser Wille hat bei solchen Gelegenheiten jene entschiedene Kraft, die es mit jeder Lichtstärke aufnehmen kann, mit alleiniger Ausnahme der Lichtstärke in der innersten Gottheit des Herrn Selbst, die auch wir bei all unserer Willensbeharrlichkeit nie länger als drei kurze Augenblicke nur ertragen können. Du mußt demnach nicht so sehr bemüht sein, deine Sehe, sondern vielmehr nur deinen Willen zu stärken; dann wirst du jedes Licht ansehen können, und es wird dich keines mehr behindern. Versuche das, und du wirst dich sogleich überzeugen, daß ich ganz recht habe!"

13 Sagt Robert: "Will es versuchen und sehen, wie weit ich die Sache treiben kann." - Hier setzt sich Robert fest an und beginnt ganz glühenden Angesichtes in dies Sonnenlicht hineinzustarren. Nach einer Weile sagt er: "Bruder! Ihr habt denn doch ganz vollkommen recht! Nicht im Auge, sondern an meines Willens schwacher Entschiedenheit lag es. Als nun mein Wille entschiedener auftrat, da ging es anfangs freilich wohl sehr schlecht; aber nach einigen Minuten hatte sich alles Behindernde verloren.

14 Ich schaue nun auch dies Licht mit einer großen Leichtigkeit an und habe darob eine ganz unbändig große Freude; denn ich fange nun an, durch überaus klarste Ätherflammen eine ganz ungeheure Wunderwelt zu entdecken und sehe ungeheuer weitgedehnte Wohngebäude, in denen wahrscheinlich die vom Herrn ehedem bezeichneten Feuergeister wohnen werden. Merkwürdigermaßen besteht ein solches Gebäude eigentlich aus einer Unzahl von symmetrisch errichteten ungeheuer hohen Türmen, die untereinander mit unzählbar vielen Arkaden neben- und übereinander verbunden sind. Und nun ersehe ich auch wirklich menschenähliche Wesen auf den Arkaden umherwandeln. Ihre Bewegung ist aber schon eine ungemein schnelle! Das geht ja wie Blitze hin und her! Haben denn diese Geister gar so dringende Geschäfte, weil sie gar so hin und her rennen, als ob sie so ein wenig, wie man auf der Erde sagt - besessen wären?"

15 Sagt Paulus: "Ja, mein Freund, auf solch einer Sonne gibt es schon ganz kurios viel zu tun, was du nun freilich noch nicht zu fassen imstande bist! Aber auf diesen übergroßen und weitgedehnten Gebäuden kannst du schon den füglichsten Schluß ziehen, daß es in dieser Sonne gar ungeheuer viel zu tun geben müsse, und daher denn auch die große Emsigkeit dieser Geister! - Siehe, auf dieser ungeheuer großen Sonne brennt das allerreinste Gas, und dieses muß in stets gehörigster Überfülle vorhanden sein in den großen untersonnischen (soviel als unterirdischen) Gasometern. Und so ersiehst du hier vor uns nichts anderes als eine große ,Gasbereitungsanstalt', dergleichen es auf dieser Sonne Trillionen gibt. Auch auf der Erde bereiten gewisse Geister in den inneren Gemächern der sogenannten feuerspeienden Berge das brennbare Gas und zünden es auch an, wenn es einmal in einer gerechten Menge vorhanden ist. Das Gas selbst aber besteht im Grunde aus einfachsten Naturgeistern, die eine solche Läuterung zuvor durchmachen müssen, ehe sie in eine schon bestimmtere Wesenheit übergehen können. Auf der Erde aber sieht das alles krud und roh aus, was hier in der allergeordnetsten Weise verrichtet wird. - Nun weißt du vorderhand genug - und die mit dir! Darum schließet euch zusammen, denn wir werden uns nun sogleich südwärts wenden."

299. Kapitel: Durch die erste Türe der Südwand strömt das allgewaltige Licht einer Haupt- und Urmittelsonne. Näheres über deren Riesenverhältnisse. Dort lebende Wesen als Sonnenballwerfer. (Am 26. Dez. 185O)

01 Sage Ich darauf: "Ja, ja, also ist es! - Siehe hin, Robert, die erste Türe an der südlichen Wand, sie ist bereits geöffnet! Der noch bei weitem mächtigere Lichtglanz, der durch diese Türe dringt, bekundet, daß wir es hier mit einer für dich noch kaum begreifbar größeren Sonne, als die zuletzt geschaute Mittelsonne war, zu tun bekommen werden. - Dort werden wir uns auch am Schlusse der Ordnung materieller Schöpfungen Meines Willens und Meiner Weisheit befinden; daher begeben wir uns nun denn auch sogleich in diese Türe!"

02 Alle gehen nun mit einer förmlichen Furcht in diese Türe, (natürlich mit Ausnahme des Paulus, Petrus und Johannes, denen alles das schon durch und durch bekannt ist). - Als wir nun in die Türe kommen, kehren sich anfangs alle sogleich und hell aufschreiend um und beteuern die volle Unmöglichkeit, in dies Licht auch nur einen allerkürzesten Blick mehr wagen zu können; denn dieses Licht komme ihnen um viele Millionen-, ja Trillionenmal stärker vor als das Licht der früheren All-Mittelsonne.

03 Sage Ich: "Ja, ja, das kann Ich euch durchaus nicht in Abrede stellen! Aber es wird sich bei dieser letzten Haupt- und Urmittelsonne ebenso tun, wie es sich bei den früheren getan hat. Nur festen Willen, Mut und Beharrlichkeit, und es tut sich dann alles! - Nun, Freund Robert, hast auch du keinen Mut?"

04 Sagt Robert: "O Herr, es wird sich hier kaum tun! Der Glanz ist zu stechend! Man wird hier förmlich zurückgeworfen. Aber Ich will es in Deinem allerheiligsten und allmächtigen Namen versuchen. Ich werde anfangs die Augen völlig schließen und sie nach und nach zu öffnen anfangen. Vielleicht wird es dann gehen." - Sage Ich: "Tue, wie es dir rätlich dünkt! Aber besser ist es, wenn du gleich volloffenen Auges in dies Licht zu schauen beginnst. Ein paar Minuten Kampf und du hast auch dieses mächtigste alles materiellen Lichtes überwunden."

05 Sagt Robert: "Auch gut, es soll geschehen! Was Du o Herr und Vater willst und anordnest, muß ewig das Beste und Zweckdienlichste sein. Und so denn jetzt nur aufgeschaut, meine lichtscheuen Augen! Jetzt wird ein tüchtiger Lichtsturm euch zu schaffen machen." - Mit diesen Worten kehrt er sich schnell um und schaut, natürlich anfangs stark blinzelnd, in dies Licht.

06 Nach einer Weile spricht Robert hocherfreut auch über diesen Sieg: "Vater, Dir allen Dank, alle Ehre und alle Liebe! Auch dieses größte Licht gehorcht nun meinen ganz kleinen Augen. Oh, ich habe eine übergroße Freude darob! So sind denn bei Dir, o heiligster Vater, doch im allervollsten Ernste sogar die unmöglich scheinenden Dinge vollauf möglich! O Menschen auf der armseligen Erde! Euer Auge erblindet beim Anblicke eurer kleinen Erdsonne, deren Licht nicht die dezillionste Stärke von einem Funken dieses Lichtes hat. Was würdet ihr sagen, so ihr nur einen kleinsten Funken von diesem Lichte in eurem Naturzustande zu Gesichte bekämet?! Ich sage euch: Ein Funke würde genügen, um die ganze Erde im schnellsten Augenblicke in ein wahres Nichts zu verwandeln.

07 O Herr und Vater! Wie ist denn wohl solch eine über alle menschliche Berechnung stehende Steigerung des Lichtes möglich? Bei meinem nun allerglückseligsten, ewigen Leben! Ein Kubikzoll groß des Lichtes auf dieser Sonne hat im Grunde schon mehr Lichtkraft, als das Licht der ganzen irdischen Sonne auf einen gleichen Kubikzoll zusamnmengedrängt! Das ist doch für jeden noch auf der Erde wandelnden Doktor eine sicher unbegreiflichste Proportion - und dennoch ist es also! Jetzt sehe ich doch schon eine recht geraume Weile, und zwar schon ganz leicht, in dieses Licht; aber es will in Grunde durch die Angewöhnung meiner Augen nicht schwächer werden. - O Herr, o Vater! Ist das doch eine Kraft des Lichtes! Wie groß muß diese Sonne sein; wo muß sie sich befinden und welch einen furchtbar großen Zweck ihres ungeheueren Daseins mag sie haben?"

08 Sage Ich: "Das ist eine Haupt- und Urmittelsonne, um die sich genau sieben Millionen Sonnen-Allalle drehen und bewegen. Sie ist aber auch genau um eine Million Mal größer als alle die sieben Millionen Sonnen-Allalle. Ihr Durchmesser beträgt bei zwei Oktillionen irdischer Wegmeilen. Das Licht in größter elektro-magnetischer Schnelligkeit, auf die Sekunde vierzigtausend irdische Wegmeilen [1 deutsche Meile = 7,5 km; das Licht macht in 1 Sekunde rund 300000 km, d. Ed.] gerechnet, hätte viele tausend Trillionen Jahre der Erde zu tun, um von einem Pole zum andern dieser Sonne zu gelangen!"

09 Hier fahren alle voll Entsetzen zusammen. Und Robert sagt ganz zerknirscht: "Und solch ein Sonnenkoloß aller Kolosse (Herr, verzeihe mir diese dumme Frage!) ist auch von Dir erchaffen?! Von Dir, der Du hier so ganz allerherablassendst und gemütlichst von diesen Größen redest, als hättest Du bloß so mit einer Handvoll Erbsen, einer sehr unbedeutenden Frucht der Erde, zu tun!"

10 Sage Ich: "Ja, ja, Mein lieber Bruder! Nicht nur diese, sondern noch zahllos viele andere, die noch um vieles größer sind als diese, die du nun schauest! Denn diese ist geradewegs die Kleinste unter allen." - Sagt Robert: "Ich küsse Dir Deine Hände, o Gott, o Gott! Das zu denken ist wohl keinem geschaffenen Geiste möglich!" - Sage Ich: "Doch, doch, frage nur einen von Meinen drei Brüdern; sie werden es dir schon sagen, ob so etwas möglich oder nicht möglich sei."

11 Sagt Robert: "Ja, ja, es wird wohl schon alles möglich sein. Denn bei Dir ist alles möglich, aber daß das trotz der sichersten Möglichkeit etwas so ungeheuer Großes ist, daß darob sicher ein jeder Geist bis in sein Innerstes allergewaltigst erbeben muß (besonders so er ein erstes Mal solche Größen zu Gesichte bekommt) - das kann weder Petrus noch Paulus und ebensowenig der tiefstweise Bruder Johannes in Abrede stellen. Viele tausend Trillionen Jahre hätte das schnellste Licht zu tun, um von einem Pole zum andern zu gelangen!? O Herr, o Gott, welch eine schauderhafte Größe! Nein, nein, das wird in meinem Kopfe nie Platz haben! - Wie weit muß denn hernach so eine Sonne von unserer Erde abstehen, um von ihr aus nur als ein leuchtender Punkt gesehen zu werden?" - Sage Ich: "Eine Dezillion Meilen genügt, um sie bis zum scheinbaren Durchmesser der Venus zusammenzudrücken. Eine weitere Rechnung sei dir selbst zu einem Vergnügen!"

12 Sagt Robert und auch der Peter Peter mit ihm: "O Herr, mit solchen Berechnungen werden wir beide uns je weder unsere Köpfe und noch viel winiger unsere Herzen zerbrechen! Es sei, wie es ist nach Deinem allerheiligsten Willen; aber wir werden uns damit nicht gar zu sehr mehr abgeben; denn solche Größen verschlingen zu sehr all unser Denk- und Begriffsvermögen."

13 Sagt Robert allein weiter: "Nun, o Herr und Vater, beginne ich auch in dieser Sonne eine Menge großer Menschwesen zu entdecken! Sie müssen auch durch und durch überglühend sein. Aber von irgendeiner Art von Gebäuden entdecke ich nirgends etwas. Mit Hast wallen diese ganz entsetzlich großen Wesen in den allermächtigsten Flammen herum und scheinen bei solch einer sicher sehr heißen Tätigkeit überaus guten Mutes zu sein. Einige erheben sich von Weile zu Weile ziemlich hoch über das Lichtmeer und schleudern sehr stark glühende Bälle in die Unendlichkeit hinaus! Eine sonderbare Beschäftigung und Belustigung dieser Wesen! Sie scheinen auch eben nicht gar zu mathematisch zu berechnen, wohin sie ihre Feuerkugeln und himmlischen Granaten werfen. Die Geschichte scheint ganz dem Zufalle überlassen zu sein. Es könnte daher so ein Granatchen auch unter uns hierher so eine Reise unternehmen. Wahrlich, der erste möchte ich nicht, trotz meiner nun rein geistigen Beschaffenheit, gerade nicht sein, der von solch einem runden Gaste eine Kopfvisite bekäme! Diese Granaten dürften wohl auch hübsch umfangreich sein; denn mit gar zu besonderen Kleinigkeiten werden sich diese Riesen kaum abgeben. Wie groß etwa im Verhältnisse unserer Erde so ein Feuermensch dieser Sonne aller Sonnen doch ist?"

14 Sage Ich: "Wird hübsch groß sein, Mein lieber Robert; denn eine jede Kugel, die du von ihnen hintanschleudern siehst, ist größer als die Sonne der Erde, manche aber wohl auch kleiner."

15 Sagt Robert: "Ganz gehorsamster Diener! Diese Leutchen schnellen auf diesem Weltkörper nur gleich so mir und dir nichts Sonnen in die hübsch weite Unendlichkeit hinaus! Bravo, bravo; es kommt immer besser! Wenn demnach so ein Menschchen auf der Erde stünde, die für seine zarten Füße bloß so ein ganz kleinstes Sandkörnchen wäre, müßte es für ihn ein wahrer Spaß sein, den Bewohnern des Miron (nun Neptun genannt) den Schweiß von der Stirne zu wischen und, so es ihm am Ende beliebte, auch die ganze Sonne samt allen ihren Planeten, Monden und Kometen ganz bequem in seine Westentasche zu stecken. Ganz gehorsamster Diener! Ich meine, mein Gott, mein Herr und mein allerliebster heiliger Vater, mit diesen Leutchen wird unsereiner wohl nie Bruderschaft zu trinken imstande sein! Herr, Du lieber Vater! Du mußt mir's schon vergeben, so ich bei solchen Anlässen ein wenig humoristisch werde. Aber man kann sich dessen nicht enthalten, wenn man diese Größen mit den Größen der Erde vergleicht. Denn das geht schon ein für allemal ins Allerfabelhafteste über! Wohin aber fallen dann diese glühenden Kügelchen, die diese Menschlein so mir und dir nichts in die Unendlichkeit hinausschnellen?"

16 Sage Ich: "Die Meisten fallen wieder zurück auf den Boden dieser Sonne, hie und da aber auch einige in den endlosen Raum und werden dort in irgendeiner Raumestiefe zu Sonnen im Gebiete irgendeiner Mittelsonne." - Sagt Robert: "Aber da müßte denn doch auch zufälligerweise irgendwann eine einmal in die Nähe der Erde geraten, wovon aber in den Geschichtsbüchern der Erde wahrlich nichts zu finden ist."

17 Sage Ich: "Mein Freund! Fürs erste hast du noch gar lange nicht alle solche Bücher auf der Erde gelesen, und fürs zweite sind solche Erscheinungen von den gleichzeitig lebenden Völkern auch nicht getreu genug aufgezeichnet worden und erhielten sich bloß durch Überlieferung unter den noch wenig gebildeten Völkerhorden. Es sind aber dennoch schon mehrere solche Kügelchen als außerordentliche Kometen von der Erde aus gesehen worden, und es wird eben nicht zu lange mehr dauern, daß ein Gast durch das Gebiet der fernsten Planeten der Erdsonne eine Reise machen und sogar am hellen Tage gesehen werden wird.

18 Es sind aber noch keine dreitausend Jahre, als ein solcher Sonnenkomet durch das Gebiet der Saturnus- und Uranusbahn zog, und auf die Erde ein so starkes Licht warf, daß neben ihm die Sonne ganz matt leuchtend aussah. Freilich dauerte dieses Phänomen in seinem Vollglanze nur kaum einige Tage, und konnte wegen der zu großen Schnelligkeit dieses Passanten nicht länger geschaut und beobachtet werden. Vor ungefähr kaum einigen hundert Jahren ging auch ein solcher Gast durch, und konnte auch am hellen Tage gesehen werden. Alle Tage, Mein Freund, aber kann so etwas nicht statthaben. Wie und warum solches geschieht, das wirst du alles in der Folge kennen lernen. Betrachte aber nun diese Sonne nur noch eine kleine Weile; du wirst noch so manches entdecken, was dich hoch wundernehmen wird."

300. Kapitel: Weitere Arbeit der Feuerriesen auf der Haupt- und Urmittelsonne. Ausgeburt einer großen All-Mittelsonne. Näheres über deren Riesenverhältnisse. Dort lebende Wesen als Sonnenballwerfer. (Am 28. Dez. 1850)

01 Robert betrachtet noch eine Weile diese Sonne recht sehr aufmerksam und sagt dann: "Ich kann schauen, wie ich nur immer mag und will, so komme ich aber dennoch auf keinen Grund! Eine Lichtwoge drängt die andere, und die Feuerriesen scheinen eher in diesem Lichtmeere herumzuschwimmen als etwa auf irgendeinem festen Boden sich wie Ballettänzer umherzubewegen. Ich möchte nur sehen, woher sie ihre Glühkugeln nehmen und wie diese so ganz vollkommen mathematisch rund geformt werden, als hätte sie ein Kunstdrechsler nach dem besten Zirkel abgedreht.

02 Aha, aha! Was geschieht nun dort in einer ziemlichen Ferne von hier? Mehrere Feuerriesen richten ein ungeheuer großes Rohr in die Höhe. Dieses Rohr hat ohnehin schon eine überaus große Mündung, aber die Riesen ziehen diese noch stets mehr und mehr auseinander. Das ganze ungeheure Rohr muß aus einer sehr dehnbaren Masse sein, sonst ließe es sich schwerlich also wie auf der Erde ein Gummi elasticum auseinanderdehnen. Jetzt scheint es die rechte Weite zu haben! Tausend! Tausend! Das muß nach irdischem Maße eine ungeheure Weite haben, weil diese Riesen zu mehreren Hunderten nun um dies Rohr stehen, wobei zwischen dem einen und dem andern noch eine ziemliche Strecke leer ist, in der noch ganz gut zwanzig solcher Riesen Platz hätten. Was etwa da nun geschehen wird?! - Nun sehe ich, daß die Riesen ihren Mund öffnen, und dem Munde entströmen verschiedenartige Lichtformen. Was bedeutet das wohl?"

03 Sage Ich: "Das ist die Sprache dieser Wesen! Und sie geben nun einander zu verstehen, daß jetzt bald eine große Sonne, d.i. eine Zentralsonne, die ganze Sonnenalle in sich trägt, ausgeboren wird. Du wirst sie auch alsbald aus der weiteren Mündung steigen sehen. Gib nur acht"

04 Robert schaut hin und ersieht nun auch einen mächtigen Lichtball aus dem großen Rohre emporsteigen und sich dann mit großer Schnelligkeit in gerader Richtung von der Oberfläche der Sonne hinwegbewegen. - Über solche Erscheinung hoch staunend, sagt er: "Freunde! Das ist im vollen Ernste nichts Kleines! Wir sahen nun mit unseren höchsteigenen, unsterblichen Augen die Erstehung einer Mittelsonne, und das sicher einer solchen, die unter ihresgleichen nicht die kleinste sein dürfte. Sie ist bestimmt als eine All-Mittelsonne zu dienen, um die in Zeiten der Zeiten sich Trillionen Welten und Welten bewegen, und aus der sie ihr Licht, ihre Wärme, ihr Leben und ihre Nahrung schöpfen werden. Ach, ist das eine große Erscheinung! - Aber wohin wird diese Sonne gesetzt werden? In welchem Gebiete wird sie ihren großen Kreislauf beginnen? O Herr! Das sind Dinge, vor denen es sogar den größten und ältesten Erzengeln ehrfurchtsvollst grauen muß! Hier sieht man buchstäblich, wie neue Schöpfungen unter Deinen Blicken, o Herr, entstehen, große Wohnungen für Milliarden freier Wesen, die sie einst bewohnen werden. O Herr, das ist zu groß für uns winzige Geisterlein!

05 Aber nun möchte ich, damit doch so ein bißchen Ordnung in meinem Denken bewerkstelligt wird, nur das noch wissen, wie das auseinanderzuklauben ist: Diese Wesen werfen in einem fort kleine Sonnen aus, d.h. Planetarsonnen. Solch eine Sonne aber, wie diese nun durch das große Rohr getriebene All-Mittelsonne, gebiert dann mit den Zeiten der Zeiten auch wieder sowohl Mittelsonnen unterer Gattung und Ordnung, und diese dann in noch ferneren Zeiten der Zeiten unter ihnen stehende Gebietsmittelsonnen, und diese ihre etlichen Millionen Planetarsonnen. Nun, wie unterscheiden sich dann jene ordnungsmäßig ausgeborenen Planetarsonnen von diesen von hier ausgeworfenen? Ein Unterschied muß denn da doch sein?"

06 Sage Ich: "Siehe, jeder solcher Komplex von Sonnen- und Weltuniversums, die sich in den weitesten Kreisen um solch eine Urmittelsonne bewegen, ist in tiefster Ferne von all den Sonnenuniversums mit einer festen Hülse umfangen, durch die kein materielles Wesen dringen kann. Diese Hülse besteht aus einer eigenen, diamantartigen, durchsichtigen Materie und ist nach innen höchst spiegelglatt. Alles Licht nun, das von allen zahllos vielen Sonnen hinausgeht und von keiner Erde noch Sonne aufgefangen wird, wird dann von dieser Hülse aufgefangen und wieder zurückgeworfen. Da aber solch eine Hülse mit der Zeit auf ihrer inneren Spiegelfläche dennoch matter und matter werden könnte und dadurch ihren Dienst nicht vollauf verrichten möchte, so werden eben von dieser Urmittelsonne stets solche Lichtbälle von diesen riesigsten Geistern mit der entsprechenden Macht hinausgeschleudert, so daß sie mit der Zeit bis zu der besprochenen Hülsenfläche gelangen. Dort werden sie dann zur Reinigung jener Hülse verwendet. Die dortigen Reiniger aber sind wieder eigens dazu bestimmte große und mächtige Geister, die in großer Anzahl vorhanden sind und die ihr alle in der Folge ganz genau werdet kennenlernen. Denn siehe: Alles, was da geschieht in der ganzen Unendlichkeit, geschieht durch Meine Geister und großen Engel. Meine Kinder aber sind die Größten und Mächtigsten unter allen. - Verstehst du das?"

07 Sagt Robert: Herr, da bin ich sicher kein Kind von Dir! Denn bei Deinem allerheiligsten Namen, ich komme mir nun schon ganz entsetzlich klein vor und denke und fühle, daß es nun unter mir und über mir nichts mehr noch kleineres geben kann, als wie ich es nun bin. Ich darf an diese nun geschauten Größen gar nicht denken, sonst werde ich doch zu einem pursten Nichts. Ich habe schon an dieser beinahe dezillionmeiligen Urmittelsonne genug, um ihre Größe und Beschaffenheit ewig nie ganz zu begreifen. Am Ende kommt noch die sicher dezillionenmal Dezillionen Sonnen und andere Welten in sich fassende Hülse hinzu, gegen die diese Sonne in gar keinem Größenverhältnisse steht, und ist auch noch dazu bewohnt von mächtigen Geisterheeren! O Herr, o Vater! Da bleibt all mein Verständnis still wie der Tod selbst.

08 Ich habe mir in meiner natürlichen Beschränktheit die gamze Unendlicheit kaum größer (als solch eine Hülsenglobe) vorgestellt - Du aber sagtest, daß es im unendlichen Raume zahllos viele solcher Hülsen gebe! - O Herr! Ich rede nun nichts mehr. Denn das geht ins fabelhafteste alles Fabellhaften. Ich bin daher nun rein vernichtet, und alle meine allergrößtmöglichsten Gedanken ruhen nun gleich den jungen Schwalben in ihrem Neste. Den Schwalben werden zwar Flügel wachsen, mit denen sie zu sehr geschickten Luftseglern werden. Diese Auszeichnung dürfte meinen Gedanken schwerlich je wieder einmal zuteil werden. Ich meine, an dieser nun eingenommenen großartigsten Kost werden meine Gedanken auf ewig genug zu verdauen haben. Hier kann man nichts mehr tun und sagen als: »Herr Gott Zebaoth! Groß bist Du und groß sind die Werke Deiner Hände! Darum bist Du aber auch ganz allein alles in allem, und alles ist in Dir und aus Dir. Du bester, ewiger, heiliger Vater! Wir, Deine Kindlein aber sind nur groß in Deiner Liebe, die da ist unser Leben. Für uns selbst aber sind wir die pursten Nullen vor Dir, o heiligster Vater!«"

09 Sage Ich: "Schön, schön von dir, Mein lieber Freund Robert, daß du nun solches fühlest! - Aber dessenungeachtet mußt du dich nun dennoch mit der ganzen Gesellschaft auch in die zweite Türe dieser (Süd-)Wand begeben, wo du noch Größeres schauen wirst, und so machen wir uns denn nur wieder weiter auf den Weg! Denn siehe, die Türe steht bereits offen und harret unseres Eintrittes über ihre breite Schwelle! Und so gehen wir denn nun weiter! Es sei!"

301. Kapitel: Erschütternder Ausblick durch die zweite Mittagstüre: Das Gesamtbild der materiellen Schöpfung. Der große Schöpfungsmensch als verlorener Sohn. Dessen Wesen und Bestimmung. Gottes endloses Schöpfertum tut sich vor den Schauenden auf. (Am 30. Dez. 1850)

01 Alle begeben sich darauf sogleich mit großer Wißbegierde in die zweite Mittagstüre. Und als sie da anlangen, sagen alle: "Ah, da ist gut hinausschauen! Denn da haben unsere Augen mit keinem gar so mächtigen Lichte mehr zu kämpfen. So etwas tut sich! Aber bei diesen Sonnen war es, besonders bei den zwei letzten, schon gar nicht mehr auszuhalten! - Es fragt sich hier bloß, was wir hier denn so ganz eigentlich sehen? Es ist ein matt schimmernder Hintergrund, ungefähr also, wie auf der Erde die sogenannte Milchstraße schimmert in einer heiteren Sommernacht. Aber was hinter diesem Schimmer verborgen sein soll, das möchten wir nun erfahren, so es Dir, o bester, liebevollster Vater, genehm wäre." - Sage Ich: "Darum sind wir ja hier! - Tretet aber alle hier nur recht weit auf den Balkon hinaus, ansonst ihr das ganze Bild nicht völlig übersehen könnet."

02 Auf diese Beheißung gehen nun alle bis an den Rand des großen Balkons. Und Robert überschaut zuerst das große Schimmerbild und sagt: "Merkwürdig, übermerkwürdig! Das ist ja eine vollkommene Menschengestalt! Die Knie etwas vorgebogen. Die Hände hängen ganz nachlässig herab. Und das Haupt, mit langen Absalomshaaren versehen, schaut wie das eines Trauernden, nach vorwärts geneigt, in die bodenlose Tiefe hinab. Die Lenden sind mit einer sehr zerrissen aussehenden Schürze zur Not bedeckt. Kurz, die ganze Gestalt macht auf mich einen wehmütigen Eindruck! - Die ungeheuere Größe könnte einen gewisserart auf die Idee führen, als sei dies die Außengestalt des allwirkenden Geistes aus Dir, o Herr! Aber die Trauergestalt sagt mir, daß dies unmöglich der Fall sein dürfte. Auch müßte in Deinem Geiste, o Herr, ein Leben verspürbar sein. Von so etwas ist aber bei dieser Großgestalt keine Spur zu entdecken. Es ist wahrlich nur wie ein Phosphorbild, durch Deine Allmacht, o Herr, ans unermeßliche Firmament hingehaucht - und (dies alles) wird seinen wichtigen Grund haben, den aber freilich außer Dir wohl niemand kennen wird! - Herr, bitte, erläutere uns dies Bild!"

03 Sage Ich: "Ich möchte es wohl, aber du hast eine noch zu große Achtung vor materiellen Größen und so möchtest du bei nur einiger Erklärung denn doch etwa ein wenig zu sehr zu fiebern anfangen. Und da wäre es mir leid, dich hier in Meinem Reiche krank zu machen. Frage dich daher, ob du das Allerungeheuerste aus dem Reiche der Materie ertragen kannst oder es zu ertragen dir getrauest. - Sodann will Ich sogleich euch dies Bild ein wenig näher enthüllen."

04 Sagt Robert: "Herr und Vater voll der höchsten Liebe! Jetzt ist schon alles eins. Ich bin nun schon einmal in diesen Größen darinnen, und mein Gemüt ist damit auch schon ganz gehörig breitgeschlagen. Jetzt ertrage ich schon gleichwohl noch einige Dutzend solcher Hülsengloben, in deren jeder meinetwegen dezillionenmal Dezillionen Sonnen kreisen sollen wie sie wollen."

05 Sage Ich: "Nun gut, so sieh näher hin und sage Mir, was du nur erschauest!" - Sagt Robert: "Ich ersehe nun die ganze, ungeheure Gestalt, die nun beinahe alle Tiefen des endlosen Raumes auszufüllen scheint, wie sie aus lauter kleinsten, glitzelnden Sandkörnchen, allerdichtest aufeinander gestreut, besteht. Die Zahl dieser Glitzelpunkte ist offenbar eine ewig unendliche oder doch sicher eine solche, die kein geschaffener Geist sich mehr vorstellen und versinnlichen kann. Die ganze Gestalt aber nimmt sich nun auch um vieles besser aus; denn dieses Glitzeln verleiht ihr einen ganz eigentümlichen Majestätsnimbus! - Aber nun fragt es sich abermals, was da dieses alles besagt?"

06 Sage Ich: "Nun, so vernehmet denn alle das große Geheimnis! - Dieser Mensch in seinem ganzen Gehalte ist der urgeschaffene Geist, den die Schrift Luzifer (Lichtträger) nennt - noch immer im Vollbesitze seines großen Selbstbewußtseins, aber nicht mehr im Besitze seiner Urkraft. Er ist gefangen und gerichtet in allen seinen Teilen. Nur ein Weg steht ihm stets frei, und das ist der zu Meinem Vaterherzen. Für jeden anderen aber ist er gerichtet und so gut wie tot und vermag keinen Fuß und keine Hand auch nur um ein Haarbreit weiter zu bewegen.

07 Das aber, was dir wie glitzelnde Sandkörnchen vorkommt, sind lauter Hülsengloben, in deren jeder dezillionenmal Dezillionen Sonnen und dazu noch ums Millionfache mehr Planeten, Monde und Kometen enthalten sind. - Die Entfernung einer solchen Hülsenglobe von der andern aber beträgt in einer runden Zahl durchschnittlich genommen fast stets eine Million Durchmesser einer Hülsenglobe. Daß sie hier so dicht aneinandergereiht erscheinen, das macht fürs erste die scheinbar große Entfernung - und mehr aber noch das, daß du auch jene im Hintergrunde dieses Bildes befindlichen und, auf diese Art, überhaupt alle Hülsengloben erblickst, aus denen dieser ganze, grobe Leib besteht. Es ist dies ungefähr also, wie man von der Erde aus den gestirnten Himmel sieht, der fürs Auge auch wie eine gewölbte Fläche erscheint, die mit dicht aneinandergereihten Sternengruppen übersät ist, während in Wirklichkeit oft zwei scheinbar fest nebeneinander stehende Sternlein - eigentlich hintereinander sich befindend - ganz- gut mehrere Trillionen Meilen voneinander abstehen können.

08 Daß aber dieser Geist nun in sich also, wie gezeigt, in lauter solche feste Globen gesondert ist, das ist sein Gericht, und sein Leben, das dadurch in beinahe endlos viele abgeschlossene Teile getrennt ist, ist denn auch als kein Ganzes, sondern als ein höchst geteiltes anzusehen. Denn nur in jeder Globe ist Leben, außerhalb derselben aber kein anderes - als nur das Meines ewig unwandelbar festen Gottwillens. Jede Globe steht fest und kann ihr Standverhältnis gegen ihre Nachbargloben auch nicht um ein Haarbreit ändern.

09 Zu allerunterst in der linken kleinen Zehe aber ersiehst du einen etwas rötlich glitzelnden Punkt. Das ist eben jene Globe, in welcher sich naturmäßig unsere Erde und all das Sonnenwerk, das wir bis jetzt geschaut haben, befindet.

10 Und in eben diese Globe, und darinnen nur auf den Punkt Erde, ist das gesamte Leben dieses größten urgeschaffenen Geistes nun gebannt. - Will er sich dort demütigen und zu Mir wiederkehren, so soll sein Urleben wieder freigegeben werden. Und dieser große Mensch wird dann wie von einem ganz freiesten Leben durchweht sein. - Will aber dieser Urgeist Meiner Schöpfung in seinem hochmütigen Starrsinne verharren, so mag diese Ordnung, wie sie nun bestellt ist, auch für ewig verbleiben, wenigstens solange, bis die ganze Materie in ein neues, endlos vervielfachtes Seelen- und Geisterleben sich aufgelöst haben wird.

11 Diese letztere Ordnung wird aber auch dann fortbestehen, so der urgeschaffene große Geist eine rechte Umkehr machen würde. Er kann nunmehr nur als ein ganz einfacher Geist gedemütigt umkehren und muß dann frei aus sich seine Urtotalität für ewig fahren lassen, wofür ihm freilich eine unermeßbar größere, aber, wie jedem andern Menschengeiste, nur ganz einfache zuteil würde.

12 Das Hülsen- und Schotenwerk aber, das ohnehin bloß nur aus Meinem ewig festesten und unwandelbarsten Willen besteht, wird dann bleiben, entledigt alles nun in ihm enthaltenen Seelen- und Geisterlebens, als feste Unterlage und als ein ewiges Denkmal unseres großen Wirkens - an das sich dann ewig neue und reingeistige Schöpfungen reihen sollen. - Robert und all ihr anderen, saget, ob ihr das nun wohl ordentlich aufgefaßt und begriffen habt?"

13 Robert und alle anderen getrauen sich nun kaum zu atmen vor lauter Ehrfurcht. Nur Robert allein sagt nach einer langen Weile des höchsten Staunens: "O Herr, o Gott, o heiligster Vater! Ich komme mir jetzt geradeso vor, als wie ein in sich selbst endlosfältig vernichtetes Nichts. O guter Vater! Lasse uns eher ein wenig wieder zu uns selbst kommen, bevor Du uns etwa noch zu einer andern Türe führest! Denn das, was wir hier nun gesehen und gehört haben, hat uns alle zu sehr vernichtet, als daß wir nun imstande wären, noch etwas weiteres zu schauen und zu begreifen. - O Gott, wie groß und endlos erhaben bist Du doch! Nein, nein, das verträgt kein Geist! Das alles ist zu ungeheuer! O Gott, o Gott, o Herr, o Vater!"

302. Kapitel: Verhältnis materieller und geistiger Größe. Gleichnis vom künstlichen Riesenkorn und natürlichen Weizenkörnlein.- Durch die dritte Mittagstüre erstrahlt das Licht einer neuen Schöpfung der ewigen Liebe. (Am 1. Jan. 1851)

01 Sage Ich: "Ja, ja, groß ist alles, was ihr nun geschaut habt, für alle hier in Meinem wahrsten, ewigen Reiche noch jungen Bewohner, die noch zu wenig in ihres Lebens eigene Gemächer haben schauen können. Werden sie aber einmal mit ihrem innersten Leben oder eigentlich mit Meiner Liebe in ihnen vertrauter, dann wird ihnen so etwas, das der gerichteten Materie angehört, ganz klein vorkommen - da ein kleinster Funke Meiner Liebe alle diese Materien in einem nie berechenbaren Verhältnisse übertrifft, sowohl in der wirklichen, wahren Größe wie auch in der Beschaffenheit. Ein kleines Bild soll euch diese Sache anschaulich machen.

02 Sehet, ein Künstler in der Bildnerei verschiedenartiger Naturdinge betrachtete auf der Welt durch ein gutes sogenanntes Mikroskop ein Weizenkorn und bildete es dann auf einer eigenen Kittmasse in einem sehr vergrößerten Maßstabe von Pore zu Pore ab, so daß er dadurch ein wahres Riesenweizenkorn vor sich hatte, das an Größe das natürliche Original um mehrere Millionen Male übertraf. Er stellte dieses riesiege Produkt seiner Kunst auch zur Schau und erklärte dabei um einen kleinen Lohn den künstlichen Bau solch eines Weizenkornes. Da kam aber auch ein weiser Mann hinzu, dieses künstliche Riesenkorn zu betrachten. Als er es beschaut und den Künstler belobt hatte, sagte er weiter: »Freund! Ihr habt neben dem großen künstlichen Korne auch mehrere natürliche. Welches dünkt euch in Wahrheit größer zu sein - euer künstliches oder so ein natürliches in seiner bestandlichen Winzigkeit?« - Spricht der Künstler: "Freund! So eure Augen messen können, da vergleichet eines mit dem andern, und ihr werdet, ohne ein Wort von mir darüber nötig zu haben, gar leicht selbst euch den Bescheid zu geben imstande sein!« - Worauf der Weise spricht: Wohlan, so höret es denn! Ein jedes der kleinen Weizenkörner ist endlos mal größer als euer künstliches! Denn in jedem kleinen Korne wohnt im Keimeshülschen Gottes Kraft, die aus jedem Korne endlos viele Körner zu schaffen imstande ist, die am Ende zusammengenommen euer totes Riesenkorn an allem endlos übertreffen müssen. Denn alles, was in sich nicht groß ist, weil ohne Leben, ist höchst klein, und wäre es dem Raumumfange nach auch größer als eine ganze Welt. Das Kleinste aber, das in sich birgt Gottes Kraft und Leben, ist größer als eine ganze, tote Unendlichkeit!«

03 Was dieser Weise dem Künstler sagte, dasselbe sage Ich nun auch euch. Diese materielle Schöpfung ist wahrlich groß, und wer ihrer achtet in gerechter Weise, wird eine große Freude an ihr haben. Aber in eines jeden Menschen Herzen liegt endlos Größeres, als da ist das alles, was ihr nun sehet. Denn das wird nimmer größer als es ist. Ihr aber werdet ewig in eurem Herzen wachsen an Liebe, Erkenntnis und Weisheit. Ihr könnet nun schon diesen großen Schöpfungsmenschen überschauen und ihn berechnen und verstehen. Er aber ist tot und vermag das nimmer. Dazu wisset ihr auch noch, daß eben dieses große Bild aus euch selbst hier widerstrahlet. So aber das alles in euch und nicht außer euch ist, wie groß müsset dann ihr sein, da solches alles in eurem Herzen Platz hat?! Wundert euch daher nicht zu sehr über solche Größen; denn ihr wisset ja und müsset es wissen, daß es vor Mir nichts Großes gibt und geben kann außer allein die Liebe in den Herzen Meiner Kinder zu Mir, ihrem Vater!

04 Wäre solch eine Schöpfung für Mich groß genug, so möchte Ich ewig keiner zweiten mehr gedenken. Aber ihr sehet, das große Bild hat seine Grenzen, ohne die es kein Bild wäre. Außerhalb des Bildes aber sehet ihr nichts als einen unendlichen, für diesen Großmenschen leeren Raum - der für uns aber nicht leer, sondern schon ziemlich gefüllt ist.

05 Kommet nun in die dritte Türe (der Mittagsseite) und ihr sollet das sogleich mit euren höchsteigenen Augen schauen! Die Türe steht bereits offen, und ihr ersehet nun schon bei der Annäherung ein gar liebliches Licht euch entgegenströmen, aus dem ihr schließen könnet, daß dies Licht euch aus einer zweiten Schöpfung Meiner Liebe entgegenkommt und nicht mehr aus Meiner ersten, deren Licht den Flammen Meines Zornfeuers entströmt und nichts schaffet als Gericht über Gericht. - Gehet und schauet euch sonach den Beginn der weiten, wahrhaft endlos großen Schöpfung an und saget, was ihr alles sehet und fühlet!"

303. Kapitel: Ausblick durch die dritte Mittags-Türe. Der große herrliche Lichtmensch der neuen Schöpfung. - Schluß (Am 2. Jan. 1851)

01 Alle eilen nun nach Meinem Worte in die dritte Mittags-Türe und sehen da wieder einen endlos großen Menschen von durchaus allersanftest und lieblichst strahlendem Lichte umflossen. Nur aus der Gegend des Herzens dringt ein mächtiges Licht hervor, das aber das Auge nicht beleidigt, sondern in ihm nur ein überaus wonnigstes Gefühl hervorruft. Unter dem linken Fuße aber ist in einer halb liegenden, mit dem Kopfe abwärts gewandten Stellung eine ganz kleine Menschengestalt zu ersehen, die jener in der zweiten Türe geschauten ganz ähnlich ist und hier von einem höchst matten, etwas rötlichen Schimmer umgeben ist.

02 Robert fragt natürlich sogleich, was dies alles vorstelle. - Und Ich Sage: "Da hast du die erste und die zweite Schöpfung nebeneinander! Der große Lichtmensch stellt die neue Schöpfung dar, einen neuen Himmel und eine neue Erde. Hier befindet sich die Erde nicht mehr in der untersten und kleinsten Fußzehe, wie dies bei der ersten, materiellen Schöpfung der Fall war und noch ist - sondern im Zentrum des Herzens dieser neuen Schöpfung. Das mächtige Licht aus der Gegend des Herzens entstammt der neuen Erde, die ein ewiges Wohnhaus Meiner Liebe und aller Meiner Kinder bleiben wird.

03 Wenn du diesen übergroßen Menschen alldort voll hellsten Lichtes genauer betrachtest, so wirst du leicht entdecken, daß auch er aus zahllos vielen, herrlichen Sternen besteht, sein Gewand sowohl als sein ganzer Leib. Dieser Sterne einer ist um unberechenbar vieles größer als der ganze, in der zweiten Türe gesehene Mensch mit all seinen zahllosen Hülsengloben (in deren jeder, wie dir nun schon bekannt ist, dezillionenmal Dezillionen Sonnen und noch ums viele Millionenfache mehr Erden bahnen). Denn diese Sterne sind Vereine, von seligsten Geistmenschen bewohnt, von denen jeder kleinste uns Tausendfache größer und mächtiger ist, als jener erste Mensch, dessen Bild du hier im rechten Verhältnisse zu diesem zweiten Himmelsmenschen unter dessen kleinster Fußzehe gleich einem gekrümmten Würmchen ersiehst. Er ist gegen die wirkliche Größe dieses zweiten Menschen kaum das, was da ist ein irdisch Sandkorn gegen die Größe des ganzen Hülsenglobenmenschen.

04 Dieser zweite Mensch aber stellt im Grunde des Grundes Mich Selbst in Meiner Wirkung auf einem schon vollbestellten Acker dar.

05 Du siehst aber, daß auch die Form dieses zweiten Menschen notwendig eine Begrenzung haben muß, ansonst du dir daraus keinen Menschen erschauen könntest. - Was ersiehst du aber über diese Form hinaus, die vollaus in all ihren Teilen pur Leben ist?"

06 Sagt Robert ganz zerknirscht: "Herr und Vater! Ich sehe Licht und Licht soweit das Auge reicht!" - Sage Ich: "Das ist alles Mein Geist, Meine Macht, Meine Liebe! - Hier werden noch zahllose Myriaden solcher Großmenschen den allergeräumigsten Platz finden und haben. Denn alle Meine Kinder müssen ja auch Raum haben, um ihre Schöpfungen unterbringen zu können.

07 Nun aber, Meine lieben Kindlein und Brüderchen, wissen wir vorderhand und für die erste Stunde eures Seins in Meinem Hause genug! Daher werden wir auch die drei Türen gen Osten jetzt nicht öffnen, denn ihr würdet jetzt noch nicht ertragen, was diese verschließen. Wenn ihr aber einmal einheimischer und mit all den Einrichtungen dises Meines Vaterhauses vertrauter sein werdet, dann werdet ihr auch den Inhalt dieser drei Türen gen Osten beschauen können.

08 So viel aber sage Ich euch dennoch in aller Kürze, daß die erste das gesamte Geisterreich der Erde und dann aber auch das aller andern zahllosen Sonnen, Erden und Monde jeder einzelnen Hülsenglobe enthält. - Die zweite Türe zeigt im Vordergrunde den ersten oder untersten Weisheitshimmel unserer Erde und im Hintergrunde dieselben Himmel der Welten aller Hülsengloben. Im gleichen Verhältnisse enthält die dritte Türe den zweiten oder Liebe-Weisheitshimmel, zuvörderst der Erde und im Hintergrunde aller Hülsengloben. - Für den dritten und obersten, reinen Liebehimmel aber, in dem ihr euch befindet und euch ewig befinden werdet, findet sich hier keine Türe, und das darum, weil wir ohnehin in demselben uns vollauf befinden. In den unteren Himmeln aber befindet sich in eines jeden Engelsgeistes Wohnung auch eine Türe in den dritten Himmel. Dieselbe ist jedoch sehr schwer und manchmal auch gar nicht zu eröffnen, was besonders im untersten Himmel und ganz besonders in dem anderer Welten oft der Fall ist.

09 Nun aber wisset ihr auch, wie gesagt, im allgemeinsten vorderhand genug und beinahe alles, was ein jeder Engelsgeist dieses obersten aller Himmel wissen muß. Die sonderheitliche, von ewig steigendem Interesse begleitete Einsichtsgewinnung ins einzelne aber nimmt hiermit ohnehin ihren Anfang und dauert ewig fort und fort, stets auch größere Seligkeiten der Seligkeiten nach sich ziehend.

10 Begeben wir uns daher nun wieder hinauf in den großen Saal, von wo aus ihr dann mit Meinen Brüdern euch in der großen Stadt umsehen und euch ganz frei nach jeglicher Lustliebe eurer Herzen vergnügen könnet.

11 Mich aber werdet ihr stets daheim antreffen.

12 Zugleich werden euch die drei Brüder eure für ewig bleibenden Wohnzimmer und ihre Einrichtung zeigen und zuweisen - dir, Bruder Robert, vor allem auch eine geheime Türe, durch die du allezeit zu deinem Vereine gelangen kannst, wann immer du willst, dort (in dem Vereine) ordne und richte du alles in Meinem Namen vollkommen ein und sei all deinen dir Untergebenen ein rechter Führer und Bruder!

13 Genießet von nun an ein jeder von euch die vollste Freiheit und vergnüget euch mit allem, daran euer Herz ein Wohlgefallen findet! Denn hier herrscht die vollste Freiheit, da gibt es für den Geist kein Gesetz mehr und somit auch ewig keine Sünde! (Denn die göttliche Liebe ist aller Himmelsbewohner freiester und unverbrüchlicher Lebensgrund.)

14 So geschehe denn nun, was ich von Ewigkeit angeordnet habe!"

15 Nach diesen Worten begeben wir uns alle hinauf in den Saal, allwo uns eine große Menge seligster Brüder und Schwestern auf das allerfreundlichste begrüßen. Hier erst nimmt dann auch die freundlichste himmlische Geselligkeit ihren Anfang. Und alle verfügen sich nach und nach allerseligst und glücklichst in ihre ewigen, wunderbar herrlichen Wohngemächer und bringen Mir ein großes Lob dar.

16 Das aber ist denn nun auch die in aller umständlichsten Fülle gezeigte Führung eines großen Geistes in der Geisterwelt.

17 Wohl dem, der sie mit redlichem Herzen betrachtet und sein Leben darnach einrichtet! Er wird dereinst auch diesen Weg zu machen haben, so er redlichen Herzens ist. Hat er ihn schon auf Erden getreu mitgemacht, so wird er dereinst (drüben) nur einen sehr kurzen Weg zu wandeln haben.

18 Jeder aber lese das Kundgegebene mit dem Herzen und nicht mit dem Kopfe, so wird er dadurch in seinem Leben zu einem großen Segen gelangen und der Tod wird weichen aus seinen Lenden. Wer es aber lesen wird mit dem puren Verstande, der wird darinnen seinen Tod finden, aus dem er schwerlich je wieder erwachen wird.

Ende des Werkes